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Captain Concho – Band 49

Bill Murphy
Captain Concho – Der Rebell aus Texas
Band 49
Concho und die Yankee-Spionin

Western, Heftroman, Bastei, Köln, 66 Seiten, 1,70 €, Neuauflage, Titelbild von Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

Kurzinhalt:
Voller Verzweiflung, vorwärts gepeitscht von Todesangst, hetzt eine junge Frau durch das Hotel, in dem sich das Hauptquartier der Konföderierten befindet. Sue Barney ist als Spionin zum Tode verurteilt worden. Am nächsten Morgen soll die Hinrichtung stattfinden. Der Zufall will es, dass sie Captain Conchos Weg kreuzt. Ohne lange zu überlegen, hilft er ihr, der Yankee-Spionin! Es ist ein spontaner Entschluss, der ihn Kopf und Kragen kosten kann. Aber nun gibt es kein Zurück mehr für ihn. Auch wenn dieser Weg mitten in die Hölle führt …

Leseprobe:

Captain Concho befand sich im Begriff, das Hotel zu verlassen, um zu seinen Männern zurückzukehren, als die Tür vor seiner Nase aufflog und eine hübsche junge Frau von der Straße hereingestolpert kam und in seinen Armen landete.

Bildschön war sie. Sie besaß ein ovales Gesicht mit hohen Wangenknochen und meergrünen Augen, ein kleines Näschen und volle sinnlich geschwungene Lippen.

Sie war völlig außer Atem. Das hübsche Gesicht glänzte feucht, und ihre Haut war vor Erschöpfung weiß wie Schnee. Ihr geradezu irrer Blick verriet ihm, dass sie sich in Todesangst befand.

»Bitte!«, hauchte sie ihm ins Gesicht und schloss die Augen. »Retten Sie mich! Ich möchte nicht sterben.«

Ihre Knie gaben nach. Captain Concho griff fest zu. Da hörte er ihre Verfolger schon angerannt kommen. Hart dröhnten die Stiefel von Colonel Firemans Soldaten auf dem Sideway.

Mit einem Schlag war Sam Concho klar, wen er da in den Armen hielt.

Diese Frau war eine feindliche Spionin und sollte erschossen werden.

In Colonel Firemans Hauptquartier, das sich in diesem Hotel befand, war unter den Offizieren in den letzten Stunden von nichts anderem die Rede gewesen.

Captain Concho hatte diese Frau zuvor nicht gesehen. Doch etliche von Firemans Offizieren. Von ihnen hatte Concho gehört, dass es sich bei dieser Spionin um eine außergewöhnlich hübsche und faszinierende Frau handelte. Doch keiner hatte ihm gesagt, wie hübsch und wie faszinierend sie war.

Eine Spionin der Yankees! Da hatte sich der Colonel von seinen Offizieren nicht umstimmen lassen. Er hatte nur eines getan: Um Weisung aus Richmond gebeten, und diese Weisung war eindeutig gewesen: Erschießen!

Vor dem Speiseraum befand sich eine Besenkammer!

Captain Concho sah sich um und führte die Spionin zu der schmalen Tür. Obwohl es in der Halle gewöhnlich von Offizieren, Kurieren und Ordonnanzen wimmelte, war im Moment niemand zu sehen. Er öffnete die Tür und schob sie hinein, schloss ab und lehnte sich dagegen.

An der Spitze ein Sergeant, kamen ein Dutzend Infanteristen in das Hotel gestürmt.

»Wir suchen eine junge Frau, Captain!«, rief der Sergeant und hielt mit den Männern ein. »Sie ist hier hineingerannt.«

Wortlos zeigte Captain Concho zur Hintertür, und die Soldaten rannten trampelnd und polternd weiter.

»Sie macht aber bedeutend längere Schritte als ihr!«, rief Concho den Männern nach.

Zwei Offiziere kamen die Treppe herunter, lehnten sich über das Geländer und sahen den Infanteristen neugierig nach.

»Was ist denn los, Captain?«, rief der eine, und beide kamen in die Halle herunter.

»Keine Ahnung!«, behauptete Concho.

»Bis demnächst mal wieder!«, sagte der eine.

»Schlagen Sie den Yankee, wo Sie ihn schlagen können!«, sagte der andere.

Beide grüßten und verließen das Hotel.

Captain Concho schloss die Besenkammer auf und glitt hinein. Der Duft ihres Parfüms erfüllte den kleinen Raum. Trotzdem wurde ihm die Tragweite seiner Handlung bewusst. Sie war schließlich eine Spionin des Feindes!

»Es tut mir leid!«, sagte er. »Mehr kann ich für Sie leider nicht tun. Als Sie die Agententätigkeit für den Norden begannen, hat Ihnen da niemand gesagt, womit Sie zu rechnen haben, wenn Sie gefasst werden?«

»Ich bin keine Spionin!«, hauchte sie. »Ich bin unschuldig.«

»Die Verhandlung hat das aber nicht ergeben!«, erwiderte Captain Concho.

»Ich bin sehr vermögend!«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Bitte bringen Sie mich zu den feindlichen Linien. Ich werde Sie gut bezahlen.«

Concho verzog das Gesicht. »Sie sagten eben, dass Sie unschuldig sind.«

»Ich kann es doch nicht beweisen!«, erwiderte sie erregt.

»Nicht so laut, Ma’am!«

»Sie entschuldigen!«, sagte sie und weinte. »Hier kann ich doch nicht mehr leben. Was bleibt mir anderes übrig?«

Da hatte sie schon recht! Ob sie nun eine Spionin war oder nicht. Beim Gegner war sie besser aufgehoben. Doch was für ein Ansinnen war das an ihn!

»Sie haben den feindlichen Schiffen da draußen auf dem Meer das Auslaufen unserer Handelsschiffe und Blockadebrecher signalisiert, Ma’am. Ich bin bei den Verhandlungen nicht zugegen gewesen. Aber meine Kameraden haben mir berichtet, dass Ihnen das nachgewiesen worden ist.«

Sie weinte leise vor sich hin, »Bleiben Sie hier drin«, sagte er. »Ich werde Sie einschließen, damit niemand hier herein kann. In einer Stunde ist es dunkel. Ich werde Sie aus der Stadt bringen. Aber dann müssen Sie selbst weitersehen.«

»Ich danke Ihnen, Captain!«

Captain Concho öffnete die Tür einen Spalt, sah niemanden und glitt hinaus. Er hatte den Schlüssel noch in der Hand, als es in der Halle lebendig wurde. Offiziere kamen die Treppe herunter und betraten die Halle des Hotels von der Straße her und aus dem Speiseraum. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, dass die Spionin entkommen war. Aufregung herrschte.

Major Marc und ein junger Lieutenant traten auf ihn zu.

»Gut, Sie noch anzutreffen!«, sagte der Major aufgeräumt. »Wollen Sie abwarten, ob unsere Leute das Frauenzimmer einfangen? Ist doch ein Hammer, oder? Also ich hätte ihr das nicht zugetraut. Sie soll zwei unserer Männer zu Boden geschlagen haben.«

Auch der Major war gegen eine Hinrichtung gewesen. Irgendwie schien es ihn zu freuen, dass der Frau die Flucht gelungen war.

»Sie ist hier an meiner Nase vorbei gerannt«, sagte Concho. »Aber um wen es sich handelte, habe ich erst mitgekriegt, als die Wachmannschaft ins Hotel kam.«

»Ach!«, staunte der Major. »Sind die Männer ihr dicht auf den Fersen gewesen?«

»Würde ich nicht sagen!«, erwiderte Captain Concho und wandte sich der Straßentür zu. »Sie ist ganz schön gerannt. Ich dachte, da kommt die Feuerwehr.«

»Ein tolles Stück!«, erwiderte der Major und schlug dem jungen Lieutenant auf die Schulter. »Der junge Mann hier, Captain Concho, möchte sich zu Ihnen versetzen lassen. Der Colonel hat zugestimmt, sofern Sie einverstanden sind, selbstverständlich.«

Der Lieutenant schlug die Sporen aneinander und salutierte schneidig »Lieutenant James Baley, Captain!« Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.

Concho gab ihm die Hand.

»Na meinetwegen, Lieutenant! Pulver gibt es bei uns im Moment auch nicht zu riechen, wenn Sie darauf scharf sein sollten. Aber das kann sich rasch ändern. Kommen Sie morgen hinaus und melden Sie sich bei mir in der Stellung.«

Wieder knallte der junge Offizier die Sporen aneinander. »Ich danke Ihnen, Captain! Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich sofort mit Ihnen reiten. Gepackt habe ich schon.«

Auch das noch!, dachte Captain Concho. »Ich habe etwas dagegen, junger Mann«, sagte er und zwinkerte dem Major zu. »Denn ich reite erst spät in der Nacht oder gar erst morgen früh zeitig.«

Der Major glaubte ihn zu verstehen und zwinkerte zurück. »Also dann morgen, Lieutenant. Der Captain ist heute Abend hier noch beschäftigt.«

»Zu Befehl! Ich melde mich morgen Vormittag draußen in der Stellung!«, rief der Lieutenant, machte schneidig kehrt und trat ab.

Der Major gab Captain Concho die Hand. »Etwas Blondes?«, fragte er grinsend.

»Schwarz!«, erwiderte er wahrheitsgemäß, denn die Spionin hatte schwarzes Haar.

»Der Lieutenant wird Ihnen berichten, ob die Spionin wieder eingefangen werden konnte, sollten Sie das heute Abend nicht mehr erfahren«, sagte der Major und wandte sich anderen Offizieren zu.

Captain Concho trat auf die Straße hinaus. In ganz Mobile waren jetzt Streifen unterwegs, und an den Straßenkreuzungen standen Posten. Er nahm sein Pferd am Zügel und führte es hinter das Hotel. Neben dem Stall stellte er das Tier ab und sah sich ein wenig ratlos um..

Auf was hatte er sich da eingelassen! Er war von ihrer Schuld eigentlich überzeugt. Mehrere Schiffe waren draußen vor der Bay von den Yankeekriegsschiffen versenkt worden. Viele Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Und er trug sich mit dem Gedanken, ihr zur Flucht in die Freiheit zu verhelfen!

Eine Strafe hatte sie da durchaus verdient. Eine harte Strafe. So eine Hinrichtung hielt er für unmenschlich. Welche Todesängste und Höllenqualen hatte da ein Delinquent auszustehen, bis er an den Pfahl treten musste. Meist wurden die Gemüter der Soldaten, die das Peloton zu stellen hatten, nicht minder in Mitleidenschaft gezogen. Eine ekelhafte Sache war so etwas. Erst recht, wenn es sich um eine Frau handelte.

Aber hatte er eigentlich das Recht, ihr gleich zur Freiheit zu verhelfen?

Und verdammt noch einmal! Hätte er einen Mann in der Besenkammer versteckt? Mit ziemlicher Sicherheit nicht.

Die hübsche Larve, ihre Hilflosigkeit und ihre Angst hatten ihn gerührt.

Aber konnte er jetzt zu Colonel Fireman gehen und ihm gestehen, dass er sie in der Besenkammer versteckt hatte?

Da war ihr das Peloton sicher. Jetzt noch, nachdem er ihr so viel Hoffnung bereitet hatte.

Er hatte A gesagt – musste er B sagen? Da blieb ihm wohl nicht anderes übrig.

Weshalb, zum Teufel, war er nicht sofort losgeritten, als Colonel Fireman die Besprechung beendet hatte?

Hadern half nun nicht mehr. Schon gar nicht mit dem Schicksal. Er hatte sich alles selbst zuzuschreiben. Im ersten Moment nicht, doch als er sie vor den Soldaten in der Besenkammer versteckte, hatte er genau gewusst, um wen es sich da handelte.

Sollte er mit Major Marc sprechen? Doch er verwarf den Gedanken. Der Major würde ihm weder helfen noch raten können. Er bezweifelte zwar, dass der Major Meldung machen würde, aber, wozu sollte er, einen Kameraden in diese heikle Angelegenheit verwickeln und auch noch dessen Gewissen belasten?

Die Spionin hatte ihn überrumpelt. Aber schließlich war er kein Schuljunge mehr und hätte sich der Sache eigentlich gewappneter erweisen müssen.

Er kehrte ins Hotel zurück, ging in die Bar und bestellte einen Whisky. Draußen dämmerte es. Es wurde neun und zehn, und noch immer herrschte in der Hotelhalle ein Betrieb, als wäre in den Hafen von Mobile die Flotte der Konföderation eingelaufen.

Es ging auf Mitternacht, als er es wagen konnte, einen Versuch zu unternehmen. In der Garderobe hing der Mantel eines Marineoffiziers Captain Concho sah sich verstohlen um und nahm den Mantel vom Haken, als gerade niemand hersah. Rasch glitt er damit in die Halle hinaus. Drei Offiziere verließen lärmend das Hotel. In der Halle war kein Mensch mehr.

Concho schloss die Besenkammer auf und warf den Mantel hinein. »Ziehen Sie den Mantel über und kommen Sie heraus!«, raunte er und schloss die Tür wieder.

(wb)