Die Blume der Prärie – Die Steinhöhlen
Gabriel Ferry
Die Blume der Prärie
oder die deutschen Kolonisten an den Ufern des Colorado
Grimme und Leipzig, Druck und Verlag des Verlags-Comptoirs, 1852
Fünftes Kapitel
Die Steinhöhlen
Sechzig bis achtzig Meilen unterhalb des Hunting River werden die Fluten des Colorado durch einen Felsenkamm in ihrem Lauf gehemmt, der in der Breite des Strombettes fünf bis acht Mal zerklüftet den andrängenden Wassermassen nur durch diese schmalen und riffigen Engpässe den Durchgang zu den etwa achtzig Fuß tiefen Fällen gestattet.
In allen Tönen der Wasserstimmen brausend, gurgelnd und zischend, stürzen die Gewässer über die zackige Felswand hinab. Hier und da wird der glänzende Wogenschwall von einer grauen Klippe oder einem der grünen, mit Wasserpflanzen bedeckten Inselchen unterbrochen, die, Miniaturoasen in dieser schäumenden Wasserwüste, den zauberhaften Eindruck dieser großartigen Erscheinung unendlich erhöhen, während zahllose Wasservögel, die auf Beute lauernd die Klippen umschwärmen, der einsamen Szene ein düsteres Leben verleihen.
Nur selten haben bis vor wenigen Jahren menschliche Blicke auf diesen prachtvollen Fällen geruht. Auf der rechten Seite von undurchdringlichem Urwald umgeben, auf der linken, wo die Felsenmassen sich domartig emportürmen, durch eines jener sumpfigen Täler unzugänglich gemacht, die von den Mündungen kleiner Flüsse und Bäche durchschnitten und häufig überschwemmt, mit dichtem Rohr und düsteren Zedern und Cottonbäumen bewachsen, Legionen von Alligatoren, Kongoschlangen und ähnlichen Bestien als Wohnplatz dienen, war der Anblick des erhabenen Schauspiels der Coloradofälle zur Zeit unserer Geschichte nur von der unteren Seite des Flusses möglich.
Nichtsdestoweniger hatten Kühnheit und Furcht einen Weg durch das furchtbare Palmetto der linken Seite gefunden, einen höllischen Weg, der Schritt für Schritt von todbringenden Gefahren umgeben, über umgestürzte Baumstämme und einzelne feste Stellen zu den Felsen des Falles führte, in welche die launenhafte Hand der Natur weite, geräumige und trockene Höhlungen gewölbt hatte, über welche die Fluten des Colorado brausend hinabstürzten.
Am Abend des Tages, dessen Morgen uns im vorigen Kapitel beschäftigt hatte, trieb ein einsamer Reiter sein Pferd von den Hügeln herab am Saum des erwähnten Palmettos hin.
Es war bereits dunkel geworden. Das klagende Geheul des Alligators und das dumpfe Gebell der grauen Wölfe, von Zeit zu Zeit durch das Gebrüll eines Jaguars übertönt, waren die einzigen Laute, welche das tiefe Schweigen der Wildnis und das ferne Brausen des Wasserfalls unter- brachen.
Der Sporn berührte wirkungslos die Flanke des müden Theres und die Blicke des Reiters waren forschend auf die dichten Gebüsche gerichtet, an deren Saume er hinritt. Zuweilen bewegte sich das Rohr unter dem Atem eines frischeren Lufthauches, zuweilen floh ein Tier vor den Hufen des Pferdes raschelnd in das Dickicht oder der schwere Schwanz eines hungrigen Alligators peitschte plätschernd das trübe Wasser einer Pfütze – dann duckte sich horchend der Reiter im Sattel und seine sichere Rechte hob argwöhnisch und kampfbereit das gespannte Pistol.
Endlich hatte der einsame Reiter eine Stelle erreicht, wo der Stamm einer umgestürzten Sycamore gespenstisch seine blattlosen Äste emporstreckte.
Langsam den Zügel anziehend, hob er sich im Sattel und schien mit der Anstrengung seiner ganzen Sehkraft eine Art schmaler Lichtung durchdringen zu wollen, vor welcher der Stamm der Sycamore als wilder Schlagbaum ausgestreckt lag.
Plötzlich zeichnete sich im zitternden Licht eines flüchtigen Mondstrahls der Schatten einer dunklen Gestalt auf dem feuchten und schmutzigen Rasen und das ermüdete Ross sprang schnaubend vor Schrecken zur Seite, als der Kopf und die Schultern eines menschlichen Wesens hinter dem Stamm emportauchten und zugleich der schrille Ruf der grauen Eule das Echo der nahen Hügel weckte.
»Ah, Massa Major«, rief die knarrende Stimme eines gigantischen Schwarzen, der in dem Augenblick, wo der Reiter bei dem wohlbekannten Eulenruf das erhobene Pistol wieder in den Holster senkte, über den Baumstamm hinwegsprang. »Haben geschwant alte Scipio, dass Ihr kommen … o die Kerls! Massa Harschgun … o die Deibels … sitzen und saufen gute Branntwein wie Wasser … wie Wasser, Massa Major und seind gesperrt Massa Leutnant und Massa Hawkins in Massa Harschguns kleine Zimmer und sollen …« Der Schwarze fuhr sich, den breiten Mund grinsend von einem Ohr bis zum anderen aufreißend, mit einer bezeichnenden Gebärde über den Hals. »O, die Deibels!«
Nachdem der Major sich einige Augenblicke flüsternd mit dem Schwarzen unterhalten hatte, stieg er vom Pferd und blickte mit dem Ausdruck lebhafter Unruhe bald auf das ermüdete Tier, das sich schüttelnd und streckend den Kopf zur Erde senkte, bald auf die schmale Lichtung, durch welche der gefahrvolle Pfad zu den Fällen hinabführte.
»Ich fürchte, er wird es nicht mehr tun können«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seinem schwarzen Gefährten, während seine Hand unruhig in der feuchten Mähne des Pferdes wühlte, »es ist zu viel für das beste Pferd der Welt, nach dem langen Lauf, den er seit vierundzwanzig Stunden gemacht hat.«
»O, wird es tun, Massa Major, wird es tun . . . mächtig gute Pferd, alte Billy . . . Muss sein hart wie Büchsenkugel … Kann nicht hierbleiben, Massa, und Major kann nicht springen wie Negro.«
Mit diesen Worten sprang der Schwarze leicht wie ein Ball über den gewaltigen Baumstamm und kam im Augenblick darauf mit seiner Decke, einer Fackel und einem Säckchen von grobem Baumwollzeug zurück.
»Hier, Massa,« sagte er grinsend, eine mächtige Flasche, Brot und Fleisch aus dem Sack ziehend, »kluge Kerl, alte Scipio … Brot, Fleisch und Rum für Massa Major, und Rum und Brot für arme Billy.« Nachdem er seinem Herrn den Beutel gereicht hatte, der mit ungeduldiger Hast die Flasche an seine Lippen brachte, nahm er dem Pferd die Kandare aus dem Maul und reichte ihm, ohne sich selbst zu vergessen, Brotstückchen, die er mit Rum angefeuchtet hatte.
Der Major hatte sich inzwischen auf einen Ast der verwitternden Sycamore niedergelassen und aß und trank mit der Begierde eines Menschen, dessen tierischer Teil nach einem harten Tagewerk der Nahrung und Stärkung bedarf.
Dann, als der letzte Bissen verzehrt und der letzte Tropfen aus der Flasche durch die allzeit trockene Kehle des Schwarzen hinabgeglitten war, schwang sich der Major noch einmal in den Sattel, sein Begleiter zündete die Fackel an, sprang über den Baumstamm und das gestärkte Tier folgte ihm mit einer Leichtigkeit und einer Elastizität der Bewegung, die nur den Tieren dieser ausgezeichneten Rasse eigen ist.
Der Durchgang durch ein solches Palmetto erfordert unter allen Verhältnissen ein mutiges Herz und eine gewandte und sichere Hand, aber stets bleibt es ein gewagtes Unternehmen in der Nacht, wenn das unsichere Licht einer Fackel die Umrisse der Baumstämme nur undeutlich beleuchtet, die oft drei bis vier Ellen voneinander entfernt liegend die einzigen festen Punkte bieten, welche das Pferd oder der Fuß des Menschen springend erreichen muss. Jeder Felssprung führt zu sicherem Verderben, denn im Schlamm versinkend werden Ross und Reiter eine sichere Beute der Alligatoren, die auf Beute lauernd die Baumstämme umrunden. Zuweilen heben sie sich mit dem Oberkörper bis über den Rand der Stämme empor und es gehören ein scharfes Auge und eine sichere Hand dazu, die Füße der Pferde und Menschen durch eine wohlgezielte Kugel vor dem zermalmenden Griff ihrer langen Kinnbacken zu schützen.
Die beiden kühnen Gefährten hatten fast die Hälfte ihrer gefahrvollen Bahn zurückgelegt, der Schwarze, in der einen Hand die Fackel, in der anderen sein langes Messer, von Stamm zu Stamm springend, der Major ihm, den Finger am Drücker des Doppelpistols, Sprung für Sprung folgend, als der Erstere auf einem der weniger festen Rasenflecke anlangend einen furchtbaren Angstschrei vernehmen ließ.
Diese Rasenflecke sind stets die gefährlichsten Orte bei der Passage durch die Palmettos und oft als Vergnügungsorte von ganzen Gesellschaften von Alligatoren und Kongoschlangen besucht. Bei dem Halbdunkel, das unter dem dichten Blättergewölbe dieser üppigen Vegetation selbst am Tage an diesen furchtbaren, eine giftige Atmosphäre aushauchenden Orten herrscht, bleiben oft Einzelne dieser Bestien unentdeckt auf oder neben den grauen Schlammstreifen liegen. Mancher Reisende ist schon als Opfer einer leicht verzeihlichen Täuschung unter den langen Zähnen dieser gefräßigen Ungeheuer zermalmt werden, die zu hunderten diese Moraste bevölkern.
Dem Angstschrei des Schwarzen folgte fast unmittelbar der Knall eines Schusses aus dem Pistol des Majors, dessen Pferd nur wenige Sekunden später den festen Boden berührte.
Diesem Schuss, der zur rechten Zeit gefallen war, um die Wade des Schwarzen aus dem Rachen eines Alligators zu retten, der sie bereits mit seinen Zähnen berührte, als die wohlgezielte Kugel des Majors ihm durchs Auge drang, folgte ein furchtbarer Lärm in den oberen Regionen, der die letzten krampfhaften Zuckungen der verendenden Alligatoren begleitete. Kreischend, schreiend, schwirrend und flatternd erhoben sich Scharen von geflügelten Bewohnern der dichten Laubgewölbe erschreckt vom Geräusch des Schusses und es war, als ob der wilde Jäger aus dem fernen Deutschland über die Urwälder der westlichen Hemisphäre hinwegzöge.
Der Major stieg vom Pferde um die noch brennende Fackel aufzuheben, welche der Schwarze, der nun wie wahnsinnig auf einem Fuß umhersprang, im furchtbaren Schreck hatte zur Erde fallen lassen. Sich bückend, einem dieser Tiere sein langes Messer zwischen die Halsschuppen hindurch in die Brust zu stoßen, hatte ein anderes ihn von hinten an der Wade gepackt.
»Dein Bein ist noch ganz, Scipio?«, fragte der Major, der selbst in diesem Augenblick ein unwillkürliches Lächeln über die Kapriolen des Schwarzen nicht zurückdrängen konnte.
»Ach, Massa Harschgun! … diese höllische Viech! … Knochen mitten durch … Alles entzwei, Massa Major!«
»Komm her«, sagte der Major, die Fackel zur Erde senkend, »und lass mich sehen, was zu tun ist, alter Bursche.«
Das Bein war ganz und nur die Haut etwa einen Finger breit an den Zähnen des Alligators hängen geblieben.
»Dein Fuß ist ganz, Scipio, binde dies Tuch darum, und lass uns eilen!«, sagte der Major, dem Schwarzen sein seidenes Taschentuch reichend.
»Ganz? … O, spaßen nicht in solche Minute mit arme, alte Scipio, Massa Harschgun! … der Knochen ist durch … wie abgesägt … weiß werden will ich, wie frischer Schnee … wenn es nicht wahr ist …«, antwortete der Schwarze, im tollen Springen innehaltend und das Tuch unter lautem Geheul um die verwundete Stelle bindend.
»Nun vorwärts! Nimm die Fackel, Scipio!«
»O, Massa Harschgun … Alles entzwei … höllisches Viech … wie abgesägt meine Knochen!« Der Schwarze begann von Neuem unter lautem Geheul seine Sprünge.
Der Major war zu gut mit dem Charakter Scipios und seiner Art bekannt, um ein Resultat von längeren Unterhandlungen zu erwarten. Er bestieg ruhig sein Pferd wieder, das ungeduldig und schnaubend den Boden scharrte, denn von Neuem hoben sich die Rachen frischer Feinde aus derselben Familie über den hohen Rand des kleinen Rasenflecks empor, zog die zweite Pistole aus dem Holster und richtete sie auf den Schwarzen, der noch immer kapriolierend umhersprang.
»Vorwärts, Scipio! Oder in zwei Sekunden werden diese Bestien dein schwarzes Aas mit ihren Zähnen zersägen!«
»O Massa … grausame Massa!«
»Vorwärts!«
Mit einem halb ängstlichen, halb pfiffigen Blick auf seinen Herrn, ergriff der Schwarze die in den weichen Boden gesteckte Fackel, flog mit einem gewaltigen Sprung auf den nächsten Baumstamm hinüber und leuchtete seinem Herrn, bis sie die Grenze des Palmetto und mit einem letzten Satz einen breiten Felsvorsprung erreicht hatten, von dem man auf terrassenartigen Absätzen zu den Steinhöhlen hinaufstieg.
Der Major stieg vom Pferd und streichelte den Hals des kräftigen Tieres, das nun mit Schaum bedeckt und von der letzten gewaltigen Anstrengung an allen Gliedern zitternd vor ihm stand, während der Schwarze sich, mühsam atmend, auf einen Felsblock niedergekauert hatte und selbst die eisernen Muskeln des Abenteurers erschöpft einiger Ruhe bedurften.
Die Felsenmassen, welche das Amphitheater der Coloradofälle bilden, bieten von der Seite der Sümpfe aus den Anblick der Frontseite eines gigantischen Domes, dessen Portal sich über drei hintereinander zurückweichende Terrassen erhebt, mit einzelnen malerischen Sträuchern und Baumgruppen bedeckt, zwischen denen Schlingpflanzen wie von der Hand des Gärtners gezogen, girlandenartig ihre grünen, saftigen Gewebe ausspannen.
In diesen Felsen sind von der Hand der Natur drei jener merkwürdigen Gewölbe ausgehöhlt, deren glatte Wände und kühne Kreuzbögen an den Messel und die sublime Genialität unserer gotischen Meister erinnern.
In der Tat habe ich mich beim Anblick dieser zugleich malerischen und imposanten Naturbildung des Gedankens nicht erwehren können, dass hier in einer fernen Vergangenheit das architektonische Talent einer begrabenen Zivilisation einen seiner Riesenversuche gemacht habe.
Die Höhlen liegen etagenartig übereinander. Während die beiden oberen Etagen durch einen schmalen, gewundenen Gang in Verbindung stehen, der wie eine Wendeltreppe ohne Stufen sich steil hinaufdreht, ist die untere, niedrigere und flacher gewölbte ohne jede Verbindung mit den beiden oberen und größeren Gemächern geblieben – ein Kellerraum für die Zecher in den weiten, herrschaftlichen Sälen.
Zu dieser letzteren, deren schmaler, hinter dichten Lianengewinden versteckter Eingang sich in der Mitte der zweiten Terrasse befindet, stiegen nun nach einigen Augenblicken der Ruhe der Major und Scipio hinauf. Der Major in ernstes Nachdenken versunken, Scipio das Pferd am Zügel führend und von Zeit zu Zeit sein verwundetes Bein mit einer Grimasse befühlend.
Die gegenwärtigen Bewohner dieses sicheren Schlupfwinkels hatten den unteren Raum zu einem bequemen Pferdestall eingerichtet und eine an der Wand befestigte Fackel beleuchtete mit düsterer Glut das Gewölbe, in dem zehn bis zwölf stattliche Pferde den zurückkehrenden Stallgenossen wiehernd begrüßten.
Während Scipio mit der Pflege des ermüdeten Tieres beschäftigt war, untersuchte der Major beim Licht der Fackel seine Waffen, lud den Lauf des abgeschossenen Doppelpistols und ging dann mit unruhigen Schritten in dem breiten Raum hinter den Pferden auf und ab.
Endlich schien er zu einem festen Entschluss gelangt.
»Nimm meine Sattelpistolen, Scipio«, sagte er sich niederbeugend, die Waffen aus den Holstern des beiseitegelegten Sattels hervorziehend und dem Schwarzen überreichend. »Folge mir hinauf und stell dich hinter den Jukka-Strauch auf der rechten Seite des Eingangs, von wo du den inneren Raum übersehen kannst. Siehst du mich in Gefahr, so kommst du herein und … ziele gut, Bursche!«
Mit grimmigem Lächeln folgte der Schwarze wie eine kampfbereite Dogge seinem Herrn zum Plateau der dritten Terrasse.
Sie hatten nicht nötig, ihre Füße mit Vorsicht auf das Steingeröll der Terrasse zu setzen. Das Brausen des Falles übertönte jedes Geräusch, aber durch das donnernde Getöse der herabstürzenden Fluten drang das wüste Gelärm aus dem Innern der Höhle, vor deren Eingang der schwere Vorhang von wollenen Decken hinweggezogen war, der sonst dazu diente, die giftigen Ausdünstungen der Sümpfe während der Nacht auszuschließen.
In dem dunklen Eingang, denn die wenigen Fackeln, welche zur Beleuchtung einer rohen Tafel aus grob zugehauenen Baumstämmen dienten, vermochten nicht den weiten Raum zu erhellen, blieb der Major, die Rechte am Griff seines langen Messers, die Linke am Kolben seines Gürtelpistols, aufmerksam lauschend, die Augen auf die düstere Szene vor ihm gerichtet, stehen.
Um den rohen Tisch in der Mitte des Gewölbes saßen auf Klötzen und plumpen Bänken zehn bis zwölf der furchtbaren Gesellen, die eine Reihe von Jahren hindurch wie Wölfe vom Raub der texanischen Ansiedler lebten. Ihre Waffen hingen an hölzernen Pflöcken, die in die Lücken der Felswände eingetrieben waren. Auf dem Tisch standen Steinkrüge, mit starkem Punsch gefüllt, aus denen die Gesellschaft mit blechernen Bechern schöpfte. Halb entkleidet, mit ihren langen, blitzenden Messern spielend, ihre Unterhaltung abwechselnd mit zynischen Liedern und entsetzlichen Flüchen würzend, bot die Szene, vom roten Licht der qualmenden Fackeln beleuchtet, einen würdigen Entwurf zu einem jener düsteren Gemälde, mit denen uns der finstere Genius Salvator Rosas beschenkt hat.
»He, José Parilla«, rief der spanische Jude, ein gelbes Prachtexemplar der unverwüstlichen Gattung der Abkömmlinge Israels, als der wilde Lärm für einige Minuten erlosch und einige Häupter sich bereits in beginnender Trunkenheit senkten.
»Besteige den Stuhl, würdiger José … bei den Gebeinen Abimelechs! Du sollst sein unser Haupt und befehlen in Israel … und dann führe uns hinweg in das Land der Ägypter, dass meine Ohren wieder hören den Klang der Dublonen und meine Augen wieder sehen den Boden der Beutel der Söhne Ahabs!«
José Parilla, ein kleiner ausgetrockneter Spanier mit listigen, tückischen Augen und dem Ausdruck boshafter Grausamkeit in seinem Spitzbubengesicht, erhob sich, um der Aufforderung Folge zu leisten und den Ehrenplatz an der Tafel einzunehmen, der bisher Major Harschgun gehört hatte.
»He! Warte ’n bissel, Meister José«, entgegnete ein riesiger Kerl, sein langes Messer in den Tisch stoßend und seinen blechernen Becher nach einem langen Zuge zurückschiebend. »Neues Haupt, neue Wahl! … Sind freie Männer, Mardochai! … Keine Überrumpelung! … Und bei meinem Messer! Niemand soll Major Harschguns Stuhl besteigen, bevor nicht jeder von uns in freier Wahl seine Stimme gegeben hat!«
Ein Gemurmel der Billigung ließ sich vernehmen und José Parilla nahm grinsend seinen Platz wieder ein.
»Wohlan!«, rief Mardochai. »Habt ihr nicht alle einstimmig abgesetzt den wütenden Haman? Habt ihr nicht eingesperrt seine Freunde Plunkett und den großmäuligen Hawkins, um sie zu ziehen vor unser gerechtes Gericht?«
»Wollt ihr ewig bleiben die Sklaven des großen Moguls«, fuhr der Jude arglistig fort, als die Räuber in düsterem Schweigen verharrten, denn fast alle fühlten die mit Furcht gemischte Achtung vor der Tapferkeit und dem überlegenen Geist des Majors, in welchem der Löwe vor seinem Bändiger sich schmiegt. Nur die unaufhörlichen Aufstachelungen des Juden und José Parillas hatten sie zur offenen Meuterei getrieben. »Hat er euch nicht wie Hunde beschimpft und geschlagen? Da, seht Mac Haluns Kopf an … er ist noch nicht heil vom Schlag des Hauptmanns, den er ihm gab, als er das schwarze Mensch aufschlitzen wollte, die ihn in den brennenden Stall gesperrt hatte?«
Die Gesellschaft richtete die Augen auf den Geschlagenen, der in finsterer Wut mit den Zähnen knirschte.
»Und wo sind all die schönen, gelben Dublonen, die ihr gewonnen mit eurem Blut? Eure Taschen sind leer, ihr armen betrogenen Schelme! … Hat er sie vergraben, hat er sie geschickt in die Bank von New Orleans, um zu spielen den vornehmen Gentleman, wenn ihr bammelt am Galgen! He! He! Verbrennt euch die Pfoten, holt die Kastanien aus den glühenden Kohlen … ’s ist a kluger Mann, Major Harschgun!«
»Du würdest nicht so sprechen, wenn er vor dir stände, Mardochai«, sagte der Räuber, der zuerst gesprochen hatte, mit verächtlichem Lächeln. »Du bist tapfer wie die Taube, wenn der Habicht vor dem Schlaggitter sitzt, Frauen und Kinder . . .«
»Und bin ich nicht gewesen ein sehr tapferer Mann, weil ich bin ein schwacher Mann«, fiel der Jude ein, ohne seinen Gegner aussprechen zu lassen, »bin ich doch gewesen ein listiger Mann. Wer hat aufgespürt alle die hübschen Nester, die wir ausgenommen haben? … He? … Wer hat gesehen dem großen Mogul auf seine Finger bei Verteilung der Beute? … He? … Und wer weiß, wo er hat versteckt alle die Säckel mit Gold und Silber, um die er hat begaunert die tapferen Männer? … He? …«
Das letzte Argument schien auf die Habsucht der meisten der rohen Gesellen einen lebhaften Eindruck zu machen.
»Und wo sind sie versteckt, Mardochai?«, fragte Mac Halun, der Räuber mit der zerschlagenen Stirn.
»Holt sie herunter, den Leutnant und Hawkins, die Busenfreunde des Moguls, und kitzelt ihr Fell mit euren Messern und sie werden euch zeigen den Ort, von dem sie gehört hat schmusen Mardochai,« antwortete boshaft der Jude.
Zwei Räuber entfernten sich sogleich, um die gefangenen und gefesselten Kameraden aus der oberen Höhle herunter zu holen.
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