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Morbus Doppelband – Bei Vollmond bist du tot

Morbus – Bei Vollmond bist du tot

In einer unwiderstehlichen Melange aus klassischem Gruselkrimi, Urban Fantasy, Krimi und Wiener Milieugeschichten berichten die Morbus-Romane über die mysteriösen, von alten Sagen und Legenden inspirierten Fälle einer traditionsreichen Wiener Geheimorganisation, eines Privatdetektivs und eines Gruftie-Girls.

Der in alkoholischen Unehren aus dem Dienst geschiedene Expolizist Bernd Waidmann soll einen Fremdenführer beschatten, weil dessen Frau ihn für einen Ehebrecher hält. Die Wahrheit dahinter ist aber viel schockierender und unheimlicher: Der Mann und sein bester Freund haben sich am falschen Mädchen vergangen – einer Nixe, deren Vater blutige Rache nimmt.

Das war Blutschwur der Donauleichen. Waidmann lernte darin nicht nur das Grufti-Girl Petra Jesselmaier kennen, sondern auch eine seltsame Geheimorganisation namens BASILISK, das ebenso exklusive wie unheimliche Café Zeitstop und allerlei mysteriöse Gestalten. Und kaum war der erste Fall so halbwegs aufgeklärt, schlitterte der Detektiv schon in die nächste mysteriöse Affäre, in der es um Killerclowns in einem Vergnügungspark, boshafte Bauchrednerpuppen, bärtige Damen und lebende Skelette geht: Im Prater tanzt der Sensenmann.

Spätestens mit dem zweiten Morbus-Band war klar, dass es dem Autorenteam Zöe Angel & Charly Blood gelungen war, den klassischen Gruselkrimi wiederzubeleben. Wer jetzt an Dan Shocker und seinen Macabros, den guten Dr. Morton und den Geisterjäger John Sinclair, Dämonenkiller und die Vampir-Romanreihe denkt, liegt völlig richtig: Morbus handelt nicht nur in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, sondern bewahrt auch die Werte der damaligen Romanhefte. Da tauchen Monster und Magier auf, da ereignen sich grausame Morde und unheimliche Beschwörungen, da krachen Kalter Krieg und die frühe Alternativbewegung gewaltsam aneinander. Und weil Morbus in Wien spielt, kommen natürlich auch das Morbide und der schwarze Humor nicht zu kurz …

Dabei hatte die erfolgreiche Horror-Romanreihe ihren Ursprung eigentlich in Graz. Dort residiert nämlich die Top-Secret-Organisation Pantherion, die sich seit urdenklicher Zeit darum bemüht, das Grauen aus anderen Dimensionen von unserer Welt fernzuhalten. Und dort erscheinen die Abenteuer der derzeitigen Pantherion-Helden auch in der Heftserie OMEN, die sich regelmäßig Akte X-artiger Fälle in der steirischen Landeshauptstadt und ihrer Umgebung annimmt.

Irgendwann stießen die Pantherion-Experten bei ihren Recherchen auf die Spuren einer Partnerorganisation in Wien, von der man seit Mitte der Achtziger – angeblich wegen einer Selbstmordepidemie unter den Mitgliedern – nichts mehr gehört hatte. Erst 2010 wurde BASILISK wieder aktiv, und seit damals wird auch intensiv daran gearbeitet, die Fälle und Abenteuer der früheren Mitstreiter gegen das Böse in Romanform aufzuarbeiten – eben in Morbus, die nunmehr passenderweise im Wiener Verlag Evolver Books erscheinen. Und zwar weiterhin mit den mittlerweile als Markenzeichen eingeführten Covers aus gruselig verfremdeten klassischen Gemälden …

Der nun als Taschenbuch veröffentlichte Morbus-Doppelband vereint gleich zwei spannende Episoden (Nr. 3 & 4) der Gruselkrimi-Serie: Bei Vollmond bist du tot und Im Bann der Mörderpuppe.

Bei Vollmond bist du tot erzählt die Geschichte grausamer Mordfälle, bei denen ein gnadenloser Killer alte Damen tötet und danach ihre Pelzmäntel schändet. Die Polizei vermutet anfangs radikale Tierschützer hinter den Morden, doch bald wird (natürlich inoffiziell) BASILISK hinzugezogen, weil die Lösung doch viel weiter in der Vergangenheit liegen dürfte als ursprünglich angenommen. Steckt ein Gestaltwandler hinter den Gräueltaten? Verbergen sich im Tiergarten Schönbrunn übernatürliche Geheimnisse aus der Kaiserzeit? Werden Bernd, Petra und die BASILISK-Profis es schaffen, den Killer aufzuhalten?

Der Nachfolgeroman Im Bann der Mörderpuppe beginnt in der Wiener Zuhälterszene, wo ein Machtkampf der »Strizzis« auf dem Praterstrich, am Gürtel und in anrüchigen Unterweltlokalen eine neue Ordnung in der Rotlichtszene schaffen soll. Bald findet BASILISK in seiner Geheimzentrale unter dem Stephansdom jedoch heraus, dass hinter dieser Eskalation der Gewalt weder hartgesottenen Messerstecher noch Pistolenschützen stecken, sondern eine lebendige Puppe, ein böses kleines Mädchen … und eventuell noch viel mehr.

Mit viel Blut und Gewalt, aber auch mit dem unschlagbaren Wiener Schmäh und einer ordentlichen Prise Sex zieht das Morbus-Autorenteam Wiener Sagen und Legenden heran, um nicht nur »Monster of the Month«-Fälle zu präsentieren, sondern auch eine übergreifende Serienmythologie zu etablieren. Fernab von Regionalkrimi-Klischees – zwischen Eighties-Nostalgie und Goth-Subkultur, Private-Eye-Krimi und uralten Mythen.

Zöe Angel & Charly BloodMorbus: Bei Vollmond bist du tot. Doppelband (mit Im Bann der Mörderpuppe). 218 Seiten, € 12,–. ISBN 9783902910233

Erhältlich im Buchhandel, bei www.evolver-books.at oder www.amazon.de. Die beiden Heftromane erscheinen einzeln als E-Book (zu je € 1,99) und sind auf den üblichen Elektrobuchplattformen erhältlich.

»Old School-Heftgrusel mit unverbrauchtem Szenario und gutem Gespür für vor dreißig Jahren vorherrschende Erzähltöne des Genres!«  – VIRUS-Magazin #61

Die Autoren

Waltraud Lengyel (alias Zoë Angel)

Die gebürtige Wienerin las schon als Kind John Sinclair, Larry Brent und Professor Zamorra lieber als herkömmliche Kinderbücher. In der Pubertät entdeckte sie die Bücher von Neil Gaiman und Terry Pratchett. Als sie dann noch die Welt des Fantasy-Rollenspiels eroberte, war schnell klar, dass aus ihr keine normale Durchschnittsbürgerin werden würde …

Werner Skibar (alias Charly Blood)

Geboren in Graz und aufgewachsen in der geheimnisumwobenen Weststeiermark, kam er schon früh mit den dunklen Seiten des Daseins in Kontakt. Bald entdeckte er seine Liebe zu Comics – besonders zu den Gespenster-Geschichten. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis er wahre literarische Klassiker wie Dämonenkiller, Damona King und Der Hexer zu verschlingen begann. Schließlich verfasste er dann auch eigene Werke, um der Welt das Grauen zu lehren.

Über den Verlag

Der österreichische Independent-Verlag Evolver Books wurde im Frühjahr 2010 gegründet – als »Fachverlag für Pulp-Thriller, Horror & Science Fiction« und Liebeserklärung an die Popkultur. Mittlerweile erscheinen bei Evolver Books nicht nur trashige und spannende Krimis, SF-Parodien und Gruselanthologien, sondern auch exklusive E-Books (in der Reihe Evolver Books Elektro) und aufregende Kombinationen aus Kunst und Literatur in der Reihe Editon Krobath bei Evolver.

Weitere Informationen auf der Website: www.evolver-books.at

Leseprobe aus Morbus – Bei Vollmond bist du tot

Kälte. Diese furchtbare Kälte.

Er kauerte im Schatten, bedeckte seinen zitternden Leib. Nichts ergab Sinn.

Seine Augen brannten, die Welt wirkte so verwaschen. Gedanken formten sich in seinem Kopf. Er versuchte sie zu fangen, einfach, um verstehen zu können.

Diese verfluchte Kälte. Diese fremde Welt. Die Linien, die Zeichen! Lichter in dunkelster Nacht.

Wo war sein Freund nur geblieben? Er war doch gerade noch da gewesen …

Sein Verstand schrie stumme Schreie.

Da bemerkte er eine Gestalt. Sie kam hastig auf ihn zu. Was aus ihrem Mund drang, beleidigte seine Ohren. Es war schrill und unverständlich.

Das Wesen hob drohend einen langen, spitzen Gegenstand.

Plötzlich war es bei ihm – und ließ die grün-blaue Waffe auf seinen Rücken knallen. Schmerzen durchzuckten ihn. Bevor er handeln konnte, traf ihn der nächste Schlag.

Was war das nur für eine grausame Welt?

***

Blaulicht erhellte die finstere Nacht. Der Vollmond verschwand hinter dunklen Wolken, als wolle er dem Grauen nicht länger beiwohnen.

Revierinspektor Gustav Horak fluchte. Der einen Meter neunzig große Mann mit dem fortgeschrittenen Bierbauchansatz betrachtete den verstümmelten Leichnam. Es gruselte ihn. In all den Jahren als Kriminalbeamter hatte er schon viel erlebt, aber die ermordete Frau zu seinen Füssen war ein neuer »Höhepunkt«. Alles war voller Blut. Man hatte das Opfer aufgespießt. Die Tatwaffe war unterhalb des Unterkiefers in den Hals getrieben worden und ragte am Nacken heraus. Horak schüttelte es. Das Mordwerkzeug war nämlich ein Regenschirm.

Horak nickte den Kollegen zu. Er hatte genug gesehen. Sie durften wieder die Plane über den Leichnam legen.

Horak konzentrierte sich auf die Fakten: Das Opfer war eine Frau um die siebzig. Sie war verprügelt und zuletzt mit dem Regenschirm hingerichtet worden. Ihr Pelzmantel, der in der Nähe lag, war ebenfalls blutverschmiert und stark beschädigt. Horak vermutete, dass der Zerstörungsakt erst nach dem eigentlichen Mord stattgefunden hatte. Fast, als hätte der Mord den Täter so aufgegeilt, dass er sich danach noch abreagieren musste.

Eine Theorie, mehr nicht. Trotzdem beschloss Horak, dass der Mord auch in Richtung Sexualdelikt betrachtet werden musste.

»Gustav. Wir haben eine Zeugin.«

Horak folgte dem Ruf des Kollegen und verließ den schäbigen Hinterhof, der von grauen Gemeindebauten aus den Sechzigern umgeben war. Ein kühler Märzregen hatte erneut eingesetzt. Das würde die Spurensuche nicht erleichtern.

Die Zeugin starrte ihn nur stumm an. Es war eine Frau um die fünfzig; sie wirkte verbraucht, als hätte sie schon zwei harte Leben hinter sich. Ihre Hände zitterten, als sie sich eine Zigarette anzündete. Ob es die Kälte oder der Schrecken war, vermochte

Horak nicht zu sagen.

»Ich hab mir nichts dabei gedacht«, erzählte sie. »Ich bin vor dem Fernseher eingschlafen und irgendwann gegen zehne aufgwacht. Da hab ich rausgschaut und den Vollmond beobachtet. Der war echt schön, hat mich an früher erinnert … Dann hab ich die Lisl gsehen – die wohnt nebenan auf der Stiege drei. Die Lisl ist hier im Haus nicht sehr beliebt, weil sie sich dauernd über alles aufregt. Hat sich auch schon ein paarmal über mich beschwert, wegen Müll und Lärm und so Sachen. Der alte Drachen muss einfach immer einen Wirbel machen. Ich hätts ja oft schon am liebsten erschlagen …«

Als die Zeugin registrierte, was sie gerade gesagt hatte, wurde sie bleich. Erschrocken stammelte sie: »Herr Inspektor, das war natürlich nur so dahergredt. Natürlich würde ich nie …«

»Erzählen Sie einfach, was Sie gesehen haben.« Horak traute ihr zwar keinen Mord zu, aber er nahm die Zeugin vorläufig in die Liste der Verdächtigen auf. Mit irgendeinem Namen musste er schließlich anfangen.

»Die Lisl hat wieder einmal an Wirbel gmacht und irgendwen als Perversen beschimpft. Irgendwas von ›nackt‹ und ›ganz ohne Gwand‹ hats grufen. Hat mich nicht so interessiert, nur gestört. Bei der Schimpferei hat sie dann wieder ihren Regenschirm gezückt. Das macht sie oft. Mit dem schlägt sie auch Kinder, wenn die ihr auf die Nerven gehn.«

»Ist der Regenschirm grün-blau?«, fragte Horak.

»Genau«, bestätigte die Zeugin.

Horak rieb sich die Schläfe. Die alte Frau war also mit ihrem eigenen Regenschirm ermordet worden. Mit was für einer Art Täter hatte er es hier nur zu tun?

***

Wer im ersten Wiener Gemeindebezirk spazierenging und fasziniert die alten Gebäude betrachtete, konnte nicht ahnen, dass er stets nur einen Teil der Stadt zu sehen bekam. Tief unter ihm lagen alte Katakomben, Keller und Geheimgänge. Es gab sogar Wege, die so tief hinunter in die Erde führten, dass man sie verschütten musste, um dem uralten Schrecken, der bei den Grabungen aufgeweckt wurde, den Weg nach oben zu versperren.

In einem dieser alten Keller, der nach Moder und Tod roch, hatten sich mehrere Gestalten versammelt. Keine von ihnen zeigte ihr wahres Gesicht. Die Anwesenden trugen Schnabeloder Tiermasken, die Ratten, Eulen und Raben darstellten. Ansonsten waren sie nackt. Es waren Männer und Frauen, von jung bis alt, die sich hier aneinanderschmiegten, um jemanden zu beschwören. Auf einem provisorischen Altar stand ein alter, mit allerlei Schnörkeln verzierter Stuhl. Schwarze Kerzen, auf menschlichen Totenschädeln plaziert, tauchten den Platz in ein unheimliches Licht.

Endlich kam der Gerufene. Ein Mann materialisierte sich auf dem für ihn vorgesehenen Sitzplatz. Er war nackt. Kein einziges Haar zierte seinen ausgemergelten Körper. Unter seiner Haut arbeitete es, dauernd zerbrachen Knochen und wuchsen wieder zusammen. Man hörte sie leise knacken, als wäre ein schwerer

Gegenstand auf sie gefallen. Die Augäpfel des Mannes waren von schwarzer Farbe. Er blickte damit tief in die Seelen der Anwesenden. Damit zeigten sie sich nicht nur körperlich nackt vor ihm – nein, auch ihr Innerstes barg keine Geheimnisse mehr.

Neben ihm tauchte eine zweite Gestalt auf, die jeder sofort als Henker erkannte. Eine schwarze Kapuze verbarg das Gesicht des Mannes. Er trug ein schlichtes Leinengewand, auf der eingetrocknetes Blut und Dreck klebten. Von der großen Axt, die er bedrohlich in beiden Händen hielt, tropfte noch frisches Blut.

»Herr Unkner«, sprach einer der Anwesenden, der eine Schnabelmaske trug. Sein gebräunter Körper wirkte durchtrainiert. »Es ist vollbracht. Wien hat wieder Blut getrunken. Unser Jäger hat zugeschlagen. Er hat seine Bewährungsprobe bestanden, auch wenn ihm das sicher nicht klar ist. Ich habe ihn geführt. Er ist nun soweit.«

Unkner erhob sich von seinem Stuhl.

»Ausgezeichnet«, sprach er. »Ich bin sehr zufrieden!«

Der Angesprochene verbeugte sich ergeben. Er hatte den Meister glücklich gemacht. Alles lief nach Plan.

***

Zwei Monate später feierten Harry und Walter im Gasthaus Quell mit ein paar Bieren und dem ausgezeichneten Gulasch des Wirten Poldi einen erfolgreichen Tag. Seit der Vernichtung des sadistischen Clowns waren gerade einmal ein paar Stunden vergangen. Der vermisste Privatdetektiv Bernd Waidmann war gefunden worden, und die Geheimgruppe BASILISK hatte Wien von einer Bedrohung befreit.

Als das Gulasch den ärgsten Hunger gestillt und das erste Bier eine angenehm entspannte Atmosphäre geschaffen hatte, unterbrach Harry das durch das Essen entstandene Schweigen: »Petra hat sich gut geschlagen, findest nicht auch?«

»Ja, war durchaus brauchbar. Aber ein bisschen bleich war sie dann schon um die Nase«, antwortete Walter skeptisch.

»Ich habe zwar deinen ersten Einsatz nicht miterlebt, aber wenn man gleich am Anfang so ein Monster erledigen muss, ist das ist schon eher heftig. Außerdem dürfen wir eines nicht vergessen: Ohne ihre Vision hätten wir den Clown sicher nicht so schnell gefunden.«

Walter nickte. Er erinnerte sich, wie er das erste Mal so ein Wesen aus der Clowndimension bekämpft hatte. Ach, wie naiv war er doch gewesen! Das Monstrum hatte sich lange im Konzentrationslager Mauthausen herumgetrieben und dort von Leid und Tod ernährt. Dementsprechend mächtig und grausam war es. Der Einsatz hatte damals seinen Freund Fritz Reichmann das Leben gekostet – hauptsächlich deswegen, weil Walter unbedingt Clownspeichel für weitere Untersuchungen abzapfen wollte. Seitdem war ihm klar: Einen verletzten Clown darf man auf keinen Fall unterschätzen.

Es stach in seinem Herzen, als er an Fritz dachte. Wieder jemand, der ihm nahe stand und der wegen ihm den Tod gefunden hatte. Walter schweifte in Gedanken ab. Er seufzte innerlich. Am besten, man lässt keine Leute an sich heran, die sterben einem eh nur weg. Kaum hat man sich an jemanden gewöhnt, steht man am nächsten schon Tag vor seinem Grab.

»Wir haben morgen viel Aufräumarbeit vor uns«, stellte Walter nachdenklich fest. »Das Räumen der Lagerhalle wird sicher einige Zeit dauern. Vor allem die Überreste der Ermordeten müssen weg.«

»Schlimme Gschicht, das Ganze«, erwiderte Harry. Das Beseitigen von Spuren hatte er schon immer gehasst, besonders in Fällen wie diesem.

»Aber du hast recht, Harry«, nahm Walter das Gespräch nach einem weiteren Schluck Bier wieder auf, »Petra wird sich schon machen! Allerdings – nachdem ich die chaotische Wohnung von Bernd gesehen habe, stellt sich bei mir eher die Frage, was wir nun mit dem machen?«

***

Auch wenn der weltbekannte Schönbrunner Tiergarten seine glorreichen Zeiten hinter sich hatte und viele der Gehege nicht mehr der modernen Tierhaltung entsprachen, war er weiterhin ein Publikumsmagnet geblieben. Der Mai lockte mit seinen warmen Frühlingstagen noch dazu viele der eingesperrten Wildtiere heraus, sodass die Besucher einiges zu sehen bekamen. So konnte man zum Beispiel einen der Leoparden beobachten, der mit geschlossenen Augen die wärmende Mittagssonne genoss. Der viel zu enge Käfig im Schönbrunner Zoo hatte ihn träge und faul werden lassen. Er liebte den Schlafplatz bei den Gittern, dort stiegen ihm die Gerüche der Menschen wunderbar in die Nase. Die meisten Zweibeiner rochen verlockend gut, vor allem die jungen. Es gab aber auch welche, die einen richtig unangenehmen Geruch hatten und ganz üble schrille Laute von sich gaben. Soviel er wusste, nannten die Zweibeiner das »reden«.

Gerade hatten sich wieder ein paar aufdringlich Riechende vor seinem Käfig versammelt und stießen schrille Laute aus: »Mei, ist der schön! So kräftig – und erst das Fell! Hmmmmm … eine echte Schönheit, das Tier.«

Margarete Kainz stand mit ihren Freundinnen vor dem Leopardenkäfig. Wie jeden Montag und Samstag gingen die vier Pensionistinnen gemeinsam in den Tiergarten, und das schon seit beinahe zwei Jahren. Ihre Runde verlief immer gleich. Sie begann mit einer Melange im Kaiserpavillon, wo meist über die schreckliche Jugend von heute gelästert wurde. Und auch darüber, wie schlimm sich die Welt entwickelt hatte. Zugegeben, früher war zwar der Krieg gewesen und man hatte nichts zum

Essen gehabt, aber immerhin hatte man damals noch wahre Werte, war glücklicher und viel dankbarer. Ja, die gute alte Zeit, leider kommt sie nicht zurück.

Nach dem Kaffee spazierten die Damen die verschiedenen Wege entlang und berichteten über ihre unfähigen Schwiegertöchter oder Schwiegersöhne. Bei den Raubkatzen endete ihre Runde für gewöhnlich. Anne Citek betrachtete den schlafenden Leoparden und meinte zu ihrer Freundin Margarete: »Schön ist er ja wirklich, aber auch arm. So ein prächtiges Tier gehört doch nicht in einen engen Käfig, da kann er ja nicht einmal richtig laufen. Ich finde das unnatürlich.«

»Ach geh, ich finde, du übertreibst«, antwortete die dritte im Bunde. Sie hatte einen leichten ungarischen Akzent und war gekleidet wie die englische Königin. Ilona Toth, eine reiche ungarische Witwe, wohnte gleich gegenüber dem Tiergarten. Sie hatte die Viererrunde ins Leben gerufen. »Freundinnen des Zoos« nannten sie sich.

Ilona starrte den Leoparden an, der jetzt seinen Kopf gegen die Windrichtung legte, als störte ihn irgendein Geruch. Dabei gähnte er einmal so richtig herzhaft, dass man seine scharfen Raubtierzähne gut sehen konnte.

Ilona seufzte und meinte an Margarete gewandt: »In einem gebe ich dir recht: Der Leopard ist wirklich ein schönes Tier. So kraftvoll, so schnell – und erst die Augen! Da hat man manchmal, wenn er einen so ansieht, das Gefühl, dass er versteht, was wir sagen, und uns zum Fressen gerne hat. Aber am Schönsten ist sein Fell. Das ist wirklich herrlich!« Sie seufzte. Was für einen wunderbaren Pelzmantel würde er doch abgeben …

Anne Citek schüttelte bei diesen Worten entsetzt den Kopf, doch die anderen zwei Pensionistinnen lachten nur über Ilonas Kommentar. Sie kannten ja ihre Vorliebe für Pelze. Sogar jetzt, an so einem warmen Maitag, hatte Ilona sich ihre Fuchsstola nicht verkneifen können, weil die ja so gut zu ihrem hellbraunen Mantel passte. Ingeborg, das vierte Mitglied der Damenrunde, stimmte gleich mit ein und meinte begeistert: »Ja, so ein Leopardenfell ergibt schon einen schönen Mantel, nicht wahr? Sag, Ilona, weißt du eigentlich schon, dass der Weissmüller in der Innenstadt jetzt Abverkauf hat? Hauptsächlich Nerz und Fuchs. Wollen wir da nicht morgen Nachmittag hinschauen?«

Als die Pensionistinnen fröhlich plaudernd ihres Weges gingen, bemerkten sie nicht, dass ihnen jemand hasserfüllt nachstarrte. Ihr Gespräch hatte im heimlichen Zuhörer die pure Mordlust geweckt.

Anmerkung des Verlages: Auf Wunsch der Autoren folgt der Text den Regeln der alten Rechtschreibung.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung von Evolver Books, Wien

(sv)