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Der Welt-Detektiv Band 6

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Als die Dunkelheit zurückstarrte

»Meine Mutter liebt Horrorfilme!«

Der Polizist schaute mich skeptisch an, als ich ihm diese Offenbarung einfach so an den Kopf warf. Dann schüttelte er ihn und ließ den Ordner zuschnappen, den er vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Es gab einen lauten Knall, der mich zusammenzucken ließ.

»Wirklich. Schon immer«, fühlte ich mich trotzdem genötigt zu sagen.

»Wir sind nicht da, um über Ihre Mutter zu sprechen, Frau Leland.«

»Ich weiß. Ich weiß.«

Ich winkte ab. Mit einem tiefen Seufzer setzte ich meine Ellenbogen auf den Tisch, der zwischen uns stand, und ließ den Kopf in die Hände fallen.

»Wir sind hier, um über das Verschwinden Ihres Sohnes zu sprechen.«

Ich winkte ein weiteres Mal ab. Als ob ich mir dessen nicht bewusst wäre!

»Und vor allem über ihre mögliche Beteiligung daran.«

Ich schaute ihn erstaunt an.

»Ich dachte, dies wäre eine formelle Befragung, kein Verhör. Stattdessen verdächtigen Sie mich. Ich bin sicher, dass Sie ein paar Türen weiter Kriminelle finden werden, aber mich zu beschuldigen! Eine Frechheit!«

Er schaute mich ganz finster an und versuchte, mich mit seinem Blick niederzustarren. Wenn ich schuldig gewesen wäre, hätte dieser Gesichtsausdruck wahrscheinlich seinen Zweck erfüllt. Aber das war ich nicht.

»Wollen Sie mir zuhören?«

Er blickte mich an, als sei er gerade auf Öl gestoßen, und dachte wohl, dass es seine Art war, die mich zum Reden brachte. Aber dem war nicht so. Ich hatte ganz einfach die Nase voll. Wollte endlich aus dieser vermaledeiten Polizeistation raus und nach Hause gehen. Oder besser noch weiter weg. Nur weg von hier.

Leider war mir das im Moment nicht vergönnt, da ich seit dem Verschwinden meines Sohnes die Hauptverdächtige war. Und die Polizei gedachte, diesen Fall zu knacken. Dafür hätte ich sie ja auch ganz gerne gelobt, nur bellte sie dazu die falsche Person an.

»Aber natürlich, Frau Leland.«

»Dann halten Sie gefälligst die Klappe und hören mir zu. Ich erzähle meine Geschichte so, wie ich es für nötig finde.«

Empörung begann sich auf seinem Gesicht zu zeigen, aber ich beschloss, ihn zu ignorieren.

»Ich bin keine dahergelaufene Hausfrau, die Sie nach Ihrem Belieben rumkommandieren können. Haben wir uns verstanden?«

Er nickte zuerst, bevor sich seine Augen zu schmalen Schlitzen verzogen und er mich anstierte, als sehe er mich zum ersten Mal. Wahrscheinlich hatte ich ihm die Augen zu einer neuen Realität geöffnet. Eine, die er zwar kannte, aber nicht erwartet hatte.

»Wir verstehen uns.«

»Gut.«

Ich holte tief Luft.

»Also, wegen meiner Mutter«, begann ich. »Die hat schon als junger Teenager immer gerne Horrorfilme gesehen. – Also nicht so ‘n Zeug, wie man es uns heute im Kino vorsetzt, wo’s wirklich grausig zu und her geht. Ne, eben Grusel. Sie wissen schon: Dracula, Frankenstein und der Werwolf. Alle in ihrer schwarzweißen Pracht.«

Er nickte und schien zu wissen, wovon ich sprach. Oder jedenfalls tat er so.

»Später bescherte ihr das Zeugs immer Albträume. Als sie noch ein junges Ding war, hatte sie nie was bemerkt. Jedenfalls sagte sie mir mal was in der Richtung.

Aber später … Junge, Junge. Das war wirklich das Zeugs, aus dem die Albträume waren!

Dass mein Vater es so lange ausgehalten hat, neben ihr zu schlafen, rechne ich ihm heute hoch an. Ich könnte das nicht.

Bereits als Kind, wenn wir mal das Zimmer teilen mussten, bekam ich immer einen Riesenschreck, wenn sie plötzlich zu reden oder, noch schlimmer, zu schreien anfing – dass man mich jedes Mal von der Decke pflücken musste, weil ich mich dort verkrallt hatte.«

Sein Grinsen lenkte mich ab, und ich hielt ein, schaute mein Gesicht im Spiegel an, der hinter seinem Rücken stand. Es war immer wieder erstaunlich, wie ich meiner Mutter zu ähneln begann. Als Kind nicht so sehr, aber im Alter wurde es immer schlimmer.

Ich schüttelte den Kopf und musste lachen. »Schlimm« war ja nun wirklich das falsche Wort! Aber wenn man bedenkt, dass man sein ganzes Leben seinen Eltern zu entfliehen versucht, ist es schon erschreckend festzustellen, dass sie einen jeden Morgen im Spiegel anblicken.

»Haben Sie mir vielleicht etwas zu rauchen?«

»Aber klar.«

Er griff in eine Außentasche des Sakkos, das über seiner Stuhllehne hing, und brachte eine Packung zum Vorschein, die etwas zerknüllt aussah.

»Kents? Die habe ich noch nie gesehen.«

»Das sind Barclays. Die haben nur den Namen geändert.«

»Muss ja viel gekostet haben, das Image zu wechseln.«

Er zuckte die Schultern. Was sollte er darauf schon erwidern? Es war ja eh nur Small Talk, den ich da betrieb.

Ich nahm einen Zug, hustete, und nahm absichtlich noch einen. Der Geruch des Tabaks tat gut. Wie ein alter Freund. Das vertraute Kratzen im Hals würde sich mit der Zeit geben. Es begann, etwas meiner Verkrampfung zu lösen. Wenigstens das.

Ich lehnte mich langsam zurück. Als mein Rücken die Lehne meines Stuhls berührte, fuhr ich fort.

»In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich meine Mutter wahrscheinlich keine solchen Filme mehr angesehen. Ich weiß es zwar nicht genau, aber ich denke mir, dass es so ist.

Sie bleibt immer lange auf und schaut sich gerne die Filme an, die spät noch gesendet werden. Aber sie nickt dann meistens beim Ersten ein und erwacht dann, wenn vom nachfolgenden bereits der Schluss läuft. Und irgendwie versucht sie dann, aus diesen zwei Filmen einen Sinn herauszuholen. Aber so war sie nun mal, meine Mutter.«

Die Zigarette wanderte in den Aschenbecher, den er herbeigezaubert hatte. Sein Erscheinen war mir gar nicht aufgefallen. Es war ein sehr kleiner, den ich mit der Asche der einen Zigarette fast vollständig füllte. Wahrscheinlich war es nur so ein Excusé-Aschenbecher, der eigentlich nichts in diesem Raum verloren hatte.

»Ich meinerseits konnte nie was mit diesen Filmen anfangen. Natürlich bin ich als junges Ding mit meinen Freundinnen mitgegangen. Und auch mit meinen Freunden aus diesen Jahren. Nur stand dann nicht unbedingt der Film im Vordergrund, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.«

»Ich verstehe vollkommen, Frau Leland.«

»Mein Gott, nennen Sie mich Trudi. Das klingt ja, als würden Sie meine Mutter meinen. Und ich habe jedes Mal das Bedürfnis, mich umzudrehen, weil ich meine, dass Sie mit ihr reden. Obwohl ich von hier aus den Spiegel sehen kann.«

»Okay, Trudi. Und wie weiter?«

»Sie wurden ja auch nicht gerade mit einer guten Kinderstube ausgestattet!«, tat ich etwas empörter, als mir wirklich zumute war.

»Warum?«

Er tat überrascht.

»Na ja, ich lasse Sie mich duzen, und Sie tun so, als wäre nichts dabei.«

Er schnaufte tief, als er die nächsten Worte aussprach: »Dann nenn mich Kevin.«

»Oh, oh.«

»Was ist nun schon wieder?«

»Bist du eines dieser Schweizerkinder, die mit diesem Namen gestraft wurden?«

Es war nicht wirklich eine Frage gewesen, und ich denke, dass er dies auch nicht als solche auffasste.

»Was soll damit schon sein? Es ist ein Name. Und seit über fünfunddreißig Jahren eben auch meiner.«

»Sogar der Mittermaier macht sich lustig über euch«, meinte ich spöttisch, aber nicht wirklich bösartig.

Ich winkte ab und nahm meine Geschichte wieder in die Hand. Noch bevor er mir hier explodierte, der gute Kevin. So, wie sein Gesicht plötzlich Farbe bekam, wäre das gut möglich.

»Kennst du vielleicht Disneys Toy Story


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