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Paracelsus

Arno Endler
Paracelsus

Science-Fiction/Psychothriller, Paperback, Atlantis Verlag, Stolberg, März 2015, 248 Seiten, 12,90 Euro, ISBN: 9783864021992, Titelbild und Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Atlantis Verlag

»Im Traum funkeln die Sterne. Wie Glitzersteine am Himmel, wenn du im Gras liegst und in die Unendlichkeit hinaufschaust. Bleierne Schwere in allen Gliedern, sodass du dich nicht rühren möchtest. Bewege dich nicht, genieße den Trip. Es ist nur ein Moment, doch er könnte auch für die Ewigkeit sein.

Im Weltall hingegen sind es Sonnen, unermesslich weit entfernt. Diese Punkte, die nach dir rufen, gleißen in hundert Farben und tausend Größen. Aber sie sind unerreichbar. Das All ist ein einsamer Platz, selbst auf einem Raumschiff. Denn im All hört niemand deine Schreie.«

Julian Egopartes, Kapitän der Paracelsus, erwacht ohne Erinnerung an Bord des offenbar schwer defekten Raumschiffes. Mithilfe der künstlichen Bordintelligenz Else und seiner Ein-Mann-Besatzung, dem Koch, gelangt er zur Brücke, wo er erfährt, dass die Paracelsus antriebslos auf ein schwarzes Loch zutreibt. Ihm bleiben höchstens 60 Stunden, um den Antrieb wieder zu aktivieren und dem tödlichen Sog zu entkommen. Leichter gesagt als getan, ohne Erinnerung an die Vorkommnisse an Bord, geschweige denn an seine Systempasswörter. Julians einzige Hoffnung ist, dass sich unter den acht Passagieren, die die Paracelsus transportiert, jemand befindet, der ihm helfen kann. Doch außer ihm, dem Koch und den Passagieren befindet sich noch etwas anderes an Bord. Etwas, das einen nach dem anderen tötet.

»Ich hätte nicht geglaubt, dass es Bereiche des Schiffes geben könnte, die mir noch größeres Unbehagen verursachen würden als die mir bereits bekannten. Wie sehr täuschte ich mich. Ebene vier wirkte wie der Vorhof zur Hölle. Stockfinstere Korridore, in denen ich meinen Kopf einziehen musste, um mich nicht ständig zu stoßen. Ein Labyrinth von minotaurischen Ausmaßen. Kaum einmal die Gelegenheit, mehr als zehn Meter geradeaus zu gehen, schon verzweigten sich die Gänge. Ich verlor beinahe umgehend die Orientierung.«

Ohne Vorwarnung wird der Leser gemeinsam mit Kapitän Egopartes ins kalte Wasser geworfen, muss sich mit ihm den Weg durch das havarierte Raumschiff zur Brücke erkämpfen und Hinweise darüber sammeln, was genau an Bord der Paracelsus passiert ist. Immer in der Hoffnung, zumindest Bruchstücke seines Gedächtnisses wiederzuerlangen. So baut Autor Arno Endler von Beginn an eine dichte Atmosphäre von Unsicherheit und Desorientierung auf und verpasst dem Helden mit der Kapitänsrolle gleichzeitig die Verantwortungslast, die Paracelsus irgendwie aus dem Sog des Schwarzen Lochs zu befreien. Die extrem dichte und stressige Situation wird nochmals angefeuert durch einen unbekannten Mörder, dem Mann ohne Hals, der sich scheinbar völlig frei durch das Schiff bewegt, Egopartes immer einen Schritt voraus ist und die Passagiere nacheinander tötet.

Mit immer neuen Wendungen und rätselhaften Andeutungen hält Arno Endler die Spannung stets am Kochen und die Aufmerksamkeit des Lesers hoch. Da passt es auch, dass man sich sehr gut mit dem erinnerungslosen Julian Egopartes identifizieren kann, obwohl man kaum etwas über den Kapitän erfährt. Ein Übriges tut die fast spürbare Enge der Paracelsus, für die sich Arno Endler von der Nostromo aus ALIEN inspirieren ließ. Die Nebenfiguren sind alle ihrem Zweck entsprechend ausreichend ausgearbeitet und bereichern den Roman mit einigen skurrilen Momenten, ohne dass der Spannungsbogen abbricht.

Insgesamt ist dem Roman die vorhergehende Planung deutlich anzumerken. In Verbindung mit dem durchgehend hohen Erzähltempo (bedingt auch durch die angenehm kurzen Kapitel), die gelungene klaustrophobische und unsichere Atmosphäre also jede Menge Pluspunkte, sodass einige Unebenheiten nicht weiter ins Gewicht fallen. Zwar ist die Auflösung des Rätsels nicht neu, und erfahrene Thriller-Konsumenten ahnen bestimmt schon vorher, worauf die Geschichte hinausläuft, doch in sich funktioniert der Roman ausgesprochen gut.

Sehr sympathisch ist es auch, dass der Autor noch ein erklärendes Nachwort verfasst hat, in dem er seine Motivation und Herangehensweise näher beleuchtet.

Unbedingt zu erwähnen ist noch das schmuck komponierte Cover von Atlantis-Stammgrafiker Timo Kümmel, das mit geringen Mitteln sehr viel hermacht. Zusätzlich zu der regulären Paperback-Ausgabe ist für ein paar Euro mehr eine gebundene Hardcover-Ausgabe zu haben, die direkt beim Verlag bestellt werden kann.

Fazit:
Der temporeich und dicht erzählte Psycho-Thriller im SF-Gewand packt den Leser von der ersten Seite an und punktet mit toller Atmosphäre und überraschenden Wendungen.

(eh)