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From A Distant Land

Circus Of Fools
From A Distant Land

EP, 5 Tracks, 29:15 Minuten
Eigenproduktion 2012

Das Tübinger Trio um Tim Strouken (Vocals, Programming, Keys, Komposition und Lyrics), Dominik Bolter (Guitars) und Manuel Hassler (Drums) bezeichnet seinen musikalischen Stil selbst als »Modern Gothic/Industrial/Dark Metal«. Ich könnte dem noch ein paar Etikettierungen hinzufügen wie Symphonic Metal, Hardrock und Death Metal. Eines macht diese Aufzählung unterschiedlicher Stile aber gleich zu Beginn deutlich: Circus Of Fools lassen sich in keine der gängigen Schubladen pressen, entziehen sich klischeebeladener Kategorisierungen und haben bereits mit ihrem vorliegenden Debüt ihren ganz eigenen, persönlichen Stil gefunden. Dass an diesem noch gefeilt werden kann, steht wiederum auf einem anderen Blatt geschrieben.

Der Prolog der EP, betitelt The Show, macht dem Bandnamen alle Ehre. Maschinensamples bereiten den Auftritt des Conférenciers, des (Zirkus-)Direktors vor, der das Publikum auf das neugierig macht, was sich hinter dem (noch) herabgelassenen Vorhang befindet. Mit elektronischen Sounds unterlegt, preist er die Aufführung an. Welche Wunder wird es hier wohl gleich zu bestaunen geben? Die Bühne ist bereitet, lasst die Show für Jedermann beginnen!

Und die lässt mit Inquisition auch keine Sekunde auf sich warten. Stampfende synthetische Klänge gehen über in Death Metal – Geprügel und ergießen sich letztendlich in einen Klangteppich aus melodiösen Key-Passagen und rockigen Gitarrenriffs.

Tim singt von Toleranz und Diskriminierung; presst die Lyrics förmlich aus seinem Inneren heraus, bleibt aber überwiegend dem Klargesang verhaftet.

Der Titeltrack From A Distant Land beginnt mit einer Art von elektronisch verfremdeter Mittelalter-Mucke auf Speed, Drummer Manuel treibt den Song vehement voran, die Komposition an sich hat etwas von geordnetem Chaos. Tims Vocals kommen manchmal etwas arg genuschelt rüber, teils werden sie vom Synth zugekleistert und hier und da erinnern sie an einen »drunken sailor«. Tim probiert sich offensichtlich aus, will seine Stimme ausloten und versucht sich stellenweise sogar an growligem Gekeife. Ansprechend und fast erholsam die Guitar-Passagen während dieser inhaltlich eigentlich recht depressiven up-tempo-Nummer.

Track Nr. 4 Rorschach hätte das Herz-, das Meisterstück dieser EP werden können und liefert auch durchaus Potenzial dazu. Wer hat nicht schon allein bei der Titelnennung Assoziationen im Kopf von Tintenklecksbildern, psychologischen Testverfahren oder dem von Alan Moore und Dave Gibbons geschaffenen tragischen, aber nicht minder populären Antihelden aus dem Team der Watchmen?

Die ruhigen Keys zu Beginn, der keuchende Atem, aber auch die anfangs recht verhaltenen Vocals erzeugen eine düstere, beunruhigende Atmosphäre. Überraschend der plötzliche Einsatz einer Sängerin, deren Stimme mit Echo-Effekt aufgepeppt wird. Tim und die nicht genannte Dame treffen sich schließlich zu einem gesanglichen Duett, welches, ich vermag es leider nicht besser in einem Wort auszudrücken, verunglückt.

Die weibliche Stimme läuft der männlichen hinterher, gerade so, als habe die Sängerin den Text vergessen und müsse erst auf die Vorgabe warten. Dieser Probencharakter manifestiert sich auch in einer nicht zu leugnenden, spürbaren Unsicherheit, die letztendlich auch auf Tims stimmliche Darbietung abfärbt. Bei einer Gesamtlänge dieses Songs von über 12 Minuten, sei die Überlegung erlaubt, ob diese Passage nicht vor eventuellen künftigen Re-Releases herausgekürzt werden sollte? Auch die esoterischen, elektronischen Klangspielereien tragen nichts zur Qualität dieses Werkes bei. Erst als akustisch die Messer gewetzt werden, Manuel die Drumsticks wiedergefunden hat und sich Tim (durchaus gelungen) am Growling versucht, um dem Wahnsinn einer gestörten Persönlichkeit, der textlichen Faszination am Tod, Ausdruck zu verleihen, nimmt der Song endlich Fahrt auf.

Vielleicht hat man einfach versucht, zu viel in diese Komposition hineinzupacken, sodass man tatsächlich mit einem Stereotyp kontern kann: »Manchmal ist weniger mehr.«

(Was die Band zu Rorschach anzumerken hat, könnt Ihr übrigens im Interview nachlesen!)

Mit Good Night And Good Luck nähern wir uns dann auch schon dem Schluss dieses Horror-Zirkus`. So wie die Hörer, die Zuschauer begrüßt wurden, werden sie auch verabschiedet, mit einem ironischen Augenzwinkern, vielleicht auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Unter sägenden Gitarrenriffs und elektronischen Klangstrukturen senkt sich der Vorhang herab, die Vorstellung ist zu Ende und das Auditorium wird in die (unheilvolle) Stille entlassen.

From A Distant Land ist ein kreatives, abwechslungsreiches Debüt, welches Aufhorchen lässt. Der Stilmix ist interessant und hat das Potenzial, etwas ganz Eigenes, Unverwechselbares zu schaffen. Manchmal wäre eine straffere Konzeptionierung sicherlich von Vorteil gewesen. Grundsätzlich ist die düstere Mischung aus Elektronik und Metal jedoch gelungen. Zum positiven Gesamteindruck dieser thematisch wie auch musikalisch in sich geschlossenen Eigenproduktion trägt auch das selbst gestaltete, albtraumhafte CD-Cover, mit seinem dezenten 3D-Effekt bei der rückwärtigen Schrift bei, zumindest dann, wenn man es durch eine Lupe betrachtet.

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Veröffentlichung der Hörprobe mit freundlicher Genehmigung der Band

(sb)