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Zombies – Eine reale Gefahr?

Tafel des Gilgamesch-Epos

Eine der Tafeln des Gilgamesch-Epos

Auf den ersten Blick mag der Titel provokant und plakativ wirken. Die meisten Menschen werden bei dem Gedanken an einen Zombie an Bücher und Filme denken, an die typischen Figuren eines Genres, das einerseits belächelt wird, andererseits jedoch enorme Umsätze generieren kann.

Und doch meine ich es völlig ernst!

Der Zombie, also der lebende Tote, der Menschen anfällt und deren Fleisch frisst, ist die älteste Horrorfigur der Welt.

Der Zombie ist älter als die Mumie, älter als Frankensteins Monster und älter als der gute alte Langzahn, den es nach dem Blut junger Frauen dürstet.

Um genau zu sein, hat der Untote inzwischen über 3000 Jahre auf dem Buckel, denn er taucht bereits in der ersten

bekannten literarischen Schöpfung der Menschheit auf – dem Gilgamesch-Epos.

Dieser wurde etwa im 12. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verfasst und ist in Teilen erhalten.

Auf der sechsten Tafel dieses Werks – es wurde in Keilschrift verfasst, also mittels Griffel in Tontafeln gedrückt – finden wir folgende Passage:

 

Ischtar tat zum Reden den Mund auf

Und sprach zu Anu, ihrem Vater:

»Mein Vater! Schaff mir den Himmelsstier,

Daß er Gilgamesch töte in seinem Hause!

Schaffst du mir aber den Himmelsstier nicht,

So zerschlag ich die Türen der Unterwelt,

Zerschmeiß ich die Pfosten, laß die Tore weit offenstehn,

Laß ich auferstehn die Toten, daß sie fressen die Lebenden,

Der Toten werden mehr sein denn der Lebendigen!«

 

Die markierte Stelle beschreibt exakt, was wir aus unzähligen Romanen, Filmen, Serien, Comics und Spielen kennen – die Toten kehren aus dem Jenseits zurück, um die Lebenden anzufallen. Zombies fressen lebende Menschen, vermehren sich und am Ende sind sie in der Überzahl. Auf genau diesem Prinzip fußen unsere Zombies, auf diese Weise funktionieren die Handlungen, die uns Autoren und Regisseure vorsetzen.

Doch warum kehren die Toten zurück, warum fallen sie über unbescholtene Bürger her?

Im Gilgamesch-Epos ist der Grund einmal mehr verschmähte Liebe. Ishtar liebt Gilgamesch, aber der … Die tatsächlich älteste Geschichte der Welt also.

Moderne Werke haben meist einen etwas anderen Hintergrund.

Frühe Autoren griffen häufig auf das bekannte Phänomen des Zombiefizierens zurück; ein wenig erbauliches Ritual des Voodoo, bei dem Menschen in einen scheintoten Zustand versetzt und mittels Drogen ihres freien Willens beraubt werden. Vor allem der haitianische Voodoo ist für diese Methoden berüchtigt; Wade Davis, ein britischer Wissenschaftler, erforschte dieses Phänomen und legte seine Erkenntnisse in dem Buch The Serpent and the Rainbow (in Deutschland Schlange und Regenbogen, erschienen bei Droemer Knaur 1992) nieder. Er griff dabei vor allem den Fall von Clairvius Narzisse auf; ein Mann, der tatsächlich Opfer einer solchen Zombiefizierung geworden war.

Da Voodoo-Zombies schon vor Davis eine bekannte Größe waren, nutzten Autoren diesen Hintergrund für diverse Filme.

Szene aus “Night Of The Living Dead”

Eine zweite, gleichfalls beliebte Variante ist es, die Hintergründe einer Zombie-Apokalypse gar nicht zu beschreiben. Das Warum bleibt völlig im Dunklen. Hier ist der Zombie, dort sind die Opfer und nun beginnt der Kampf ums Überleben.

Einer der bekanntesten Vertreter dieser Lösung dürfte ohne Zweifel George A. Romero sein, der sie bereits in Night of the Living Dead und später in Dawn of the Dead nutzte, um den Zuschauern Gore und eine gehörige Portion Sozialkritik um die Ohren zu hauen.

Ganz ohne Zweifel hat Romero das Genre geprägt wie kein anderer. Und auch wenn seine Zombies ihr „Untot-Sein“ durch Bisse weitergeben, bleibt die Ursache für das Grauen doch im Dunkeln. Obgleich es etwas Infektiöses sein muss …

Und damit kommen wir zur dritten Variante – der allseits beliebte Mad Scientist.

Nun ja, in der Regel handelt es sich natürlich nicht um einen verrückten Wissenschaftler, sondern um eine ganze Gruppe. Angetrieben von Gier, Skrupellosigkeit oder auch Machthunger entwickeln Wissenschaftler in einem Labor Erreger, die wahlweise Leben erschaffen oder es nehmen sollen. Der Erreger entweicht, die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Noch vor 28 Days Later war es vor allem ein Franchise, das diese Variante der Zombie-Apokalypse bekannt gemacht hat: Resident Evil.

Capcom schuf mit diesem Spiel (in Japan heißt die Reihe Biohazard) den Prototyp des Survival Horrors und feierte erst auf der Playstation, später auch auf anderen Systemen enorme Erfolge.

Die Begeisterung war so groß, dass der Titel den Sprung auf die Leinwand, in die Bücherregale und in Comicshops fand.

In Resident Evil ist es das T-Virus, welches Tote in Zombies verwandelt. Eigentlich geschaffen, um die Symptome gewisser Krankheiten zu lindern, entwickelt der Erreger die unangenehme Eigenschaft, Leichen zu reanimieren – sehr zum Leidwesen jener, die mit den Zombies fertig werden müssen und zur Freude der Spieler oder Kinobesucher.

 

Kommen wir nun zum Kern des Artikels; zur Überschrift, wenn man so will.

Sicherlich stellen von Voodoo-Priestern zombiefizierte Menschen kein Risiko für unsere Gesellschaft dar.

Aber was ist mit jenen, die durch ein Virus zu wahrhaft untotem Leben erwachen?

Um eines vorwegzunehmen – in den folgenden Absätzen geht es nicht darum, Tote neu zu beleben. Kein Verstorbener wird aus dem Grab steigen, um Menschen anzufallen.

Aber darum geht es in vielen Zombie-Titeln auch gar nicht. In 28 Days Later zum Beispiel werden lebende, atmende Menschen zu reißenden Zombies.

Und davon soll ab jetzt die Rede sein.

Ich möchte diesen Teil des Artikels mit einer kleinen Geschichte einleiten.

Bis 1998 arbeitete ich als Krankenpfleger, und das auf verschiedenen Stationen. Eines Tages betreuten meine Kollegen und ich einen Patienten, der sich beim Sturz von einer Leiter ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen hatte; also eine Verletzung des Schädels, bei dem auch das Gehirn betroffen war.

In diesem speziellen Fall war ein Areal des Hirns geschädigt, das für die Persönlichkeit des Menschen zuständig ist.

Aus Gesprächen mit Angehörigen weiß ich, dass der Patient vor seinem Unfall ein freundlicher, hilfsbereiter Mann war. Kollegen schätzten ihn, er besaß einen großen Freundeskreis und wurde allseits geschätzt.

Durch den Unfall verwandelte er sich in einen egoistischen, selbstsüchtigen Menschen, dem es nur noch um die Erfüllung seiner primären Bedürfnisse ankam.

Es war, als habe er mit einem Schlag seine gesamte Erziehung verloren. Er war im wahrsten Sinne des Wortes asozial. Das zeigte sich besonders deutlich, als er während eines medizinischen Notfalls darauf beharrte, dass ihm jemand das Fleisch schneiden solle – jener, den wir zu reanimieren versuchten, würde ohnehin krepieren. Soll er vielleicht verhungern, nur weil neben ihm jemand verreckt?

Um es klar zu sagen: Ich mache diesem Mann keinen Vorwurf, denn er konnte nichts für sein Verhalten. Er war Opfer eines Unfalls geworden, der sein Leben und das seiner Angehörigen für immer veränderte.

Gleichzeitig aber machte mir diese Wesensveränderung deutlich, wie fragil unser soziales Verhalten sein kann. Schon verhältnismäßig kleine Hirnschäden können dazu führen, dass wir allein auf unsere Triebe reduziert werden.

Nichts anderes ist bei einem Zombie der Fall.

Die wohl wichtigste Funktion, der wichtigste Trieb eines jeden Tieres ist es, Nahrung zu sich zu nehmen.

Nun war besagter Patient noch in der Lage, Nahrung von einem Teller zu sich zu nehmen. Er war auch weiterhin menschlich in dem Rahmen, als dass er eine grundsätzliche Triebkontrolle besaß.

Aber was, wenn ein größerer Teil des Hirns geschädigt wird?

Oder wenn es einen Bereich des Hirns trifft, der uns grundsätzlich zu Menschen macht?

Was, wenn plötzlich ein Bereich des Hirns ausfällt, der uns davon abhält, andere Lebewesen anzufallen, um einfach ein Stück Fleisch aus Armen, Beinen oder Hals zu reißen?

Im beschriebenen Fall war ein Unfall der Auslöser für die Wesensveränderung des Patienten. Es wäre jedoch auch möglich, dass ein Erreger solche und auch weitaus schlimmere Symptome hervorruft.

Ein Virus, das den Betroffenen in eine beißende Bestie verwandelt, ihn jeder Form der regulären Kommunikation

Tollwut-Patient

Ein an Tollwut erkrankter Patient

beraubt und ihn im Verlauf der Krankheit entmenschlicht, ist längst bekannt und jedem vertraut – die Tollwut.

Bei ihr wird das Hirn durch einen Erreger der Gattung Lyssavirus geschädigt. Schluckstörungen und Rachenlähmung, Gereiztheit bis hin zur Raserei, Halluzinationen und Delirium sind die Folgen – bis der Betroffene am Ende stirbt.

Schaut man sich die Symptome der Tollwut an und weiß man, wie sehr unser Verhalten von einem intakten Hirn abhängig ist, kann man sich sehr leicht vorstellen, dass ein Virus – mutiert oder absichtlich gezüchtet – sehr leicht einen Zombie wie in 28 Days Later erschaffen kann.

Fallen die richtigen Hirnpartien aus, verwandeln wir uns in Bestien, die in jedem lebenden Menschen oder Tier eine potenzielle Nahrungsquelle sehen. Ohne die menschlichen Fähigkeiten, geplant vorzugehen und Werkzeuge zu nutzen, werden wir uns auf den nächstbesten Menschen stürzen, wenn uns der Hunger dazu treibt.

Schon ein Biss genügt, und der Erreger wird weitergegeben, das Opfer, selbst wenn es der Attacke entkommen kann, ist infiziert – wie bei der Tollwut.

Da sich die lebensnotwendigen Steuerfunktionen im Stammhirn befinden, wären sie bei einem solchen Erreger nicht einmal betroffen. Das Herz würde schlagen, die Lungen Sauerstoff einsaugen und CO2 ausstoßen. Hunger und Durst würden den Betroffenen zu einem wilden, planlosen und von puren Trieben geleiteten Biest machen, das Jagd auf alles und jeden macht, der eine Befriedigung dieser Basistriebe verspricht.

Die Gefahr, dass Viren mutieren, besteht prinzipiell immer.

Die Möglichkeit, dass Forscher an einem entsprechenden Erreger arbeiten, kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Eine biologische Waffe dieser Art könnte nicht nur zur Dezimierung des Feindes dienen, sondern auch eine enorm demoralisierende Wirkung entfalten.

Wie schnell sich ein Erreger zu einer Epidemie ausweiten kann, bewies die HUS-Epidemie 2011, bei der in Deutschland 30 Menschen durch den EHEC-Erreger starben und 804 weitere Personen erkrankten.

Wie schnell würde sich ein Zombie-Virus verbreiten, bei dem die Erkrankten aktiv Jagd auf Menschen machen?

Sind Zombies also eine reale Gefahr?

Zumindest sind sie von allen unheimlichen Wesen die wahrscheinlichsten. Werwölfe, Vampire, Mumien oder Ghouls sind grauenvoll und bereiten uns angenehme Schauer.

Der Zombie jedoch kann Wirklichkeit werden. Aus einer Laune der Natur heraus, oder weil irgendwo ein Wissenschaftler eine seiner Meinung nach geniale Idee hat …

16 Antworten auf Zombies – Eine reale Gefahr?