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Die Niemandsland-Trilogie, Band 2

Die Niemandsland-Trilogie, Band 2
Cupid – Unendliche Nacht

Schlendert man durch Buchhandlungen und erblickt die zu Pyramiden aufgestapelten Bücher, ist eines ganz sicher: Es handelt sich dabei überwiegend um sogenannte All-Age-Romane. Titel und Cover der wuchtig anmutenden Schmöker lassen Mystisches erahnen und wirken im ersten Moment, als ob es Jugendbücher seien. Doch weit gefehlt, selbst Erwachsene sieht man damit ungeniert in Bussen und Bahnen lesend. Seit dem Harry-Potter-Boom beschert diese Crossover-Literatur Verlagen und Buchhandel prächtige Umsätze.
Seit 15 Jahren schreiben und veröffentlichen Nadine d’Arachart und Sarah Wedler Gedichte, Kurzgeschichten, Krimis und Thriller. Im April erschien ihr erstes Fantasybuch bei Carlsen/Impress als E-Book, von dessen Handlung Nadine geträumt hatte. Cupid – Unendliche Nacht ist eine Dystopie aus dem All Age-Bereich und ist als Trilogie angedacht. Band 3 soll im Herbst 2014 veröffentlicht werden.


Das Buch

Nadine d’Arachart, Sarah Wedler
Die Niemandsland-Trilogie, Band 2
Cupid – Unendliche Nacht

Dystopie, Romantik, E-Pub, Carlsen Impress, Hamburg, Juli 2014, 440 Seiten, 3,99 Euro, ISBN 9783646600520, ab 14 Jahren

Klappentext:
Die Welt, in der sich Jolette einst so sicher fühlte, ist eine andere geworden. Nie hätte die Wächterin gedacht, dass ausgerechnet die Liebe – ein Gefühl, das ihr vom System zeitlebens verweigert wurde – solche Komplikationen hervorrufen könnte. Und noch viel weniger, dass sie und ihr Schützling einst denselben Mann begehren könnten. Doch während ihr perfektes Leben durch ein einziges Gefühl in Schutt und Asche liegt, sind die nachtaktiven Cupids längst dabei, sich neu zu formieren. Jolette und Cy müssen sich beeilen, denn dieses Mal wird es nicht nur um den Schutz einer einzigen Person gehen. Dieses Mal geht es um einiges mehr… Dies ist der zweite Band der Niemandsland-Trilogie. Der dritte Band erscheint im Herbst 2014.


Die Autoren

Nadine d’Arachart und Sarah Wedler, geboren 1985 und 1986 in Hattingen, schreiben seit fünfzehn Jahren gemeinsam. Ihr erster Roman Die Muse des Mörders ist 2012 erschienen und wird momentan fürs ZDF verfilmt. Es folgten die Thriller Abgründe (2012) und Nebelflut (2013) sowie die Kurzgeschichtensammlung Linie 14, letzte Reihe, ich (2013). Sie erhielten verschiedene Preise für ihre Kurzgeschichten und Drehbuchideen, zuletzt wurden sie mit dem Förderpreis des Literaturbüro Ruhr ausgezeichnet.
Nachdem sie bereits als Kinder an einer fantastischen Geschichte schrieben, ist die Niemandsland-Trilogie ihre erste Veröffentlichung im Bereich der All Age Fantasy.


Leseprobe

Kapitel 1

Ich streiche mir das schweißfeuchte Haar aus der Stirn, ziehe meinen Pullover aus und wickle ihn um meine Hüften, damit niemand mein Messer sieht. Die Sonne scheint schräg durchs Fenster und meine Kleider kleben an meinem Körper wie eine
feuchte zweite Haut. Im Gegensatz zu den Klassenräumen sind die Flure nicht klimatisiert und bald, wenn es Mittag ist, wird es unerträglich heiß sein. Zum Glück bekomme ich vorher eine kleine Atempause an der frischen Luft.

Vorsichtig nähere ich mich der Tür zu Raum 106. Unter den glänzenden Messingziffern ist ein Fensterchen eingelassen, verziert mit weißen Spitzengardinen. Offiziell ist das Fenster zur Zierde da, inoffiziell hilft es mir, meine Arbeit zu machen. Behutsam spähe ich hindurch. Die Lehrerin steht keine drei Meter von mir entfernt vor der Klasse. Sie trägt die gleiche Uniform wie die Schüler, nur ist sie schwarz, während die Kleidung der Schüler das Rot von reifen Äpfeln hat. Mit ihren
gestärkten Kragen und den Schleifen über der Brust sehen die Mädchen alle irgendwie gleich aus. Die Jungen haben anstatt der Schleifchen Fliegen um — als wollten sie gleich nach dem Unterricht auf einen Ball gehen.

Die Lehrerin bemerkt mich nicht, ist in irgendeine Erklärung vertieft, die ich hier draußen nicht verstehen kann. Die meisten Schüler starren durch die Gläser ihrer
Datenbrillen ins Leere, vermutlich verfolgen die wenigsten den Unterricht.

Bei Patience bin ich mir nicht sicher. Zwar schaut sie die Lehrerin an, aber gleichzeitig zwirbelt sie an ihrem Haar herum, als wäre sie vollkommen in Träumereien versunken. Ich denke an meine eigene Schulzeit zurück. Nicht Zuhören
gab es bei uns nicht, und es gab auch keine Computer, die uns hätten ablenken können. Die Hände gehörten auf die Tischplatte, die Köpfe mussten nach vorn gerichtet sein. Wenn man gegen eine dieser Regeln verstieß, konnte das eine Nacht auf dem Sportplatz bedeuten. Für die ganze Klasse.

Die Pausenklingel schrillt los und hinter den Ziergardinen kommt Bewegung in die Schüler. Sie klappen ihre Bildschirme herunter, einige springen sofort auf. Wie jeden
Tag ziehe ich mich zurück und verschwinde in den Nebenraum, der um diese Zeit leer ist. Lautlos schließe ich die Tür und schaue zu, wie Patience’Klassenkameraden einer nach dem anderen auf den Flur stürmen. Sie sind jetzt ein oder zwei Jahre jünger als ich, die Arme und Beine der meisten sehen viel zu lang und schlaksig aus. Ich hatte nie so eine Figur, was vielleicht am Training lag. Während sie altern, irgendwann erwachsen und nicht mehr so jung und kraftvoll sein werden, behalte ich den Körper einer Siebzehnjährigen.

Einer der Schüler, ein pickliger Junge, schaut in meine Richtung und ich ducke mich. Meine Reflexe sind perfekt trainiert. Wenn ich nicht gerade abgelenkt oder aus
irgendeinem Grund benommen sein sollte, werde ich immer schneller sein als jeder Lehrer und jeder Schüler auf dem ganzen Internat.

Als ich mich wieder aufrichte, sehe ich Patience und ihre Freundinnen an mir vorbeigehen, die rothaarige Adella und Rhoda, die blond ist wie Patience, ihr Haar aber deutlich kürzer trägt. Die Mädchen stecken die Köpfe zusammen und tuscheln über irgendetwas. Ich kann nur hoffen, dass es Patience keiner der Jungs aus der Klasse angetan hat, denn wenn es soweit sein sollte, werden die Dinge kompliziert.
Nein, unangenehm trifft es wohl eher.

Auch aus den anderen Klassenräumen links und rechts kommen jetzt Schüler; auf dem Gang werden sie zu einem dichten Strom und ich kann Patience nicht mehr sehen. Ich warte, bis die letzten Nachzügler aus dem Korridor verschwunden sind, dann verlasse ich den leeren Klassenraum und laufe los. Routiniert wende ich mich nach rechts und nehme denselben Schleichweg, der mir seit Jahren dazu dient, Patience nicht länger als nötig aus den Augen zu lassen. Zwar ist sie auf dem Internatsgelände zumindest tagsüber in Sicherheit, doch wie sagt ihr Vater immer so schön? Das Problem mit der Gefahr ist, dass sie unberechenbar ist.

Ich sprinte weiter bis zum Abstellraum, in dem die Putzfrauen ihre Sachen aufbewahren. Licht machen muss ich nicht, denn ich bin diesen Weg schon hundert Mal gegangen. Jede Bewegung, jeder Handgriff sitzt. Ich steige über die Eimer und Reinigungsgerätschaften hinweg, stoße die Klappe zum Lüftungsschacht auf. Dann schiebe ich mich mit den Füßen zuerst hinein, drehe mich auf den Bauch und hänge die Klappe wieder in ihre Verankerungen. Rückwärts robbe ich los, bis ich die erste Biegung erreiche. Dort kann ich mich umdrehen und komme nun schneller voran, trotz der stickigen Luft, der Enge und der Dunkelheit um mich herum. Ein paar Spinnweben hängen vor mir von der niedrigen Decke, ich wische sie beiseite. Penibel achte ich darauf, dass meine Schuhe nicht gegen das Metall des schmalen Schachts stoßen. Obwohl ich es eilig habe, muss ich leise sein, denn wenn mich ein Hausmeister oder einer der Lehrer entdecken würde, hätte ich ein ernstes Problem. Ich müsste erklären, was die Tierpfleger in im Lüftungsschacht zu suchen hat und ich fürchte, darauf gäbe es beim besten Willen keine logische Antwort.

Endlich erreiche ich das Ende und klettere aus dem Schacht, achte wieder darauf, dass ich ihn sorgfältig hinter mir verschließe. Nun bin ich in einem der Speisesäle, die wie immer um diese Zeit noch leer sind. Aus der Küche dringt schon ein schwerer, würziger Geruch, aber meine letzte Mahlzeit ist zu lange her, als dass ich den Duft erkennen könnte. Ich hätte es nie gedacht, doch wenn man nicht essen
muss, verlässt einen auch der Appetit. Essen ohne Sinn macht keinen Spaß.

Ich schleiche an der Küchentür vorbei. Sie steht einen Spalt offen, dahinter huschen unzählige Gestalten in weißen Jacken hin und her. Wie immer sind sie zu beschäftigt, um mich zu bemerken. Keine zwei Stunden mehr, dann wollen allein in diesem Raum mehr als tausend Schüler versorgt werden. Das Woodpery-Internat ist die größte Schule in Neu-Oxford, und die teuerste dazu. In den Arbeitersiedlungen gibt es überhaupt keine Schulen, im Niemandsland natürlich auch nicht.

Ich lasse die Küche hinter mir und laufe zu einem der Fenster. Es steht offen. Kurz vor dem Fensterbrett setze ich an und mache einen beherzten Sprung nach draußen, falle gut fünf Meter in die Tiefe und lande auf den Füßen. Um mein eigenes Gewicht abzufangen, gehe ich in die Hocke. Sogleich richte ich mich wieder auf. Ich befinde mich auf der Rückseite von Patience’Schulgebäude, in dem die zehnten Klassen unterrichtet werden, an einer abgelegenen Stelle des riesigen Campus.

Vor mir erstreckt sich der Park, der die prächtigen, schiefergrauen Unterrichtsbauten von den Wohngebäuden trennt. Der Schulhof liegt ein wenig abseits, damit die
lernenden Schüler von denen, die gerade Pause haben, nicht gestört werden. Ich sprinte los, nehme die Abkürzung über die Grünflächen, bleibe im Schatten der Bäume. Schon in meiner Ausbildung war ich eine gute Läuferin. Wenn ich renne, habe ich das Gefühl, dass meine Beine wie zwei Roboter sind, die sich ganz von selbst unter mir bewegen. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich zwischen zwei
Schritten gar nicht den Boden berühren. Der Wind zerzaust mein Haar und ich spüre keine Anstrengung, obwohl es bis zum Schulhof und damit auch zum Stall ein ganzes Stück ist. Schließlich bin ich da, eile durch die Hintertür ins Innere des Stalls. Die Pferde in ihren Boxen schrecken auf, als ich in ihrer Mitte langsam zum Stehen komme. Alle Welt wird denken, ich wäre die ganze Zeit hier gewesen. Seelenruhig
gehe ich zum vorderen Tor und öffne es. Meine Hündin Mali erhebt sich von ihrer Decke im Heu, streckt ihren kräftigen Körper und folgt mir. Warmes Tageslicht fallt in den Stall und Staubflocken tanzen in der Sonne. Es ist ein schöner Tag heute. Ein paar der Pferde wiehern leise und scharren mit den Hufen.

»Gleich dürft ihr auf die Koppel«, beruhige ich sie, dann trete ich nach draußen. In der Ferne erreichen die ersten Schüler den Pausenhof, tobende Fünft- oder Sechstklässler. Mit Mali dicht an meiner Seite überquere ich die Koppel und bleibe am Zaun stehen, bis ich Patience entdecke. Zwischen Adella und Rhoda tritt sie aus den Schatten der Gebäude. Zufrieden tätschle ich Mali den Kopf und lasse sie am Zaun zurück. Dann gehe ich langsam zurück zum Stall, um die Pferde nach draußen zu bringen, die einige der Schülerinnen von ihren Eltern geschenkt bekommen haben. Das ist mein Glück, denn wenn es die Stelle als Tierpflegerin nicht gegeben
hätte, hätte ich mich als Lehrerin bewerben müssen, und dafür bin ich nicht nur zu jung, sondern leider auch völlig ungeeignet. Zu dickköpfig, haben meine eigenen Lehrer immer gesagt. Niemand, der anderen ein Vorbild sein kann.

Ich öffne die Box von Hazel, einer Stute, die mich nicht wirklich leiden kann. Sie scheint allerdings niemanden so richtig zu mögen, auch nicht das Mädchen aus der Achten, dem sie gehört. Die Stute schnaubt und dreht mir den mächtigen Hintern zu.

»Ruhig«, sage ich und lege ihr die Hand auf den Rücken. Die Stute dreht sich um, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, und stolziert nach draußen.

»Also gut, du stures Vieh«, sage ich und will mich gerade der nächsten Box widmen, als auf einmal Patience’ Stimme über die Koppel schallt.

Ich laufe nach draußen. Es ist alles in Ordnung, sie steht am Zaun und schaut mir entgegen. Rhoda und Adella warten abseits und tuscheln wieder. Sie sind typische
sechzehnjährige Gören, zumindest glaube ich das. Obwohl ich kaum älter bin als sie, kann ich mich nicht in sie hineinversetzen.

»Pferdemädchen«, ruft Patience erneut und winkt mich zu sich heran. So nennen mich alle Schüler, ich störe mich nicht weiter daran.

»Ich wollte nur fragen, wie es Yvore geht«, fragt Patience, als ich bei ihr angekommen bin. Laut genug, dass ihre Freundinnen es hören können.

Adella verdreht übertrieben die Augen. »Lass das blöde Pferd doch«, ruft sie, aber Patience ignoriert sie.

»Komm rein und sieh nach ihm. Erfreut sich sicher.« Ich öffne ihr das Gatter.

Yvore ist ein Hengst, der kränkelt, seit ich ihn kenne. Er versteht sich nicht mit den anderen Pferden und versteckt sich meist in seiner Box. Außerdem ist er unser Codewort — wann immer Patience während der Schulzeit irgendetwas von mir will, geht es offiziell um Yvore. Unter dem Protest ihrer Freundinnen und Adellas Hinweis, dass sie ihre Pause nicht so vergeuden sollte, folgt Patience mir und Mali in den Stall. Ich lasse das Tor offen, alles andere wäre auffällig. Kaum eingetreten, dreht sich Patience zu mir um.

»Worum geht es?« Ich lehne mich gegen Hazels leere Box und sehe sie an.

»Adella und Rhoda wollen heute Abend in die Stadt«, beginnt Patience vorsichtig.

»Aha«, sage ich. Ich weiß, worauf sie hinaus will.

»Am Piccadilly Circus wird es eine Damnatio geben. Die beiden dürfen zusehen und ich würde gerne mitfahren.«

Gut, damit habe ich nicht gerechnet. Ein einziges Mal war ich während einer Damnatio am Piccadilly Circus, dem riesigen, gemauerten Platz in der Mitte der Stadt. Auf den Leinwänden habe ich die Gesichter der Delinquenten gesehen. Einmal und nie wieder, das habe ich mir geschworen. Überrascht schaue ich Patience an. Sie hat ein Pokerface aufgesetzt.

»Das willst du dir angucken?«, frage ich.

Patience sagt weder ja noch nein. »Alle tun es«, rechtfertigt sie sich.

»Du nicht«, antworte ich und wende mich der nächsten Box zu. Bis Mittag müssen alle Pferde draußen sein und einige von ihnen bocken nur zu gern, auch wenn sie genau wissen, dass es auf der Koppel Futter gibt.

»Bitte, Jo.« Patience folgt mir. »Es ist doch nur ein Abend. Und Rhodas Dad wird sogar auf uns aufpassen.«

»Er kann auf deine Freundinnen aufpassen, damit hat er genug zu tun.« Ich führe einen braunen Wallach auf den Mittelgang, aber weiter komme ich nicht, denn Patience steht uns im Weg. »Ich habe Nein gesagt. Und jetzt geh bitte raus, bevor jemand nach dir suchen kommt.«

Patience sieht mich flehentlich an. »Überleg es dir. Es geht mir doch gar nicht um die Hinrichtung. Ich will nur einen einzigen Abend erleben, der nicht so -«

»Sicher ist?«, frage ich sie.

Patience senkt den Blick und fahrt dem Wallach mit den Fingern durch die Mähne. »Das ist dann wohl ein endgültiges Nein«, stellt sie ein bisschen bedauernd, ein bisschen beleidigt fest.

»Genau«, sage ich, denn ich kann es mir nicht leisten, meine Meinung zu ändern.


Die 36-seitige Leseprobe steht mit freundlicher Genehmigung der Autorin als als PDF zur Verfügung.
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