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Angriff auf die Elfenwelt

Angriff auf die Elfenwelt

Galantha warf sich im Schlaf immer wieder hin und her. Marc hatte mehrfach versucht sie zu wecken – vergeblich. Sie murmelte unverständliche Worte in der Sprache ihres Volkes, die Marc nicht beherrschte. Erst als die Sonne aufging, beruhigte sich die Elfe wieder. Besorgt betrachtete Marc Galanthas Gesicht, welches noch immer die Ängste der vergangenen Stunden widerspiegelte. Was mochte nur geschehen sein? Noch nie hatte er seine Frau in einer derartigen Verfassung erlebt. Die Antwort auf seine Frage ließ nicht lange auf sich warten. Galantha setzte sich plötzlich auf und flüsterte: »Sie brauchen Hilfe oder alle werden sterben.«

»Wer braucht Hilfe?«, fragte Marc beunruhigt.

»Alle in meiner alten Heimat.« Galantha schwang die Beine aus dem Bett. Nervös bewegte sie die bunt schillernden Flügel.

»Dann sollten wir sofort mit Stella und Thomas darüber sprechen.« Marc wusste genau, dass er Galanthas Gespür für Gefahren vertrauen konnte. Im selben Moment klappte die Terrassentür. Im Flur prallte Marc fast mit seiner Tochter Stella zusammen, die panisch hereingestürzt kam. Sein bester Freund Thomas, der gleichzeitig Stellas Ehemann war, folgte ihr. Schließlich saßen alle vier noch mit Schlafanzügen und Nachthemden bekleidet im Kaminzimmer.

»Du hast es auch gespürt«, murmelte Galantha. »Ich habe mich also nicht getäuscht.«

Stella schüttelte den Kopf, dass die eichhörnchenrote Mähne nur so flog. Marc drückte seine Frau in die Polster der Wohnlandschaft. »So, nun erzählst du uns erst einmal der Reihe nach, was eigentlich los ist.«

Galantha atmete tief durch. »Es gibt Ärger mit den Zwergen.«

Thomas schaute sie ungläubig an. »Was jetzt schon? Es sind doch erst fünfzehn Jahre um! Ich denke wir haben sie für hundert Jahre unter die Erde geschickt?«

»Da sind sie auch noch«, erklärte die Elfe. »Nur haben sie einen Weg gefunden, das Wasser zu vergiften. Viele Lebewesen im Elfenland sind schon krank und siechen dahin, die Pflanzen sterben ab und die Seen sind verseucht. Pyron und Zephyra haben heute Nacht gerufen. Wir müssen ihnen helfen, bevor es zu spät ist.«

»Ich habe genau die gleichen Bilder gesehen wie Mutter«, sagte Stella traurig. »Es gibt gar keinen Zweifel.«

»Einzelheiten?«, fragte Thomas kurz.

Beide Frauen schüttelten die Köpfe. »Keine.«

»Jetzt ziehen wir uns erst einmal an«, schlug Marc vor. »Dann frühstücken wir und hinterher überlegen wir, wo die Zwerge so viel Gift aufgetrieben haben können, um ein ganzes Land zu gefährden.«

 

Eine halbe Stunde später saßen alle in Galanthas Küche. Schweigend aßen sie.

»Bergbau!«, rief Thomas plötzlich.

Marc sah seinen Freund anerkennend an. »Klingt logisch.«

»Ihr meint sie verseuchen das Grundwasser mit dem Abwasser ihrer Erzschürfungen?«, vergewisserte sich Stella.

»Hmm«, brummte Thomas. »Genau das traue ich ihnen zu.«

»Aber was könnten wir dagegen tun?«, fragte Galantha verzagt.

»Ich wäre dafür, erst einmal im Elfenland Daten zu sammeln. Wer weiß, was tatsächlich dahinter steckt?«

»Schon gut. Es war dumm von mir«, murmelte Galantha.

Marc streichelte ihre Hand. »Kopf hoch! Wir beide gehen in einer Stunde durch das Portal, Thomas und Stella halten uns hier den Rücken frei. Wenn alles klappt, sind wir noch vor Mitternacht wieder zurück.«

Galantha fiel ihm dankbar um den Hals.

 

Zur versprochenen Stunde fanden sich alle in Marcs Arbeitszimmer ein. Marc öffnete die Schiebetür neben dem Fenster, hinter der er, für Fremde unerreichbar, den ovalen Spiegel mit dem kunstvollen Rahmen verborgen hielt. Auch heute zeigte die matte Fläche ihren wolkigen Schleier, der Marc einst hatte zum Fensterleder greifen lassen, worauf er ziemlich unfreiwillig in Galanthas Welt gelandet war. Stella und Thomas setzten sich in die beiden bequemen Sessel, um die Spiegelfläche immer im Auge zu haben. Galantha und Marc stiegen nacheinander durch den Rahmen, wie sie es schon so oft getan hatten. Die Schwärze des Alls umfing sie. Eine sanfte Gewalt schob sie am Ende ihrer Reise hinaus in die andere Welt. Mit wenigen Blicken erkannten sie, dass die beiden Drachen ihre Grotte bereits verlassen hatten.

»Mist. Wie komme ich denn jetzt vom Berg herunter?«, murmelte Marc.

»Ruf die beiden doch. Vielleicht hören sie es ja«, schlug Galantha vor.

»Na klar! Aber nicht akustisch.« Marc setzte sich auf den Boden, schloss die Augen und rief im Geiste nach Pyron.

Nach ein paar Minuten verdunkelte sich der Eingang der Höhle. Ein lautes Schnüffeln folgte. »Es riecht nach Menschen und Riesenelfen«, sagte die bekannte tiefe Stimme und schon tauchte der gehörnte Kopf des gigantischen Drachen auf. »Galantha, Marc, bin ich froh euch zu sehen!«

»Schön, dass es dir gut geht.« Die beiden Ankömmlinge atmeten erleichtert auf. „Wo ist Zephyra?«

»Sie ist unten am See. Wir haben einen kleinen Bach umgeleitet, der verseuchtes Wasser in den See getragen hat. Ach, da ist sie ja schon.«

Das leise Schleifen des Drachenpanzers an den steinernen Wänden verriet Zephyras Ankunft.

»Ihr habt den Ruf vernommen«, seufzte sie zufrieden beim Anblick von Galantha und Marc. »Wir wissen hier bald nicht mehr weiter. Am besten schaut ihr euch das ganze Elend aus der Luft an.«

 

Schnell saß das Ehepaar Wendler auf Pyrons Rücken, der in Begleitung von Zephyra zum Rundflug aufbrach. Pyron brachte sie hoch ins Gebirge, wo die Katastrophe ihren Anfang nahm. »Diese beiden Quellen hier sind verseucht, während die genau daneben sauber ist«, erklärte der Drache. Er stieg noch höher auf. Den Betrachtern bot sich ein schreckliches Bild. An den Ufern der beiden Gebirgsbäche, die zu kleinen Flüssen anschwollen, gab es kaum noch Leben. Tote Bäume und kahler Boden auf fast einhundert Meter Breite. Im Wasser schwammen weiße Schaumflocken.

»Aber das ist ja grauenvoll«, stöhnte Galantha.

Zephyra nickte. »Da sagst du wahre Worte.«

»Aber warum nur diese beiden Quellen, obwohl die andere direkt daneben ist?«, Marc drehte sich noch einmal um.

»Genau das ist die Frage.« Pyron hob hilflos die Vorderklauen.

 

Eine Stunde später saßen sie in der Grotte zusammen und hielten Kriegsrat. Marc erzählte von Thomas´ Theorie, die sich mit dem deckte, was er soeben gesehen hatte. »Man müsste in eine der Quellen abtauchen und nachsehen«, murmelte Marc.

Pyron begann bitter zu lachen. »Na wie denn?«

Marc erhob sich. »Bring mich bitte zum See. Dort wird sich entscheiden, wie es weitergeht.«

Die beiden Drachen wechselten erstaunte Blicke mit Galantha. Pyron beeilte sich, Marcs Wunsch nachzukommen. An dem Uferabschnitt mit dem saubersten Wasser landete der Drache. Marc winkte die Nixen herbei.

»Marc und Galantha sind da! Nun wird alles gut!«, riefen die Wasserbewohner durcheinander, während sie auf den flachen Steinen Platz nahmen.

»Ich möchte euch nicht die Laune verderben, aber wir tappen noch ziemlich im Dunkeln«, erwiderte Marc. Er beschrieb, was er im Gebirge gesehen hatte. Entsetzen zeichnete die Gesichter der Nixen. »Ich bin gekommen, weil ich eure Hilfe brauche. Jemand müsste der sauberen Quelle im Inneren des Berges folgen und nachsehen, woher sie kommt und wie es dort überhaupt aussieht.«

Nervös kneteten die Nixen die Hände, mit niedergeschlagenen Augen hockten sie auf ihrem Felsen.

»Hat niemand den Mut, uns zu helfen?«, fragte Galantha traurig.

Die Nixe mit den großen roten Narben hob rasch den Kopf. »Doch, ich werde gehen. Sagt mir, was ich tun muss. Ich bin es euch schuldig.« Dabei huschte ihr Blick über die Andenken des Bärenangriffs.

Galantha reichte ihr beide Hände. »Das werden wir dir nie vergessen. Komm, wir bringen dich zur Quelle. Niemand wird dich zwingen weiter zu gehen, als du es dir selbst zutraust.«

Marc nahm die Nixe in die Arme und startete mit Pyron. Galantha setzte sich auf Zephyra. Bald waren sie den Blicken der anderen entschwunden. Der Anblick des vergifteten Landes ließ die kleine Nixe erschauern.

»So wird es bald überall aussehen, wenn wir keine Lösung für das Problem finden«, sagte Marc betrübt.

»Ich will mein Bestes geben«, flüsterte die Nixe.

 

Die Drachen landeten neben den drei Quellen. Marc erklärte sehr genau, dass beinahe jedes noch so kleine Detail von Nutzen sein konnte.

»Wie ist eigentlich dein Name?«, fragte Galantha, bevor die Nixe in die Quelle abtauchte.

»Diandra.«

Die Elfe streichelte ihre Hand. »Riskiere nicht zu viel, Diandra. Wir werden hier auf dich warten. Viel Glück.«

Kein einziger Tropfen Wasser spritzte auf, als Diandra kopfüber in die Quelle sprang.

In völliger Dunkelheit schwamm sie vorsichtig gegen den Strom. Ohne Mühe gelang es ihr, sich zu orientieren. Das Wasser hatte den Fels im Laufe der Jahrtausende glatt geschliffen. Die Nixe schwamm schneller, als sich das Bett des unterirdischen Bächleins verbreiterte und ein See inmitten eines Domes aus funkelnden Kristallen wie aus dem Nichts auftauchte. Einige Tropfsteine schienen das himmelhohe Gewölbe zu stützen. Überwältigt hielt die Nixe inne. Sie lauschte. Das von der Decke tropfende Wasser erzeugte ein mehrfaches Echo. Diandra lächelte. Noch nie zuvor hatte sie so eine Pracht gesehen. Sie schwang sich aus dem Wasser, um ein wenig auszuruhen. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt schaute sie die mehrfarbigen Kristalle an der Decke an. Plötzlich fuhr sie entsetzt zusammen. Fast an ihrem Ohr war ein schrilles Quietschen ertönt, das so ganz und gar nicht in diese Idylle passen wollte. Wie gebannt blieb sie hocken und lauschte mit geschlossenen Augen. Seltsame Geräusche drangen aus der Wand hervor. Stimmen? Diandra zog sich mit den Händen an der Wand hoch, bis sie fast menschengleich auf der Flosse ihres kräftigen Fischschwanzes stand. Ein Lufthauch drang aus der Wand. Lautlos presste die Nixe ihr Gesicht an den Stein und versuchte die Quelle des Hauches zu finden. Da! Ein Spalt! Groß genug, um mit einem Auge hindurchzusehen. Diandra prallte entsetzt zurück. Zwerge. Viele Zwerge. Und sie schütteten einen Damm auf, der das Wasser auf der anderen Seite der Wand zwang, entgegen seiner natürlichen Richtung zu fließen. Zitternd vor Angst, dass man sie hören könnte, robbte die Nixe zum See. Fast lautlos tauchte sie unter, um wie gehetzt zurück zu schwimmen. Ihr kam es vor, als wäre der Weg nun fast dreimal so lang, obwohl sie mit dem Strom schwamm. Endlich wurde es heller. Mit einem kräftigen Schlag ihrer Schwanzflosse katapultierte sich Diandra aus dem Schacht. Das feine Gehör der Drachen hatte die Nixe schon lange wahrgenommen. So gelang es Pyron die kühne Schwimmerin aufzufangen, bevor sie auf die Steine prallte. Diandra zitterte am ganzen Körper. Marc hatte Mühe sie beruhigen. Pyron entschied, dass man sie erst zum See zurückbringen und dort nach dem Erlebten befragen wolle. Diandra nickte dankbar. In ihrem See fühlte sie sich sicher. Dort begann sie auch sofort zu erzählen. Sehr ausführlich und genau beschrieb sie das Bett des Baches, die Strömungsverhältnisse und den Kristalldom mit dem See. Dann berichtete sie, was sie hinter der Wand, in einer anderen Grotte gesehen hatte. »Wenn der Damm hoch genug ist, dann läuft das Wasser aus ihren Minen durch die poröse Wand bis in die andere Quelle«, beendete sie aufgeregt ihren Bericht.

»Das ist wohl war. Mit müssen einen Weg finden, den Damm zu zerstören«, sagte Marc. »Wir werden sofort in unsere Welt gehen und morgen mit Thomas, Stella und hoffentlich guten Nachrichten zurückkommen. Diandra, du bist jedenfalls die mutigste Nixe, die ich kenne. Vielen Dank für deine riesengroße Hilfe.«

 

Die Drachen brachten ihre Freunde ohne zu zögern zum Portal. Marc ließ seine Finger über die wundervollen Schnitzereien am Rahmen des Spiegels gleiten. Die Einhörner, Elfen, Insekten und sogar die Bären und Wölfe schienen ihn sorgenvoll anzuschauen. »Wir werden einen Weg finden«, flüsterte er, als er mit Galantha in die milchige Fläche eintauchte.

In der Menschenwelt warteten Stella und Thomas sehnsüchtig auf Nachricht. Schnell verschloss Marc wieder die Tür, hinter der er den Spiegel versteckt hielt, dann folgte er den anderen ins Kaminzimmer.

»Thomas, du musst hellseherische Fähigkeiten haben«, begann Marc. »Die Zwerge leiten wirklich ihre Abwässer vom Bergbau in die Quellen. Diandra ist einer unverseuchten Quelle gefolgt und hat sie auf frischer Tat ertappt, wie sie im Inneren des Berges einen Damm bauen, der das Wasser umleitet.«

»Wer ist Diandra?«, fragten Thomas und Stella gleichzeitig.

»Deine Blutspenderin«, sagte Marc lachend, auf Thomas´ Abenteuer mit der Nixe anspielend.

»Der kleine Tollpatsch?«

Marc nickte. »Von Tollpatsch kann keine Rede mehr sein. Ich hätte nie gedacht, dass eine der ewig verspielten Nixen solch einen Mut aufbringen und eine derart gute Arbeit leisten kann. Die anderen haben alle gekniffen.«

»Hast du schon einen Plan?« Stella schaute Marc fragend an.

»Ja und nein. Wir müssen den Damm zerstören, ich habe nur keine Ahnung wie.«

»Aureus hätte sicher Rat gewusst«, murmelte Thomas.

»Sicher, aber Aurëus ist verschwunden. Wir müssen schon selber weitersehen«, entgegnete Marc. »Galantha und Stella sollten überlegen, wer im Elfenland noch mit einem Fingerschnippen zaubern kann, vor allem sollte die Person wasserfest sein.«

»Wie viel Zeit haben wir?«

»Ich gebe euch genau eine Stunde«, schmunzelte Marc.

 

Die Elfen legten die Handflächen aneinander, schlossen die Augen und drangen in die tiefsten Tiefen ihres Gedächtnisses vor. Galanthas Gesicht nahmen einen lauschenden Zug an. Sie öffnete die Augen. »Ich habe die Lösung, nur der Weg dahin fehlt.«

»Wie??«, Marc schaute seine Frau verständnislos an.

»Nereus ist die Lösung. Wir müssen ihn nur irgendwie überzeugen mit der kleinen Nixe in die Grotte zu gehen.«

»Der Nereus?«, fragte Marc, der sich an verschiedene griechische Sagen erinnerte.

Galantha nickte. »Genau der. Der Herr über Nixen, Wassermänner und Seeschlangen in der Elfenwelt. Er, sein Muschelhorn und der Dreizack, können jeder Art Wasser alles befehlen, auch, einen Damm zu sprengen.«

»Genial.«

»Eben. Los, auf in den Kampf.« Galantha fasste nach Marcs Hand. »Na kommt schon!«

Ein paar Augenblicke später standen sie vor den völlig überraschten Drachen, die erst am folgenden Tag mit der Ankunft ihrer Freunde gerechnet hatten. Auf dem Weg zum See erklärte Galantha, wen sie um Hilfe zu bitten gedachte.

»Wenn das mal funktioniert, den alten Nereus hab ich schon seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen«, seufzte Pyron.

»Wir werden ihn beschwören«, lachte Galantha, so was habe ich schon ewig nicht mehr gemacht.

Diandra hatte die Freunde schon von Weitem erspäht. Ihr Gesang lockte auch die anderen Wasserbewohner herbei. »Es wird mir eine Ehre sein, den Herrscher zu führen«, strahlte die Nixe.

»Dann lasst uns beginnen.« Galantha wies jedem den richtigen Platz zu. Am Ende standen alle im Wasser, hielten sich im Kreis an den Händen, immer eine Nixe oder ein Wassermann, abwechselnd mit einem der anderen Lebewesen. Diandra hatte ihre Hände voller Stolz Zephyra und Pyron gereicht. Galantha begann mit einem Singsang glockenheller Töne, die sich bald zu einer zarten Melodie verwoben. Diandra fiel in den Gesang ein. Angelockt von diesem Lied fanden sich die Einhörner am Ufer ein, bald folgten ihnen die Elfen. Alle lauschten. Es war zuerst nur ein schwaches Leuchten in der Tiefe, dem ein goldenes Strahlen folgte. In einer Säule aus gleißendem Licht erschien Nereus. In der Rechten trug er den Dreizack in der Linken sein Horn. »Wer wagt es meine Ruhe zu stören?«, fragte er eher neugierig, als ungehalten.

Der Gesang verstummte.

»Ich, Galantha, die Feuerelfe.«

»Ich, Diandra, die Nixe«, antworteten die beiden zugleich.

Nereus betrachtete erstaunt die ungewöhnliche Gemeinschaft. »Wenn ich mich nicht irre, dann sind unter euch auch Drachen und Menschen. Es muss wahrhaft schwerwiegend sein, was euch treibt.«

»Bitte hilf uns diese Welt zu retten«, flehte Galantha.

»Warum sollte ich das tun?«

»Weil auch du Teil dieser Welt bist«, entgegnete Diandra leise. »Möchtest du, dass es einmal heißt, wir mussten die Menschen bitten, weil unser Herrscher zu schwach war.«

Nereus begann dröhnend zu lachen. »Nicht übel, die kleine Ansprache. Genau ins Schwarze. Ich habe von euch allen und euren Taten gehört. Es wäre tatsächlich beschämend, wenn eine kleine Nixe in den Berg ginge und ich bliebe hier.« Er legte Diandra eine Hand auf den Scheitel. Die Nixe schloss die Augen. Als sie sie ein paar Sekunden später wieder öffnete, sprach Nereus: »Nun habe ich durch ihre Augen gesehen, ich weiß, worum es geht. Bringt mich zur Quelle und gebt mir einen tüchtigen Helfer an die Seite.«

»Dir zu helfen ist einzig und allein meine Aufgabe«, erklärte Diandra mit fester Stimme.

»Du könntest verletzt werden oder gar sterben«, erklärte Nereus.

»Ich habe schon einmal den Tod gesehen und ich fürchte ihn nicht mehr. Alle hier sind meine Zeugen.« Diandra wandte sich Zephyra zu, der sie ihre Arme entgegenstreckte.

Nereus stieß sich mit seinem Dreizack ab, um sich so auf Pyrons Rücken zu schwingen. Wenn ihn das, was er unterwegs sah, entsetzte, so ließ er es sich nicht anmerken. Nur seine Fäuste ballten sich fester um Dreizack und Horn. An den Quellen angekommen wandte sich Nereus an die Drachen. »Ihr solltet den Berg sofort verlassen. Kehrt zu euren Freunden zurück.« Dann legte er Diandra wortlos eine Hand auf die schmale Schulter. Die Nixe tauchte sofort in die Quelle ab, wohin ihr der Herrscher folgte. Die Drachen flogen eilig davon.

Nereus bewunderte die Beobachtungsgabe seiner kleinen Führerin. Ihre Erinnerungen waren so präzise gewesen, dass er sich auch allein zurechtgefunden hätte. Diandra drosselte das Tempo. »Die märchenhafte Grotte liegt genau vor uns«, flüsterte sie kaum hörbar. Lautlos schwamm sie auf das Ufer zu, welches sie vorsichtig erklomm. Schnell hatte sie den Spalt im Gestein gefunden. Nereus schob sie sanft beiseite, um hindurchzuschauen. Zwar sah er keine Zwerge, aber deren Werkzeuge und den halb fertigen Damm. »Wir haben Glück, sie sind zur Ruhe gegangen«, raunte er der Nixe ins Ohr. »Bleibe stets hinter mir, dann wird dir kein Leid geschehen.«

Diandra nickte. Kraftvoll stieß der Herr der Nixen seinen Dreizack in die Wand. Eine heftige Explosion fetzte den Fels einfach auseinander. Zugleich setzte Nereus sein Horn an die Lippen. Das an- und abschwellende machtvolle Geräusch gellte in den Ohren der entsetzten Nixe. Nereus wand sich durch die Trümmer, noch einmal setzte er seinen Dreizack ein. Der Damm zerbarst. Im gleichen Moment rollten gigantische Wogen gegen die Reste des Bauwerks an, um sie mitzureißen und in den sich auftuenden tiefen Schacht zu schleudern. Selbst aus dem stillen See der Grotte peitschten die entfesselten Wassermassen gegen das unselige Bauwerk. In ohnmächtigen Zorn erlebten die eilig zusammengelaufenen Zwerge ihre Niederlage, die aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen war. Wilde Flüche ausstoßend rannten sie durcheinander. Die Wasser des Nereus hatten ihnen sogar die Werkzeuge geraubt. Ein Grollen erfüllte die Gänge im Berg. Ängstlich drückte sich Diandra an Nereus. »Keine Sorge, gleich ist es vorbei«, beruhigte er die Zitternde. Er erhob seine furchtbare Waffe, um deren Zacken sich jetzt bläuliche Blitze schlängelten. Er reckte den Arm in die Höhe. Sofort verließen die Blitze den Ort ihrer Entstehung, fuhren in die Decke, in der sich sofort klaffende Spalten zeigten. Dann brach sie auf mehreren Hundert Metern mit donnerndem Getöse ein. Nereus stand wie ein Fels in der Brandung.

Eine Stunde später rief sein Horn an den Quellen die Drachen herbei. Im Triumphzug kehrten sie zurück zum See. Alle feierten den mächtigen Herrscher. Nereus winkte lachend ab. Er beugte sich zu Diandra hinunter. »Und?«

»Wunschlos glücklich«, strahlte die Nixe.

»Gut. Dann werde ich dir eben etwas schenken.« Er umarmte sie fest und war er plötzlich von einem Moment zu nächsten verschwunden.

Diandra jauchzte in heller Freude. Nereus hatte mit dieser Berührung die Narben und Verstümmelungen des Bärenangriffs für immer von ihrem Körper verschwinden lassen.

»Was werdet ihr jetzt tun?«, fragte sie etwas später die Elfen und Menschen.

Galantha lächelte. »Wir kehren nach Hause zurück. Das Portal im Spiegel wartet schon.«

(rd)