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Der Vampir – Eine kurze Geschichte

Der Vampir ist ein Geschöpf voller Gegensätze. Nach Lust und Leben gierend sät er doch Tod und Verderben. Dabei sind die Gegensätze miteinander verbunden. Das Leben ist die Geburt des Todes und der Tod angeblich der Anfang allen Lebens. In unzähligen Legenden und Mythen ist der Vampir seit Jahrhunderten ein Objekt von Ängsten und wilden Fantasien. Er dient als Symbol für Tod und Unsterblichkeit, Macht und Erotik. Die tieferen Ursachen der Faszination sind Ängste und Begierden, die Sucht nach Leben und die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Im Vampirismus zeigt sich der ewige Kreislauf der Lebensenergie. Blut saugen, um zu leben und gleichzeitig den Tod bringen.

Es bestanden natürlich immer enge Verbindungen zwischen den Mythen um Blutsauger bzw. Bluttrinker und den heiligen Schriften der entsprechenden Völker. Die Spuren um den Vampirglauben sind weltweit verbreitet. Wobei es in den unterschiedlichsten Kulturen zu unterschiedlichsten Ausdrucksformen kam. Ein Austausch von Sagen kann dabei als ausgeschlossen gelten. Er, der Blutsauger, kam im alten Babylon und Ägypten ebenso vor wie in Griechenland, Rom und China. In China erzählte man bereits um 600 v. Chr. Vampirgeschichten. In Indien wurden die Abenteuer des Königs Vikram und einem Vampir überliefert. Der indische Gelehrte und Dichter Bhavabhuti schrieb im siebten bis achten Jahrhundert fünfundzwanzig Erzählungen über einen Vampir, der Tote wieder zum Leben erweckt. Dabei konnte beobachtet werden, wie er kopfüber wie eine Fledermaus an einem Baum hing. In den indischen Veden wurde von den Gandharven berichtet. Diese waren blutgierige, faunartige Buhlgeister. Sie suchten die Frauen im Schlaf heim, um ihr Blut zu trinken. Gegen diese Gandharven existierten tatsächlich Barinflüche, die beweisen, dass es sich bei ihnen um eine beängstigende Realität handelte. Zumindest in den Köpfen der damaligen Menschen. In der antiken Dichtung tauchen die Vampire als Striges, Lamien und Empusen auf. Der Grieche Phiostratus berichtete in einer Erzählung von einer blutlüsternen Empuse. Und beim Römer Apuleius ist in seinem Roman Metamorphosen zu erfahren, dass Blut trinkende Lamien die Menschen des Nachts heimsuchten. In den Fasti des Ovid überfielen Striges den Königssohn von Alba. Homer ließ Odysseus gar im elften Gesang die Toten mit Blut aus ihrem Reich locken. In Scheherazades Geschichten von Tausendundeiner Nacht berichtete diese in der fünften Nacht von einem jungen Königssohn, der während einer Jagd beinahe das Opfer einer Blut trinkenden Ghula wurde. In altisländischen Sagen gehen zuhauf Vampire um, die dort Wiedergänger genannt werden.

Durch die Jahrhunderte hindurch erzählten sich die Völker Europas Sagen von Nachtalben, Widergärigen oder nachzehrenden Toten, und selbst Goethe veröffentlichte 1797 in Anlehnung an Phlegons Die Braut von Amphipolis sein Vampirgedicht Die Braut von Korinth. Dies fand wegen seiner ungewohnt freizügigen Schilderung der nächtlichen Liebesszene zwischen der toten Braut und ihrem lebenden Bräutigam von der zeitgenössischen Leserschaft erbitterte Ablehnung.

Ein angeblicher Vampir, Peter Poglojowitz, wurde im 18.. Jahrhundert in einem kleinen ungarischen Dorf entdeckt. Er starb 1725. Sein Grab wurde später geöffnet, dabei fand sich frisches Blut an seinen Lippen. Zudem zeigte der Leichnam keinerlei Spuren von Verwesung. Die Dorfbewohner hielten ihn deshalb für einen Vampir und verbrannten den Leichnam. 1732 wurde ein anderer Fall von Vampirismus bekannt,

Arnold Paole aus Medvedja war der Auslöser für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Vampiren. Der gelehrte Dominikanerpater Augustin Clement veröffentlichte 1751 eine Abhandlung über die Vampire in Ungarn und Mähren. Vor allem in Südosteuropa ist der Vampirglaube heute noch verbreitet.

Der Glaube an herumwandernde Untote und blutsaugende Vampire wird vielleicht niemals ganz aussterben. In England wurde erst 1832 der verbreitete Brauch verboten, Selbstmördern einen Pflock ins Herz zu stoßen.

Die Wurzeln des Vampirismus reichen weit zurück. In der Frühzeit des Menschen entdeckte er, dass ein verwundetes Tier oder ein verletzter Mensch mit dem Blut, auch die Lebenskraft verlor. Blut war die Quelle des Lebens. Deshalb schmierten sich die Männer selbst mit Blut ein, oder tranken es auch. Damit war die Vorstellung geboren, dass man durch das Trinken von Blut seine Lebenskraft erneuern könne.

Der Vampir trägt viele Namen: vrykolakes, brykilakas, barabarlakos, borborlakos oder bourdoulakos im Griechischen; katakhanoso oder baital im alten Sanskrit; upiry im Russischen; upiroy im Polnischen; Blutsauger im Deutschen. Im alten China fürchtete man den giang shi, ein Dämon, der Blut trank. Abbildungen von Vampiren fanden sich auf babylonischer und assyrischer Töpferware, die Jahrtausende vor der Zeitenwende entstand. Der Aberglaube blühte sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt. Die Indianer im Gebiet des heutigen Peru glaubten an die canchus oder pumapmicuc, eine Gruppe von Teufelsanbetern, die schlafenden jungen Menschen Blut absaugten.

Dem Talmud zufolge gab es schon vor Eva eine Frau auf der Erde. Adams erste Frau Lilith. Sie war Adam gegenüber ungehorsam, stellte seine Autorität infrage und verließ ihn schließlich voller Wut. Drei Engel versuchten, sie davon abzuhalten. Nach diesem Affront wurden ihre Kinder getötet und sie selbst in ein nachtaktives Ungeheuer verwandelt. Erst danach kam Eva ins Spiel und gebar Adam Kinder, was Lilith in ihrer Eifersucht dazu brachte, den Söhnen und Töchtern von Adam und Eva nachzustellen und sie zu töten. Da alle Menschen laut Bibel von Adam und Eva abstammen, ist niemand vor Liliths Angriffen sicher. Die mittelalterlichen Juden schützten ihre Kinder mit speziellen Amuletten, auf denen für gewöhnlich die drei Engel abgebildet waren.

Dem westlichen Vampirglauben liegen vor allem die Vorstellung des Balkans und die orientalische Vorstellung der ewigen Wiederkehr zugrunde. Danach geht nichts wirklich zugrunde, sondern kehrt in neuer Reinkarnation zurück. Der Vampir nimmt den Lebenden das Blut; wenn sich aber sein Blut mit dem des Opfers mischt, wird auch dieser zu einem Untoten. So überwindet das Opfer ebenso die Endgültigkeit des Todes.

Die Art und Weise der Exkommunikation aus der orthodoxen Kirche bestärkte außerdem den Vampirglauben, denn über den Exkommunizierten wurde ein Fluch gesprochen. Der Körper werde unversehrt und ganz bleiben, die Seele keinen Frieden finden. Orthodoxe Christen, die zum Katholizismus oder zum Islam übertraten, wurden dazu verdammt, über die Erde zu wandern und nicht in den Himmel zu kommen.

Ganz besonders in Rumänien sind eine ganze Reihe von Vampirgestalten bekannt. Die am häufigsten benutzte Bezeichnung – strigoi (weiblich: strigoaica) – meinte ein Wesen, das bei Tageslicht schlief und nachts als Wolf, Hund oder Vogel kleinen Kindern das Blut aussaugte. Im engeren Sinn bezeichneten strigoi dämonische Nachtvögel, die sich von menschlichem Blut und Fleisch ernährten. Der weibliche Vampir ist gefährlicher als der männliche. Die strigoaica konnte Ehen und Ernten zerstören, verhindern, dass Kühe Milch geben und tödliche Krankheiten verursachen. Ein anderer Untoter war der pricolici, der als Mensch, Hund oder Wolf erscheinen konnte. Unter den rumänischen Vampiren gab es immer auch Sünder, deren Reise in die andere Welt unterbrochen wurde. Für eine gewisse Zeit wurden sie dazu verdammt, den Lebenden nachzustellen. Der rumänischen Überlieferung zufolge spielte sich das Leben nach dem Tod nicht in einer spirituellen Welt ab, sondern glich weitgehend dem auf der Erde. So liegt es nahe anzunehmen, dass die Untoten wie lebendige Menschen über die Erde wanderten. Sie waren allerdings nicht immer Vampire. Tatsächlich ist das rumänische Wort für »Untote«, moroi, gebräuchlicher als das für Vampire oder Blutsauger, strigoi. Aber beide, die Untoten wie die Vampire, wurden auf dieselbe Weise zerstört, indem man ihnen bei Tageslicht, wenn sie in ihren Särgen lagen, einen Pflock durchs Herz oder in den Nabel stieß. Der Pflock sollte aus Eschen- oder Espenholz gefertigt sein. In manchen Gegenden Transsylvaniens wurde auch ein Eisenstab benutzt, vorzugsweise in rot glühendem Zustand. Anschließend wurden die Überreste verbrannt. Man konnte ebenso eine Tanne in seinen Körper stoßen, um den Vampir in seinem Grab zu halten. Die Tannenornamente, die man heute noch über rumänischen Gräbern sieht, sind von diesem Brauch abgeleitet.

Sie sind alt wie die Welt, diese Geschichten von Vampiren, die sich auf einen legen und einem das Blut aussaugen.

In den Mythologien der alten Zeit war der Vampir in der Regel ein Verstorbener, eine umherwandelnde Leiche, welche die Lebenden heimsuchte und sie ihrer Lebenskraft beraubte. Sie verursachten Krankheiten, Siechtum, Missernten und sind für andere Naturkatastrophen verantwortlich.

Es gab diesen mythologischen Vampir unter den verschiedensten Namen. Bei diesen saugenden Monstren handelte es sich nicht unbedingt um Wesen, mit denen man sich gerne identifizierte. Im Gegenteil, sie ließen die Sterblichkeit des Menschen und die Gewissheit des Todes als Segen gegenüber der Verdammnis dieser Untoten erscheinen. Ein Aspekt, der die weitverbreitete Bereitschaft an die Existenz solcher auf ewig Verdammten zu glauben erklären mag.

Dieses änderte sich erst mit dem literarischen Vampir, den man in Ansätzen bereits in Goethes Die Braut von Korinth erkennen vermag, der aber erst im viktorianischen Zeitalter durch Autoren wie Sheridan LeFanu, Lord Byron, dessen Freund und Arzt William Polidori und nicht zuletzt dem Iren Bram Stoker seine volle romantische Bedeutung erlangte. Welcher Mensch kennt nicht LeFanus weiblichen Vampir Carmilla oder besser gesagt Mircalla, Comtes Karnstein oder den eleganten Lord Ruthven aus Polidoris Feder? Von dem wohl bekanntesten adligen Vampir, dem transsylvanischen Grafen Dracula ganz zu schweigen.

Alle diese Vampire entsprangen dem Geiste dieser Romanciers, teilweise in Anlehnung an historischen Personen, wie der Gräfin Elisabeth Bathory oder dem walachischen Woiwoden Vlad III., welcher auch Vlad Tepes (Vlad der Pfähler) oder Draculae (Sohn des Drachens/Sohn des Teufels) genannt wurde. Diese Vampire gaben den Autoren die Möglichkeit, mehr oder weniger erotische Szenen in ihren Geschichten zu erzählen, ohne gegen den guten Ton der recht prüden viktorianischen Zeit zu verstoßen. Neuzeitliche Autoren wie Anne Rice oder Tom Holland haben das Ihre dazu beigetragen, diesen übernatürlich schönen, eleganten, verführerisch erotischen und schier unüberwindbaren Vampirtypus neues Leben einzuhauchen. Während Holland seine Vampirtrilogie dem Altmeister Lord Byron widmet, welcher dort als übermächtiger Vampir durch die Sphären der Zeit wandelt, kreierte Anne Rice gleich mehrere wunderschön anzuschauende Vampire.

Die Filmindustrie tat dann das ihre dazu, um den Vampir in unzähligen Filmen zu glorifizieren. Nur in sehr wenigen Filmen erscheint der Vampir als verfluchte,

gottlose Kreatur, welche unter ihrem Dasein leidet. Die meisten Filmvampire genießen ihre Macht und spielen sie erbarmungslos aus. Auch wenn sie zumeist am Ende des Filmes ihren endgültigen Tod durch den Pflock oder das Sonnenlicht erleiden.

Mit solchen Charakteren kann man sich natürlich sehr leicht identifizieren, stellen sie doch alles dar, was einem Sterblichen als erstrebenswert erscheinen mag. Die Vampire sind unsterblich, gegen jegliche Krankheit gefeit, schön, verführerisch und verfügen über eine faszinierende Ausstrahlung. Zudem sind sie stark und mächtig. Vor allem aber stehen sie außerhalb der menschlichen Gesetze, können tun und lassen was immer sie wollen, ohne die Strafe für Ihr Tun fürchten zu müssen. Durchaus kann man sogar so weit gehen, dass sie am Ende aller Tage selbst die Vergebung Gottes erhalten. Schließlich hatten sie ja keine Wahl und sind völlig unschuldig an ihrem Zustand. Alles tun zu dürfen und vor allem zu können, ohne die Konsequenzen dafür tragen zu müssen, scheint ein zentraler, faszinierender Punkt zu sein, der den Vampir ausmacht. Sowie die dunkle Romantik, welche Vampire mittlerweile ausstrahlen.

Und doch gibt es Vampire. Menschen, die so leben, als wären sie jene mythologischen oder literarischen Vampire, ohne jedoch wirklich daran zu glauben. Andere Menschen wiederum, die die Nacht und ihren dunklen Frieden lieben, die lieber stundenlang den Vollmond anschauen. Oder solche die dunkle, düstere Musik mögen. Von diesen sogenannten Vampiren gibt es mehr, als sich der Normalbürger denkt. Sie leben unter uns. Manche sind »nur« Rollenspieler, welche am Wohnzimmertisch oder beim Live-Rollenspiel ihre vampirischen Abenteuer bestehen. Der eine lässt an seinem Äußeren keinen Zweifel daran aufkommen, welcher Gattung er angehört und mag sich extrem kleiden, schminken und zurechtmachen, während der andere weniger auffällig als Vampir durchs Leben geht.

Wir leben in einer Zeit des Unglaubens und der Unsicherheit. Mehr als jemals zuvor sind die Kirche und die Religionen die Rettungsinsel der Verzweifelten. Egal wie stark dieser Glauben aber auch sein mag, der Aberglaube befindet sich in einem neuen Wachstum. Die primäre Treibkraft dieses neu entflammten Aberglaubens ist der Vampir. Mit dem Gedanken über das Leben eines Vampirs, seine Gefühle und Kräfte können sich mittlerweile sehr viele Menschen trösten oder in eine andere Welt flüchten. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Vampirmythos stark verändert. Er ist nicht länger das Untote, gedankenlose Monster von einst. Mittlerweile ist der Vampir ein denkendes, erotisches und unzufriedenes Wesen. Er ist der Verführer und Liebhaber, der es nicht länger nötig hat, sich seine Opfer mit Gewalt zu nehmen. Wo bei Bram Stoker noch die Romantik im Vordergrund stand, so steht bei Anne Rice der sexuelle Akt an sich im Vordergrund. Man könnte sagen, dass sich der Vampir der Gesellschaft dieses Jahrhunderts angepasst hat. Der moderne Vampir ist eine Kombination aus allen bisher bekannten. Er vereint in sich das Monster, den Charmeur, den Jäger, die Erotik und die absolute Freiheit. Ein Vampir ist frei von den Lastern der Gesellschaft und hat sich dieser nicht zu unterwerfen, da er ein mächtigeres Wesen ist. Er unterliegt weder den Gesetzen der Menschen noch denen der Natur. Ihm gehört die Ewigkeit. Der Vampir ist frei, zu tun und zu unterlassen, wie es ihm beliebt. Die Vereinigung all dieser Eigenschaften erlaubt eine große Fangemeinde aus den unterschiedlichsten Schichten der Gesellschaft. Jeder kann, wenn er will, etwas von dem Vampir in sich finden. Diejenigen die den Mythos wahrhaft erforschen wollen müssen sich zunächst durch einen unendlichen Dschungel von Informationen kämpfen. Diese Vampir-Subkultur hat sich auch noch aufgespaltet in die Goths und Dark Wavre, die Live Rollenspieler und Romanfans.

Copyright © 2013 by Erik Schreiber