Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Curumilla – Erstes Buch, Kapitel 2

Gustave Aimard
Curumilla
Eine Abenteuergeschichte aus dem Jahr 1861
Kapitel 2 – Die Botschaft

Nachdem Valentin den General so plötzlich verlassen hatte, wie es zu Ende des vorhergehenden Kapitels beschrieben wurde, schien er keineswegs zu befürchten, dass man ihm nachstellen werde, denn er mäßigte kurze Zeit später seinen raschen Gang.

Als er ungefähr einige Hundert Schritte von der Stelle entfernt war, an welcher seine Unterhaltung mit Don Sebastian stattgefunden hatte, blieb er stehen, schien sich zu orientieren, blickte gen Himmel und ging dann weiter. Anstatt aber seinen Weg in Richtung des Missionsdorfes einzuschlagen, wandte er vielmehr diesem den Rücken, schwenkte um und näherte sich dem Flussufer, das er vor Kurzem erst verlassen hatte. Von Zeit zu Zeit hielt er inne, nicht um auf irgendein unerklärliches Geräusch zu lauschen, sondern vielmehr den Gedanken nachzuhängen, die ihn verfolgten und ihn für Außenstehende gleichgültig machten. Valentin war offenbar bemüht, eine Sache zu entscheiden, die ihn zu schaffen machte.

Nach einer Viertelstunde erblickte er wenige Schritte vor sich einen matten Schein, der zwischen den Bäumen hindurchschimmerte. Es schien ein Lagerfeuer zu sein.

Valentin blieb stehen und pfiff leise. Im selben Augenblicke wurden die Zweige eines Busches, der etwa fünfzig Schritt von ihm entfernt war, auseinandergebogen und ein Mann trat vorsichtig heraus.

Es war Curumilla.

»Nun?«, fragte Valentin, »ist sie gekommen?«

Der Araukaner nickte bejahend mit dem Kopf.

Der Jäger zeigte seinen Unmut durch eine Gebärde.

»Wo ist sie?«, fragte er.

Der Indianer deutete mit dem Finger in Richtung des Feuers, welches der Jäger bereits bemerkt hatte.

»Hol der Teufel die Frauen!«, brummte der Jäger, »es sind die widersprüchlichsten Geschöpfe, die es geben kann. Sie lassen sich nur von ihren Leidenschaften leiten und stoßen dadurch, ohne daran zu denken, die tiefsinnigsten Berechnungen um.« Er fügte laut hinzu: »Habt Ihr meinen Auftrag nicht ausgerichtet?«

Der Indianer entschloss sich zu reden. »Sie will nichts hören«, sagte er, »sie will sehen.«

»Ich wusste es«, rief der Jäger aus, »so sind sie alle und ihre verdrehten Köpfe taugen zu nichts als zu Schellen für die Maultiere! Diese ist übrigens noch eine der Besten! Führt mich zu ihr, ich werde mich bemühen, sie zu überzeugen.«

Der Indianer lächelte spöttisch, antwortete aber nicht. Er wandte sich um und führte den Jäger an das Feuer.

Kurz darauf befand sich der Jäger am Rand einer geräumigen Lichtung, in deren Mitte Dona Angela und Violanta, ihre Zofe, an einem Feuer auf über einander gehäuften Pelzen ruhten.

Zehn Schritt hinter den beiden Frauen standen mehrere, bis an die Zähne bewaffnete Peonen auf ihre Lanzen gelehnt und warteten auf die Befehle ihrer Herrin.

Als Dona Angela die nahenden Schritte des Jägers hörte, blickte sie auf und stieß einen Freudenschrei aus.

»Da seid Ihr endlich! Schon verzweifelte ich daran, Euch zu sehen.«

»Vielleicht wäre es auch besser gewesen, wenn ich nicht gekommen wäre«, antwortete der Jäger mit einem unterdrückten Seufzer.

Das junge Mädchen hörte entweder die Antwort Valentins nicht oder gab sich wenigstens den Anschein, als ob sie sie nicht höre.

»Liegt Euer Lager weit von hier«, erwiderte sie.

»Wir müssen, ehe wir dorthin gehen«, sagte der Jäger, »einige Worte miteinander reden, Señora.«

»Was habt Ihr mir so Interessantes oder vielmehr Dringendes mitzuteilen?«

»Ihr sollt es gleich selbst hören.«

Das junge Mädchen nahm die ergebene Miene jemandes an, der sich entschließt, etwas anzuhören, was, wie er vorher weiß, unangenehm sein wird.

»Redet«, sagte sie.

Der Jäger ließ sich die Aufforderung nicht zweimal sagen.

»Wo hat Sie Curumilla getroffen?«

»In der Hacienda, in dem Augenblick, wo ich aufs Pferd stieg, um herzukommen. Ich hatte nur auf ihn gewartet, um aufzubrechen.«

»Hat er versucht, Sie davon abzubringen?«

»Allerdings, ich bestand aber darauf, zu kommen, und habe ihn gezwungen, mich herzuführen.«

»Daran taten sie Unrecht, Nina.«

»Weshalb?«

»Aus tausend Gründen.«

»Das ist keine Antwort. Führt mir einen an.«

»Wegen Eures Vaters vor allem.«

»Er ist noch nicht in der Hacienda angekommen. Ehe er eintrifft, werde ich wieder da sein. Von dieser Seite habe ich nichts zu fürchten.«

»Sie irren. Ihr Vater ist angekommen, ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen.«

»Ihr! Wo? Wann?«

»Hier vor etwa einer halben Stunde.«

»Das ist unmöglich«, sagte sie.

»Dennoch ist es wahr. Ich kann sogar hinzufügen, dass er mich töten wollte.«

»Er?«

»Ja.«

Das junge Mädchen blieb eine Zeit lang nachdenklich. Nach einer Weile blickte sie auf, schüttelte wiederholt den Kopf und sagte entschlossen: »Sei’s drum! Ich werde auf jeden Fall unerschütterlich bleiben.«

»Was hoffen Sie von der Zusammenkunft, Nina? Wissen Sie nicht, dass Ihr Vater unser erbittertster Feind ist?«

»Diese Warnung kommt zu spät. Ihr hättet mir sie geben sollen, als ich Euch meinen Vorschlag machte.«

»Das ist wahr. Damals hegte ich aber noch Hoffnungen, die ich in der gegenwärtigen Situation aufgeben kann. Bestehen Sie nicht darauf, Don Louis zu sehen, Nina. Glauben Sie mir. Kehren Sie lieber unverzüglich zur Hacienda zurück. Was soll Ihr Vater denken, wenn er Sie bei seiner Ankunft nicht vorfindet?«

»Ich wiederhole nochmals, dass ich mit Don Louis eine sehr ernste Unterredung zu haben wünsche. Es ist sowohl um meinetwillen als um seinetwillen notwendig.«

»Bedenken Sie die Folgen eines solchen Schrittes.«

»Ich bedenke nichts. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich mich allein zum Condé begeben werde, wenn Sie sich länger weigern, Ihr Versprechen zu erfüllen.«

Der Jäger betrachtete sie eine Zeit lang mit einem seltsamen Ausdruck, schüttelte traurig den Kopf, ergriff ihre Hand, drückte sie herzlich und sagte im sanften Ton: »Es soll alles nach Ihrem Willen geschehen. Niemand kann seinem Schicksal entgehen. Kommen Sie! Gebe Gott, dass Ihr Eigensinn kein großes Unglück herbeiführt.«

»Sie sind ein Unglücksvogel«, sagte sie lachend. »Auf! Auf! Sie werden sehen, dass es besser abläuft, als Sie vermuten.«

»Ich bin bereit, bitte aber, sich mir anzuvertrauen und Ihr Gefolge hierzulassen.«

»Ich bin damit einverstanden. Ich werde nur Violanta mitnehmen.«

»Wie Sie wollen.«

»Auf einen Wink ihrer Herrin ging die Zofe zu den Peonen und erteilte ihnen den Befehl, bis zu ihrer Rückkehr die Lichtung unter keinen Umständen zu verlassen.

Anschließend begaben sich die Frauen unter der Führung Valentins zum Lager der Freibeuter. Curumilla bildete die Nachhut.

Als sie einige Hundert Schritt gegangen waren, blieb Valentin stehen.

»Was fehlt Ihnen?«, fragte Dona Angela.

»Ich habe Bedenken, die Ruhe meines Freundes zu stören. Er wird mir es vielleicht nicht danken, dass ich Sie zu ihm bringe«, antwortete Valentin.

»Nein«, versetzte sie, »Ihr täuscht mich, das sind nicht Euer Bedenken.«

Er blickte sie verwundert an.

»Mein Gott!«, fuhr sie lebhaft fort, »meint Ihr denn, dass ich nicht weiß, was Euch beschäftigt? Ihr seid erschrocken darüber, zu sehen, dass ein junges, reiches, vornehmes Mädchen, wie ich es bin, einen unschicklichen Schritt tut, der sie, sobald er bekannt wird, hoffnungslos um ihren Ruf bangen muss. Sicher! Wir Mexikanerinnen sind nicht so kalt und steif wie die europäischen Frauen, die alles vorher abwägen. Wir lieben oder hassen und in unseren Adern strömt kein Blut, sondern die glühende Lava unserer Vulkane. Meine Liebe ist mein Leben! Was kümmert mich das Übrige. Bleiben Sie ein wenig zurück und lassen Sie mich allein zum Grafen gehen. Ich bin überzeugt, dass er meine Tat richtig auffassen und nach ihrem wahren Wert würdigen wird. Er ist kein gewöhnlicher Mensch. Deshalb liebe ich ihn. Eine so innige und heiße Liebe wie die meinige besitzt eine gewisse magnetische Anziehungskraft, welche verhindert, dass man sie verschmäht.«

Die junge Mexikanerin war sehr schön. In ihrer hoch aufgerichteten Gestalt, dem stolz zurückgeworfenen Kopf, den blitzenden Augen und den zuckenden Lippen lag sowohl etwas Jungfräuliches und als auch Bacchantisches.

Der Jäger fühlte sich vom Anblick des jungen Mädchens und ihrer glänzenden Schönheit unwillkürlich ergriffen. Er verneigte sich ehrerbietig vor ihr und sagte mit bewegter Stimme: »Gehen Sie und gebe Gott, dass sich mein Bruder durch Sie wieder an das Leben gebunden fühlt!«

Sie lächelte mit einer unbeschreiblichen Mischung von Schlauheit und Zuversicht und hüpfte mit der Leichtigkeit eines Vogels mitten in die Büsche hinein.

Valentin und Curumilla standen nahe genug vom Lager entfernt, um zu sehen, was dort vorging, konnten aber die Worte, die gewechselt wurden, nicht verstehen.

Sie beschlossen, an der Stelle, wo sie sich befanden, zu warten und nur dann hervorzutreten, wenn ihre Gegenwart unumgänglich notwendig wäre.

Das Lager befand sich noch in gleichen Zustand, wie es der Jäger verlassen hatte, um sich mit dem General zu treffen. Don Louis und Don Cornelio schliefen immer noch fest.

Dona Angela verhielt sich eine Zeit lang still und warf einen Blick voll unerschütterlicher Entschlossenheit auf Don Louis. Sie beugte sich sacht zu ihm, aber in dem Augenblick, wo sie seine Schulter leicht berühren wollte, um ihn zu wecken, schreckte sie plötzlich ein Geräusch auf. Sie richtete sich rasch empor, blickte sich erschrocken um und eilte zurück in das Gebüsch.

Kaum hatte sie sich entfernt, als das Geräusch, welches sie an der Ausführung ihres Vorhabens hinderte, immer näher kam. Kurze Zeit später konnte man deutlich den gemächlichen Schritt einer größeren Truppe und das dumpfe Knirschen der Räder mehrerer Wagen vernehmen.

»Ihre Begleiter kommen«, sagte Dona Angela schnell zu Valentin, zu welchem sie zurückgekehrt war. »Sie sind nicht mehr weit von der Mission entfernt. Kann ich noch immer auf Sie rechnen?«

»Jederzeit«, antwortete er.

»Ich habe mich anders entschieden. Ich will mich nicht so mit dem Grafen verständigen, sondern am hellen Tag und vor aller Augen. Ihr werdet mich bald wiedersehen. Lebt wohl, ich kehre zur Hacienda zurück. Bereitet den Grafen auf meinen Besuch vor.«

Nachdem das junge Mädchen dem Jäger zum Abschied zugewinkt und ihn angelächelt hatte, stieg sie auf ihr Pferd und sprengte mit ihrer Zofe im Galopp davon.

»Ja, ich werde Louis auf ihren Besuch vorbereiten«, murmelte der Jäger, indem er ihr nachschaute. »Dieses Kind besitzt ein edles Herz und liebt meinen Milchbruder aufrichtig. Wer weiß, was diese Liebe noch mit sich bringt?«

Er schüttelte erneut den Kopf und kehrte in Begleitung Curumillas, der seinen indianischen Gleichmut keinen Augenblick verleugnete und sich um alles, was um ihn herum geschah, nicht im Geringsten zu kümmern schien, zum Lager zurück.

Valentin weckte Louis. Dieser sprang sofort auf.

»Gibt es etwas Neues?«, fragte er.

»Ja, die Compagnie kommt an.«

»Schon, oho! Sie beeilt sich, das ist ein gutes Zeichen.«

«Werden wir uns lange hier aufhalten?«

»Nein, höchstens zwei Tage, um Mensch und Tier ausruhen zu lassen.«

»Vielleicht wäre es besser, gleich weiterzuziehen.«

»Ich wünsche es mir ebenfalls, aber es ist unmöglich, weil die vierzigtausend Rationen, die wir hier finden sollten, noch nicht angekommen sind und wir daher notgedrungen auf sie warten müssen.«

»Das ist wahr.«

»Diese Verzögerung kommt mir ungelegen, da unsere Vorräte rasch abnehmen. Wir dürfen aber den Kameraden unsere Verlegenheit nicht anmerken lassen, sondern gute Miene zum bösen Spiel machen. Sie wissen, dass wir vorangegangen sind, um die nötige Fourage zu besorgen. Wir wollen sie im Glauben lassen, dass es uns gelungen ist.«

Valentin nickte bejahend.

Die Nacht war fast zu Ende. Breite weiße Streifen zeigten sich am Horizont und die Sterne waren allmählich am Himmelsdom erloschen. Der Aufgang der Sonne stand unmittelbar bevor.

Curumilla warf eine Handvoll dürres Holz ins Feuer, damit es nicht ausgeht und der kalten Nachtluft genügend Wärme entgegenzubringen.

»Caramba!«, rief Don Cornelio erwachend aus und sprang auf. »Ich bin ganz durchgefroren. So kalt sind schon die Nächte.«

»Nicht wahr?«, sagte Valentin. Nun, wenn Ihr Euch erwärmen wollt, so ist es einfacher, mich nun zu begleiten.«

»Sehr gern. Wohin geht Ihr?«

»Hört!«

»Ich höre! Horch«, fügte er nach einer Weile hinzu, »ist das etwa die Compagnie.«

»Ja. Sie ist gleich hier.«

In der Tat rückte kurze Zeit später die französische Vorhut in die Mission ein.

Gemäß dem mit der Gesellschaft Atrevida abgeschlossenen Vertrag sollten sie in der Mission vierzigtausend Rationen für die französische Compagnie vorfinden.

Der Graf hatte Oberst Flores den Befehl mit der Weisung übergeben, sich zu beeilen, und war in Begleitung Valentins, Cornelios und Curumillas vorausgegangen. Die Gesellschaft hatte unglücklicherweise ihre Verbindlichkeiten nicht so pünktlich erfüllt, wie der Graf gedacht hatte. Statt der vierzigtausend Rationen hatte er davon nur die Hälfte in einer verfallenen Hütte symmetrisch geordnet vorgefunden.

Diese Wortbrüchigkeit war für die Interessen des Unternehmens des Grafen um so nachteiliger, da es aufgrund dieses hinterlistigen Vertrages fast unmöglich war, weiterzugehen und die bewohnten und bebauten Gegenden verlassen und sich in die Wildnis begeben musste.

Die Mexikaner hatten übrigens seit der Abreise der Compagnie von Guaymas so wenig guten Willen und gegen den Grafen bei jeder Gelegenheit so offenbar feindselige Gesinnungen gezeigt, dass dieser eine übermenschliche Energie und einen unerschütterlichen Mut aufbieten musste, um vor den Hindernissen, die mit unvergleichlicher Arglist von allen Seiten auf ihn einströmten, nicht mutlos zu werden.

Bisher hatten es aber die Mexikaner noch nicht gewagt, ihre Verbindlichkeiten nicht wahrzunehmen.

Entweder waren sie ihrer Sache sehr sicher oder hatten ihre Anweisungen so gut erteilt, dass sie dem Gelingen optimistisch entgegensahen, weil sie die Maske plötzlich fallen ließen.

Das schien um so wahrscheinlicher, da der Graf in der Mission niemanden vorgefunden hatte, um ihn die Rationen zu übergeben und im Namen der Gesellschaft, die ein so unwürdiges Spiel mit ihm trieb, wegen der fehlenden Lieferungen eine Entschuldigung, wie unhaltbar sie auch sein mochte, wegen des Betruges, den sie sich gegen ihn zuschulden kommen ließen, vorzubringen.

Don Louis schloss daraus, dass das Ende der schändlichen Komödie, welche die Mexikaner gespielt hatten, herannahe und bereitete sich vor, dem Sturm energisch entgegenzutreten.

Die Franzosen zeichneten sich durch eine liebenswürdige Eigenschaft aus: Sie bewahrten nämlich, wohin sie auch verschlagen wurden, sobald sich eine gewisse Anzahl zusammenfand, stets jene Heiterkeit und fröhliche Sorglosigkeit, die ihrem Volk eigen ist. Sie waren auch in der schwierigsten Lage stets zu Scherzen aufgelegt und schickten sich mit großer Leichtigkeit in die unvorhergesehenen Unannehmlichkeiten. Jene glückliche Stimmung, welche der Graf bisher aufrechtzuerhalten bemüht gewesen, hatte viel dazu beigetragen, die Compagnie zusammenzuhalten und das Unternehmen trotz aller Hindernisse nicht scheitern zu lassen.

Die Mannschaft zeigte nicht nur keine Anwandlung von Mutlosigkeit, sondern war noch ebenso voll Feuer und Hoffnung wie am ersten Tag. Die Mission wurde von der Compagnie besetzt. Man stand an der Grenze der Wildnis. Es war daher notwendig, auf der Hut zu sein.

An den vier Ecken des Hauptquartiers wurden die Kanonen aufgestellt und Wachen in aufgestellt. Die eben noch so öde und verlassene Mission schien sich plötzlich neu zu beleben. Man schaffte die Trümmerhaufen beiseite, und die alte verfallene Kirche der Jesuiten wurde in eine Festung verwandelt.

Nachdem der Graf die nötigen Befehle zur Einrichtung der Compagnie erteilt und sich überzeugt hatte, dass sie vollzogen wurden, ließ er sich von Oberst Flores über seine interimistische Führung des Kommandos Bericht erstatten.

Oberst Flores, der sich allein unter den Franzosen sah und sich gewissermaßen im Rachen des Wolfes befand, war zu klug, um sich nicht scheinbar mit der größten Gewissenhaftigkeit und Aufrichtigkeit zu benehmen. Er erkannte sehr wohl, dass er verloren sei, sobald man anfange, ihm zu misstrauen. Er legte daher bei jeder Gelegenheit die beste Gesinnung an den Tag und benahm sich so vorsichtig, dass er selbst Valentin, den ständigen Zweifler, beinahe getäuscht hätte, obgleich er sehr gut wusste, was man von den Mexikanern im Allgemeinen zu erwarten habe.

Hierauf zog sich der Graf mit dem Jäger zurück, und die beiden Milchbrüder unterhielten sich miteinander, dass man nach der Dauer des Gesprächs und Louis besorgter Miene schließen konnte, dass die Unterredung sehr ernst gewesen sein musste.

In der Tat berichtete Valentin dem Grafen, seinem Dona Angela gegebenen Versprechen gemäß, über die Ereignisse der verflossenen Nacht. Nicht allein erzählte er ihm, was zwischen ihm und dem jungen Mädchen vorgefallen war, sondern teilte ihm zugleich sein Zusammentreffen mit dem General mit.

»Unsere Lage«, sagte er endlich, »wird immer peinlicher und sie legen es darauf an, sich mit uns zu verfeinden.«

»Ja, sie wollen den Krieg. Sei aber versichert, Bruder, dass ich ihnen, solange noch ein Schimmer Hoffnung besteht, keinen Vorwand liefern werde, mit mir zu brechen.«

»Wir müssen behutsamer als je zuvor sein, Bruder! Übrigens müsste ich mich sehr irren, wenn wir nicht in nächster Zeit erfahren sollten, woran wir sind.«

»Das ist auch meine Ansicht.«

In dem Augenblick kam Don Cornelio in Begleitung Curumillas zu den beiden.

»Erlaubt«, sagte er zum Jäger, »ich muss Euch bitten, zwischen dem Häuptling und mir ein Missverständnis aufzuklären, da er hartnäckig behauptet, dass ein indianischer Hinterhalt und auflauert.«

»Was?«, versetzte Valentin mit gerunzelter Stirn. »Wovon redet Ihr da, Don Cornelio.«

»Hört mich an. Ich ging mit dem Häuptling in der Nähe des Missionsdorfes spazieren und habe bei der Gelegenheit einen Fund gemacht.«

»Lasst sehen«, sagte Valentin.

Don Cornelio übergab ihm einen Mocksens, welchen der Jäger eine Zeit lang aufmerksam betrachtete.

»Hm!«, sagte er, »das sieht bedenklich aus. Wo habt Ihr das gefunden?«

»Am Ufer.«

»Was haltet Ihr davon, Häuptling?«, fragte Valentin an Curumilla gewandt.

»Der Mocksens ist neu, folglich verloren worden. Curumilla hat zahlreiche Spuren bemerkt.«

»Hört«, sagte Don Louis eifrig, »teilt niemandem Eure Entdeckung mit. Wir müssen allen misstrauen. Wir sind von Verrätern umgeben, und der Verrat lauert uns von allen Seiten auf. Während ich dafür sorgen werde, unter dem Vorwand eines längeren Aufenthaltes unsere Schanzen verstärken zu lassen, wirst du mit dem Häuptling auf Erkundung ausgehe, und dich überzeugen, welcher Art die Gefahr ist, welche uns droht.«

»Sei ohne Sorgen, Bruder und sei unterdessen auf der Hut.«

2 Antworten auf Curumilla – Erstes Buch, Kapitel 2