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Westernkurier 07/2014

Yuma, das andere Wort für Hölle!

Auf ein Wort, Stranger,

diesmal behandelt unsere kleine Kolumne das Thema Justizvollzug im Wilden Westen.

Es wurde bisher viel darüber geschrieben, über moderne Methoden desselben, über Gefängnisse, über Marshals und Verbrecher, über Richter, die in Ermangelung von Gefängnissen ihre Gefangenen in Erdlöcher steckten oder sie zusammen mit wilden Tieren an einen Baum banden oder aber über die sogenannte hemdsärmlige Salbeijustiz.

Aber es gibt bis heute keinen Begriff, der dieses Thema so beherrscht wie Yuma.

Ein Wort, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht.

Ein Wort, das noch heute von vielen mit Begriffen wie Blut, Schweiß, Tränen und Hölle assoziiert wird.

Vier Buchstaben, die zum Synonym für verurteilte Verbrecher wurden.

Im Jahr 1875 beschloss das Parlament des Territoriums Arizona die Errichtung eines Staatsgefängnisses und bewilligte zu diesem Zweck aus dem Staatssäckel eine Summe von 25 000 Dollar. Die Wahl für den Standort des Gefängnisses fiel auf ein staubiges, unwirtliches, ungewöhnlich heißes und zerklüftetes Granitgebirge oberhalb einer Biegung am Colorado River unweit der kleinen Stadt Yuma.

Bereits Anfang 1876 war die Planung für den Bau soweit vorangetrieben, dass schon am 28. April des gleichen Jahres der Grundstein gelegt werden konnte. Im Juni waren die ersten beiden Zellenbauten bezugsfertig, kurz darauf auch die Quartiere der Wachmannschaft, die Küche sowie diverse Lager- und Verwaltungsgebäude. Am 24. Juni meldete der Arizona Sentinel, eine der wichtigsten Zeitungen des Landes, die Ernennung von George Thurlow zum ersten Direktor von Yuma. Gleichzeitig wurde ein jährlicher Etat von 5 000 Dollar für den Unterhalt des Gefängnisses bewilligt.

Am 1. Juli bezogen dann die ersten 15 Häftlinge ihre primitiven Quartiere.

Von Anfang an herrschte in Yuma eiserne Disziplin. Als ein Jahr nach Eröffnung noch immer kein Ausbruch registriert wurde, überschlugen sich die Presse und die öffentliche Meinung beinahe täglich in ihren Lobesbezeugungen.

Gewiss galt Yuma als der härteste Knast Amerikas, aber nirgendwo wurde die Menschenwürde der Sträflinge angeblich höher gehandelt als hier. Wo sonst konnten die Inhaftierten lesen und schreiben lernen, wurden regelmäßig medizinisch überwacht, besaßen eine eigene Bibliothek und kamen in den Genuss eines gefängniseigenen Elektrizitätswerkes, das sie mit elektrischem Licht und einer Lüftungsanlage versorgte.

All das entsprach zwar im weitesten Sinne den Tatsachen, aber das war nur die eine Seite der Medaille. Die andere, weniger schöne, jene, die von Blut, Tod, Schweiß und Tränen erzählte, wurde geflissentlich verschwiegen.

Aber dann verfasste C. P. Drake, US-Marshal von Arizona, im Oktober 1878 eine Stellungnahme an den Bundesjustizminister Charles Devens in Washington und plötzlich war nichts mehr so wie vorher. Schonungslos deckte Drake die Missstände in Yuma auf.

***

Anbei nun einige Auszüge aus diesem Brief:

»… kann ich unter allen Informationen über Yuma, die mir zugänglich sind, nichts finden, was auf ein gewisses Maß an Menschlichkeit, wie es auch in einem Gefängnis nicht fehlen sollte, schließen lässt. Ein Häftling, der bis zu seiner Gerichtsverhandlung in Yuma inhaftiert war, ist vor wenigen Wochen gestorben und es ist erwiesen, dass sein Tod von der außergewöhnlichen Hitze verschuldet worden ist. Von Juni bis September herrschen hier Temperaturen von bis zu 60 Grad im Schatten und selbst die Nächte bringen kaum Abkühlung. Der traurigste Aspekt an diesem Fall aber ist, dass sich zehn Tage nach dem Tod des Häftlings seine völlige Unschuld an den ihm zur Last gelegten Taten herausstellte. Es sollte daher zu denken geben, dass das Gefängnis unter ehemaligen Insassen den Beinamen ›Höllenloch‹ bekommen hat.

Jede Zelle in Yuma ist ein kümmerlicher Raum von 2,70 m mal 2,40 m mit einer hochgewölbten Decke. An jeder Wand befinden sich drei übereinander befestigte Pritschen aus Stahl mit einer Breite von 45 cm. Andere Einrichtungsgegenstände gibt es nicht, keine Waschschüssel, keine Toilette, nur ein Koteimer für alle Insassen, der einmal am Tag geleert wird, und zwar morgens, sodass die Gefangenen die ganze Nacht mit dem Gestank verbringen müssen. Im Winter wiederum ist das Klima genau entgegengesetzt. Es wird bitterkalt mit Temperaturen teilweise unter 10 Grad minus. Die Zellen sind nicht beheizbar und jedem Häftling stehen nur eine dünne Strohmatratze und eine fadenscheinige Armeedecke zur Verfügung. Erkältungen bleiben nicht aus und deshalb grassiert unter den Häftlingen Tuberkulose und Lungenentzündungen.

Des weiteren ist es offensichtlich, dass die Beamten des Territoriums sowie die umliegenden Ladengeschäfte ein beträchtliches Vermögen auf Kosten der Insassen des Staatsgefängnisses machen.

Die bewilligte Summe zur Versorgung der Häftlinge ist in allen Gefängnissen des Landes etwa gleich. Das Distriktgefängnis von Prescott gibt für die Verpflegung der Gefangenen 8 Dollar in der Woche aus, in Tucson sind es immerhin noch 75 Cent, aber in Yuma beträgt der Tagessatz nur 39 Cent. Die Differenz verschwindet in den Händen der ehrbaren Bürger und Beamtenschaft. Es ist daher nur verständlich, warum immer mehr Häftlinge im erheblichen Gegensatz zu den Zeitungsmeldungen einen Ausbruch aus Yuma wagen.«

Trotz der immer mehr publik werdenden Mängel wurden die Sicherheitsmaßnahmen ständig verstärkt. Bluthunde wurden angeschafft, die Wachmannschaften mit den neuesten Waffen und Gaitling Guns ausgerüstet und der Bevölkerung 50 Dollar für die Ergreifung eines Häftlings gezahlt, dem es trotz aller Maßnahmen gelungen war, aus Yuma zu fliehen.

Für die Insassen wurde nichts getan, im Gegenteil, die Schikanen wurden immer größer, die zermürbende Arbeit in den Steinbrüchen der Granitberge immer härter und länger und die Disziplinarmaßnahmen immer grausamer.

Tagelange Dunkelhaft in einem Loch, in dem der Gefangene nicht einmal stehen konnte, und das im Sommer durch die Sonne über 70 Grad aufgeheizt und im Winter mit Eisblumen überzogen wurde, gehörten noch zu den erträglicheren Strafen.

Es war deshalb nur noch eine Frage der Zeit, bis es in Yuma zur Eskalation kommen würde.

***

Es begann mit dem Ausbruch der beiden gefährlichen Gewohnheitsverbrecher Thomas Berry und Milton Vance, der den zuständigen Richter Porter in schwere Erklärungsnot brachte.

Es folgte 1884 eine Gefängnisrevolte unter der Führung des Mexikaners Chico Wascaja, die aber unter Leitung des Gefängnisdirektors Frank Ingalls und im Besonderen durch seine Frau mit den Kugeln der Gaitling Guns blutig niedergeschlagen wurde.

Beinahe ein Dutzend Männer ließen dabei auf beiden Seiten ihr Leben.

1887 folgte ein erneuter gewaltsamer Ausbruchsversuch und diesmal hieß der Direktor Thomas Gates. Librado Puebla, ein zu lebenslanger Haft verurteilter Mörder, und sechs weitere Gefangene nahmen Gates als Geisel und versuchten so aus dem Gefängnis zu entkommen. Trotz der auf ihn gerichteten Waffen gab Gates dem Wachpersonal den Befehl zu schießen. Der Ausbruch wurde vereitelt und fünf Gefangene dabei erschossen.

Gates aber war durch Puebla so schwer verletzt worden, das er seinen Posten aufgrund dessen nicht mehr ausüben konnte. Er wurde mit diesen Ereignissen nicht mehr fertig und beging sechs Jahre später im März 1896 Selbstmord.

13 Jahre danach wurde das Zuchthaus von Yuma endgültig geschlossen und die letzten vierzig noch verbliebenen Häftlinge in das neue Staatsgefängnis nach Florence überführt. Das wuchtige Haupttor von Yuma schloss sich ein letztes Mal und die primitiven Gebäude blieben verlassen in der heißen Sonne zurück.

Der letzte Gefangene überhaupt, der Yuma verließ, hieß C. Jackson.

Ihn sowie alle anderen Gefangenen hat man heute vergessen, genauso wie die 110 anderen Männer und Frauen, die in der 33-jährigen Geschichte Yumas dort ihr Leben ließen.

Was in Erinnerung bleibt, ist der Name Yuma, ein Alptaum aus Hitze, Steinen, Blut und Tod.

Auch wenn es sich um Verbrecher gehandelt hat, stimmt diese Tatsache doch etwas nachdenklich.

Euer Slaterman

Quellen:

  • Kügler, Dietmar: Der Sheriff. Recht und Gesetz im Wilden Westen. Motorbuch-Verlag. Stuttgart. 1977
  • www.wilder-westen-web.de
  • Archiv des Autors

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