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John Sinclair Classics Band 29

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 29
Das Phantom von Soho

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 09.10.2018, 66 Seiten, 1,80 Euro, Titelbild: Ballestar
Dieser Roman erschien erstmals am 02.03.1976 als Gespenster-Krimi Band 129.

Kurzinhalt:

Dreizehn Morde hatte Monty Parker bereits auf dem Gewissen, als es John Sinclair gelang, den irren Killer zu stellen und dem Richter zu übergeben.
Das »Phantom von Soho« konnte endlich verurteilt werden und seine gerechte Strafe erhalten – doch vorher schwor Monty Parker blutige Rache an seinen Widersachern.
Fünf Jahre später scheint sich sein grausamer Schwur zu erfüllen. Als Erster wird der Richter tot aufgefunden. Alles deutet auf Parker als Täter hin, doch das »Phantom von Soho« hat ein bombensicheres Alibi …

Leseprobe

Sie hatten ihn gestellt!

Vier starke Scheinwerfer warfen ihre Lichtspeere in die Dunkelheit und vereinigten sich dicht vor der rissigen Backsteinmauer zu einem grell weißen Kegel.

Im Zentrum des Kegels stand Monty Parker, Massenmörder und Psychopath!

Unter seinem richtigen Namen kannte ihn kaum jemand. Nur der Spitzname ging flüsternd von Mund zu Mund: Das Phantom von Soho!

»Geben Sie auf, Parker!«

Überlaut hallte die Megafonstimme durch das schmale Geviert des Hinterhofes. Irgendwo oben in der Dunkelheit wurde ein Fenster aufgerissen. Eine Frauenstimme keifte: »Schieß ihn doch zusammen, diesen Hund!«

Monty Parker lachte irr. Sein Gelächter war gellend, teuflisch. Es schien aus den tiefsten Winkeln der Hölle zu kommen. Ja, so konnten nur Wahnsinnige lachen. Manch einem der abgebrühten Polizeibeamten lief eine Gänsehaut über den Rücken.

Parkers Gesicht war zu einer Fratze verzerrt. Das strähnige schwarze Haar klebte schweißfeucht auf seinem Kopf. Die Finger der rechten Hand umklammerten ein Messer. Die Klinge war noch blutig.

Blut von seinem letzten Opfer!

Es war eine Frau gewesen. Monty Parker hatte ihr aufgelauert, in einer trostloser Seitengasse. Die Frau war von der Spätschicht gekommen und wollte nach Hause.

Urplötzlich war das Phantom aus einem Hauseingang aufgetaucht, ein gespenstischer Schatten mit einem Messer in der Hand. Die Frau konnte nicht einmal schreien. Wie wild hatte Monty zugestochen Er war wie schon so oft von seinem Rausch gepackt worden.

Doch dann hatten ihn zwei Männer überrascht. Das Phantom war geflüchtet. Einer der Männer hatte die Polizei alarmiert, der andere war Parker auf den Fersen geblieben.

Bis zu jenem Hinterhof, der sich als Falle erwiesen hatte.

Jetzt standen sie vor ihm. Mindestens ein Dutzend Uniformierte. Dazu noch Beamte von Scotland Yard. Angeführt von einem blutjungen Inspektor namens John Sinclair. Dieser Mann war erst sechs Monate beim Yard. Und er wollte sich in diesem Fall die ersten Sporen verdienen.

John Sinclair hockte hinter einem Streifenwagen, in der rechten Hand ein Sprechfunkgerät. Er gab einige Kommandos an die Beamten, die außerhalb der Mauern den Hof umstellt hatten. Die Polizisten wollten kein Risiko eingehen.

Der Beamte neben John senkte die Hand mit dem Megafon. Er wischte sich über das Gesicht.

»Wir sollten schießen!«, presste er hervor. »Diese Bestie hat zwölf Menschen auf dem Gewissen Nein, dreizehn«, korrigierte er sich im gleichen Augenblick, »die Frau ist gestorben. Die Ärzte haben es nicht mehr geschafft.«

John Sinclair nickte. Seine Lippen waren zusammengepresst, und seine Stimme klang rau, als er sagte: »Schießen kommt nicht infrage. Ich hole ihr mir so!«

»Aber Sir. Sie wollen ganz allein …?«

»Ja.« John übergab dem Beamten das Sprechfunkgerät. Dann erhob er sich aus seiner Deckung.

Knapp kamen seine Anordnungen, als er aus dem Schutz des Streifenwagens trat.

Noch einmal atmete John Sinclair tief durch. Er wusste, dies hier war seine erste große Bewährungsprobe.

»Ich komme jetzt, Monty Parker!«

Laut hallte seine Stimme an den rauen Backsteinwänden des Hofes wider.

John spürte, dass seine Handflächen schweißnass waren. Er hatte keine Waffe, wollte das Phantom von Soho nicht noch mehr reizen. Die Streifenwagen blieben hinter ihm zurück.

Stille senkte sich über den Hinterhof. Selbst Monty Parker sagte keinen Ton. Er hatte nur seinen Arm angewinkelt und vor die Augen gepresst, um sich gegen das grelle Licht zu schützen.

Bei dem jungen Inspektor war jeder Nerv bis zum Zerreißen gespannt. Starr war sein Blick auf den Psycho-Killer gerichtet.

Monty Parker brüllte plötzlich auf. Dann warf er sich mit einem weiten Satz aus dem Bereich der Lichtkegel.

Augenblicklich folgten ihm die Scheinwerfer, nagelten ihn fest.

Monty Parker hatte sich in eine Ecke verkrochen. Er war nicht einmal groß, reichte John Sinclair höchstens bis zum Kinn. Sein Alter war schwer zu schätzen Er konnte dreißig, aber auch vierzig Jahre alt sein.

Ein böses Knurren drang aus Monty Parkers Mund. Wie ein Wolf fletschte er die Zähne. Leicht geduckt stand er da, das Messer mit der blutigen Klinge hielt er in der rechten Hand.

Er hatte seinen Schock überwunden, war jetzt wie ein in die Enge getriebenes Tier, das sich nur von seinen Instinkten treiben ließ.

»Komm nur her, du!«, keuchte das Phantom.

John Sinclair blieb stehen. Er sah in das hassverzerrte Gesicht, das nichts Menschliches mehr an sich halte, und für einen Moment kam ihm der Gedanke, den Schießbefehl zu geben.

Nein, so einfach wollte er es sich nicht machen.

Und da sprang Monty Parker vor. Der messerbewehrte Arm fuhr heran wie eine Schlange, blitzschnell, ansatzlos.

John Sinclair sprang zurück. Der Messerstoß wischte dicht an seiner Magengrube vorbei.

Monty Parker stieß einen enttäuschten Laut aus und griff wieder an. Diesmal kam die Klinge von oben. Und damit lief das Phantom von Soho genau in John Sinclairs Karateschlag.

Das Messer flog aus Parkers Fingern, klirrte mit einem metallischen Geräusch auf das schmutzige Kopfsteinpflaster.

Johns Linke war wie ein Dampfhammer. Krachend explodierte sie an Monty Parkers Kinn.

Der mehr schmächtige Mann wurde fast aus seinen Schuhen gehoben. Mit flatternden Armbewegungen segelte er zurück, prallte gegen die Mauer und rutschte bewusstlos an ihr herab.

John Sinclair blieb schwer atmend stehen. Er fühlte plötzlich, dass seine Knie zitterten.

Jemand schlug John auf die Schulter. Einige Leute begannen zu klatschen.

John Sinclair war der Held des Tages. Ein junger Inspektor hatte das Phantom von Soho gefasst. Etwas, das nie jemand für möglich gehalten hatte. Am wenigsten John Sinclair selbst.

Dann wurde plötzlich eine Gasse gebildet. Zwei bärenstarke Beamte führten Monty Parker ab. Das Phantom von Soho war aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, und nach wie vor verzerrte der Hass sein Gesicht, das unterhalb des Kinns eine blaugelbe Färbung aufwies.

«Du hast mich gefangen!«, stieß Monty Parker mit Blick auf John Sinclair hervor. »Aber merke dir eins, Polizist. Du hast mich nicht besiegt. Irgendwann werde ich wiederkommen. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht in fünf Jahren oder in zehn Jahren. Ich habe Zeit für meine Rache. Man kann keinen Teufel töten! Verstehst du. Polizist? Man kann keinen Teufel töten!«

Den beiden Beamten wurde es zu viel. Sie zogen das Phantom von Soho zu einem Streifenwagen, wo ihre Kollegen Mühe hatten, die lynchwütige Menge in Schach zu halten.

Bevor Monty Parker in den Streifenwagen gestoßen wurde, wandte er John Sinclair noch einmal voll sein Gesicht zu.

Zwei, drei Lidschläge lang starrten die Männer sich an. Und dann sah John Sinclair plötzlich, wie sich eine makabre Teufelsfratze über das Gesicht des Mörders schob.

John wollte etwas rufen, doch genauso schnell, wie er auch gekommen war, verschwand der Spuk wieder.

Nur das Gesicht des Teufels blieb John Sinclair in steter Erinnerung.

 

 

Die Verhandlung gegen Monty Parker fand bereits acht Wochen später statt. Es brauchten keine umfangreichen Recherchen angestellt werden, die Fakten lagen klar und deutlich auf dem Tisch.

Dreizehn Morde schrieb man Parker zu. Über zwei Jahre lang hatte das Phantom von Soho die Weltstadt in Atem gehalten.

Schon Tage vorher beschäftigten sich die Schlagzeilen der Gazetten nur mit dem bevorstehenden Prozess. Noch einmal wurden die Taten aufgerollt, Fortsetzungen erschienen und erzeugten bei den Lesern sanfte Schauer.

Der Tag der Verhandlung war auch ein großer Tag der Presse. Wer das Glück gehabt hatte, eine Zulassungsbescheinigung zum Prozess zu bekommen, war König. Die Scheine wurden sogar zu hohen Schwarzmarktpreisen gehandelt.

Menschen drängten sich in den hohen Fluren des alterswürdigen Gerichts Old Baily. Noch war der Verhandlungssaal verschlossen. Zwei Polizisten hielten vor der dicken Holztür Wache.

Dann wurde Monty Parker gebracht. Ein besonders gut gepanzerter Kastenwagen fuhr in den Hof des Gerichts. In Windeseile sprach sich die Nachricht herum.

Blitzlichter flammten auf. Parker hob beide Arme schützend vor den Kopf. Er hasste Fotografen.

Vier Polizisten drängten die Reporter zur Seite. Durch eine schmale Tür verschwanden sie mit Monty Parker im Inneren des Gerichtsgebäudes.

Noch eine Stunde bis zum Beginn des Prozesses.

Nervosität breitete sich aus. Selbst unter den abgebrühten Journalisten. Schließlich war Monty Parker nicht irgendwer, nein, er war ein Massenmörder, und manche behaupteten, er stünde mit dem Teufel im Bunde. Das war natürlich nur Geschwätz, aber immerhin, wenn jemand erst nach dreizehn Morden gefasst wurde, konnte das nicht mit rechten Dingen zugehen.

Inspektor John Sinclair erschien. Er war der Mann gewesen, der Monty Parker gefasst hatte.

Kaum stieg er aus dem Dienstwagen, war er von Reportern umringt. Ein besonders vorwitziger Bursche packte den Inspektor am Arm und zog ihn ein Stück zu Seite.

»Ein paar Fragen, Inspektor.«

»Nein«, wehrte John ab. »Ich sage nichts. Alles, was gesagt werden musste, haben Sie auf der Pressekonferenz gehört.«

»Da wird doch nur gelogen«, sagte der Reporter.

John musste lachen. Unwillkürlich sah er sich den Mann genauer an. Er war in seinem Alter, hatte eine wallende Haarmähne und ein sympathisches, offenes Gesicht. Seine hellblauen Augen blitzten.

»Also gut, Mister, was wollen Sie wissen?«

Der Presseknabe hatte schon seinen Rekorder eingeschaltet. Auch seine anderen Kollegen drängten sich um John Sinclair herum.

»Sagen Sie, Inspektor, hatten Sie eigentlich Angst?«

»Und wie! Schließlich war Monty Parker nicht irgendjemand. Er war das Phantom von Soho.«

»Sie hätten ja auch schießen können.«

»Ja. Aber wenn es sich eben machen lässt, sollte man den Gegner nur überwältigen. Und zwar unblutig.«

»Kleiner Idealist, wie?«, rief ein anderer.

»Das hat damit nichts zu tun. Ich hasse das Verbrechen, nicht die Verbrecher.« John Sinclair ruderte mit den Armen und bahnte sich einen Weg durch die Zeitungsleute.

»Übrigens. Inspektor!«

John wandte sich um. Der Reporter, der ihn interviewt hatte, war der Rufer. »Falls Sie sich beschweren wollen. Ich meine über den Artikel oder über die Fragen – mein Name ist Bill Conolly. Merken Sie sich ihn genau. Wir werden bestimmt noch mal zusammentreffen.«

Davon war John Sinclair auch überzeugt. Allerdings konnte er damals noch nicht ahnen, dass Bill Conolly einmal sein bester Freund werden sollte.

John Sinclair betrat die Halle des Gerichtsgebäudes. Auch hier lungerten Fotografen herum. Selbst Vertreter ausländischer Blätter waren anwesend.

Wieder flammten Blitzlichter auf.

John hörte Worte wie »Phantom-Killer« und »Karrieremacher«. Er kümmerte sich nicht darum.

Er ging die breite Treppe hinauf und betrat den hohen Gang, von dem die Türen zu den einzelnen Verhandlungssälen abzweigten.

Die Verhandlung gegen Monty Parker fand in Saal 3 statt. Der Eingang war bereits freigegeben worden. Vor der Tür kontrollierten die beiden Polizisten peinlich genau Personalausweis und Zulassungsbescheinigungen. Auch John Sinclair musste sich ausweisen und wurde erst dann eingelassen.

Der Verhandlungssaal war groß. Man hatte noch einige Stuhlreihen für Presseleute aufgestellt. Fotografieren war verboten. Ein Saaldiener mit dunklem Talar und langer Perücke führte John zur Zeugenbank.

Der Staatsanwalt war ebenfalls schon anwesend. Er hieß Sir William Mansing und war in London als harter Gesetzesvertreter bekannt. Er hatte schon einige aufsehenerregende Prozesse geführt, unter anderem auch eine große Spionagesache gegen Mitglieder der Regierung. Mansing war von kleiner Statur, hatte ein verknittertes Gesicht und trug eine dicke Hornbrille mit starken Gläsern. Seine Hände waren lang und schmal, und er hatte die unangenehme Angewohnheit, sich an den Fingern zu ziehen. Der Staatsanwalt nickte John Sinclair kurz zu und widmete sich wieder seinen Akten.

Monty Parker hatte einen Pflichtverteidiger bekommen, einen schon älteren Juristen namens Paul Willow. Der Verteidiger saß auf seinem Platz und blätterte in einem Stapel Papieren. Dreißig Minuten später erschien das Hohe Gericht.

Den Vorsitz hatte Sir Hugh Crayton, ein in Ehren ergrauter Richter, der zwei Jahre vor der Pensionierung stand.

Sir Hugh Crayton war ein hochgewachsener Mann mit strengen Gesichtszügen und dichten weißen Augenbrauen. Ihm zur Seite standen Mrs. Paula Adderly und Ronald Warren, zwei Schöffen. Außerdem noch sechs Geschworene, die sorgfältig ausgesucht worden waren.

Der Prozess begann.

Personen

  • Monty Parker, Phantom von Soho
  • John Sinclair, Oberinspektor bei Scotland Yard
  • Polizeibeamte
  • Bill Conolly, Reporter
  • Saaldiener
  • Sir William Mansing, Staatsanwalt
  • Paul Willow, Pflichtverteidiger
  • Sir Hugh Crayton, Vorsitzender Richter
  • Mrs. Paula Adderly, Schöffin
  • Mr. Ronald Warren, Schöffe
  • 6 Geschworene
  • Simon, Blocker, Hugh Craytons Freund
  • Abe Foremann, Hugh Craytons Freund
  • Lydia Blocker, Simon Blockers Ehefrau
  • Torwärter Miles
  • Sir James Powell, Superintendent
  • Dr. Conrad, Direktor des McCarthy-Sanatoriums
  • Perry Reeves, Wärter
  • Cora und Jim, Liebespaar
  • Sheila Conolly, Bills Frau
  • Oberinspektor Torring, Chef der Einsatzleitung
  • Krankenschwester
  • Professor Gardener, Toxikologe
  • rothaarige französische Tennisspielerin

Orte

  • London

Quellen:

  • Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 29. Bastei Verlag. Köln. 09. 10. 2018
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog. Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000