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Secret Service Band 3 – Kapitel 3

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 3
Old and Young King Brady Detectives
The Bradys after a million
Oder: Ihre Verfolgungsjagd zur Rettung einer Erbin
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.

In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.

Kapitel 3

Eine Verwechslung

Young King Brady erfasste die Situation mit einem Gefühl des Schreckens. Er wusste, dass die beiden Männer, die gerade vorbeigegangen waren, Mörder waren. In dieser Nacht war ein dunkles Verbrechen geschehen. Aber warum war die Verabredung mit der roten Kutsche nicht eingehalten worden? Man konnte es nur vermuten. Die Zeit würde es zeigen.

Vorerst konnte nichts anderes getan werden, als die fliehenden Mörder zu verfolgen und dingfest zu machen. Was das Verbrechen war, wo es stattgefunden hatte und wer das Opfer war, würde man erst später erfahren. Die Morgenzeitungen würden ausführlich über das jüngste, schreckliche Verbrechen berichten.

So eilten die verkleideten Detektive die Vierundvierzigste Straße hinunter und verfolgten die flüchtenden Mörder. Ein paar Häuserblocks lang war die Verfolgungsjagd eng. Doch plötzlich verschwanden die Verfolgten, als hätte die Erde sie verschluckt. Keine Anstrengung der Fahnder brachte die geringste Spur. Schließlich mussten sie aufgeben.

Es war fast Tageslicht, als sie enttäuscht und verärgert aus dem East River-Viertel herauskamen. »Und was jetzt?«, fragte Young King Brady. »Sieht aus, als wären wir geschlagen.«

»Das sind wir im Moment auch, junger Mann«, antwortete Old King Brady in seiner gewohnt unerschütterlichen Art. »Aber das Blatt wird sich bald wenden.«

»Ich glaube, das Opfer ist Loyd Baron.«

Der alte Detektiv zuckte zusammen. »Wie bitte?«, rief er. »Bei Gott, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, junger Mann.«

»Sollten wir nicht das Haus des Barons aufsuchen und den Ort inspizieren, wenn das der Tatort war?«

»Nein!«, sagte Old King Brady kurz angebunden.

Der junge Detektiv wunderte sich. »Warum nicht?«, fragte er.

»Aus guten Gründen. Der erste ist, dass geheime Arbeit immer die beste ist. Wir würden unsere Verbindung zu dem Fall öffentlich machen, wenn wir dorthin gingen. Außerdem gibt es keinen Zweifel, wer die Mörder sind. Es geht nur darum, sie zur Strecke zu bringen.«

Young King Brady erkannte die Kraft dieses Arguments, das in der Tat sehr überzeugend war. Er konnte nur zustimmen. Also gingen die beiden Bradys nicht in die Villa des Barons. Denn dort war das Verbrechen geschehen. Die Morgenzeitungen berichteten ausführlich über die Tat. Die Detektive lasen ihn mit Interesse.

Dem Bericht zufolge waren die Bediensteten des Barons um Mitternacht durch laute Hilferufe aus dem Schlafzimmer des Herrn Baron geweckt worden. Sie eilten hinauf, kamen aber viel zu spät. Als sie in sein Zimmer stürmten, fanden sie es in einem schrecklichen Zustand vor. Blut bedeckte die Wände und den Teppich, und auf dem Boden lag die Leiche eines Mannes. Sein Kopf und sein Gesicht waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Es schien einer der schlimmsten Morde zu sein, die Gotham je gesehen hatte.

Die Leiche des Millionärs wurde nicht von der Gerichtsmedizin untersucht. Zufällig war seine Tochter Gladys in dieser verhängnisvollen Nacht in Philadelphia.

Kolumne um Kolumne wurde über den Mord berichtet. Die Vergangenheit des Opfers wurde beleuchtet und Vermutungen über die Identität und die Ziele der Mörder angestellt.

Kein einziger Hinweis wurde gefunden. Mister Baron war ein Mann mit geregelten Gewohnheiten, der in der Geschäftswelt und in der Gesellschaft sehr geschätzt wurde. Ein Motiv für die Tat konnte nicht festgestellt werden.

Detektive strömten in Scharen zur Villa und sammelten Hinweise. Doch keiner brachte einen Erfolg. Die Mörder waren auf effiziente Weise entkommen. Die schiere Rätselhaftigkeit des Verbrechens versetzte ganz Gotham für einen Tag in Aufruhr. Doch in dieser Nacht kam es zu einer überraschenden Wendung.

Aus dem Salonwagen eines Zuges aus Pennsylvania stieg in Jersey City ein Mann von vornehmer Erscheinung mit einer schönen jungen Dame am Arm. Ein in der Nähe stehender Reporter erkannte ihn. Er eilte herbei, stellte dem Baron ein paar Fragen und eilte dann auf die Fähre, um das Büro seiner Zeitung zu erreichen und den größten Coup der Saison zu landen. Denn der Mann war Loyd Baron.

Die junge Frau war seine Tochter. Der Millionär hatte an diesem Morgen sein Haus verlassen, um seine Tochter in Philadelphia zu treffen und mit ihr zurückzukehren. In der Eile hatte er keinem seiner Bediensteten von seinem Vorhaben erzählt, außer seinem Diener Moore, der etwa das gleiche Alter und die gleiche Statur wie Mister Baron hatte.

Der Ermordete war also nicht Loyd Baron, sondern sein Diener Moore, den die Attentäter für den Millionär selbst hielten.

Innerhalb einer Stunde waren die Zeitungen voll mit spannenden Berichten über die Rückkehr von Loyd Baron und den irrtümlichen Mord an seinem treuen Diener. Die Sensation war groß.

Die Wirkung der schrecklichen Nachricht auf den Baron und seine Tochter war kaum zu ermessen. Der Millionär war entsetzt und Gladys wurde hysterisch vor Angst und neuer Sorge.

Mit der Rückkehr des Barons änderte sich alles. Seine Freunde strömten zum Haus, um ihn zu beglückwünschen, und die Detektive waren gezwungen, ihre Pläne gründlich zu ändern.

Aber es war ganz klar, dass die Mörder den Baron treffen wollten. Nur durch Zufall hatten sie den unglücklichen Diener erwischt. Natürlich wollte der Baron alles Menschenmögliche tun, um die Mörder zu finden. Alle verfügbaren Detektive standen ihm zur Verfügung.

Langsam dämmerte ihm, dass er heimliche Feinde hatte, die ihm aus einem seltsamen Grund nach dem Leben trachteten.

»Warum sollten sie mich töten wollen?«, fragte er erstaunt. »Ich habe niemandem etwas getan und mir, soweit ich weiß, auch keine Feinde gemacht.«

Inmitten des Tumults erhielt der Baron eine Nachricht. Sie lautete:

Sehr geehrter Mister Baron, ich glaube, ich kann Ihnen einen Hinweis auf das Geheimnis des Mordes in Ihrem Haus geben. Ich bin im Besitz von Informationen, die für Sie von Wert sein könnten. Können wir uns heute Abend um acht Uhr treffen? Ich bin im Grand Hotel.

Bertrand Liscomb.

Baron las diese Nachricht mit Erstaunen.

»Liscomb!«, rief er aus, »was kann er darüber wissen? Ich traue dem Kerl nicht. Trotzdem werde ich ihn treffen.«

Bertrand Liscomb war der unehrliche Angestellte, den Baron entlassen hatte. Der Millionär hatte ihn gefeuert, und Liscomb hatte Rache geschworen. Es war das erste Mal, dass Baron seither von ihm hörte.

Ein Hauch von Misstrauen durchzog die Gedanken des Mister Baron. Aber er beschloss, Liscomb aufzusuchen. Vielleicht war er ja ehrlich.

An jenem Abend fuhr er mit der Straßenbahn in die Stadt. Er betrat das Grand Hotel.

Er wurde zu Liscombs Zimmer geführt.

Der junge Mann war da, aber er schien seit seinem Ausscheiden aus dem Dienst des Millionärs zu Wohlstand gekommen zu sein, denn er war gepflegt und gut gekleidet.

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mister Baron«, sagte er mit scheinbar aufrichtiger Herzlichkeit. »Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, war unser Verhältnis nicht das angenehmste. Ich habe Dinge gesagt, die ich inzwischen bedauere.«

»Das ist Vergangenheit«, erwiderte Baron zurückhaltend. »Lassen wir die Vergangenheit ruhen.«

»Aber jetzt haben sich die Umstände geändert«, fuhr Liscomb fort. »Ich bin vom Glück gesegnet und wohlhabend. Ich trete ein großes Erbe an. Ich habe meine Laufbahn bestimmt und möchte sie mit edlen und wohltätigen Taten schmücken.«

»Ein sehr guter Entschluss.«

»In der Tat. Als ich von dem Anschlag auf Ihr Leben hörte, der zum Tod Ihres unglücklichen Dieners führte, war ich entsetzt.«

»Das war ein schrecklicher Vorfall!«

»In der Tat, das war es. Die Mörder sollten dafür hängen.«

»Das werden sie, wenn ich sie fassen kann.«

»Und das können Sie mit meiner Hilfe.«

»Ihre?« rief der Millionär.

»Ja.«

»Ich glaube, ich verstehe nicht.«

»Ich will mich klar ausdrücken. Ich besitze Informationen, die es mir ermöglichen, die Identität dieser heimlichen Mörder aufzudecken. Glauben Sie mir, es ist eine schreckliche Verbrecherbande, und sie verfehlen nie. Das nächste Mal werden sie nicht danebenschießen.«

»Mein Gott!«, rief der Herr Baron aus. »Warum trachten sie mir nach dem Leben?«

»Ich kann Ihnen die Fakten im Handumdrehen liefern. Eines kann ich Ihnen versichern: Ihre Tochter wird das nächste Opfer sein.«

Der Millionär schauderte.

»Das ist entsetzlich!«, rief er aus. »Das ist eine Praxis wie aus längst vergangenen Zeiten. Es ist barbarisch! Wer sind diese Schurken und wie kann man sie besiegen?«

»Ich werde es Ihnen unter einer Bedingung sagen«, sagte Liscomb ruhig.

»Nennen Sie sie! Ich bin bereit, eine angemessene Summe zu zahlen.«

»Geld ist nicht das, was ich will. Erinnern Sie sich, dass ich einmal um die Hand Ihrer Tochter angehalten habe?«

»Sie hat Ihr Angebot abgelehnt!«

»Ja, mit Verachtung. Wenn sie erfährt, dass das Leben ihres Vaters und ihr eigenes in meinen Händen liegen, wird sie mich vielleicht mit mehr Wohlwollen betrachten.«

Das Gesicht des Millionärs lief rot an.

»Was, Sie unverschämter Schurke!«, rief er wütend. »Wie können Sie es wagen, mich mit einem solchen Vorschlag zu beleidigen?«

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