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Die Waldmühle – Kapitel 5

Die Waldmühle
Ein Märchen aus Robert Reinicks Märchen- Lieder- und Geschichtenbuch, 1873
Kapitel 5

r konnte nicht einschlafen. Immer musste er an die unbekannten Bewohner der Mühle denken, ob er sie jemals von Angesicht sehen möchte. Dass sie arge Geizhälse seien, das hatten die blanken Taler, die er in dem baufälligen Haus fand, wohl zur Genüge bewiesen. Trotzdem ließ er kein Gelüsten nach dem lockenden Schatz in sich aufkommen.

Allmählich fielen ihm doch die Augen zu. Nach kurzer Rast fuhr er aber wieder auf. Es kam ihm vor, als höre er draußen Trommelgerassel.

Das Mühlrad konnte es nicht sein, das hatte er gestellt. Er horchte. Es war wohl nur der Wind! Er beruhigte sich. Und doch! Bald erscholl es wieder wie ferner Hörnerklang, jetzt hörte er sogar die Marschmelodie eines Dragonerregiments, bei dem er früher gestanden hatte, ehe er Musketier geworden war. Das fuhr ihm in alle Glieder. Er flog ans Fenster. Ringsum nichts zu sehen als helles verworrenes Mondgeflimmer zwischen den dunkeln Wipfeln. Und doch erklangen die Töne schon ganz nahe der Mühle.

»Da bleib ein Lump dabei im Nest, nicht ich!«, rief er, fuhr in seine Kleider, steckte die Pistole in seinen Gurt, warf den Tornister über die Schultern.

Seinen Herzbruder, den Knittel, in der Faust rannte er blindlings in den Wald hinein, immer dem Hornruf und Trommelwirbel nach. Am Anfang ging es gut, bald aber kam er in dichtes Gestrüpp. Auch vermehrten sich die kriegerischen Klänge um ihn her; jetzt waren sie hier, jetzt dort, vor ihm und hinter ihm, zur Rechten und zur Linken.

Er stand still und sah sich um. Es schien ihm, als sähe er in weiter Entfernung unter den schwarzen Eichenstämmen ein Reiterregiment dahin sprengen, blitzende Helme und Harnische und die Schwerter wie lauter Mondstrahlen, dazu die Rösser leuchtend wie Schnee. Er drehte den Kopf nach der andern Seite. Dort sah er dasselbe in derselben Ferne. Ihm wirbelte der Kopf, bald lief er da hin, bald dort hin, bis er fast erschöpft vor einer Felsschlucht ankam. Er trat hinein. Drei Wasserfälle schienen am Ende der Schlucht ihm entgegen zu brausen. Er hatte sich geirrt. Was daher kam, waren drei Dragoner auf weißen Rössern. Es schienen winzige Burschen auf kleinen Pferdchen, aber in prächtiger Uniform, weiß, blau und Silber zu sein. Wie drei erstarrte Blitze standen sie plötzlich vor dem Erstaunten da.

»Wer da?«, rief dieser.

»Feinde!«, war die Antwort.

»Auch gut«, sprach Hans und griff nach der Pistole. »Was wollt ihr von mir?«

»Dich vors Kriegsgericht führen!«

»Hoho? Dazu gehören unser vier, drei, die mich führen und ich selber, der sich führen ließe, wenn ich ein Hasenfuß wäre. Kommt heran, ihr Mondscheinhelden, ihr flunkerigen Milchbärte! Kommt heran, wenn ihr ein Herz im Leibe habt!« Er streckte ihnen die Pistole entgegen.

Ein lautes Gelächter antwortete ihm und hallte in tausendfachem Echo von den Felsen wieder.

»Ihr bellenden Spitze!«,  schrie wütend der Verhöhnte.

»Nehmt das für Euer Geklaffe!« Er drückte die Pistole gegen sie ab.

Wie ein gewaltiger Donnerschlag krachte der Schuss in der engen Schlucht.

Die drei Dragoner standen unversehrt vor ihm, er selbst aber fühlte durch den eigenen Schuss einen solchen Schlag durch den ganzen Körper, dass ihm alle Glieder wie gelähmt wurden und die Pistole seiner Hand entfiel.

»Ich bin Euer Gefangener und folge Euch«, sprach er gefasst.

Die Dragoner nahmen ihn in ihre Mitte und führten ihn die Schlucht entlang vorwärts. Schweigend ging der Hans neben den Reitern her. Von Furcht wusste er einmal nichts, nur eine Art Traurigkeit hatte sich seiner bemächtigt. Über das Wunderbare seiner Lage viel nachzudenken, fiel ihm nicht ein.

Muss ich sterben, dachte er für sich, so ist es Gottes Wille. Leid sollt es mir tun, aber einmal muss es doch in dieser Welt dazu kommen! Könnte ich nur meiner Frau Mutter zu wissen tun, was aus ihrem Hans geworden ist. Ja! Wäre meine liebe Taube bei mir, der hing ich einen Zettel um ihren schlanken Hals. Die täte mir es gewiss zu gefallen, flöge heim und brächte ihr die Botschaft. Das liebe Tierlein, das!