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Jack Lloyd Folge 56

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Im Palast des Gouverneurs

Jack und Elena saßen schweigend in der Kutsche, die sie zum Gouverneurspalast brachte. Einiges hatte sich geändert, seit sie das letzte Mal zusammen zu einem Empfang des Gouverneurs gefahren waren. Nicht, dass viel Zeit vergangen wäre, aber das Verhältnis zwischen dem Kapitän und seiner Stellvertreterin schien merklich abgekühlt zu sein. Elena hatte heute den ganzen Tag über kaum ein Wort mit ihm gesprochen. Auch, als er seine Pläne für den heutigen Abend vor der versammelten Mannschaft erläutert hatte, waren von ihr wieder Zwischenfragen noch anderweitige Beiträge gekommen. Sie hatte sich schlichtweg schweigsam in der Ecke des Raumes aufgehalten und hatte der Diskussion der Männer zugehört. Jack fragte sich nicht zum ersten Mal am heutigen Tag, was diese Veränderung bei Elena herbeigeführt hatte. War sie wirklich so verärgert über die Chance, die Jack ergriffen hatte, als er Maria gefolgt war und so ihr Vertrauen erlangt hatte. Es würde vieles vereinfachen, das stand für Jack fest. Elena hatte am Morgen in einem letzten lahmen Versuch, ihren Kapitän umzustimmen, argumentiert, dass Maria keine neuen Informationen mehr einbringen konnte. Alles, was sie wissen mussten, um ihren Plan auszuführen, hatten sie bereits erfahren. Jack stimmte dem zwar grundsätzlich zu, aber er war dagegen, Maria am heutigen Abend einfach sitzen zu lassen. Viel mehr wollte er auf gar keinen Fall, dass irgendjemand in der Zeit ihrer Anwesenheit hier einen Verdacht gegen sie hegen könnte. Also musste er seine Rolle einfach weiterspielen. Und zu dieser Rolle gehörte mittlerweile nun einmal auch die Verlobung mit Maria.

Elena fühlte sich auf dieser Kutschfahrt extrem unwohl. Sie hatte gespürt, dass die Situation ihr entgleiten würde, schon als Jack und Maria de la Vega das erste Mal aufeinandergetroffen waren. Aber das es so schlimm kommen würde hätte sie nicht gedacht. Sie musste unbedingt mit Joe sprechen und die Meinung ihres ersten Offiziers einholen. Er war zwar ein enger Vertrauter Jacks aber in den letzten Monaten war er auch mehr und mehr zu einem wichtigen Ratgeber für Elena selbst geworden. Und in den letzten Tagen, seitdem der alte Seebär im Palast des Gouverneurs wohnte und auf die Schatzflotte wartete, merkte sie, dass er ihr fehlte. Ob Jack andere Entscheidungen getroffen hätte, wenn Joe hier gewesen wäre, um ihn von dem Unsinn seiner Ideen zu überzeugen? Oder war Joe vielleicht der gleichen Meinung wie ihr Kapitän und sie selbst reagierte über?

Endlich erreichten sie den Palast und den Grübeleien der beiden wurde ein Ende gesetzt. Die Wachen kannten Jack mittlerweile zur Genüge, sodass die Kutsche nach einem kurzen Wortwechsel zwischen dem wachhabenden Offizier und dem Pablo, der wieder auf dem Kutschbock Platz genommen hatte, passieren konnte.

Pablo ließ seine Passagiere an den Treppen, die vom Innenhof des Anwesens zum Palast hinaufführten, aussteigen und fuhr mit der Kutsche dann in den hinteren Bereich des Hofes, wo bereits eine ganze Reihe von Kutschen standen. Hier würde er sich nun die nächsten Stunden aufhalten müssen. Eine hervorragende Gelegenheit sich den Klatsch und Tratsch der örtlichen Dienerschaften anzuhören. Vielleicht erfuhr er ja hier etwas, was ihnen noch nützlich sein könnte.

Elena hackte sich bei Jack unter, schenkte ihm ein freundliches Lächeln und begann gemeinsam mit ihm die Treppen zu erklimmen. Jack, der das Lächeln seiner Begleiterin erwiderte, spürte sehr wohl, dass das Lächeln ihre Augen nicht erreicht hatte. Etwas bedrückte sie. Und er hatte das Gefühl, dass es mehr war als nur leichte Bedenken seinen Plänen gegenüber. Jack hatte das Gefühl, so etwas wie Enttäuschung in ihren Augen zu sehen. Das Gefühl, das er dabei bekam, wenn er darüber nachdachte, verwirrte ihn vollends. Aber er hatte heute keine Möglichkeit, sich über sein Verhältnis zu Elena Gedanken zu machen. Heute galt es, den Gouverneur davon zu überzeugen, dass er der richtige für seine Tochter war. Gemeinsam betraten sie den Palast und wurden von einem Diener in den Salon geführt. Hier schien Maria bereits auf ihren baldigen Verlobten gewartet zu haben, denn sie stand in der breiten Flügeltür und schaute sich suchend in der Menge der Neuankömmlinge um. Als sie Jack und Elena sah, huschte ein Lächeln über ihre Züge. Elena sah, wie die junge Frau leicht errötete und ihren Blick für einen kurzen Augenblick senkte. Sie ist wirklich verliebt, schoss es Elena durch den Kopf. Leise murmelte sie: »Es ist herzlos und gemein derart mit den Gefühlen der Gouverneurstochter zu spielen.«

»Was hätte ich tun sollen? Sie abweisen? Mich verdächtig machen? Zeigt mir den Kaufmann und Adligen, der sich in einer Stadt wie Caracas niederlassen will und die Hand der Tochter des Gouverneurs ausschlagen würde.«

Elena musste zugeben, dass Jack recht hatte. Hätte er Marias Versuche, ihn für ihre Pläne zu gewinnen, einfach abgeblockt, wäre seine Tarnung wenig glaubwürdig gewesen. Und nachdem er sich nun schon einmal auf sie eingelassen hatte, gab es wahrscheinlich wirklich keinen Weg mehr, aus dieser Situation herauszukommen.

»Pass auf dich auf«, flüsterte Elena, nicht bemerkend, dass sie ihren Kapitän geduzt hatte.

»Das werde ich. Jetzt geht und sucht Joe. Wir werden ihn brauchen.«

Elena löste sich von Jack und machte sich auf die Suche nach dem Mann im Priestergewand. Jack hingegen machte sich, über das ganze Gesicht lächelnd, auf den Weg zu der Frau, um deren Hand anzuhalten er heute hergekommen war.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2012 by Johann Peters