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Die letzten Tage Jesu – Protokoll einer Hinrichtung

Der Autor entführt seine Leser hier in die letzte Woche des Lebens Jesu. Dabei handelt es sich nicht um eine theologische Abhandlung, wie man zuerst meinen könnte, auch wenn manche theologischen Ansätze enthalten sind (dazu später mehr). Viel mehr versucht Page hier dem Leser erst einmal ein Gefühl, für die damalige Zeit zu verschaffen. Und damit sind wir auch schon bei der großen Stärke des vorliegenden Werkes: Nick Page zeigt dem Leser ungeschminkt und völlig ohne religiöse Romantik und Verklärtheit, wie das Leben der Menschen zur Zeit Jesu tatsächlich war. Er lässt den Leser Einblick nehmen in die Lebensgewohnheiten und religiösen Riten der Juden der damaligen Zeit und in die Verhältnisse, die unter der Herrschaft Roms in Jerusalem und dem Umland herrschten. Und, was in der Vergangenheit in ähnlichen Werken eher nur am Rande behandelt wurde, er verschafft dem Leser Einblick in die politischen Gegebenheiten in Jerusalem. Welche Gruppen standen in welchen Beziehungen zueinander? Welche Auswirkungen hatten einzelne Handlungen Jesu in dieser letzten Woche auf das politische Gebilde in Jerusalem? Diese Fragen beantwortet Page mit viel Liebe zum Detail und Gespür für die damaligen Lebensverhältnisse.

Als Grundlage hierfür hat er die vier Evangelien gewählt, die er immer wieder durch Ausflüge in die Schriften einzelner Historiker, wie Flavius Josephus, unterfüttert. An manchen Stellen muss man allerdings zugeben, schießt Page vielleicht etwas über das selbst gesteckte Ziel hinaus. Denn der Autor, der anfangs erklärt eben keinen theologischen Aufsatz vorlegen zu wollen, lässt sich doch an manchen Stellen dazu hinreißen, einzelne Äußerungen und Gleichnisse Jesu zu deuten. Dabei weicht er zum Teil stark von den anerkannten Deutungen der Gleichnisse ab, in dem Versuch sein eigenes Verständnis der Dinge zu erläutern. Ob man nun mit diesen Deutungen einiggeht, bleibt dem Leser letztlich selbst überlassen. Dazu fällt auf, dass Page trotz aller historischer Korrektheit, die er an anderen Stellen an den Tag legt, von einer Hinrichtung Jesu am Kreuz ausgeht. Dabei vernachlässigt er, dass nicht nur verschiedene religiöse Gruppierungen, sondern mittlerweile auch eine ganze Reihe führender Wissenschaftler davon ausgehen, dass es die Hinrichtungsart der Kreuzigung, wie die Kirche sie predigt, nie gegeben hat. Viel mehr sollen die Verurteilten an einem einfachen Stamm gestorben sein, bei dem es keinen Querbalken wie bei dem christlichen Kreuz gab. Man könnte es auf einen Mangel an Recherche schieben, doch an keiner anderen Stelle in seinem recht fundierten Werk stoßen wir auf einen solchen Mangel. Warum der Autor sich allein für Kreuzigungsvariante und nicht auch hier für eine etwas offenere Sicht der Dinge entschieden hat, bleibt letztlich sein Geheimnis.

Wenn man von diesen wenigen Punkten absieht, hat man hier ein durchaus gelungenes Sachbuch vorliegen, dass vor allem ein Ziel verfolgt: Dem Leser ohne den Versuch ihn in eine religiöse Richtung zu leiten eine historische Woche, die in dem nach wie vor meist gekauften Buch der Welt eine Schlüsselrolle einnimmt, näher zu bringen und ein Geschehen, dass in den Christlichen Ländern noch immer einen der wichtigsten Feiertage des Jahres begründet, zu beleuchten: Die Woche rund um die Hinrichtung Jesu Christi.

Mit seinem Werk über dieses durchaus religiös aufgeladene Thema, hat Nick Page ein Buch vorgelegt, dass es dem geneigten Leser erlaubt, auch ohne große Vorbildung in biblischer Geschichte einen Eindruck von dem Ereignis zu bekommen, dass letztlich mitbegründend für die Entstehung der Christenheit als solcher war. Dabei geht Page in vielen kleinen Fragen tief ins Detail, führt historische Zusammenhänge in einfacher Sprache ans Licht und macht dem Leser die Verhältnisse auf laienhaft einfache Art und Weise deutlich. Dabei entsteht zu keiner Zeit der Eindruck, Page wüsste nicht, wovon er schreibt. Der Rechercheaufwand für das vorliegende Werk dürfte erheblich gewesen sein. Die Kunst des Autors ist es hier, die Vielzahl von Informationen, die er vermittelt, in einfacher und beinahe alltäglicher Sprache darzulegen.
Das Buch ist als Hardcover mit Schutzumschlag erhältlich. Das Cover ist passend und erzeugt die richtige Stimmung für die Lektüre. Es zeigt ein hinreichend bekanntes Motiv, den bereits hingerichteten Jesus mit der Dornenkrone auf dem Kopf. Dabei ist sein Körper nicht zu sehen, nur das Gesicht im Profil. Der Rest des Körpers verschindet im Dunkel. Zahlreiche Abbildungen mit Bildunterschriften liefern die Möglichkeit der visuellen Vorstellung des enthaltenen Stoffs. Umfangreiche Anmerkungen des Autors zu einzelnen Aussagen, runden das Buch gekonnt ab.

Fazit:
Trotz einiger Schwächen kann das vorliegende Werk seinen Zweck mehr als ausreichend erfüllen. Es vermittelt dem interessierten Leser einen Einblick in die letzte Woche des Lebens Jesu und in die Zeit nach seinem Tod, die letztlich in der Gründung der ersten Christengemeinden mündete. Dabei schafft Page es durch seine Liebe zum historischen Detail dem Leser allerhand Informationen darzulegen, die bislang eher im Dunklen lagen. Trotz einiger Abzüge aufgrund der fehlenden Genauigkeit bei der Beschreibung der Hinrichtung Jesu und aufgrund mancher Auslegungen, die doch recht eigenwillig wirken, kann man das Buch letztlich als lesenswertes Sachbuch weiterempfehlen.

Copyright © 2012 by John Poulsen

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Nick Page
Die letzten Tage Jesu
Protokoll einer Hinrichtung

Historisches Sachbuch
gebunden mit Schutzumschlag
zahlreiche Abbildungen
Pattloch Verlag München
März 2011
400 Seiten, 19,90 €
ISBN: 978-3-629-02282-0