Deutsche Märchen und Sagen 172
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
227. Kind im Keller
Am 11. Juli des Jahres 1646 fiel ein dreijähriges Kind zu Freiburg durch ein Kellerloch in den Keller des Stadtgefängnisses. Mit sehr großer Betrübnis suchten die Eltern drei Tage lang, doch nirgends war das Kind zu finden; kein Mensch hatte es gesehen. Am 15. endlich wurde ein Soldat, der sich gegen die Hauptwache zur Wehr gesetzt und dabei einen Offizier verwundet hatte, zum Gefängnis gebracht. Die, welche ihn bewachten, hörten des Nachts die Stimme eines Kindes, nicht weinen oder klagen, sondern nur »Vater!« rufen und um etwas zu trinken bitten. Zur Stunde öffnete man den Keller, aus dem die Stimme drang und der seit langer Zeit zugemauert war. Man fand das Weiterlesen
Deutsche Märchen und Sagen 171
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
226. Geist und Kind
In dem Städtchen Wilmar, welches in der Trierer Diözese gelegen ist, hatte sich um das Jahr 1595 folgende merkwürdige Geschichte zugetragen. Es lebte dort ein ehrsamer Bürger, namens Johann Eisenkopf, mit seiner Frau Margaretha. Diese gebar ihm einen Sohn, den er Conrad nannte. Dieses Kind wurde von Christi Himmelfahrt bis zum Fest Apostelteilung häufig von einem Geist aus der Wiege geholt und an irgendeinen anderen Ort gebracht. Nun legte er es in das Bett der Mutter, dann barg er es auf der Treppe des Weinkellers, ein anderes Mal im oberen Stock des Hauses, wieder ein anderes Mal auf dem heimlichen Gemach. Dabei trug der Geist stets die größte Weiterlesen
Deutsche Märchen und Sagen 170
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
225. Der Geist mit der Schellenkutte
Ein paar Mönche kamen auf der Reise in eine Herberge, in welcher ein Zimmer nicht bewohnt werden konnte, weil dort ein Geist hauste. Der Wirt war erfreut, als er die Mönche sah, nahm sie freundlich auf, denn er dachte, sie würden den Geist leichtlich beschwören und bannen können. Er schlug ihnen denn auch ein Bett in der Kammer auf, wo der Geist sich stets zeigte.
In der Nacht, als die Mönche kaum schliefen, begann der Geist sein Spiel und zupfte sie bei den Haaren, die ihre kahlgeschorenen Scheitel spärlich umsäumten.
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Deutsche Märchen und Sagen 169
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
224. Weißer Geist zu Nürnberg
Gegen das Jahr 1672 lebte in Nürnberg ein Goldschmied mit seiner Frau und sechs Kindern. Diese Frau hatte einen Familiengeist, der immer um sie war und ihr vorhersagte, was ihr begegnen würde. Er zeigte sich ihr in Gestalt eines weißgekleideten Kindes, welches eine Sanduhr in der Hand trug.
Einmal sprach er zu ihr: »Frau, Ihr wäret tot gewesen, hätte nicht ein Sandkörnchen, welches ein Loch in diesem Gläschen gestopft hat, Euch geholfen.«
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Deutsche Märchen und Sagen 168
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
222. Der Kuhkopf zu Altenberg
In Altenberg starb einmal einem Bauer alles Vieh an einer bösen Seuche und der Mann wusste sich nicht mehr zu raten und zu helfen. Endlich hörte er von einem alten Hirten ein Mittel und das wandte er auch alsbald an. Er ergriff nämlich die letzte Kuh, welche ihm geblieben war, schnitt der den Kopf ab und legte ihn auf den Söller. Das Vieh, welches er von da an kaufte, starb ihm nicht mehr, selbst einmal nicht, als das ganze Dorf angesteckt war. Es geschah aber eines Tages, dass ein Knecht den Kuhkopf auf dem Boden fand und ihn durchs Fenster auf den Mist warf. Am selben Tag jedoch fiel ein Ochse und ein Kalb, und der ganze Stall wäre leer geworden, hätte der Weiterlesen
Deutsche Märchen und Sagen 167
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
221. Die weißen Frauen necken
Ein Bauernknabe bei Born in Twenthe hatte mit seinem Meister gewettet, er wolle in der Mitternacht zu den nahen Beltern (kleine Erdhöhen) gehen und die weißen Frauen necken. Wie gesagt, so getan. Der Bauer lieh ihm sein Pferd und als der Mond sich hinter Oldenzaal erhoben hatte, ritt der Junge schnurstracks auf die Belter los und stach mit frevelnder Hand ein spitzes Eisen in einen derselben. Im nämlichen Augenblick stiegen aus diesem und all den anderen Hügeln alle weißen Frauen heraus, welche da wohnten, um den Vermessenen zu zerstückeln. Er wartete aber ihre Kunst nicht ab, sondern ritt, so schnell das Pferd laufen konnte, dem Hof wieder Weiterlesen
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