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Der Welt-Detektiv Band 6

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Gegen den Strom

Japan 1948 bis 1960: Der junge Hiroshi Katsumi und sein Bruder Okimasa entwerfen schon seit ihrer Schulzeit Manga. Für Magazine wie Manga Shonen kreieren sie sogenannte Postkartenmanga: Manga, die man auf eine Postkarte zeichnet und einschickt. Das Magazin druckt die besten ab. Auch Hiroshi und sein Bruder gehören nach einer längeren Anlaufzeit zu den Zeichnern, die abgedruckt werden. Aber das reicht Hiroshi nicht. Er möchte gern längere Manga entwickeln, Storymangas, wie Osamu Tetsuka sie zeichnet. Tetsuka, den er später sogar persönlich kennenlernt, unterstützt ihn in seinem Anliegen. Als der Verlag Hinomaru Bunko auf ihn aufmerksam wird, beginnt für Hiroshi eine Profi-Karriere. Allerdings sind die Grenzen, die ihm gesetzt werden, ziemlich eng. Außerhalb von v.a. Detektivgeschichten gibt es kaum Spielraum. Hiroshi gefällt es zudem nicht, dass seine Mangas, die eigentlich für Erwachsene gedacht sind, im Leihbuchhandel unsortiert neben den Kindermangas stehen. Deshalb entwickelt er die Idee der Gekiga-Werkstatt, um die Mangas für Erwachsene von denen für Kinder abzugrenzen. Außerdem will er neue Stilmittel ausprobieren, z. B. filmische Elemente in den Manga einbauen, um diesen dynamischer zu gestalten. Aber auch diese Werkstatt scheitert letztlich wegen des Drucks der Zeichner, Geld verdienen zu müssen. Enttäuscht begräbt Hiroshi für eine Weile seinen Traum bezüglich der Gekiga. Als er aber in den Sog einer Studentenbewegung gerät, weiß er wieder, was den Gekiga abhanden kam: Zorn.

Die Autobiografie von Yoshihiro Tatsumi besticht nicht wegen der sehr einfach gehaltenen Zeichnungen, die schon etwas antiquiert wirken (die allerdings genau deshalb zu der Geschichte, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg spielt, passen). Die Hintergründe warten stellenweise mit mehr Detailreichtum als die Figuren auf, beschränken sich aber oft auf dunkle Flächen oder Striche, wohl, um die Figuren und deren Handlung hervorzuheben. Die Autobiografie besticht durch die Geschichte selbst, die den Leser dazu einlädt, mit der Hauptfigur die Nachkriegszeit als Mangaka (Manga-Zeichner) zu erleben. Auf über 800 Seiten ist Platz genug, um das Flair und den Zeitgeist der Nachkriegszeit in Japan einzufangen, sodass dem Leser heute Unbekanntes, das damals selbstverständlich war, ebenso selbstverständlich präsentiert werden kann. Um aber den Leser trotzdem nicht mit unbekannten Begriffen im Dunkeln stehen zu lassen, bietet der Manga einen Glossar und einen kurzen Abriss der Biografie des Autors. Im Manga selbst werden historische Ereignisse der Zeit, in der die Episoden gerade spielen, präsentiert, wirken aber seltsam deplatziert, da sie nicht in die Story eingebunden werden. Das Schlusskapitel gehöret ursprünglich an den Anfang des Mangas. Dorthin passt es meiner Meinung nach am besten, da man ihm einfach anmerkt, dass es als Einführung gedacht war. Dann allerdings wirkt der Schluss noch offener, als er ohnehin schon ist, da man jetzt erst recht wissen will, wie es mit den Gekiga eigentlich weitergeht.

Insgesamt aber ein sehr guter Manga, der nicht umsonst u.a. mit zwei Eisner-Awards ausgezeichnet wurde. Den Reiz des Mangas macht die Suche eines Zeichners nach sich selbst aus, in einer Zeit, als der Manga gerade beginnt, seine uns heute bekannte Gestalt zu entwickeln. Für alle Fans, die sowohl historisch als auch an der Entstehung des Mangas interessiert sind, ist die Autobiografie ein Festschmaus.

Copyright © 2013 by Ulrike Dansauer

 

Yoshihiro Tatsumi
Gegen den Strom
Eine Autobiografie in Bildern
Manga (Graphic Novel)
Carlsen, Hamburg
Juni 2012
845 Seiten, 44,00 €
ISBN: 9783551731043