Timetraveller – Episode 2
Die Rückkehr
Ein Sturm fegte über das Gelände der Avila-Universität. Doch so plötzlich er gekommen war, so rasch verschwand er auch wieder.
Vier Gestalten standen nun dort, wo vor Sekunden noch ein Blitz in den Boden eingeschlagen war.
»Endlich zu Hause!«, rief eine junge Frauenstimme überglücklich.
Die drei jungen Männer blickten noch etwas benommen drein, stimmten aber einige Zeit später, jeder auf seine Art und Weise, in den Gefühlsausbruch von Claire Bancroft mit ein.
»Scheint so, als hätten wir es geschafft«, stellte Markus Becker, seines Zeichens Physik- und Gaststudent der Avila-Universität, trocken fest. In seiner Stimme lag aber auch ein leichter Unterton, der nicht wirklich so recht glauben machte, dass seine Worte ganz der Wahrheit entsprachen.
Markus blickte auf den Glaszylinder, den seine rechte Hand nach wie vor mit festem Griff umklammert hielt. Dieser 15 Zentimeter breite und 30 Zentimeter lange Gegenstand war eine Zeitmaschine, mit denen es den vier Studenten der Avila-Universität gelungen war, durch die Zeit zu reisen.
Doch diese Reise hatte so ihre Tücken.
Und ehrlich gesagt glaubte Markus langsam nicht mehr daran, dass er wirklich nur eine reine Zeitmaschine in Händen hielt. Denn ihr vergangenes Abenteuer hatte seine Vermutung bestätigt, dass sie mit dieser Maschine nicht nur durch die Zeit, sondern auch in Parallelwelten reisen konnten, deren historischer Verlauf andere Wendungen genommen hatte als auf ihrer eigenen Welt.
So waren Claire, Dan, Ken und er zwar in das Jahr 1923 gereist, um der Ausgrabung Carters beizuwohnen, doch statt die Entdeckung des Grabes von Tutenchamun persönlich mit zu erleben, waren sie in einen Krieg zwischen England und Ägypten geraten. Die vier Timetraveller waren aus dieser gefährlichen Situation nur wieder lebendig herausgekommen, indem sie in letzter Sekunde die Zeitmaschine benutzt hatten.
Markus zuckte plötzlich zusammen, als irgendwo ein Hund aufheulte.
»Was war das denn?«, kommentierte der Sportstudent Dan Simon das Geheule.
Sekunden später wurden sie wieder und wieder von den unsäglichen Geräuschen berieselt.
Das Heulen des Hundes ging den vier Studenten durch Mark und Bein und Claire zuckte regelrecht zusammen, als das Heulen anstatt abzunehmen an Intensität eher zunahm.
»Was ist das bloß für ein Köter«, sagte sie. »Das hört sich nach einem riesigen Tier an.« Ihre Stimme klang verängstigt.
Unterdessen blickte Markus Becker gen Himmel und bemerkte: »Gut, dass wir heute keinen Vollmond haben. Sonst säßen wir ganz schön in der Scheiße.«
Ken und Dan sahen sich fragend an. Hatte Markus etwa einen Witz gemacht?
»Was meinst Du damit?«
Der Gaststudent sah kurz zu den beiden und erwiderte trocken: »Fängt mit einem großen W an.«
Bei Ken Okumoto schien der Groschen nach wenigen Sekunden gefallen zu sein und er winkte ab. »Werwölfe?« Er lachte kurz und humorlos auf. »Es gibt verdammt noch mal keine Werwölfe.« »Was soll denn jetzt der Quatsch?«, fragte Dan etwas genervt.
»Wenn ihr meint«, antwortete der Physikstudent zweideutig.
»Kommt. Lasst uns von hier verschwinden und zum Unigelände gehen. Das Heulen wird mir langsam unheimlich«, unterbrach sie Claire.
Dan nickte und folgte der jungen Studentin. Ken und Markus schlossen sich ihnen an.
Wenige Minuten später betraten sie zusammen das Hauptgebäude der Uni. Der Campus der Avila-Universität befand sich mit zehn Gebäuden auf einem etwa 20 Hektar großen Gelände in einem schönen Vorort von Kansas City, in dessen Nähe einige Parks und ein kleines Einkaufszentrum lagen.
Die vier blickten sich um. Dabei schaute Ken Okumoto kurz auf seine Uhr und stutzte.
»Wir haben doch gleich 10.00 Uhr. Wo sind denn bloß die ganzen Studenten? Um diese Zeit ist hier doch meistens die Hölle los!«
»Stimmt. Vielleicht ist irgendetwas passiert.«
»Was soll denn hier schon passiert sein?«
»Was weiß ich«, erwiderte Claire. »Eine Bombendrohung, ein Amokläufer …!«
»Auf unserer Universität?« Dan Simon lachte ungläubig. »Rede doch keinen Quatsch. Ich glaube, Claire, du schaust zu viel Fernsehen. Die vielen Berichte über Mord und Totschlag in den Nachrichten machen einen mit der Zeit etwas durcheinander!«
»Wie meinst du das?«, erwiderte die Geschichtsstudentin etwas pikiert.
Doch zu einer Antwort kam Dan nicht mehr. Als hinter ihm ein klirrendes Geräusch ertönte, drehte sich der Sportstudent um und sah Markus dabei zu, wie dieser gerade die Notfallaxt aus dem Glaskasten neben der Tür zum Notausgang entwendete.
»Was willst du denn damit?«
»Man kann nie wissen«, kommentierte Markus sein Tun. »Besser, wir sind bewaffnet. Wir sollten eigentlich etwas aus unserem Abenteuer in Ägypten gelernt haben. Oder etwa nicht?«
»Nämlich?«
»Immer mit dem Unerwarteten zu rechnen!«
Dan sah fragend zu Ken. »Was ist denn plötzlich in Markus gefahren?«
»Keine Ahnung«, erwiderte der Japaner, »so kenne ich ihn auch noch nicht, aber vielleicht denkt er noch an seinen Werwolf.«
»Leider habe ich meine Silberkugeln heute nicht dabei«, scherzte Dan.
»Kein Problem«, entgegnete Becker, der die Worte seiner Freunde gehört hatte, »Werwölfe kann man auch töten, indem man ihnen den Kopf abschlägt oder einfach den Schädel spaltet.«
Ken und Dan sahen sich an und verstanden die Welt nicht mehr. Markus hatte das ernst gemeint!
Der verstaute unterdessen die Zeitmaschine in einem Rucksack, den er irgendwo entdeckt und entleert hatte, nachdem er darin nichts Wichtiges gefunden hatte. Dann griff er mit seiner rechten Hand nach der Axt und folgte seinen drei Mitstreitern mit ernster und entschlossener Miene.
***
Nachdem die vier jungen Leute den größten Teil der Universität durchsucht hatten, stellte Claire schließlich resigniert fest: »Keine Menschenseele. Sind wir denn in der richtigen Zeit gelandet?«
Die Geschichtsstudentin sah Markus fragend an. Dieser zeigte der jungen Frau statt einer Antwort einfach nur das Display von Evans Zeitmaschine, die als Datum den 30. April 2006 zeigte. Markus stutzte kurz, was keiner seiner Freunde mitbekam. Laut sagte er: »Bist du nun zufrieden?«
»Nicht ganz«, erwiderte die junge Frau. »Als wir unsere Reise nach Ägypten antraten, war es Oktober. Das heißt also, wir sind sechs Monate zu früh zurückgekehrt.«
»Ist das so schlimm?«, unterbrach sie Dan.
»Das weiß ich nicht. Da musst du Markus fragen, der ist doch der Experte«, sagte Claire. Ihre Stimme klang etwas schnippisch.
»Und, ist es schlimm?«, wandte sich der Sportstudent an Markus. Der überlegte kurz und antwortete: »Nur, wenn wir uns plötzlich selbst gegenüberstehen sollten. Das müssen wir vermeiden. Am besten, wir tauchen irgendwo unter.«
»Ich wüsste da auch schon eine Lösung«, meinte Ken. »Wir könnten uns im Ferienhaus meiner Eltern verstecken.«
»Oder einfach noch einmal die Zeitmaschine benutzen und die sechs Monate in die Zukunft reisen.«
»Auch eine Möglichkeit, Claire«, sagte der Deutsche, »aber willst du das Risiko wirklich noch mal eingehen?« Die junge Frau schüttelte den Kopf.
»Aber wo verdammt noch mal sind denn die ganzen Leute? Keine Studenten und keine Professoren sind zu sehen, noch nicht mal eine Putzfrau ist hier zu finden. Auch Fred, der Hausmeister, scheint wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Was ist denn hier bloß los?«, brach es dann aus ihr hervor.
Ken und Dan wussten keinen Rat und schauten sich gegenseitig fragend an. Nur Markus versuchte etwas anzudeuten. »Könnte es vielleicht sein …«
Doch als Claire dieses Ich-will-es-nicht-wissen-Gesicht aufsetzte, verstummte er lieber. Warum sollte er sich auch mit der Frau herumzanken. Das brachte sowieso nichts und glauben würde sie ihm wahrscheinlich auch nicht.
»Was machen wir jetzt?«, fragte die junge Studentin ihre drei Mitstreiter.
»Keine Ahnung«, entgegnete Dan schulterzuckend.
»Vielleicht sollten wir erst einmal in Evans Labor zurückkehren und schauen, ob mit der Zeitmaschine noch alles in Ordnung ist.«
»Willst du damit etwa andeuten, Markus, dass du bei der Programmierung etwas falsch gemacht hast?«, entgegnete Ken.
»Nein, bei der Programmierung nicht. Aber wir sollten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Außerdem erinnere ich euch an die Explosion. Vielleicht hat die Maschine dabei etwas abbekommen. Wir sollten auf alle Fälle auf Nummer sicher gehen.«
»Sind wir deshalb statt in Evans Labor auf dem Unigelände gelandet?«
»Schon möglich. Also gehen wir nun zum Labor oder hat einer von euch eine bessere Idee?«
Claire, Dan und Ken hatten im Grunde keine Einwände, denn keiner von ihnen mochte oder konnte einen besseren Vorschlag vorbringen.
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