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Nick Carter – Ein fingierter Einbruch – Kapitel 3

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein fingierter Einbruch
Ein Detektivroman

Die Aussage des niedergeschlagenen Polizisten

Nick war fest davon überzeugt, dass bei dem geheimnisvollen Verschwinden des Wachmannes der einzige Mann, von welchem er zuverlässige Auskunft erhalten konnte, der im Hospital liegende Policeman Mullen war, und demzufolge begab er sich direkt zu dem Krankenhaus, in welchem dieser lag.

Es traf sich glücklich, dass Mullen sich wieder bei vollem Bewusstsein befand, als der Detektiv an seiner Bettseite Platz nahm. Der Mann war noch zu sehr Neuling im Dienst, um den berühmten Detektiv von Angesicht zu kennen. Gleichzeitig schaute er zu diesem auf.

»Mullen«, begann Nick alsbald vertraulich, »ich habe in meiner Tasche einen Haftbefehl für Sie.«

Der Policeman lachte bitter auf. »Das konnte ich mir denken!«, rief er.

»Wieso können Sie sich das denken?«

»Nun, das ist doch klar! Ich bin ein Pechvogel! Ich wollte mich im Dienst auszeichnen, und nun bin ich im heißen Wasser. Das kann nur mir passieren!«

»Nun, lassen wir das beiseite, Mullen. Vielleicht behalte ich den Haftbefehl in der Tasche und vollstrecke ihn nicht. Nehmen wir einmal an, ich wünschte Ihnen dienlich zu sein. Mag sein, ich halte Sie für unschuldig und bin bereit, Ihre Unschuld vor aller Welt darzutun!«

Mullen schüttelte ungläubig mit dem Kopf. »Mir kann niemand helfen, denn ich habe mich selbst in die Tinte geritten!«, stöhnte er.

»Wie soll ich das verstehen, Mann?«

»Sehr einfach! Warum rief ich Esel den verkappten Spitzbuben an und folgte seinem Rat?«

»Sie sprechen von dem Mann mit dem Handkoffer, eh?«, fragte Nick lächelnd. »Wie wäre es, wenn Sie mir offen und ehrlich den ganzen Sachverhalt berichteten?«

Mullen seufzte nur trostlos. »Was wollen Sie von mir hören?«

»Nun, wo war der verkappte Spitzbube mit dem Handkoffer, als Sie ihn anriefen?«, erkundigte sich der Detektiv.

»Es war neblig und noch ziemlich dunkel. Als ich den Kerl erblickte, schlenderte er ganz langsam den Broadway herunter, er war etwa bei dem United Bank Gebäude.«

»Offenbar wartete er darauf, von Ihnen angerufen zu werden?«

»Mag sein! Ich weiß es nicht!«

»Was sagten Sie ihm, als er herbeikam?«

»Ich forderte ihn auf, den bewusstlosen Wächter und die offenstehende Banktür zu bewachen, während ich nach Ambulanz und Patrolwagen telefonieren ging.«

»Er dagegen schlug Ihnen vor, in die Bank zu gehen, während er sich des Wächters annehmen wollte?«

»Das tat er!«

»Nun, was geschah dann? Fahren Sie nur fort, Mullen!«

»Was ist da viel fortzufahren?«, seufzte der Policeman. »Ich ging in die Bank!«

»Und was geschah dann?«

»Weiß ich es! Ich hatte ein Gefühl, als stürze das Haus über mir zusammen. Ich spürte einen rasenden Schmerz am Hinterkopf und brach zusammen.«

»Sahen Sie den Mann, der Sie niederschlug?«

Mullen schüttelte mit dem Kopfe. »Ich sah drei Männer, kann aber nicht sagen, wer von ihnen den Streich führte.«

»Was geschah dann weiter?«

»Nichts, es sei denn, dass mein Schädel härter war, als die Kerle annahmen. Sie hielten mich für tot, doch ich war es nur halb!« Stöhnend versuchte der Kranke sich aufzurichten. »Ich stellte mich wie tot. Das rettete mich vielleicht. Jedenfalls ließen sie von mir ab, und ich konnte ganz genau sehen, was um mich vorging … Gerade genug, um mich die Geschichte begreifen zu lassen.«

»Welche Geschichte?«, fragte Nick Carter hartnäckig weiter.

Doch unwillig legte sich Mullen halb im Bett herum. »So fragt man Kinder aus!«, murmelte er. »Wer sind Sie eigentlich, Herr?«

»Ich bin Nick Carter«, lautete die ruhige Antwort.

Mullen lag eine volle Minute unbeweglich. Dann zwinkerte er ungläubig. »Ich bin vielleicht ein Einfaltspinsel, aber alles lasse ich mir doch nicht aufbinden!«

Nick lächelte. »Sie sind ein furchtbar kluger Mann und wie solche immer da am misstrauischsten, wo es am wenigsten am Platze ist. Nun, schadet nichts, ich kam, um Ihnen zu helfen, doch ich dränge Ihnen meinen Beistand nicht auf. Warten wir, bis sich Ihr Misstrauen etwas gelegt hat!« Damit machte er Miene aufzustehen.

Doch der Policeman hielt ihn zurück. »Sagen Sie, Herr … sind Sie wirklich Nick Carter?«, fragte er noch immer ungläubig.

»Der bin ich und bin bereit, Ihnen zu helfen, falls dies möglich ist!«

»Nun, wenn mir auf Erden ein Mann helfen kann, so ist dies Nick Carter!«, meinte Mullen voll ehrlicher Überzeugung. »Doch sind Sie wirklich Nick Carter?«

Dieser musste lächeln. »Ich bin es, Mullen. Nun sagen Sie, wollen Sie mir einige Fragen wahrheitsgetreu beantworten – ja oder nein?«

Der andere atmete tief auf. »Gut, Mr. Carter, fragen Sie!«, sagte er gleichmütig.

»Well! Zunächst einmal: Kannten Sie einen der drei Einbrecher?«

»Ganz gewiss!«

»Welcher von den drei Männern war Ihnen bekannt?«

»Der eine, welcher die Tür von außen schloss, noch eine Weile auf der Treppe stand und sich dann in der Richtung Hanover Square zu entfernte.«

»Aha, Sie nahmen an, dass er sich zu dieser Station begab, eben weil Sie ihn von Ansehen kannten und wussten, dass er die Hochbahn von Hanover Square regelmäßig zu benutzen pflegte«, versetzte Nick, und als der Policeman schweigend bejahte, fuhr er fort: »Wer ist nun Ihr Bekannter? Kennen Sie seinen Namen?«

»Gewiss, er heißt James Wilson.«

»Hm … Sie sprechen von dem Präsidenten der North American Bank?«

»Jawohl, Mr. Carter!«, erklärte Mullen mit großer Bestimmtheit.

»Nun, das genügt. Wie steht es nun mit den beiden anderen Männern?«

»Die kenne ich und kenne sie auch wieder nicht«, meinte Mullen nachdenklich. »Das ist eigentlich eine Geschichte für sich.«

»Bitte, erzählen Sie nur. Ich bin gekommen, um alles zu hören!«

»Nun denn, Mr. Carter, Sie wissen vielleicht, dass ich den blauen Rock erst seit einigen Wochen trage. Zuvor war ich Bartender (Schankkellner) in Badgers Saloon in der Beaverstreet. Sie kennen vielleicht den Platz?«

»Selbstverständlich. Dort verkehren viele Bankiers und Börsenmänner.«

»Ganz richtig! Im Hinterzimmer befindet sich ein Billardtisch. Dorthin kam Wilson mit den beiden anderen regelmäßig zwei oder dreimal die Woche, und sie spielten Karambolage miteinander. Ich pflegte ihnen die bestellten Getränke zu servieren, da sie allein zu bleiben und von dem eigentlichen Kellner nicht behelligt zu werden wünschten.«

»Sehr gut. Wilson wünschte von Ihnen bedient zu werden?«, fragte Nick.

Mullen bejahte.

»Woher kannten Sie ihn als Präsidenten der North American Bank?«

»Oh, er sagte mir dies selbst … Und noch eins, er wollte es geheim gehalten wissen, dass er in unserem Lokal verkehrte, weil dies mit seiner Stellung unvereinbar sei … Sie kennen diese Sorte Herren, Mr. Carter, heimlich gießen sie gern einen hinter die Binde, aber öffentlich erklären sie, dass ein Gentleman niemals in einem Saloon verkehren dürfte.«

Der Detektiv nickte lächelnd. »Ich weiß, Mullen, und noch mehr, ich glaube, die Absichten dieses würdigen Mr. Wilson nun zu durchschauen – apropos!«, unterbrach er sich. »Sagten Sie ihm gelegentlich, dass Sie Anwärter für ein öffentliches Amt seien?«

»Nun ja, der Präsident war sehr leutselig zu mir. Mehr als einmal ließ ich durchblicken, dass ich schon seit Jahren vergeblich auf Anstellung wartete, und dass es einen Mann in seiner Stellung nur ein Wort kostet, mir eine solche zu verschaffen.«

»Vortrefflich. Er sagte Ihnen seine Verwendung zu?«

Mullen nickte nur. »Hol ihn der Teufel, ich wollte, ich hätte ihn nie gesehen!«

»Sehr begreiflich«, entgegnete der Detektiv. »Immerhin scheint seine Verwendung Früchte getragen zu haben?«

»Wohl möglich. Ob er es getan hat, weiß ich nicht. Tatsache ist, dass ich plötzlich einberufen wurde.«

»Und wann geschah dies?«

»Es sind nun genau drei Wochen.«

»Und wann gaben Sie Ihre Stellung bei Badgers auf?«

»Am selben Tag, an dem ich einberufen wurde.«

»Waren Sie seitdem wieder bei Badgers?«

»Einige Male, denn ich wollte mich bei Wilson bedanken … Aber mein Nachfolger sagte mir, dass er die drei Männer niemals zu Gesicht bekommen hätte.«

Nick Carter ließ einen leisen Pfiff hören. »Genau, wie ich mir dachte. Unser Mann hatte seine Absicht erreicht und nun keine Veranlassung mehr, den Platz aufzusuchen!«, bemerkte er nachdenklich.

Er saß Minuten hindurch schweigend da. »Haben Sie Wilson oder einen seiner Helfershelfer auch in der Bank gesehen?«, fragte er dann erwartungsvoll.

»Den Präsidenten wohl. Ich begegnete ihm vielleicht zweimal, als er die Bank gerade verließ. Doch er schien mich nicht sehen zu wollen, und ich hatte auch keine Veranlassung, mich ihm aufzudrängen, zumal manche Leute nicht von uniformierten Polizisten angesprochen zu werden wünschen. Seine beiden Begleiter dagegen sah ich nur bei Badgers, sonst nirgendwo.«

Nick Carter erhob sich und schritt dem gerade eintretenden Arzt entgegen.

»Sagen Sie, Doktor, würde es wohl möglich sein, unseren Patienten hier in einem bequemen Wagen zum Polizeihauptquartier zu transportieren … Ich habe dort dringliche Arbeit für ihn.«

»Das muss Mr. Mullen selbst entscheiden, denn die von ihm erlittenen Verletzungen sind wohl schmerzhaft, doch nicht gerade gefährlich. Das eigentlich Bedenkliche in seinem Zustand ist die erlittene Gehirnerschütterung.«

»Pah, Doktor, darüber bin ich schon wieder weg!«, wendete Mullen ein, der das kurze Zwiegespräch mit angehört hatte. Er wendete sich an Nick. »Ich stehe Ihnen zur Verfügung, Mr. Carter … Ich bin ohnehin Ihr Gefangener!«, setzte er achselzuckend hinzu, als der Arzt sie wieder alleingelassen hatte.

»Unsinn, Mann, Sie sind nicht mein Gefangener und werden es nicht sein!«, versetzte Nick lachend. »Sie sollen sich im Hauptquartier ein bisschen Zeit mit Bilderansehen vertreiben, das ist alles, was ich von Ihnen verlange.«

»Ah, Sie meinen das Verbrecheralbum?«

»Getroffen, mein lieber Mullen. Trügt mich nicht alles, so werden Sie interessante Bekanntschaften erneuern … Übrigens freut es mich, Sie kennengelernt zu haben – nämlich als Kollegen … Ja, es ist mein voller Ernst!«, versicherte Nick lachend, als er dem verblüfften Gesichtsausdruck des anderen begegnete. »In manchem steckt ein Talent, von dem er sich nichts träumen lässt … So sind Sie zum Beispiel durch ihre Beobachtungs- und Kombinationsgabe der geborene Detektiv!«

Doch der Policeman schnitt ein süßsaures Gesicht. »Mag sein, dass Sie recht haben, Mr. Carter«, bemerkte er trocken. »Jedenfalls habe ich in den letzten Stunden entdeckt, dass ich ein kolossaler Schafskopf bin – und ich könnte nicht sagen, dass mich diese Entdeckung sonderlich gefreut hat!« Er lachte verdrießlich. »Mir brummt der Schädel wie ein Bienenstock!«, meinte er und deutete auf die Stirn. »Schadet nichts, das war mir eine Lehre … Und mit den Bildern im Verbrecheralbum verlassen Sie sich nur auf mich … Für meine Bekannten von heute Morgen habe ich ein vorzügliches Gedächtnis!«

Damit schlug er die Bettdecke zurück und versuchte es mit dem Aufstehen.