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Der Welt-Detektiv Band 6

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Tee und Gebäck

Irgendwo in einer Kleinstadt mit Namen New Erlingten.

Die Kleinstadt atmete nach der Last des Winters langsam auf. Die warmen Sonnenstrahlen waren Balsam für die Seele und alles erwachte zu neuem Leben. Eine junge Frau, lassen wir sie 25 Jahre sein, näherte sich einem alten Haus. Das Haus von Emma Rightwitch, einer alten Frau mit einer faszinierenden Geschichte. Sie ist die Berühmtheit in diesem Landstrich. Ah, die junge Frau klingelt und da macht auch Emma Rightwitch die Türe auf. Doch lassen Sie uns dem Gespräch lauschen …

»Hallo, Miss Rightwitch. Wir hatten telefoniert … das Interview.«

»Ah, hallo. Treten Sie doch näher, junge Dame. Ich warte schon gespannt auf ihren Besuch. Sie wollen mich also interviewen. Meine Geschichte ist doch eigentlich nicht so spektakulär. Nehmen Sie Platz. Möchten sie einen Tee und vielleicht etwas Gebäck? Setzen Sie sich ruhig, ich bin gleich wieder da.«

»Machen Sie sich doch nicht so viele Umstände, Miss Rightwitch.«

»Nicht doch Kindchen. Ich mache es sehr gerne. Wie Sie sicher wissen, habe ich keine Verwandten und leider auch keine Kinder. Ich hatte nie das Glück … Ach, wie gerne hätte ich Enkelkinder, die hier im Haus herumtoben.«

»Ist es denn sehr einsam hier draußen?«

»Naja, hin und wieder bekomme ich Besuch von so netten Menschen wie Ihnen. Wie darf ich Sie eigentlich nennen? Darf ich Eleonora zu Ihnen sagen? Es ist so ein hübscher Name, den Sie da haben. Das dachte ich mir sofort bei unserem Telefonat. So ein hübscher Name.«

»Ja, natürlich dürfen Sie mich bei meinem Vornamen nennen, Miss Rightwitch. Den Namen habe ich von meiner Urururgroßmutter. Wissen Sie, jedes Mädchen, das in unserer Familie geboren wird, trägt diesen Namen. Ist eine alte Familientradition. Zum Glück wurden nicht so viele Mädchen geboren, sonst wäre es ein ganz schönes Durcheinander.«

»So hier bin ich mit Tee und Keksen. Sie sind selbst gemacht. Kosten Sie ruhig, die Kekse sind köstlich. Ich hoffe, Sie haben es bequem, Eleonora?«

»Ja, danke Miss Rightwitch. Sie haben ein tolles Haus und das Mobiliar gefällt mir sehr gut. Aber um unser Interview zu beginnen, wo wurden Sie eigentlich geboren?«

»Ganz hier in der Nähe war das. Von dem alten Haus stehen leider nur noch die Grundmauern. Es ist völlig abgebrannt. Dieses Haus hier haben meine Eltern günstig kaufen können und die Einwohner hatten meiner Familie sehr beigestanden, als dieses Unglück über uns gekommen war. Ich war noch nie wirklich weit weg von hier. Mich hatte nie das Fernweh gepackt und ich habe alles, was ich brauche. Manchmal ziehe ich diese Abgeschiedenheit vor.«

»Wie wurden Sie eigentlich so berühmt und vermögend?«

»Das ist eine sehr lange Geschichte, aber ich kann es kurzfassen und auf den Punkt bringen. Durch meine Kekse, Eleonora, durch meine Kekse. Backen ist eine meiner Leidenschaften, Eleonora. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die richtigen Kekse immer rund sind? Also echte Kekse, die Wirklichen. Eine perfekte Form – eine unendliche Form. Eine Linie, die nie endet, wenn man sie verfolgen würde. Es gibt kein Ende und keinen Anfang. Sie erfüllen uns und geben uns ein Stück Kindheit zurück. Nichts wirkt so entspannend auf uns, wie ein Glas Milch und ein paar Kekse.«

»Stimmt Miss Rightwitch. Da Sie von Leidenschaft sprachen … Was sind Ihre anderen?«

»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, Kindchen. Es ist natürlich etwas Geheimes dabei, eine geheime Zutat. Sehen Sie, wenn ein Keks so perfekt ist, dass er weder Anfang noch Ende hat, dann muss man etwas hinzugeben, das sterblich ist. Etwas, das ihn unperfekt macht, damit er noch formvollendeter wird. Es mag sich für Sie unlogisch oder irrational anhören, aber es ist so. Der Mensch reagiert auf unvollkommene Dinge anders, da der Mensch auch nicht perfekt ist.

Und so habe ich Ihnen Kekse mit meiner Spezialmischung gegeben. Sind sie nicht vorzüglich, Liebes? Ich merke schon, dass sie bei Ihnen besonders gut angekommen sind. Wissen Sie, es sind welche mit Alraune. Wenn man die Frucht zur rechten Zeit erntet, verströmt sie einen besonderen Geruch und schmeckt erstklassig. Das Gift wird sie allerdings töten. Schade, wie ich finde, da ich Ihren Namen wirklich hübsch finde. Aber Sie müssen das verstehen, Liebes. Ich brauche Sie für meine besonderen Kekse. Sie werden meine neue Kreation sein. Sie werden das Perfekte unperfekt machen. Ach, Eleonora, Sie können sich wirklich glücklich schätzen dabei sein zu dürfen. Immerhin sind Sie eine der Ersten.«

Und über New Erlingten schwebte der schwere und köstliche Duft von frisch gebackenen Keksen. Ein Duft, der aus der berühmten Rightwitch-Fabrik strömte.

Copyright © 2011 by Sylvia Knitel