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Westernkurier 12/2013

Auf ein Wort Stranger, denn heute wird es wild.

Sie waren die größte, verwegenste und außergewöhnlichste Banditenbande, die es jemals im amerikanischen Westen gegeben hatte. Sie selber bezeichneten sich als das Eisenbahnbanditensyndikat und brachten in ihren Glanzzeiten über 100 Männer in den Sattel.
Von 1896 bis 1907 erstreckte sich ihr Aktionsradius praktisch von der kanadischen Grenze bis nach Mexiko und ging als Outlaw-Trail in die Geschichte ein.
Sie nannten sich The Wild Bunch, was man frei in etwa mit »wilder Horde« oder »wilder Bund« übersetzen könnte.
Genauso legendär wie die Bezeichnung Wild Bunch waren auch die Namen ihrer Anführer.
Robert Leroy Parker, Harry Longbaugh, William McGinnis, Harvey Logan, Ben Kilpatrick und William Erastus Christiansen.
Jetzt wird sich der ein oder andere Leser bestimmt fragen: »Ja wer ist das denn?«
Nun, es sind die tatsächlichen, also die Geburtsnamen dieser Männer, unter denen sie allerdings kaum bekannt waren. Im Gegensatz zu ihren »Künstlernamen«, die wahrscheinlich auch heute noch einen weitaus höheren Erkennungswert besitzen.
Sie lauten in der gleichen Reihenfolge wie oben Butch Cassidy, Sundance Kid, Elza Lay, Kit Curry, The Tall Texas und Matt Warner.
Obwohl diese im Gegensatz zu ihren wirklichen Namen bis heute immer noch durch Film, Buch und Fernsehen bekannt sind, erwähnt der Westernkurier trotzdem ihre Realnamen. Nicht nur der Vollständigkeit halber, sondern einfach deshalb, weil eine Kolumne, die Wert auf historische Tatsachen legt, diesen Aspekt nicht übergehen sollte.
Zurück zur Präsenz der Wild Bunch in den Medien.
Bis heute sind unzählige Sachbücher, Romane und Biographien zu diesem Thema erschienen, wobei Desperate Men von James Horan und Digging Up Butch and Sundance aus der Feder von Anne Meadows zu den bemerkenswertesten gehören.
Was Film und Fernsehen anbelangt, ist die Liste der Veröffentlichungen genauso lang. Aber auch hier gibt es zwei Werke, die nicht ungenannt bleiben sollen. Obwohl so unterschiedlich wie Tag und Nacht, sind sie auch heute noch im Gedächtnis eines jeden Filmfans fest verankert. Die Rede ist hier von dem Streifen Butch Cassidy und Sundance Kid, in dem unter der Regie von George Roy Hill 1969 Robert Redford und Paul Newman die Hauptrollen spielten und der zu einem der größten Kassenschlager seiner Zeit wurde.
Der andere ist Sam Peckinpahs Epos Wild Bunch aus den Siebzigern, der zwar als Meisterwerk gefeiert, aber ob seiner dargestellten Gewalt heftig kritisiert wurde und erst 1996 ungeschnitten in die deutschen Kinos kam.
Aber genug der Einleitung, wenden wir uns der wirklichen Geschichte und dem Werdegang dieser Männer zu und jenen Tagen, an denen alles begann.
Robert Parker erblickte am 13. April 1866 in Beaver, Utah das Licht der Welt. Obwohl er einer gottesfürchtigen Familie entstammte, – sein Onkel war ein Mormonenbischof -, hielt er sich bereits als Heranwachsender nur selten an die Gebote seines Glaubens. Den Namen Butch Cassidy beispielsweise legte er sich als Zeichen der Bewunderung für seinen Freund Mike Cassidy zu, der ihn in der Kunst des Rinder- und Pferdediebstahls unterwies.
Schon in jungen Jahren trat Butch der McCarty Bande bei, die aus den Brüdern Tom, Bill, Lew, George und Fred McCarty sowie Matt Warner und Elza Lay bestand. Diese verübten von 1885 bis 1893 in Colorado und Oregon zahlreiche Eisenbahn- und Banküberfälle. 1893 trennten sich Cassidy, Warner und Lay von der Bande und gingen ihre eigenen Wege.
Die drei gründeten die sogenannte Wild Bunch, die ihren Namen dadurch erhielt, dass die jungen Männer bei Tanzveranstaltungen mit wilden Späßen auftraten. Die Bande, die danach bis auf ein Dutzend Männer anwuchs, bestritt ihren Lebensunterhalt zunächst aus kleineren Überfällen und Viehdiebstählen.
Butch Cassidy wurde 1894 wegen Pferdediebstahl festgenommen und zu 2 Jahren Gefängnis in Rawlins, Wyoming verurteilt. Als er 1896 entlassen wurde, hatte er sich um keinen Deut gebessert. Im Gegenteil, kaum einige Tage in Freiheit, gründete er prompt eine neue Bande, die von Anfang an ziemlich erfolgreich agierte. Allmählich wurden auch die Zeitungen auf ihn aufmerksam. Das lag aber weniger an irgendwelchen spektakulären Überfällen oder an der Höhe der Beute, sondern vielmehr an der Tatsache, dass die Bande bei ihren Gesetzeswidrigkeiten stets darauf bedacht war, unnötige Gewalt zu vermeiden. Butch Cassidy hatte bis dato noch nie einen Mann erschossen, und selbst wenn ihm und seinen Männern die Verfolger so nah im Nacken saßen, dass sie bereits deren Atem spüren konnten, schossen sie immer auf die Pferde und nie auf die Reiter.
Obwohl der Name Wild Bunch schon lange in der Öffentlichkeit die Runde machte, datiert ihr eigentliches Gründungsdatum, so wie man die Bande und ihre Geschichte bis heute in Erinnerung hat, erst viel später.
Genauer gesagt war es der 1. Dezember 1897, der Tag, an dem George Curry mit den berüchtigten Logan-Brüdern und weiteren 75 Banditen der Hole in the Wall Bande zu Butch Cassidy stieß und sich mit seinen Männern zum American Train Robbers Syndicate vereinigte.
Von nun an ging es Schlag auf Schlag.

***

The Wild Bunch wurde zu einer straff geführten Organisation, die, in mehrere Unterbanden zerteilt, innerhalb kürzester Zeit zahllose Bank- und Eisenbahnüberfälle in Wyoming, Utah und Colorado verübte.
Einer der Spektakulärsten war der Hold Up von Wilcox, Wyoming.
Dort stand am Morgen des 2. Juni 1899 ein Mann gegen 02:30 Uhr neben den Schienen und schwenkte eine Laterne, mit der er schließlich einen Zug der Union Pacific Overland Limited zum Stehen brachte.
Einen Augenblick später war die Eisenbahn von den Reitern der Wild Bunch umzingelt. Die Männer koppelten den Packwagen ab und legten Dynamit darunter.
Genug, um ihn wie eine überreife Melone platzen zu lassen, aber dennoch nicht soviel, dass der Wächter, der sich hartnäckig weigerte, seinen Platz im Wagen zu verlassen, verletzt worden wäre.
Mit gezielten Sprengungen gelang es der Bande den Safe des Packwaggons aufzubrechen, der daraufhin seinen Inhalt, Tausende von Münzen, in die Nacht spuckte.
Die Outlaw schaufelten mit ihren Händen beinahe 30 000 Dollar zusammen und ritten lachend davon.
Auf diesen Coup ließ die Bande drei weitere folgen.
Daraufhin versuchte die Union Pacific dem Problem derart beizukommen, indem sie Cassidy und einigen ausgewählten Unterführern anbot, ihnen eine Begnadigung zu erkaufen und einen Posten als Zugbewacher zu geben. Als die Männer das Angebot ausschlugen, organisierte die Eisenbahngesellschaft eine eigene Bande von Revolverhelden, rüstete sie mit Hochleistungsgewehren und anderen modernen Errungenschaften der Verbrechensbekämpfung aus und schickte sie per Expresszug der Wild Bunch entgegen, derweil Pinkerton im ganzen Land Photos und ausführliche Beschreibungen der Wild Bunch Mitglieder verbreitete.
Cassidy erkannte bald, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis er von diesen derart entschlossenen Verfolgern irgendwann gestellt wurde.
Er verließ die Bande und reiste mitsamt seines besten Freundes Sundance Kid sowie dessen Geliebte Etta Place, übrigens eine hervorragende Schützin, Ende 1901 nach New York.
Nachdem das Trio alle Sehenswürdigkeiten der Stadt betrachtet hatte, führte sie ihr Weg weiter nach Buenos Aires.
Von dort aus verschlug es sie nach Patagonien, wo sie in der Nähe von Cholila einige Jahre friedlich als Farmer lebten.
Anfang 1905 zog es Etta zurück in die Staaten.
Es wird vermutet, dass sie genug vom Leben in der Provinz und der Eintönigkeit des Landes hatte und sie zurück in eine Großstadt wollte.
Kurze Zeit darauf waren auch Butch Cassidy und Sundance Kid des Müßiggangs überdrüssig.
Sie begannen erneut mit ihren kriminellen Aktivitäten, die sie über Chile bis nach Bolivien führten. Dort wurden sie von Soldaten gestellt und anschließend im Kampf erschossen.
In dem Bergarbeiterort San Vicente steht noch heute eine Gedenktafel, die an die beiden Gesetzlosen erinnert.
Das ist die offizielle Version.
In Wirklichkeit sollen die beiden verletzt überlebt haben und ihr restliches Leben in Uruguay oder in den Staaten verbracht haben.
Cassidys Schwester Lula Park Betenson behauptete, sie haben in den USA weitergelebt. Andere Menschen aus ihrem Umfeld berichten, dass Butch unter dem Namen William Phillips ein neues Leben führte und schließlich in Spokane, Washington, im Jahre 1937 verstarb.
Über Sundance Kid gab es ähnliche Gerüchte.
Man kann darüber denken, wie man will, es ist jedoch eine Tatsache, dass ihre 1992 exhumierte Gebeine sowie ein DNA-Test ergaben, dass es sich bei den Gebeinen nicht um die Überreste der beiden handelte.
Welches Ende die zwei Männer nahmen, ist also bis heute noch offen.
Die Berichte, wonach sie in die Staaten zurückkehrten und dort alt wurden, klingen aber von Jahr zu Jahr zuverlässiger.
Hat sich Sundance Kids Vorhersehung also doch bewahrheitet, als er auf dem Höhepunkt der Macht der Wild Bunch behauptete: »Lebend schnappen sie uns nie!«

In diesem Sinne
Euer Slatermann

Quellen: