Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der tibetische Agent

Elliot Pattison
Der tibetische Agent

Krimi, Hardcover mit Schutzumschlag, Rütten&Löhning, Berlin, April 2013, 400 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 9783352008542

Shan hat es schlimm erwischt. Der Fall war tief von einem einigermaßen angesehenen chinesischen Polizisten, der teilweise in den höchsten Kreisen verkehrte, zu dem, was heute von ihm übrig geblieben ist. Die Zeit im Straflager hat ihre Spuren hinterlassen. Aber das er nun nach seiner Entlassung nach Tibet verbannt wurde, und dort die nur mäßig schmeichelhafte Aufgabe hat, sich um die Bewässerungsgräben zu kümmern, kommt ihm eher gelegen. In seiner Zeit im Straflager hat er seine spirituelle Seite gefunden und seine Vorliebe für tibetische Mönche. Und so wundert es nicht, dass Shans bester Freund ein ebensolcher Mönch ist. Als ein anderer Mönch, der ihm beinahe ebenso viel bedeutet, direkt von Shans Augen Selbstmord begeht und in einer nahegelegenen Klosterruine Morde geschehen, merkt Shan, dass es Zeit wird, wieder aus dem Schatten herauszutreten und erneut zu ermitteln. Wenn da nur nicht die chinesischen Behörden wären, die ihm auf Schritt und Tritt begegnen und die er in einer Mischung aus Dessinformation und Bestätigung in dem Glauben lässt, er wäre in offizieller Mission dort.

Pattison versucht hier wieder einmal, ein einigermaßen pathetisches Plädoyer für Tibet im schier ewig dauernden Kampf gegen die Herrschaft Chinas zu halten. Doch das gelingt ihm wiederum nur zum Teil. Vieles, was Pattison beschreibt, ist anrührend und oft stellt man sich die Frage, wie Menschen so leben können, wie es hier beschrieben wird. Aber die doch sehr einseitige Sicht und der nur mäßige Versuch die Charaktere, die nicht im unmittelbaren Dunstkreis Shans sind, mit Leben und Tiefe zu füllen, führen dazu, dass die politische Aussage schnell verflacht.

Die Krimi-Story ist prinzipiell gut verpackt, bringt nur das Problem mit sich, dass die Charaktere teilweise auf eine Art und Weise reagieren, die dem durchschnittlichen Mitteleuropäer nicht einleuchtet. Das mag an der Kultur und den Sitten der Menschen liegen, aber vielleicht auch daran, dass Pattison es leider wieder einmal versäumt, den Leser wirklich mitzunehmen. Und so wird ein Roman, der interessant und an einigen wenigen Stellen sogar spannend beginnt mit der Zeit zwar nicht vorhersehbar, denn die Figuren sind nicht vorhersehbar, aber doch ein Stück weit flach. Und so gibt es zwei Dinge, die ein Buch wirklich gut machen können: mitreißende Spannung oder eine Schreibe, die es schafft, Interesse zu wecken und zu fesseln. Das eine muss nicht zwangsläufig mit dem anderen im Zusammenhang stehen, jede dieser beiden Eigenschaften für sich kann ein gutes bis sehr gutes Buch ausmachen. Pattison legt hier von beidem ein bisschen vor. Es reicht für einen durchschnittlichen Kriminalroman. Für ein gutes Buch leider zu wenig.

Fazit:
Wer die anderen Shan-Teile gelesen hat (was nicht unbedingt notwendig ist) und diese gut fand, wird auch hier angenehm unterhalten werden. Auch für Liebhaber Tibets oder der tibetischen Idee hat dieses Buch durchaus seine Reize. Leichte Sommerlektüre allerdings sieht anders aus.

Copyright © 2013 by John Poulsen