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Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten

Thomas Fröhlich
Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten

Krimi-Theaterstück, Taschenbuch, Evolver Books, Wien, Februar 2013, 120 Seiten, 12,00 Euro, ISBN: 978-3-9502558-6-7, nach der Kurzgeschichte „Glauben Sie mir, mein Name ist Dr. Watson!“ von Andreas Gruber, Covermotiv von Jörg Vogeltanz
www.evolver-books.at

»Die Bühnenleiterin und Advokatin gehobener Unterhaltung, Madame Josephine Balsamo, gepriesen für ihre mesmeristischen Soiréen, ist stolz darauf, den weltbekannten Illusionisten und Magnetiseur Nyarlathotep aus dem fernen und geheimnisvollen Ägypten …“ […] „Watson, ich bitte Sie! Als Nächstes wollen sie mir vielleicht noch Elfenphotographien verkaufen! Ich wähnte Sie als einen Mann der Wissenschaft, als einen Jünger der Ratio … und dann sowas!«

Im neu eröffneten Miskatonic Theatre am Piccadilly Circus findet ein Auftritt des berühmten Illusionisten Nyarlathotep statt. Im Publikum dieses Ereignisses tummeln sich neben Humphrey von Weyden, Mina Harker und Edward Drood auch Sherlock Holmes und John Watson. Während der Show verschwinden Harker, Drood und von Weyden plötzlich aus dem Publikum. Jedoch nicht vollkommen spurlos, wie sich tags darauf zeigt, als nämlich in Sherlock Holmes Wohnung in der Baker Street plötzlich ein geheimnisvolles Päckchen auftaucht, das den Anschein erweckt, schon geraume Zeit dort zu stehen.

»Dieser Ägypter mit dem unaussprechlichen Namen soll tatsächlich sehr überzeugend sein – für jene einfältigen Gemüter, die daran glauben wollen, selbstverständlich. Nehmen Sie’s doch einfach als eine Art Theaterstück; vielleicht als Herausforderung, ein wenig hinter die Kulissen seiner Tricks zu blicken. Obwohl, es soll ja schon ein wenig schaurig sein …«

Am Anfang war Andreas Grubers Kurzgeschichte Glauben Sie mir, mein Name ist Dr. Watson! (erschienen in der Anthologie Das Geheimnis des Geigers, Hrsg.: Alisha Bionda, Blitz-Verlag, 2006), die im Grunde die gleiche Geschichte erzählt. Als die Rechte an der Geschichte wieder an Andreas Gruber zurückgefallen sind, klopfte Thomas Fröhlich bei seinem Landsmann um Erlaubnis an, Grubers Verwirrspiel um literarische und die echte Realität als Theaterstück neu zu beleben.

Grundsätzlich passiert Folgendes: Nyarlathoteps Magie lässt die literarischen Figuren den Platz mit ihren geistigen Schöpfern tauschen, sie werden von der literarischen in die Realität geschleudert (wobei hier ein gemeinsames literarisches Universum für verschiedene Figuren angenommen wird). Edward Drood findet sich also in der Gestalt von Charles Dickens in einer ihm fremden Welt wieder, Humphrey von Weyden als Jack London, Mina Harker als Bram Stoker und eben Dr. John Watson als Arthur Conan Doyle. Den unbekannt Gestrandeten gelingt es jedoch, Päckchen oder Nachrichten durch einen Kanal zwischen den Realitäten an den einzigen zu schicken, der dieses Rätsel aufklären könnte; Meisterdetektiv Sherlock Holmes. Diesem gelingt es schließlich, die Autoren ausfindig zu machen, die sich ja nun in den Körpern ihrer Figuren in ihrer eigens geschaffenen literarischen Welt aufhalten und so das Rätsel nach und nach zu lösen.

Bereits in etlichen Geschichten traf Sherlock Holmes auf historische (Sigmund Freud, Karl May, Bram Stoker, Jack the Ripper) oder fiktive Zeitgenossen (Dracula, Prof. Challenger, Augustus van Dusen). Das Geheimnis des Illusionisten geht noch einen Schritt weiter, indem hier beide Crossover-Ansätze gefahren werden. Dabei legt Thomas Fröhlichs Version im diesem Spiel mit den verschiedenen Charakteren gegenüber Grubers Geschichte noch eine gehörige Schippe drauf.  Er hat Andreas Grubers Geschichte nicht nur in die Form eines Theaterstücks – mit Beschreibungen der Bühnengestaltung und der optischen und akustischen Effekte – übertragen, sondern auch einige Veränderungen in der Besetzungsliste vorgenommen. So taucht z.B. Mina Harker erst hier auf, während Ambroce Bierces Peyton Farquhar nur in Grubers Original dabei war. Damit bekommt diese Version fast etwas von Alan Moores Liga der außergewöhnlichen Gentlemen (wo auch Mina Harker mit von der Partie ist). Auch die Lovecraft-Leihgabe Nyarlathothep (sowie in einer Gastrolle dessen Kollege Herbert West) wurde erst von Thomas Fröhlich hinzugefügt.

Ähnlich wie in der BBC-Serie Sherlock verleiht Fröhlich dem Stück durch zeitweise Überzeichnung der Figuren eine herrlich augenzwinkernde Note. Der Witz geht auch mal auf eigene Kosten, ohne die Figuren oder die Handlung je ins Lächerliche zu ziehen.

Coverkünstler Jörg Vogeltanz zeigt den Detektiv im Angesicht cthulhoider Tentakel, die aus seiner Pfeife quellen. Ein Zugeständnis an die Lovecraft-Connection, auch wenn in der Geschichte keine Tentakelmonster vorkommen.

Fazit:
Basierend auf einer Kurzgeschichte von Andreas Gruber treibt Thomas Fröhlich ein grandioses Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen, das es für Sherlock Holmes zu lösen gilt. Inkl. zahlreicher Gastauftritte prominenter historischer und fiktiver Persönlichkeiten.

(eh)