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Tony Tanner – Agent der Weißen Väter – 8.19

Das Komplott der Eisernen – Teil 19

Tony Tanners Mutter zeigte alle Anzeichen größter Aufregung. Schon ihr Äußeres gab solche Signale ab – sie schlurfte eilig herbei – in viel zu großen grünen Gummistiefeln, die eigentlich Tonys Vater gehörten, und hatte sich eine rot-blau karierte Holzfällerjacke übergeworfen, die ebenfalls aus dem Fundus von Dr. med. John Tanner stammte.

Sie fand ihren Sohn und ihre Wunsch-Schwiegertochter am Wegrand stehend, in Betrachtung der winterlichen Natur versunken. Es entging trotz ihrer Aufregung den sperberscharfen Blicken von Misses Tanner nicht, dass sich die beiden jungen Menschen an den Händen hielten, ja, Francine schien sich sogar ziemlich fest an Tony zu klammern.

»Francine! Mein Gott, dass ich dich endlich finde. Ich störe doch wohl hoffentlich nicht?«

»Nöööh, wir schauten uns nur gerade diese wunderschöne Blatterfärbung an«, versicherte ihr Sohn, ohne sie anzuschauen.

»Wir waren sowieso schon kurz davor zu kommen«, ergänzte Francine und drückte heimlich Tonys Hand.

»Tut mir so leid«, fuhr Tonys Mutter, sich wieder ihrer Aufregung erinnernd fort, »aber der Kleine schreit und lässt sich nicht beruhigen und John hat diese fürchterlichen Köter von Hickory da und die kläffen, weil der Kleine schreit …«

»Au weia«, rief Francine, »er wird doch nicht wieder diese Blähungen haben.« Gemeinsam strebten die beiden Frauen der Tannerschen Behausung zu. Tony war abgemeldet. So rasch vergeht männliches Heldentum.

Ihm war das nicht mal unrecht. Er hatte eine andere Planung gehabt, aber nun, wo es so war, wie es nun einmal war, trödelte er hinter den Damen her. Dann dachte er daran, dass im Wald noch scharfe Waffen lagen und dass Kinder sie finden könnten. Also stiefelte Tony Tanner zurück, fand die Pistolen und vergrub sie in einem Loch im Graben, wo sie schon bald vom Rost zerfressen sein würden.

Es gelang Tony, sich durch den Hintereingang ins Haus zu schleichen, während vorn eine heftige Säuglingsberuhigungsaktion ablief und sein Vater sich in strengem Ton abmühte, Hickorys Hunde ruhig zu halten.

 

Tonys Kleidung hatte gelitten, der Träger auch. Jetzt, wo das Adrenalin langsam aus seinem Blut schwand, spürte er den Schmerz und fühlte sich wie ein Testwagen nach der Rüttelstrecke. Nur mit Mühe konnte er die Selbstbeherrschung bewahren, als der Duschstrahl auf seine zahlreichen blauen Flecken prasselte. Am liebsten hätte er dem Lärmchor im Hause Tanner sein eigenes Stimmorgan hinzugefügt.

Danach stand er vor der Aufgabe, die Wunden in seinem Gesicht verschwinden zu lassen. Eigentlich wollte Tony noch in seinem Zimmer bleiben, aber sein Vater rief ihn.

»Telefon für dich«, sagte er als, Tony die Treppe herunterstieg.

»Kann nicht für mich sein«, war Tony überzeugt.

»Die Dame wollte Herrn Tony Tanner sprechen«, beharrte sein Vater. »Ist was mit deinem rechten Arm?«

»Zwickt ein bisschen. Hab beim Hanteltraining überzogen. Ist aber nicht schlimm.«

»Du machst Hanteltraining? Braver Junge. Was drückst du denn so?«

Tony war am Telefon angelangt und fragte sich, wer ihn hier anrufen sollte. Ob Janet Baker unter Umständen? Nur sie konnte die Nummer haben.

»Im Brustdrücken schaffe ich mein Eigengewicht plus ein paar Kilo«, antwortete er seinem Vater beiläufig und erntete ein anerkennendes Pfeifen, worauf sofort die beiden Hunde, die das auf sich bezogen hatten, angesprungen kamen und in Erwartung eines neuerlichen Spaziergangs fiepten und winselten.

 

»Tony Tanner«, meldete er sich am Telefon.

Aus dem Hörer klang einen Moment lang nur leises Rauschen, so dass er schon glaubte, die Verbindung sei unterbrochen.

Dann kam eine leise Stimme. »Tony? Hallo, ich bin es nur. Lucille.«

Tony musste sich an der Wand abstützen. Er brachte kein Wort heraus.

»Hallo? Tony? Hörst du mich …«

» … ja doch. Klar höre ich dich. Es kam jetzt nur ein wenig überraschend.«

Im Hintergrund hatte sich das anhaltende Quäken in ein zufriedenes Glucksen verwandelt. Tony hörte die Stimme seiner Mutter, die irgendwelche undefinierbaren Baby im Arm Schaukel-Laute von sich gab. Francine huschte an Tony vorbei und hauchte ihm einen Kuss in den Nacken. Diese Berührung lief durch sein gesamtes Nervensystem und zwang ihn, wie in einem Seufzer einzuatmen..

Gleichzeitig, als würden sich die zwei Frauen zu einer Person vereinen, klang erneut Lucilles Stimme in seinem Ohr. Lucille sprach langsam, zögernd und leise, als sei sie aus der Übung gekommen.

»Du freust dich … hoffe ich einmal«, klang es aus der Hörmuschel. »Wir hatten ja eine lange Sendepause …«

»Wie geht es dir?«

»Nun ja – es geht … irgendwie. Ich vermisse dich so, Tony. Ich konnte es nicht länger aushalten. Darum habe ich zuerst bei dir angerufen und dann bei deinen Eltern, weil ich dachte … na ja. Der Conte hatte mir strengstens verboten, dich anzurufen und …« Hier brach Lucille mit einem unterdrückten Schrei ab. Es knackte und knirschte in der Muschel. Lucille schien den Hörer weggeworfen zu haben.

 

Tony hörte Schritte, unterdrückte Stimmen, deren Worte er nicht verstehen konnte. Dann begann es auf andere Weise im Hörer zu rauschen und Tony wusste, dass die Freisprechanlage angeschaltet worden war.

»Wie Sie sich inzwischen schon selbst vergewissern konnten, hat das weibliche Kommunikationsbedürfnis meine Bitte, Telefonate zu unterlassen, überwunden.« Das war die Stimme des Conte di Saloviva, kühl und klar, als stünde er direkt neben Tony.

»Die Engel haben ihre Hierarchie, die menschlichen Bedürfnisse auch«, antwortete Tony. Er wollte irgendetwas zu Lucilles Verteidigung sagen, aber ihm fiel nichts ein. Darüber ärgerte er sich und fühlte sich zugleich widerwärtig hilflos, so weit von ihr entfernt. Er konnte die Szene förmlich vor Augen sehen, die sich im selben Moment in einem anderen Winkel Europas abspielte: Eine Lucille, die mit professioneller Gelassenheit die Peinlichkeit der Situation überspielte, und neben ihr Conte Hercole di Saloviva mit seinem kahlrasierten Kopf und dem Spitzbart, elegant gekleidet, aufrecht und straff wie ein Schlachtschiffkapitän bei der Seeparade. Ein Mann, dessen sanfte Höflichkeit in den letzten Monaten nicht ganz die stählerne Strenge verbergen konnte – oder wollte – die das Wesen des Conte ebenso bestimmte. Dieser Mann hatte ihn, Tony Tanner, abserviert. Und nun hackte er auf Lucille herum. Tony hörte ein leises Grollen und wunderte sich, dass es aus seiner eigenen Kehle gekommen war. Sicherlich waren da noch vagabundierende Adrenalinreste in seinem Lebenssaft.

 

Wieder huschte Francine an Tony vorbei. Jetzt nahm sie sich die Zeit, ihn kurz von hinten zu umarmen und an seinem freien Ohrläppchen zu knabbern. Wieder lief ein Schauer durch seinen Körper, und er hätte am liebsten wohlig geknurrt, musste diesen Laut aber unterdrücken.

»Ich stehe dazu«, klang gleichzeitig Lucilles Stimme. »Ich wollte Tony anrufen und ich habe es getan. Das hier ist kein Gefängnis.«

»Aber Mademoiselle Chaudieu, bitte.« Der Conte sprach nicht mehr genau in Richtung der Telefonanlage, darum war seine Stimme jetzt leiser. »Natürlich ist das hier kein Gefängnis, und es steht mir auch in keiner Weise zu, Ihnen Verbote zu erteilen. Sollte bei Ihnen ein solcher Eindruck entstanden sein, so muss ich mich für meine Ungeschicklichkeit in der Formulierung entschuldigen. Aber Sie wissen ebenso wie ich, Mademoiselle Chaudieu, dass uns ein gewisses Maß an Vorsicht gut ansteht und dazu gehört es auch, keine Anrufe zu tätigen, um so einen eventuellen Gegner auf eine Spur zu bringen, die er vorher noch nicht hatte.«

Vergebliche Liebesmühe, dachte Tony. Wer auch immer der Gegner ist, er hat es nicht nötig, erst auf Lucilles Anruf zu warten, um mich zu finden.

 

»Herr Tanner, ich möchte, dass Sie so schnell wie möglich – also heute oder morgen – zurück nach Collesavetti kommen«, sagte der Conte plötzlich.

Mit allem hatte Tony gerechnet, nur nicht damit. Es war für ihn schon fast eine Überraschung, dass der Conte überhaupt mit ihm redete. Und nun sollte er Hals über Kopf in die Toskana aufbrechen?

»Nein«, hörte sich Tony sagen. »Nein, das geht nicht. Das geht nicht nur nicht – es geht überhaupt gar nicht!« Während er mit leichter Überraschung seiner eigenen Stimme lauschte, spürte er, wie sich seine Muskeln instinktiv versteiften, als erwarte er einen Schlag. Sein Arm begann, heftiger zu schmerzen.

In der Leitung rauschte es leise. Mit einem Mal erschien Tony dieses leise Hintergrundgeräusch bedrohlich – vom Wind bewegtes Gebüsch, hinter dem der Gegner auf der Lauer liegt. Er hätte gerne gesehen, welche Reaktion der Conte di Saloviva zeigte.

»Nein?«, kam jetzt dessen Stimme wieder. »Habe ich Sie korrekt verstanden, Herr Tanner – Sie kommen nicht?«

»So ist es, ich komme nicht«, antwortete Tony. Er sprach vielleicht eine Spur zu schnell und zu brüsk, aber er musste eine innere Barriere überwinden und stolperte förmlich in diesen Satz hinein. Damit ist die Sache wohl erledigt, fuhr es ihm gleichzeitig durch den Kopf. Ich werde Lucille nie wiedersehen, jetzt habe ich mich selbst aus der ganzen Geschichte herauskatapultiert. Der Gedanke verursachte einen wohltuenden Schmerz.

Der Conte räusperte sich leise. »Ist es vermessen zu fragen, welche Gründe Sie zu dieser Entscheidung bewegen, Herr Tanner?«, fragte er. Tony glaubte, in der entfernten Stimme fast so etwas wie leichten Spott zu hören und spürte spontan Verärgerung in sich aufsteigen.

»Es ist eine wichtige Angelegenheit, die ich zu erledigen habe.«

»Ohne Ihre Bewertungsmaßstäbe anzweifeln zu wollen, Herr Tanner, aber die Aufgabe, zu der wir uns zusammengeschlossen haben, darf auch eine gewisse Wichtigkeit beanspruchen.«

»Es war nie meine Absicht, daran Zweifel zu formulieren«, bemühte sich Tony nun um eine gelassene Antwort, die sich ungewollt der etwas gestelzten Ausdrucksweise des Conte anpasste. »Aber hier geht es um mein Wort, das ich gegeben habe. Es ist eine Sache meiner persönlichen Ehre und der Loyalität zu Menschen, die ihr Vertrauen auf mich gesetzt haben. Das mag nun sehr individualistisch klingen, aber ich halte dies für ein Argument, um meine Anreise, falls dann noch gewünscht, um etwa zwei Wochen zu verschieben.«

Wieder Rauschen. Der Conte ließ sich Zeit mit der Antwort. Tony glaubte, nervöses Scharren von Schuhen zu hören – das konnte nur Lucille sein. Und diese Schritte, die sich entfernten und wieder näherten, das musste der Conte di Saloviva sein.

»Ich akzeptiere Ihre Entscheidung«, meldet er sich dann wieder. »Wann darf ich Sie also hier erwarten?«

Tony überlegte. Ihm wurde bewusst, wie wenig Zeit ihm für seine Aufgabe noch blieb. Keine guten Erfolgsaussichten. »In zehn Tagen«, lautete Tonys Antwort dann.

»Würde es den Abschluss Ihrer Angelegenheiten beschleunigen, wenn Mademoiselle Chaudieu nach London …«, setzte der Conte zu einer Frage an.

»Auf jeden Fall«, unterbrach ihn Lucilles Stimme. »Ich reise so schnell wie möglich.«

Auf englischer Seite wurde nur ein etwas gequältes »Ääää« in das Telefon gedrückt, womit sich die Ausdrucksweise wieder normalisierte. Mit dieser Variante hatte Tony nun allerdings am wenigsten gerechnet. Vor einigen Tagen noch, als er einsam den Mond angeheult hatte, hätte er einen Luftsprung vor Freude gemacht. Nun unterließ er diese Bekundung seiner emotionalen Befindlichkeit, unter anderem auch deshalb, weil Francine mal wieder vorbeikam und ihm mit liebevoller Kennerschaft den Popo tätschelte.

»Ich kann nicht ausschließen, dass es eine Gefährdung gibt und daher …«

»Keine Angst, die englische Küche werde ich schon überleben«, unterbrach ihn Lucille. »Und was die englischen Männer angeht, von denen sind sowieso die meisten schwul.«

Tony sah sich genötigt, eine Lanze für die Homosexuellen des Vereinten Königreiches zu brechen, indem er darauf hinwies, dass sexuelle Präferenzen keine unmittelbaren Rückschlüsse auf potentielle Gefährlichkeit einer Person zuließen.

»Es ist also entschieden«, lautete Lucilles Antwort. Und dann fügte sie noch hinzu: »Wie schön, dass du dich so sehr freust!«

»Natürlich freue ich mich«, versuchte Tony, die Situation zu retten. »Aber ich will doch nicht, dass du in Gefahr gerätst, weil du mir helfen wolltest.«

»Ich vermute, Mademoiselle Chaudieu will vor allem vermeiden, dass Sie in Gefahr geraten, Herr Tanner, welche es auch immer sein mag«, schaltete sich nun der Conte doppeldeutig ein. »Es bleibt also dabei. Falls Sie weitere Hilfe brauchen, die wir Ihnen geben könnten, lassen Sie es mich wissen. Selbst wenn ich mir und meiner Vorsicht bei Telefonaten jetzt selbst widerspreche. Ich wünsche Ihnen alles Gute und hoffe, Sie dann also in zehn Tagen zu sehen. Ach so, noch eins, ich darf erwarten, Herr Tanner, dass Sie sich als Gentleman zeigen.«

 

Tony legte das altmodische Telefon vorsichtig zurück auf die Gabel. Was sollte das denn nun heißen? Sich als Gentleman zeigen. Bestand der Verdacht, dass er sich schon am Flughafen auf Mademoiselle Chaudieu stürzte und es ihr auf der Herrentoilette besorgte? Oder definierte sich ein Gentleman durch eine Frage wie Wären Gnädigste mit ein wenig a tergo einverstanden? Es war einfach nur zu blöde. Sollten sie ihm doch alle gestohlen bleiben.

»Na, gute Nachrichten?« Francine stand plötzlich neben ihm und blickte zu ihm auf, als gäbe es in Tonys Gesicht den letzten Teil eines wichtigen Kuchenrezeptes zu lesen.

»Ich weiß nicht so genau«, antwortete Tony und war damit, für sich selbst überraschend, sehr ehrlich. Nach einem schnellen Blick über den Flur schmiegte sich Francine an ihn.

»Aber bisher war das Wochenende doch nicht schlecht oder?«, fragte sie.

»Von Ausnahmen abgesehen zeigte sich eine positive Tendenz.«

Francines Mund näherte sich seinem Ohr. »Ich würde dich gern mal besuchen. Deine Mutter würde auf das Kleine aufpassen und wir könnten bummeln gehen. Unverbindlich.«

»Unverbindlich?«

»Na ja, ich bin ja sehr geschickt und will dich nicht zu früh verschrecken. Aber im Grunde will ich dich narkotisieren und meine Klein-Mädchen-Phantasien an dir austoben.«

»Klingt interessant. Knöpfe an den Bauch nähen und so was?«

»Du könntest dich überraschen lassen. Es ginge übrigens auch ohne Narkose. Also, ich darf dich demnächst besuchen?«

»Sicher, ich würde mich freuen«, antwortete Tony. Und dachte: Wo will eigentlich Lucille schlafen? Bei mir etwa, daher der Gentleman?

***

Am Montag versuchte Tony Tanner mit gesenktem Haupt und einem knappen Gruß durch das Vorzimmer zu huschen, aber er entging den prüfenden Blicken Janet Bakers nicht.

»Guten Morgen, Tony«, trällerte sie fröhlich, so als wäre Freitagnachmittag und nicht Montagmorgen. »Sie sehen etwas mitgenommen aus. Tolles Wochenende gehabt?«

»Mountainbiken in Wales«, log Tony.

»Oh.«

»Ja, mit Karacho ins Gestrüpp, Bremsbowdenzug vorn war gerissen. Und Sie?«

»Ich? Oh, ich habe zuhause gesessen, Tagebuch geschrieben, Musik gehört und telefoniert. Ich musste ja meine Abenteuer nach Clacton-on-sea durchgeben. Wird eine heftige Telefonrechnung. Aber dafür habe ich bei allen Mädels aus der Abschlussklasse so richtig angegeben.« Sie verdrehte begeistert die Augen und Tony gewann auf diese Weise einen Eindruck, welche Art von Mimik Fräulein Baker bei gewissen Varianten des menschlichen Zusammenseins wohl zeigen mochte. Sie war auch an diesem Montagmorgen schlichtweg hinreißend und zuckersüß.

Nach dieser Feststellung, die nicht besonders hilfreich war, machte sich Tony Tanner daran, etwas für sein Gehalt zu tun. Bei Durchsicht seiner Post stellte er fest, dass mit einer Ausnahme nicht er, sondern Fräulein Baker die Adressatin war. Irgendwie hatte sich herumgesprochen, dass sie seine Sekretärin war, und nun wurde er gnadenlos als Anlaufstelle benutzt, um Janet Baker mit Einladungen zu bombardieren. Bevor sich Tony darüber rechtschaffen ärgern konnte, zwickte es ihn an verschiedenen Stellen, die am Vortag Kampfkontakt gehabt hatten, und er beschloss, einen Arzt aufzusuchen. Der Gedanke behagte ihm nicht, aber er wollte auch kein Risiko eingehen.

Natürlich war Doc Grands die erste Wahl, aber der meldete sich nicht am Telefon, also musste Tony zu einer anderen Adresse.

Er verbrachte geraume Zeit im Wartezimmer und wurde dann von dem Mediziner nach allen Regeln der Kunst auf den Kopf gestellt.

»Wie ein Hooligan sehen Sie eigentlich nicht aus«, sagte der ältere Arzt dann und fixierte Tony über den Rand seiner Brille.

»Wie bitte? Ich verstehe …«

»Doch, junger Mann, das tun Sie. Sie sind ja nicht blöde. Wissen Sie, ich war mal ehrenamtlich bei einem Sportverein tätig, ich weiß wie es aussieht, wenn man sich mit dem Fahrrad legt. Selbst in Wales. Die Geschichte können Sie knicken.«

»Nun ja, es war eher Prügelsport. Hat aber nichts mit Hooligans und Fußball und so zu tun«, rückte Tony mit einer Halbwahrheit heraus.

»Tatsächlich? Ich habe schon oft davon gehört, dass es solche Clubs gibt. Käfigkämpfe und derartiges. Könnte interessant sein, dabei mal eine Wette zu riskieren. Wie dem auch sei, Sie sollten sich zurückhalten. Sie haben schwere Prellungen, aber zum Glück keine inneren Verletzungen. Das verdanken Sie aber auch nur der Tatsache, dass Sie eine gute Muskulatur besitzen. Sie werden jetzt verbunden und dann werde ich Ihnen was zum Einreiben verschreiben. Und es gilt: Kein Sport, was es auch sei. Das gilt auch für ein gemischtes Doppel, damit wir uns richtig verstehen.«

 

Nach dem Verbinden fühlte sich Tony ein wenig wie eine Teilzeit-Mumie und wandelte etwas steif im Kreuz zurück ins Büro. Aus dem Vorzimmer klang Musik. Janet Baker wackelte sehr appetitlich auf ihrem Sitz und hämmerte gleichzeitig einen Text in den Computer.

Es war ein Abschnitt aus dem To do/never ever to do, den Tony bisher nur in Stichworten notiert hatte. Als Janet ihm den Ausdruck vorlegte, stellte er überrascht fest, dass sie den Text ausgearbeitet hatte und das mit großer Geschicklichkeit. Die Formulierungen saßen, der Sinn kam klar und deutlich heraus. Tony selbst hätte sich nicht besser aus der Affäre ziehen können. Oder eher schlechter, denn er war zu sorgfältig und quälte sich mit peniblen Bedeutungsunterschieden ab, während Janet Baker frisch und mutig auftischte und das bessere Ende für sich erwischte.

»Ich sag’s nicht gerne«, versuchte Tony Tanner seinem Sinn für Gerechtigkeit denn doch Genüge zu tun., «aber das ist gut. Sehr gut sogar.«

»Danke, hat mir aber auch Spaß gemacht.«

»Ja«, Tony kratzte sich am Kopf und stellte fest, dass ihm diese Bewegung weh tat, »wenn das so ist, dann bekommen Sie jetzt einen Stoß Notizen, und dann machen Sie mal. Ich werde natürlich nachher nochmal darüberlesen, aber so geht es viel schneller.«

Damit ging Tony in sein Büro und brachte einen Stapel handbeschriebener Blätter und die Post mit.

»Das hier sind die Notizen, ich habe sie oben mit einem Ti…«

»Ich kenne Ihr System. Tony. Ich komme damit zurecht.«

» … äähhmm, schön. Und hier ist Post, die eigentlich für Sie ist. Einladungen. Ihr Auftritt am Freitag schient Wellen geschlagen zu haben.«

Janet Baker stieß einen kleinen Juchzer aus, irgendwo zwischen Überraschung und Begeisterung angesiedelt und der Lautstärke nach gerade noch so für die ehrwürdigen Gemäuer der Agentur akzeptabel.

Tony wollte sich schon wieder in sein Büro verkriechen, als sich Janet räusperte.

»Ach so, da war noch ein Anruf für Sie.«

Janets Stimme machte Tony misstrauisch. Er drehte sich um, drehte sich förmlich in ihren dunklen Blick hinein, der nicht von seinem Gesicht weichen wollte.

»Eine Dame hat für Sie angerufen. Sie waren gerade aus der Tür, um zum Arzt zu gehen. Eine Mademoiselle Chaudieu. Schien ein Funkgespräch zu sein. Die Notiz liegt auf Ihrem Schreibtisch.«

 

Da lag sie wirklich, aber der Zufall oder was auch immer hatte sie unter ein Ablagekörbchen gleiten lassen.

Ankunft 14.15, Heathrow stand da nur. Stöhnend schaute Tony auf die Uhr. Ohne weitere Verzögerung bestellte er ein Taxi und machte sich auf den Weg. Er hatte nicht die geringste Chance pünktlich zu sein. Das erste Treffen mit Lucille nach so langer Zeit hatte sich Tony anders vorgestellt. Während er im Taxi saß und ihm der Schweiß ausbrach, merkte er, dass er ziemlich penetrant nach Verbänden und Salben roch. Schlimmer, er stank wie ein Militärlazarett im Krimkrieg. So viel Charme, um diesen Mief zu übertünchen, konnte er gar nicht produzieren. Aber es gab eine andere Chance. Erstens konnte er ein wenig die Mitleidsmasche nutzen, das zog immer, auch oder gerade bei Lucille. Und zweitens musste er für den Abend was arrangieren. Tony Tanner verabscheute Funktelefone und Leute, die sich Privilegien herausnehmen, und nun ließ er alle Prinzipien hinter sich und nutzte beides.

Der Versuch, an Blumen zu kommen scheiterte, weil der Verkaufsstand kurzzeitig geschlossen war. Also machte sich Tony unverblümt auf die Suche nach Lucille, die schon längst alle Formalitäten hinter sich gebracht haben musste. Am entsprechenden Ausgang herrschte Gedränge. Mit klopfendem Herzen suchte Tony Tanner nach dem bekannten und so sehr ersehnten Anblick Lucilles, war einige Male sicher, sie zu erkennen und wurde enttäuscht, als er die Person genauer sehen konnte. Er war sicher, dass sich Lucille nicht die Gelegenheit für einen eindrucksvollen Auftritt entgehen lassen würde. Er konnte es sich ganz genau vorstellen …

»Suchen Sie jemanden?«

Die Stimme kam von hinten und Tony brauchte einige Sekunden, um sie richtig einzuordnen. Da stand Lucille und lächelte ihn an etwas verschüchtert an.

Tony versuchte, nicht allzu blöde aus der Wäsche zu schauen und deutete zur Ablenkung auf den Ausgang. »Ich dachte, du würdest dort herauskommen.«

»Ich bin immer noch Stewardess, mehr oder weniger. Jedenfalls kenne ich noch ausreichend Leute, die mir die Umwege für das gemeine Volk ersparen.«

»Ja, schön, also …«

 

Tony schlenkerte unsicher mit den Armen. Es war alles so anders, als er es sich gedacht hatte. Eben noch hatte er in seinem Kopf eine Blaupause dessen, was geschehen musste, mit sich getragen und nun stand sie vor ihm, wirklich und wahrhaftig, den Gefilden der Träume enthoben und gerade darum so fremd. Lucille hatte sich mit dunklen Desert-Boots, Jeans und einem dunklen Lodenmantel, das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, meilenweit von Tonys gloriosen Vorstellungen entfernt. Fast schien es, als hätte sie etwas gewittert und sich bewusst für die gegenteilige Richtung absoluter Unauffälligkeit entschieden.

»Du brauchst nicht so laut zu schreien vor Freude«, sagte Lucille. Ihr Blick ruhte offen und prüfend auf Tonys Gesicht, der sich mit leichtem Unbehagen an jenen anderen ähnlichen Blick erinnerte, der ihn erst vor kurzem ebenso abgetastet hatte.

»Es kam etwas überraschend, weißt du.«

»Überraschend? Warst du es nicht vielleicht, mit dem ich gestern telefoniert hatte?«

»Nein, bitte versteh mich nicht falsch. Ich war unterwegs und darum habe ich deine Nachricht zu spät bekommen und musste mich abhetzen, um zum Flughafen zu kommen.«

»Du Armer! Spurt deine Sekretärin nicht richtig? Sieht sie übrigens so aus wie ihre Stimme klingt?«

»Wie klingt denn ihre Stimme? Sie hat doch was von Quietscheente.«

»Stimmt. Und das sind die Dinger, mit denen alle Männer in die Badewanne wollen.«

»Nun ja«, Tony schaffte es, seine Hände in die Hosentaschen zu versenken, »sie sieht ganz passabel aus. Ja doch, manche Männer würden sie attraktiv finden.«

»Ach ja.«

»Sie ist noch sehr jung.«

»Wenn sie über zehn ist, gehört sie zum Jagdwild.«

»Sag mal, bist du hierhin gekommen, um mit mir über meine Sekretärin zu zanken?«

Lucille senkte den Kopf und holte tief Luft.

»Nein, eigentlich nicht. Eigentlich wollte ich vor allem gewisse höchst interessante Gesprächsfäden wieder anknüpfen, die leider vor einiger Zeit allzu abrupt gekappt wurden.« Damit trat sie einen Schritt auf Tony zu. Ihr Mund näherte sich dem seinen, ihr Arm schlag sich um ihn und drückte auf jene Stelle, die seit dem gestrigen Tag die allerblaueste und allergrünste Färbung angenommen hatte. Unwillkürlich fuhr Tony mit einem schmerzhaften Zischen zurück. Auch Lucille fuhr zurück. Sie starrte Tony an, dann machte sie noch einen Schritt nach hinten und hob beide Hände.

»Alles klar, ich habe verstanden. Brauchst nichts mehr zu sagen.«

»Versteh mich nicht falsch, Lucille, ich kann nicht so einfach …«

 

Mit einer energischen Bewegung ergriff Lucille Chadieu ihre beiden Taschen und lief los, ohne Tony noch weiter zu beachten. Der ging hinter ihr her, musste sich an einigen Personen vorbeidrängen und schaffte es in dem plötzlichen Gewühl nicht, an ihre Seite zu kommen.

»Du verstehst das falsch«, rief er.

»Ja«, stieß Lucille bitter hervor, »ich habe in der Tat sehr viel falsch verstanden.«

»Nein, nein,« Tony hüpfte um einen Kofferberg herum. »Lass dir doch erklären …«

»Spar dir die Mühe. Ich brauche keine Erklärungen.«

»Lucille, bitte. Mir ist da am Wochenende etwas passiert und darum kann ich nicht …«

Lucille blieb abrupt stehen. Die beiden Taschen schienen bei der Drehung fast wie Flügel hochsteigen zu wollen. Ihre Nasenflügel zitterten ebenso wie ihre Unterlippe.

»Dir ist am Wochenende etwas passiert? Schön. Deine Ex oder besser deine sogenannte Ex wohnt bei deinen Eltern, nicht wahr?«

»Woher weißt du das?«

»Hast du mir selbst erzählt. Oh ja, ich weiß, was du jetzt denkst. Hätte ich lieber meine Klappe gehalten, nicht wahr, das ist es doch?«

»Lucille, es ist doch ganz anders und … solche Sachen passieren eben.«

»Ach so, dann hast du deine Sekretärin flachgelegt. Mit dem Quietscheentchen ab ins Schaumbad, war’s das? Ach, warum rede ich überhaupt noch mit dir.«

Damit drehte sich Lucille wieder ab und stürmte dem Hallenausgang zu. Nun konnte sich Tony endlich an ihre Seite vorarbeiten. Aber Lucille verschanzte sich hinter ihren beiden ausladenden Taschen. Tony hatte den Eindruck, als würde er auf einer Landstraße versuchen, mit einem vorbeirasenden Zug Kontakt aufzunehmen.

»Können wir nicht mal in Ruhe über die Sache reden?«, startete er einen neuen Versuch.

»Warum?« Lucille sprach mit einem imaginären Punkt in weiter Ferne. »Warum darüber reden? Solche Sachen passieren eben. Es ist dir passiert, Schwamm drüber, basta.«

»Wenn du mir nur mal die Chance geben würdest, mit dir in Ruhe die ganze Sache zu bereden.«

»Oh ja, der Herr will ein vernünftiges Gespräch. Über was? Dass du deinen blöden … nicht beherrschen konntest. Dass du ihn nie wieder in fremdes Territorium stecken wirst? Dass es dir leid tut? Das Lied kann ich mir alleine singen – in der Badewanne.«

So langsam mischte sich in Tonys Verwirrung und Verblüffung so etwas wie gerechter Zorn.

»Wenn du nicht so verbohrt wärst, dann könnte ich dir in kürzester Zeit erklären, dass alles kein Problem ist.«

 

Wieder schwenkte Lucille ihre Taschen, als sie abrupt stehenblieb und Tony anfunkelte. Der war dem Schicksal dankbar für das Louis Vuitton-Gepäck seines Gegenübers, denn ohne dieses Hemmnis hätte er sich wohl gegen Lucille Chaudieus Fingernägel in seinem Gesichtserker zur Wehr setzen müssen. So beließ sie es dabei, den Kopf ein wenig in seine Richtung zu schieben und zu zischen: »Ich bin verbohrt …? Du glaubst wohl, du kannst einen Harem aufmachen, mit mir als Alterspräsidentin oder was? An was hatte der Herr denn gedacht? Flotter Dreier mit deiner Ex? Oder kommt die Quietschmadame noch dazu? Alles ganz offen und liberal. Weißt du was, du … du … du kannst mich mal!«

Bevor sich der völlig verdatterte Tony gefasst hatte, war Lucille schon fast am Taxistand.

»Wo willst du hin?«, fragte er sie und kam sich selbst wieder einmal ziemlich blöde vor.

»In ein Hotel oder hattest du gedacht, ich schlafe bei dir in der Badewanne?«

»Nein, ja, ich hatte damit gerechnet …«

Lucille lächelte Tony bitter an. »Keine Angst, ich werde dich nicht in deiner Behausung stören. Noch eine Dame wäre vielleicht auch wenig zu viel für dich. Du weißt ja – Stutenbissigkeit.«

»Aber wie kann ich dich erreichen?«

Der Motor des Taxis lief schon, Lucille hielt die Tür ein wenig offen, als sie mit Tony sprach.

»Ich werde dich anrufen. Falls ich das Bedürfnis haben sollte. Aber das kommt nicht vor der Hochzeit des Papstes. Lebewohl, mach´s gut.«

Der Wagen ruckte an, wartete einen Moment, bevor er sich in den Verkehr einordnete und losfuhr. Tony konnte nur noch hinter dem davonrollenden Taxi herschauen. Durch die Rückscheibe schimmerte Lucilles Kopf als dunkle Fläche.

Wenn irgendetwas in Tony Tanners Leben schief gelaufen war, dann konnte es nicht so katastrophal gewesen sein wie die letzten Minuten. Immerhin, er hatte noch den Namen des Hotels mitbekommen, den sie dem Fahrer zugefaucht hatte.

***

Wieder im Büro fand Tony seine Sekretärin dabei, die Unterlippe zu benagen und Einladungen zu studieren.

»Darf ich mal?« Tony war gerade in der richtigen Stimmung, um anderen Menschen Lebenshilfe zu geben. Er überflog die verschiedenen Briefe und Visitenkarten und legte ihr schließlich eine vor.

»Nehmen Sie den. Alistair Compton-Bartaugh. Rufen Sie ihn gleich an und sagen Sie, dass Sie zwei Plätze im Plateau reserviert hätten, für heute Abend.«

Janet Bakers Augen standen kurz davor, ihre von der Natur vorgegebenen Sitzplätze zu verlassen.

»Plateau ist doch dieser neue Schuppen im x-ten Stock, von diesem Designgott, wie hieß er noch, diesem Earl Dingens ausgestattet. Da gibt’s doch eine Warteliste von fünf Tagen …«

»Zehn Tage, um genau zu sein. Sagen Sie ihm, dass Sie Beziehungen haben, dass Sie sich freuen, seine Bekanntschaft zu machen und darum diesen Platz ausgewählt haben. Er wird zustimmen und die Rechnung bezahlen. Aber nehmen Sie trotzdem zur Vorsicht einige Scheine mit.«

»Aber wenn ich vielleicht doch …«, versuchte Janet Baker einen Protest. Tony betrachtete sie unterdessen wie ein Kunstwerk, die eine Hand am Kinn.

»Ziehen Sie was Hochgeschlossenes an. Nur wenig Haut, bloß nicht billig wirken. Leichtes Make-up, helle Farben, am besten Sie nehmen so etwas wie ein Stirnband.«

»Aber wie kann ich diese beiden Plätze …«

»Sagen dem Empfangschef einfach meinen Namen.«

»Ach so, dann wissen Sie es also schon«, strahlte nun Janet Baker.

»Natürlich weiß ich«, gab Tony Tanner gelassen zurück. »Trotzdem möchte ich auch noch Ihre Version hören, Janet.«

Janet Baker schloss die Augen und setzte sich steif hin. Dann sagte sie wie ein Kind, das ein Gedicht auswendig aufsagen muss: »Der Vizedirektor der Agentur , sowie Mister Heathercroft erlauben sich, Sie für heute Abend um acht Uhr zu einer dienstlich-privaten Besprechung ins Sir Nelson zu bitten. Korrekte angemessene Kleidung wird erbeten.«

»Schön, das deckt sich mit meiner Information, aber nun weiter. Ich schlage Rock vor, aber wadenlang, Schuhe mit Absatz, aber nicht zu hoch. Braune Strümpfe wären nicht schlecht, braun wäre sowieso nicht schlecht. Compton-Bartaugh ist homosexuell.«

»Oh nein, eine Schwuchtel!!!«

»Keine Vorurteile. Compton-Bartaugh ist jung, stinkreich, gehört zur High-Society, sieht passabel aus, ist recht klug und hat Bildung, vor allem wird er Ihnen nicht zu nahe treten, und wenn, dann wird er es äußerst ungeschickt und ziemlich hölzern tun. Seien Sie so nett und tun Sie so, als würden Sie das ernst nehmen. Irgendwas wie Wir sollten nichts überstürzen. Spielen Sie ein wenig Interesse vor, dann frisst er Ihnen aus der Hand. Er braucht jemanden wie Sie, ein weibliches Schmuckstück, mit dem er glänzen kann. Er will nicht, dass seine Neigung öffentlich wird.«

 

Janet Baker nickte ernsthaft. Ihre rechte Hand schrieb auf einem Stenozettel mit.

»Verstellen Sie sich nicht. Das haben Sie nicht nötig. Aber geben Sie so wenig von sich preis, wie irgend möglich. Lassen Sie ihn reden. Das tut er gut und gerne und lange. Gehen Sie zwischendurch auf die Toilette und notieren Sie sich die Namen, vor allem die Spitznamen der Leute, von denen er redet. Das wird er nämlich ausführlich tun. Benutzen Sie selbst diese Spitznamen nie, sagen Sie hinterher immer nur Compton-Burtaugh, mit dem ich letztens im Plateau speiste, erzählte eine lustige Geschichte von X, den er immer nur Y nannte. Klar?«

»Ich hab’s notiert.«

»Sagen Sie ihm, dass Sie Polo und Pferderennen toll finden. Er ist in dem Verein, in dem auch Prince Charles spielt und hat eine Loge in Ascot. Er wird Sie einladen. Damit sind Sie im Geschäft, Janet.«

»Und woher wissen Sie eigentlich das alles über diesen schwulen Compton-Bartaugh?«

Tony Tanner lächelte. »Die Agentur hat eine Menge Dossiers über eine Menge Leute.«

Janet Baker klopfte mit dem Bleistift an ihre blitzend weißen Zähne.

»Warum tun Sie das für mich, Tony?«

»Ich versuche, mich wie ein Gentleman zu benehmen. Ein Gentleman bemüht sich, dass es allen Menschen in seiner Umgebung gut geht.«

»Sie reden wie meine alte Tante.«

»Ich bin die Wiedergeburt von mindestens drei alten Tanten«, sagte Tony Tanner.

Fortsetzung folgt …