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Abenteuer des Captains Bonneville 27

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Eine rückgängige Bewegung. Bett eines Bergstroms. Alpenszene. Wasserfälle. Bibertäler. Biber an ihrer Arbeit. Ihre Baukunst. Ihr Verfahren, Bäume zu fällen. Art und Weise, die Biber zu fangen. Wettstreit in der Geschicklichkeit. Ein Biber auf der Hut vor der Falle. Ankunft an den Versteckgruben im Green River Valley.

Die Aussicht von der Schneekuppe der Wind River Range hatte, indem sie des Kapitäns Bonneville Enthusiasmus erregte, ihn zu gleicher Zeit überzeugt, dass es untunlich sei, sich mit Gewalt einen Durchgang westwärts durch die sich anhäufenden Hindernisse von Klippen und Abgründen zu bahnen. Sich demnach nach Osten wendend, versuchte er wieder in die Ebene zurückzukommen, in der Absicht, die südliche Spitze des Gebirges zu umgehen. Hinabzusteigen und sich aus dem Inneren dieser felsigen Wildnis herauszuwinden, war beinahe ebenso schwierig, wie in dieselbe einzudringen.

Seinen Weg im Bett eines Sturzbaches, dem Anfang eines künftigen Stromes bergab nehmend, stieg er von Fels zu Fels, von Absatz zu Absatz, zwischen ungeheuren Klippen und überhängenden Felsspitzen hinab, die sich bis zum Himmel erhoben. Er hatte öfters über den rauschenden Bergstrom und wieder zurück zu setzen, als er sich schäumend und tosend durch sein steiniges Bett wälzte oder von senkrechten Felswänden eingeschlossen war. Drohend war die Gefahr für die Pferde, die Beine in den Rissen und Spalten des schlüpfrigen Felsbodens zu brechen.

Diese tiefe Schlucht hatte ganz die Wildheit und Erhabenheit einer Alpenszene. Bisweilen kamen die Reisenden unter Wasserfällen durch, die von einer solchen Höhe stürzten, dass das Wasser gleich einem Gussregen in den Strom fiel. An anderen Stellen ergoss sich der Strom, zu Schaum verspritzend, und unter einem schrecklichen Getöse von Klippe zu Klippe.

Am zweiten Tag ihres Herabsteigens kamen die Reisenden, nachdem sie über die steilsten Höhen des Gebirges gekommen waren, an einen Ort, wo die tiefe felsige Schlucht sich bisweilen in kleine Talflächen ausbreitete und der Strom in kurzen Zwischenräumen ein friedliches Ansehen gewann. Hier war nicht allein der Fluss selbst, sondern jedes Bächelchen, das in ihn floss, durch Gemeinschaften industriöser Bibern so abgedämmt, dass die Nachbarschaft davon überschwemmt und Sümpfe gebildet wurden.

Während eines mittäglichen Halts in einem dieser Bibertäler verließ Kapitän Bonneville seine Begleiter und schlenderte den Strom hinab, um sich in der Gegend umzusehen. Er war noch nicht weit gekommen, als er an einen Biberteich kam und einen seiner fleißigen Einwohner geschäftig bei seiner Arbeit auf dem Deich sah. Die Neugierde des Kapitäns wurde erregt, das Verfahren dieser weitberühmten Baumeister zu sehen. Er näherte sich daher mit der äußersten Vorsicht und Behutsamkeit, schob, ohne das geringste Geräusch zu machen, die Zweige der Wasserweiden auseinander und legte sich, nachdem er eine Stellung eingenommen hatte, die ihm erlaubte, den ganzen Teich zu übersehen, flach auf den Boden nieder, um den einsamen Arbeiter zu beobachten.

Nach einer Weile erschienen drei andere oben auf dem Deich, welche Stöcke und Büsche brachten, womit sie gerade zum Deich liefen, der, wie Kapitän Bonneville bemerkte, der Ausbesserung bedurfte. Nachdem sie ihre Bürde auf den durchbrochenen Teil des Deiches niedergelegt hatten, tauchten sie unter und erschienen bald hierauf wieder auf der Oberfläche. Jeder brachte nun etwas Schlamm, womit sie die eben hingelegten Stöcke und Büsche verschmierten. Dieses Mauern wurde einige Zeit fortgesetzt, es wurde frisches Holz und frischer Schlamm zugetragen und damit auf dieselbe Weise verfahren.

Nachdem dieses geschehen war, erlaubten sich die fleißigen Biber eine kleine Erholung, indem sie sich einander um den Teich nachliefen, sich neckend auf dem Wasser herumtrieben oder untertauchten, wobei sie in ihrer Lust oft laut mit ihrem Schwanz auf dem Wasser plätscherten.

Während sie sich so fröhlich unterhielten, erschien ein anderer der Bruderschaft und sah ihrem Spiel eine Zeitlang mit Ernst zu, ohne teil daran nehmen zu wollen. Er kletterte dann in der Nähe, wo der Kapitän sich verborgen hielt, am Ufer herauf, richtete sich auf den Hinterfüßen in sitzender Stellung auf, legte seine Vorderpfoten an den Stamm eines jungen Fichtenbaumes und fing an, die Rinde mit seinen Zähnen abzuschälen. Bisweilen biss er ein kleines Stückchen ab, das er, seine sitzende Stellung beibehaltend, zwischen seinen Pfoten hielt und nach Art der Affen an demselben nagte.

Die Absicht des Bibers war aber offenbar, den Baum zu fällen. Er fuhr in seiner Arbeit fort, bis er durch die Annäherung von Kapitän Bonnevilles Leuten gestört wurde, die wegen der verlängerten Abwesenheit ihres Führers besorgt, ihn aufzusuchen kamen. So wie sie ihre Stimmen vernahmen, tauchten alle Biber, geschäftig oder nicht, schnell unter und ließen sich nicht mehr sehen.

Kapitän Bonneville bedauerte diese Unterbrechung. Er hatte viel von der Klugheit der Biber im Fällen der Bäume gehört, wobei sie, wie gesagt wird, es so einzurichten wissen, dass sie in eine solche Lage und in einer solchen Richtung in das Wasser fallen, dass sie solche an den gewünschten Ort hinbringen können. Im gegenwärtigen Falle war der Baum eine schlanke, gerade Fichte und da sie strak aufgewachsen war, und kein Lüftchen ging, so hätte sie der Biber nach jeder Richtung hin fällen können, die ihm gefiel, wenn er wirklich fähig gewesen wäre, in der Sache zu unterscheiden. Offenbar war er beschäftigt gewesen, den Baum zu ringeln. Seinen ersten Einschnitt hatte er auf der Seite zum Wasser zu gemacht.

Kapitän Bonneville stellte die berühmte Klugheit des Bibers hierin im Ganzen in Abrede und glaubte, dass das Tier keinen anderen Zweck gehabt habe, als den Baum zu fällen, ohne jene feine Berechnung der Art oder Richtung seines Falles. Man hat ihnen, glaubte er, diese Eigenschaft bloß aus dem Umstand zugeschrieben, dass die meisten der an den Strömen wachsenden Bäume entweder über den Strom hängen oder doch ihre größten Zweige in dieser Richtung ausstrecken, des Raumes, des Lichtes und der Luft halber, der sich ihnen nach dieser Seite darbietet. Der Biber nagt natürlich jene Bäume zuerst an, die ihm am nächsten und an den Ufern des Stromes oder Teiches stehen. Er macht rings Einschnitte in sie oder ringelt sie, nach dem Kunstausdruck, mit den Zähnen. Wenn sie fallen, so fallen sie natürlich in jener Richtung, wohin ihre Stämme und Zweige das Übergewicht haben.

»Ich habe«, sagte Kapitän Bonneville, »oft Bäume gesehen, die achtzehn Zoll im Durchmesser an der Stelle hatten, wo sie von dem Biber durchgenagt waren. Sie lagen aber nach allen Richtungen hin und oft sehr unbequem für den Zweck des Tieres. Sie zeigen in der Tat so wenig Scharfsinn hierin, dass bei einem unserer Lager, am Snake River, man einen Biber fand, dessen Kopf in den Einschnitt, den er gemacht hatte, eingeklemmt war, da der Baum über ihn gefallen war und ihn festgehalten hatte, bis er verendete.«

Freilich zeigt der Biber, nach dem Kapitän, eine große Unterscheidungsgabe in der Wahl des Holzes, das ihm die Rinde zu seinem Winterunterhalt liefern soll. Die ganze Biberfamilie, Alt und Jung, zieht zu dieser Beschäftigung aus und macht oft kleine Tagesreisen, ehe sie das Gesuchte findet. Bisweilen nagen sie Bäume der ersten Größe ab und suchen dann die Zweige aus, deren Rinde am meisten nach ihrem Geschmack ist. Diese zerbeißen sie in Stücke von ungefähr drei Fuß Länge, schleppen sie an das Wasser und lassen sie zu ihren Bauen schwimmen, wo sie solche für den Winter aufbewahren.

Sie befleißigen sich in ihren Bauen sehr der Reinlichkeit und der Bequemlichkeit. Nach ihren Mahlzeiten tragen sie die Scheiter, von welchen sie die Rinde abgenagt haben, heraus und werfen sie in den Strom über ihren Deich. Sie sind überdies sehr eifersüchtig auf ihre Reviere und äußerst streitsüchtig, indem sie einem fremden Biber nie erlauben, in ihr Gehege zu kommen, und kämpfen oft mit solcher Heftigkeit miteinander, dass sie sich beinahe in Stücke zerreißen. Im Frühling, welches die Begattungszeit ist, lässt das Männchen das Weibchen zu Hause und macht eine Vergnügungsreise, indem es oft in weiter Entfernung umherstreift, sich in jedem klaren und ruhigen Wasser auf seinem Weg belustigt und bisweilen die Ufer hinaufsteigt, um die zarten Sprossen der jungen Weidenbüsche zu fressen. Wie der Sommer vorrückt, gibt es seine Junggesellenstreifzüge auf, denkt an seine häuslichen Pflichten, kehrt zu seinem Weibchen und seiner neuen Nachkommenschaft zurück und führt sie alle zu einem Streifzug aus, um Wintervorräte einzusammeln.

Nachdem wir den Gemeingeist dieses preiswürdigen kleinen Tieres, als Mitglied einer Gemeinschaft, und sein liebenswürdiges, exemplarisches Benehmen als Familienvater gezeigt haben, tut es uns leid, die Gefahren erzählen zu müssen, von welchen sie umgeben sind, und welche Fallen ihm und seiner arbeitsamen Familie gestellt werden.

»Die Übung« sagt Kapitän Bonneville, »hat dem erfahrenen Trapper in allem, was zu seinem Gewerbe gehört, einen solchen Scharfblick gegeben, dass er die geringste Spur eines Bibers entdecken kann, so unsicher sie auch sein mag. Wenn auch der Bau desselben durch dichte Büsche und überhängende Weiden versteckt wäre, so kann er doch gewöhnlich mit einem einzigen Blick genau die Zahl seiner Bewohner bestimmen. Er schreitet jetzt zu seinem Werk, seine Falle zu legen, die er am Ufer, an einem dazu ausgesuchten Platz, zwei oder drei Zoll unter dem Rand des Wassers, aufstellt und sie mit einer Kette an einen tief in den Schlamm eingeschlagenen Pfahl befestigt. Man löst dann die Rinde von einem kleinen Zweig ab, auf das eine Ende, von welchem man die Medizin steckt, wie die Trapper den besonderen Köder nennen, dessen sie sich bedienen. Dieses Ende des Zweiges steht ungefähr vier Zoll hoch über dem Wasser hervor, das andere steckt zwischen den Klappen der Falle. Der Biber, der eine sehr feine Nase besitzt, wird bald durch den Geruch des Köders angezogen. Wie er die Schnauze danach ausstreckt, wird sein Bein in der Falle gefangen. In seiner Angst schlägt er sich in das tiefe Wasser über. Da die Falle an dem Pfahl befestigt ist, so widersteht sie seiner Anstrengung, solche an das Ufer zu schleppen. Die Kette, woran sie befestigt ist, trotzt seinen Zähnen. Er zappelt eine Zeitlang, sinkt endlich zu Boden und ertrinkt.

Bei Felsboden, in welchen man keinen Pfahl ein schlagen kann, wird sie in den Strom geworfen. Der gefangene Biber verfängt sich oft mit der Kette an untergegangene Stämme oder schwimmendes Bauholz. Wird er hervorgezogen, dann ist er oft in die Dickichte der Bachweiden verwickelt. In solchen Fällen kostet es dem Trapper eine genaue Nachsuchung. Er muss bisweilen herumschwimmen, um seinen Fang zu finden.

Bisweilen geschieht es, dass mehrere Glieder einer Biberfamilie nacheinander gefangen werden. Die Überlebenden werden dann außerordentlich scheu und können kaum dahin gebracht werden, nach dem Ausdruck der Trapper, an die Medizin zu gehen. In einem solchen Fall gibt der Biberfänger den Gebrauch des Köders auf und verbirgt seine Fallen auf den gewöhnlichen Pfaden und Kreuzgängen der Biberbauten. Der Biber, der nun die Falle merkt, nähert sich ihr äußerst vorsichtig und lässt solche schlau mittelst eines Stück Holzes zuklappen. Zu anderen Zeiten wirft er die Falle durch dieselben Mittel zuunterst zuoberst und schleppt sie selbst bisweilen zum Deich, wo er sie in den Schlamm versteckt. Der Biberfänger gibt es nun auf, ihn überlisten zu wollen, schultert seine Falle, marschiert weiter und gibt zu, dass er den Biber diesmal nicht überlisten könne.

Am folgenden Tag, nachdem Kapitän Bonneville Einsicht von den Arbeiten der fleißigen und fröhlichen Bibergemeinde, von denen er eine so erbauliche Nachricht gegeben hat, genommen hatte, gelang es ihm, sich aus der Wind River Range zu begeben und die Ebene ostwärts zu erreichen. Er nahm hierauf einen großen Umweg in einer Krümmung nach Süden, sodass er um den Fuß der Gebirge kam und ohne weitere wichtige Zufälle an dem alten, verabredeten Sammelplatz im Green River Valley am 17. September anlangte.

Er fand die Versteckgruben, in welche er seine überflüssigen Güter und Anzüge niedergelegt hatte, alle wohl verwahrt. Nachdem er sie geöffnet und aus ihnen die nötigen Vorräte genommen hatte, ließ er sie wieder zuwerfen, wobei er sorgfältig alle Spuren beseitigte, die sie dem scharfen Blick der indianischen Räuber verraten konnten.