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Das Steppenross – Kapitel 11

Das-SteppenrossEduard Wagner
Das Steppenross
Eine Erzählung aus dem Jahr 1865 zu den Zeiten des amerikanisch-mexikanischen Krieges, nach dem Englischen des Kapitän Mayne Reid

Kapitel 11
Ijurras Drohungen

Als wir in die Ansiedelung einritten, zeigte sich am östlichen Horizont das milde Licht des Morgens. Mein Hunger war befriedigt, denn ein paar meiner Jäger hatten den Inhalt ihrer gut versehenen Brotbeutel mit mir geteilt. Meinen Durst hatte ich aus Wheatleys wohlgefüllter Feldflasche gelöscht.

Meine Nerven waren jetzt von der anhaltenden Spannung befreit, und ich fühlte mich todmüde. Halb ausgekleidet warf ich mich auf meine Ledermatratze und schlief sogleich ein.

Ein paar Stunden der Ruhe hatten den erwünschten Erfolg und verliehen meinem Körper und meinem Geist wieder neue Kräfte. Ich erwachte gesund und hoffnungsvoll.

Ich kleidete mich sorgfältig an, verzehrte schnell mein Frühstück und stieg dann mit einer brennenden Zigarre zu meinem Lieblingsort, dem flachen Dach, welches die Mexikaner Azotea nennen, hinauf.

Der schöne Hengst stand mit Stolz gewölbtem Hals inmitten einer Menschenmenge, die ihn bewundernd betrachtete. Die Jäger, die Hökerinnen des Platzes und einige düstere Leperos richteten ihre erstaunten Blicke auf das wilde Ross.

»Dies herrliche Geschenk ist einer Fürstin würdig«, dachte ich bei mir.

Ich hatte mich so sorgfältig gekleidet, weil ich beabsichtigte, das Geschenk selbst zu überbringen. Doch gab ich dies nach reiflicherem Nachdenken aus verschiedenen Rücksichten auf. Dazu gehörte vorzugsweise die Befürchtung, ein Besuch von mir könnte die Familie in der Hazienda in Verlegenheit setzen. Mit jenem Tag wurde das patriotische Gefühl in der Gegend lebhafter. Es war schon gefährlich, den Verdacht zu wecken, als stände man mit uns Amerikanern in gutem Vernehmen. Das Ross sollte jedoch kein Geschenk sein, sondern nur den Liebling, der durch meine Hand gefallen war, ersetzen. Ich wollte nicht als Geber erscheinen und deswegen den schönen Gefangenen durch meinen schwarzen Stallknecht übersenden. Dem Tier war bereits das Lasso als Zaum um den Kopf gelegt, und der Knecht wartete auf den Befehl, es fortzuführen.

Es trat jedoch ein Vorfall ein, der zu meiner Freude die allgemeine Aufmerksamkeit von meinem Schimmel ablenkte. Der Held dieses lächerlichen Vorfalls war Elijah Quackenboß.

Elijah Quackenboß war unter allen meinen Leuten am schlechtesten bekleidet und er ging gewöhnlich in Lumpen. Dies rührte daher, weil ein Anzug von Tuch seiner ungeschickten Gestalt schlecht saß und überdies bei seinen botanischen Ausflügen in sehr kurzer Zeit abgenutzt wurde.

Das nächtliche Gefecht hatte für Quackenboß einen großen Nutzen gehabt. Mit seiner Kugel hatte er einen von den fünf Mexikanern vom Pferd geschossen. Seine Kameraden verlachten zwar diese Behauptung anfänglich als eine Prahlerei, aber Quackenboß bewies ihnen die Wahrheit dadurch, dass er seine Kugel aus der Leiche des Mannes schnitt und sie ihnen vor Augen hielt. Alle wussten, dass Elijahs Büchse eigentümlich gebohrt und die Kugel daher von den übrigen zu unterscheiden war. Alle mussten daher einräumen, dass Quackenboß seinen Mann getötet habe.

Nach den Gesetzen des Jägerkriegs erhielt Quackenboß das Eigentum seines Feindes als Beute, und so erschien er denn jetzt, nachdem er seine Lumpen abgeworfen hatte, in dem vollständigen mexikanischen Kostüm, mit Schärpe, Decke, Jacke, Hut aus Wachstuch und riesigen Sporen. Seine Beine steckten in einer mexikanischen Samthose und seine langen Arme in den Ärmeln einer gestickten Jacke. Die ganze Erscheinung des umgekleideten Jägers war so seltsam, dass sie auf dem Platz das Gelächter seiner Kameraden und der versammelten Einwohner hervorrief. Selbst die braunen Indianerinnen stimmten ein, indem sie ihre weißen Zähne fletschten.

Elijah hatte aber auch einen Comanchenmustang zur Beute gemacht und denselben, da sein eigenes Pferd nicht viel taugte, mit Sattel und Zaum versehen. So beritten erschien er auf dem Platz. Das Pferd war so gut und prächtig, dass viele seiner Kameraden ihn darum beneideten.

Kaum war das Gelächter verstummt, als der Befehl zum Aufsitzen gegeben wurde und jeder auf sein Pferd sprang. Nachdem Elijah jedoch seine Schenkel im Sattel zurechtgesetzt hatte, begann der Mustang nach allen Richtungen hin auszuschlagen. Bald sah man seine Hinterbeine, bald seine Vorderbeine, bald alle viere zusammen in der Luft schweben.

Zur Verwunderung seiner Kameraden behielt Quackenboß seinen Platz. Obgleich er der schlechteste Reiter seines Trupps war, saß er doch immer fest im Sattel. Die Jäger gerieten in nicht geringes Erstaunen über diese glänzenden Reiterkünste, bis plötzlich einer der scharfsichtigeren Umstehenden die Erklärung des Geheimnisses fand. Er hatte zufällig unter das Steppenross gesehen und rief sogleich aus:

»Seht nur einmal – er hat die Sporen ineinander geklemmt!«

Alle blickten nach unten und stimmten in ein neues Gelächter ein, als sie dies wirklich bestätigt fanden.

Elijah, der wohl vermutete, dass der Mustang ausschlagen würde, hatte das Tier mit seinen außerordentlich langen Beinen so völlig umschlossen, dass sich seine Absätze unten trafen. Dabei hatte er aber nicht auf seine neuen Sporen gerechnet, deren Räder sechs Zoll im Durchmesser, den armen Mustang zum Ausschlagen reizten. Diese Räder hatten sich ineinander verschlungen und hielten den Reiter so fest, als ob er im Sattel angeschnallt sei. Sie versenkten sich mit den Rädern in die Rippen des Tieres, sodass dieses nach jedem Sprung grimmiger wurde und sich seines grausamen Reiters zu entledigen suchte.

Der Auftritt hätte vielleicht noch lange gedauert, wenn nicht eine mitleidige Seele dem Ross das Lasso um den Hals geworfen und es dadurch zur Ruhe gebracht hätte.

Ich benutzte die Verwirrung, meinen schwarzen Diener mit seinem Auftrag fortzuschicken. Von meinem Platz auf dem Dach blickte ich ihm erwartungsvoll nach und sah, wie er mit dem stolzen Ross den Hügel hinaufging und durch das Haupttor der Hazienda hinschritt.

Bald darauf kehrte der Stallknecht ohne das Pferd zurück. Das Geschenk war also angenommen worden. Ungeduldig wartete ich, bis sich die schweren Schritte auf der Treppe hören ließen und danach ein glänzend schwarzes Gesicht sich auf dem Dach zeigte.

Er brachte tausend Dank zurück, aber weder einen Brief noch eine Botschaft. Ich war ärgerlich, denn ich hatte einen besseren Dank erwartet. Mein Diener war jedoch völlig zufrieden, denn er zeigte in seiner Handfläche ein schönes Goldstück, das er als Trinkgeld erhalten hatte.

Jetzt verlangte ich ungeduldig nach meinem Pferd. Ich schwang mich in den Sattel, eilte vom Platz und spornte, als ich das Freie erreicht hatte, mein Pferd zum Galopp an.

Mein Weg führte mich am Fluss hinauf durch die Niederung, die dicht mit Gummibäumen und Silberpappeln bedeckt war.

Nach einem kurzen Ritt kam ich in die Nähe eines Hügels, wo ich die Spuren eines Rosses bemerkte. Dieselben schienen noch frisch zu sein und der Reiter konnte sich nicht weit von mir entfernt haben, denn ich glaubte noch Hufschläge zu hören. Ich eilte schweigend weiter, konnte jedoch niemand erreichen. Die untergehende Sonne färbte bereits die Steppe mit ihren purpurroten Strahlen. Ich lenkte mein Pferd wieder den Hügel hinab und vertiefte mich wieder im Schatten der Mimosen, in der Absicht, heimzukehren.

Mein Pferd hätte, sich selbst überlassen, wahrscheinlich den richtigen Weg eingeschlagen. Ich konnte aber, in Nachdenken versunken, wohl wiederholt am Zügel gezogen haben, denn nach Verlauf einiger Zeit befand ich mich in der Mitte eines dichten Waldes ohne die Spur einer Fährte. Ich wusste nicht, ob ich die richtige Richtung zu dem Dorf verfolgte, und ritt eine Zeitlang weiter, ohne die Fährte wieder finden zu können. Voller Zweifel kehrte ich plötzlich um und erreichte eine Waldebene, wo ich ebenfalls nirgend einen Weg fand. Das Unterholz der kleinen Palmen gestattete nicht, in eine große Entfernung zu sehen, und ich war zu der Überzeugung gekommen, von meinem Weg abgekommen zu sein.

Wäre es noch früh am Tage gewesen, so würde mich dieser Umstand nicht beunruhigt haben. Aber die Sonne war schon untergegangen, und die Dunkelheit wurde durch den Schatten der bemoosten Bäume noch vermehrt. In wenigen Minuten musste die Nacht einbrechen und ich war genötigt, im Wald zu bleiben, so dünn gekleidet und hungrig ich auch war. Es musste eine schlechte Nacht werden, denn ich war zu erschöpft, um viel nachzudenken, zu kalt, um zu schlafen und überdies fing der Regen an, in großen Tropfen zu fallen.

Da ich trotz meiner wiederholten Versuche, die Fährte nicht finden konnte, hielt ich mein Pferd an und lauschte. Meine Ohren mussten mir jetzt bessere Dienste leisten als meine Augen.

Ich hörte den Knall einer Büchse, die nur wenige hundert Schritte von mir entfernt im Wald abgeschossen sein konnte. Auf feindlichem Boden hätte dieser Laut mich beunruhigen können, wenn ich nicht in dem scharf pfeifenden Knall die Büchse eines Jägers erkannt hätte. Bald darauf hörte ich auch einen dumpfen Schall, als ob ein schwerer Körper von bedeutender Höhe zur Erde herabfiele. Als ein Jäger erkannte ich genau, dass es die Beute sein musste, welche die Kugel erlegt hatte. Der Schuss war von einem Amerikaner abgefeuert worden, aber von wem? Drei oder vier unter meinen Jägern hatten solche Büchsen. Es waren lauter Hinterwäldler, denen man erlaubt hatte, ihre Lieblingswaffe statt der Dienstgewehre zu tragen. Es mochte einer von diesen gewesen sein.

So schnell das Unterholz es gestattete, ritt ich zu dem Ort hin. Aber ich sah niemand an der Stelle, wo der Schuss gefallen sein musste. Plötzlich rief eine wohlbekannte Stimme hinter mir: »Holla! Es ist der junge Bursche.«

Ich drehte mich um und sah meine Kameraden, die Trapper, aus dem Gebüsch kommen, in welchem sie sich aus Vorsicht verborgen hatten, als sie die Hufschläge meines Pferdes hörten. Rube trug die Beute, die ich fallen gehört hatte, eine fette Truthenne, auf der Schulter, und auf Gareys Rücken sah ich das leckere Stück von einem Hirsch.

»Ich sehe, Sie haben mit gutem Erfolg für Proviant gesorgt«, sagte ich zu den Herankommenden.

»Ja, Captain, es wird an Rationen nicht fehlen«, erwiderte Garey. »Ihre Jäger haben uns zwar genug angeboten, aber wir konnten es nicht gut annehmen, da wir versprochen hatten, für uns selber zu sorgen.«

»Ja, das ist gewiss«, setzte Rube hinzu, »wir sind freie Gebirgsmänner und wollen bei niemand schmarotzen, nein, das wollen wir nicht!«

»Und, Captain, da für Sie gerade nichts Besonderes zu essen vorhanden zu sein scheint, so können Sie ja die Truthenne und auch etwas vom Hirschschenkel annehmen. Nicht wahr, Rube, es bleibt für mich und dich noch genug übrig?«

»Freilich«, lautete die Antwort.

Ich ging auf den Wunsch der Jäger bereitwillig ein, denn die Speisekammer des Lagers hegte keine Leckerbissen wie einen wilden Truthahn oder Wildbret. Wir entfernten uns alle drei von dem Ort und gelangten, von den Trappern geführt, bald auf den rechten Weg. Auch sie waren willens, sich zum Posten zu begeben, denn sie hatten seit Mittag im Walde gejagt und ihre Pferde in dem Flecken zurückgelassen.

Etwa eine halbe Meile waren wir unter den Bäumen hingegangen, als wir einen schmalen Weg erreichten, der meine Begleiter in nicht geringere Verlegenheit als mich setzte. Auch sie kannten die Gegend nicht und wussten nicht, welche Richtung einzuschlagen war. Es war sehr dunkel, blitzte aber von Zeit zu Zeit. Dabei regnete es aus allen Schleusen des Himmels, und wir wurden durch und durch nass. Niemand konnte in der Nacht die Richtung erkennen, denn das ganze Himmelsgewölbe war in schwarze Wolken gehüllt und weder ein Lichtstreifen noch ein Stern zu erblicken.

Als der Blitz leuchtete, sah ich, wie Rube sieh niederbeugte und eine Spur bemerkte. Er hatte tiefe Geleise von Rädern, augenscheinlich von einem plumpen Karren, bemerkt und untersuchte sie.

Der alte Trapper richtete sich empor, als hätte er die Inschrift eines Wegweisers gelesen, und rief weiter gehend: »Es ist ganz richtig! Hier entlang!«

Als ich ihn fragte, auf welche Weise er sich für diese Richtung entschieden habe, antwortete er: »Sehen Sie, junger Bursche, es ist die Fährte eines mexikanischen Karrens. Jeder, der ein solches Ding gesehen hat, weiß, dass es auf zwei Rädern sitzt. Es sind aber vier Spuren zu sehen, und zwar von demselben Räderpaar und folglich muss der Karren hin- und zurückgefahren sein. Da nun aber vorauszusetzen ist, dass die Rückfahrt zu der Ansiedlung führt, so muss der Weg hier entlang gehen.«

»Aber wie erkannten Sie denn die Rückfahrt?«

»Das ist ebenso leicht, als einen Baum zu fällen. Die Rückfahrt ist um ein paar Stunden frischer.«

Indem ich über den eigentümlichen Instinkt unseres Führers nachdachte, ritt ich schweigend weiter. Bald darauf begann Rube, der einige Schritte vorausging, wieder: »Die Radspuren machen die Sache nur gewisser, sonst hätten Sie den Weg auch aus einem anderen Zeichen erkennen können.«

»Und was für ein anderes Zeichen haben Sie?«, fragte ich.

»Das Wasser«, antwortete er. »Sie können sehen, dass es hierhin läuft. Hören Sie es auch?«

Ich hörte deutlich das Geräusch von fließendem Wasser, welches wie ein kleiner Bach dahinströmte.

»Ja, ich höre es.«

»Nun«, fuhr der Trapper fort, »das ist der Abfluss vom Regen, und wenn wir ihm ebenfalls folgen, so müssen wir an den Fluss kommen, was wir ja beabsichtigen. Sind wir einmal da, so werden wir ja den Weg weiter finden. Aber es regnet so stark, dass eine Moschusratte ertrinken konnte. Puh!«

Der Erfolg zeigte, dass der Trapper sich nicht verrechnet hatte. Wir folgten der Richtung, welche das Wasser eingeschlagen hatte, und bald darauf sahen wir, wie ein plätschernder Bach unter dem Gebüsch hervorschoss und von unserem Pfad in einem spitzen Winkel ablief. Als wir durch das angeschwollene Bächlein schritten, sahen wir die Strömung noch in derselben Richtung, die unser Weg verfolgte. Wir mussten also sicher an den Fluss gelangen.

Eine halbe Meile weiter erblickten wir auch das Ufer des Flusses und gelangten auf die Hauptstraße, die zur Ansiedlung führte. Wenige Minuten weiter schreitend erreichten wir die Grenze des Dorfes, wo uns die Schildwache mit dem lauten Ruf »Wer da!« anhielt.

»Freunde«, antwortete ich. »Sind Sie es, Quackenboß?«

Ich hatte den alten Botaniker an seiner Stimme erkannt und sah ihn beim Leuchten des Blitzes an einen Baumstamm gelehnt.

»Halt, die Parole«, erwiderte er in entschlossenem Ton.

An dieses Zauberwort hatte ich beim Ausreiten nicht gedacht und erwartete, da ich es nicht kannte, einen unangenehmen Auftritt. Doch wollte ich die Schildwache auf die Probe stellen. Ich erklärte, die Parole nicht zu wissen, nannte aber meinen Namen und Rang.

»Kümmert mich alles nicht«, gab Quackenboß mürrisch zur Antwort, »ohne die Parole kommen Sie nicht vorbei.«

»Es ist ja dein Captain, verwünschter Narr«, rief Rube ärgerlich.

»Das kann sein, ich kann ihn aber ohne die Parole nicht vorüberlassen«, antwortete die Schildwache in unerschütterlichem Ton.

In eine schlimme Lage versetzt, schlug ich vor, Quackenboß sollte nach dem Korporal von der Wache oder nach dem Leutnant schicken.

»Ich habe niemand zu schicken«, antwortete Quackenboß.

»Dann will ich gehen«, antwortete Garey schnell, denn er glaubte in seiner Unschuld, es wäre kein Grund vorhanden, ihn zu hindern. Schon machte er ein paar Schritte auf die Schildwache zu, als Quackenboß mit donnernder Stimme rief: »Halt! Noch einen Schritt, und ich jage dir eine Kugel durch den Leib.«

»Was heißt das? Eine Kugel? Holla! Du willst ihn totschießen?«, rief Rube vorwurfsvoll. »Wie? Wenn du schießt, verwünschter Maultierkopf, so soll es das letzte Mal sein, dass du die Tatze an einen Drücker legst. Nur vorwärts!«

Rube stand mit erhobener Büchse da. Beim Schein des Blitzes sah ich die Schildwache gleichfalls mit angelegtem Gewehr dastehen. Ich wusste, dass er sicher zielte und zitterte für die Folgen.

»Halt! Quackenboß!«, rief ich, »schieß nicht! Wir wollen warten, bis jemand kommt.«

Bei diesen Worten zog ich meine beiden Begleiter zurück. Der Jäger mochte mich jetzt an dem Ton meiner Stimme erkannt oder mich beim Blitz deutlicher gesehen haben. Ich sah, dass er das Gewehr bei Fuß nahm. Dennoch weigerte er sich, trotz allem Zureden, uns vorbei zu lassen. Nachdem ich zwischen Quackenboß und meinen beiden Begleitern den Frieden wieder hergestellt hatte, blieb ich ruhig stehen, um zu warten, ob vielleicht sich jemand nähern würde. Diesen Augenblick zeigte sich wirklich ein Jäger auf der Seite des Platzes. Quackenboß rief ihn an, und er wurde nach einem längeren Gespräch abgeschickt, den Corporal von der Wache herbeizuholen. Dieser kam und erlöste uns aus unserer Not. Wir konnten uns ungehindert auf den Platz begeben, doch hörte ich, wie Rube der Schildwache im Vorübergehen zumurmelte: »Du verwünschter Maultierkopf, wenn ich dich draußen auf der Steppe hätte, wollte ich es dir wohl zeigen!«

Der Leser wird wohl bemerkt haben, dass ich die Absicht hegte, die schöne Isolina zu meiner Gemahlin zu machen. Aber ich war arm und wollte anfangs nicht wagen, die Hand dieser reichen Dame zu fordern. Wennschon aber meine Habe nicht ihrem Reichtum gleichkam, so hoffte ich doch, dass ich mir den Weg zu Rang und Ruhm bahnen würde. Der Ruhm hält dem Reichtum das Gleichgewicht. Ein Mann mit einem klugen Kopf und entschlossenen

Hetzen konnte mit gutem Recht um die Tochter des reichen Hazienderos werben, deren Neigung ihm gehörte.

Aber unserer ehelichen Verbindung stand noch manches Hindernis, das in dem noch währenden Krieg begründet lag, entgegen und vorläufig stand sogar eine bittere Trennung bevor.

Voll düsterer Betrachtungen ritt ich eines Tages aus und drang in den dichten Wald. Es war kein Weg vorhanden, aber ich sah die Spur des Schimmels, den Isolina ritt, und diese war leicht zu verfolgen. Ich war noch keine fünfhundert Schritte vom Hügel entfernt, als ich aus geringer Entfernung Stimmen durch den Wald schallen hörte. Durch mein langes Leben an der Grenze war ich vorsichtig geworden und hielt unwillkürlich an, um zu lauschen.

Ich erkannte eine weibliche Stimme und auch der Klang ließ mich nicht in Ungewissheit, wem sie gehörte. Ws war Isolina, welche sprach.

Mit wem sprach sie? Wem war sie in diesem Wald begegnet? Als sie zu sprechen aufhörte, lauschte ich auf die Antwort. Ich hörte die Stimme eines Mannes. Es war die Stimme Rafael Ijurras. An dem Felsen hatte ich hinlänglich auf ihren Ton geachtet, nur sie im Gedächtnis zu behalten. Der Ton war wohlklingend und harmonisch, aber er berührte mein Ohr widerwärtig.

Ich glitt leise aus dem Sattel und schlich mich wie ein Jaguar an die Sprechenden heran. Mein Pferd war gewöhnt, ungefesselt an dem Ort stehen zu bleiben. Ich hatte nicht zu fürchten, dass es mich verraten würde. Mit den Händen die Zweige auseinanderbiegend, näherte ich mich vorsichtig, Schritt für Schritt. Die Blätter der Säbelpalmen, welche auf kurzem Stiel wie große grüne Fächer wachsen, begünstigten mich. Sie bildeten einen vollkommenen Schirm, sodass das schärfste Auge mich nicht hätte bemerken können.

Nach einigen Sekunden erreichte ich den Rand der kleinen Lichtung und erblickte durch die Bäume Isolina und ihren Vetter. Isolina saß noch zu Pferde, Ijurra stand neben ihr, hielt mit der einen Hand den Sattelknopf und hatte mit der anderen die Zügel erfasst. Ich sah jetzt aus dieser Stellung, dass Isolina zufällig mit Ijurra zusammengetroffen war und dass dieser sie zurückhielt. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, da es Ijurra nach der anderen Seite hin zugewandt war. An dem Ton ihrer Stimme aber erkannte ich sie. Bisher konnte ich nicht verstehen, was gesprochen wurde, denn das Geräusch der Blätter unter meinen Füßen und der Zweige, durch die ich mich drängte, verhinderten dies. Als ich, fünfzig Schritte von den Sprechenden entfernt, anhielt, konnte ich die Unterhaltung, welche in lautem Ton geführt wurde, deutlich vernehmen.

»Du weigerst dich also?«, fragte Ijurra.

»Ich habe es schon früher getan, Rafael. Durch dein Benehmen hast du keinen Grund gegeben, meine Ansicht über dich zu ändern.«

»Mein Benehmen hat hierbei nichts zu schaffen. Du hast andere Gründe«, erwiderte Ijurra mit leuchtenden Augen. Dabei presste er die Lippen zusammen und schien bemüht, seinen ausbrechenden Zorn zurückzuhalten. »Du willst diesen Yankee-Captain heiraten?«, fragte er in nachdrücklichem Ton. »Aber das sollst du nie, das schwöre ich bei allen Heiligen. Höre mich an, Isolina de Vargas! Ich habe dir etwas zu sagen, was vielleicht nicht ganz angenehm sein wird.«

»Du kannst nur überhaupt nichts Angenehmes sagen. Aber ich höre.«

»Zuerst habe ich hier gewisse Schriftstücke, welche dich und deinen Vater betreffen.«

Ich sah, wie er unter seiner Jacke ein paar zusammengefaltete Papiere hervorholte, sie auseinanderlegte und ihr vor das Gesicht hielt.

»Diesen Pass«, fuhr er fort, »hat der amerikanische Befehlshaber der Donna Isolina de Vargas ausgestellt. Du hast ihn vielleicht schon früher gesehen, und hier ist ein Brief, den Don Ramon de Vargas an den Generalkommissar der amerikanischen Armee gerichtet hat, und noch ein anderer an jenen Captain – das ist ein schönes Verräterstückchen!«

»Und was weiter?«

»Es ist nicht gut für dich«, fuhr er fort, »dass der General Santa Anna jetzt über diese Republik gebietet. Meinst du, er würde solchen verräterischen Briefwechsel nicht bestrafen? Wenn ich ihm diese Schriftstücke vorlege, so erhalte ich den Befehl, sowohl dich als auch deinen Vater in aller Eile zu verhaften. Ja, auch die Besitzung wird konfisziert und die meine.«

Ijurra schwieg, um eine Antwort zu erwarten. Aber Isolina blieb stumm. Da ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, glaubte ich, die Drohung hätte sie eingeschüchtert.

»Nun, Señorita«, fuhr Ijurra fort, »jetzt begreifst du wohl unsere gegenwärtige Stellung? Wenn du einwilligst, meine Braut zu sein, so sollen diese Papiere auf der Stelle vernichtet werden.«

»Nie!«, antwortete Isolina.

»Nie«, wiederholte Ijurra, »dann fürchte die Folgen! Ich werde den Haftbefehl für euch erhalten und die Besitzung wird die meine sein, sobald die Schurken von Amerikanern aus dem Land getrieben sind.«

»Haha!«, lachte sie, »du irrst dich, Rafael Ijurra. Trotz deines Scharfsinns vergisst du, dass die Besitzung meines Vaters auf der texanischen Seite des Rio Grande liegt. Ehe diese Schurken von Amerikanern vertrieben sein werden, wird dieser Fluss als Grenze festgelegt. Wer sollte dann das Recht zum Konfiszieren haben? Weder du noch dein feiger Befehlshaber.«

Durch diese Worte wurde Ijurra nur noch wütender, sein Gesicht erbleichte und er schien nicht mehr Herr über sich selbst. Aber auch Isolina mochte diese Beleidigung nicht mehr länger ertragen.

»Erbärmlicher Mensch«, rief sie mit gepresster Stimme, »fort aus meinem Weg!«

»Noch nicht«, antwortete Ijurra, indem er die Zügel fester hielt, »ich habe dir noch etwas mitzuteilen.«

»Lass die Zügel los!«

»Nein, vorher musst du mir versprechen …«

»Ich sage noch einmal, lass die Zügel los, sonst trifft diese Kugel dein Herz!«

Als ich aus dem Dickicht hervorsprang, um zu ihrem Schutz herbeizueilen, sah ich, wie sie mit der rechten Hand die Pistole erhob und die Mündung derselben gegen Ijurra richtete. Der Feige kannte ihren entschlossenen Charakter, und die Drohung hatte Erfolg. Er ließ die Zügel aus seinen Händen und trat, mit einem Blick voll Hass und Furcht einen Schritt zurück.

Kaum fühlte das Pferd die Zügel frei, als es, durch die Sporen noch mehr gereizt, vorwärts sprang, und Ross und Reiterin hinter den Palmenbäumen verschwanden.

Sie hatte meiner Hilfe nicht bedurft, und ich sah und hörte nichts mehr von ihr, als ich an Ort und Stelle ankam.

Ich eilte auf Ijurra zu, der allein stand. Er hatte mir den Rücken zugekehrt und blickte in die Richtung, in welcher Isolina verschwunden war. Dabei stieß er einen Schrei grimmiger Rache aus. Dies hinderte ihn, mich zu hören, obschon ich nur noch drei Schritte hinter ihm stand. Er war vollkommen in meiner Gewalt und ich hätte ihn mit meinem gezogenen Degen von hinten durchstoßen können. Ein gemeiner Mensch würde mit dem Schurken auf der Stelle fertig gewesen sein. Er hätte sich an meiner Stelle nicht zu einem ehrlichen Kampf verpflichtet gehalten. Ich hatte vor mir einen Todfeind, einen meineidigen Schurken, einen Mörder, der nach meinem Leben getrachtet hatte.

Ich hegte nur einen Augenblick den Gedanken, die Gesetze der Ehre außer Acht zu lassen. So schlecht und elend er war, konnte ich ihn doch nicht hinterrücks töten. Ich trat näher, schlug ihm auf die Schulter und nannte seinen Namen.

Bei dieser Andeutung meiner Gegenwart schrak er zusammen, als wäre er von einer Kugel getroffen. Als er sein Gesicht nach mir wandte, sah ich, dass die Glut des Zorns einer Todesblässe gewichen war, seine Augen hatten einen furchtsamen Ausdruck. Die Überraschung mochte diese Wirkung auf ihn hervorgebracht haben.

Außerdem wohl meine entschlossene Miene und mein gezogener Säbel.

Wir standen uns zum ersten Mal gegenüber und ich bemerkte jetzt, dass er größer war als ich. Aber ich sah den furchtsamen Ausdruck seiner Augen und seine zitternden Lippen und fühlte, dass ich sein Herr sei.

»Sind Sie Rafael Ijurra?«, fragte ich zum wiederholten Mal.

»Ja, mein Herr. Was wünschen Sie von mir?«, antwortete er nach einer Pause.

»Sie haben da einige Schriftstücke in der Hand, von denen mir ein Teil gehört. Ich muss Sie bitten, mir dieselben zu überreichen.«

»Sind Sie Captain Warfield?«, fragte er nach einer Pause, während ich bemerkte, dass er die Dokumente mit zitternden Händen festhielt.

»Ich bin Captain Warfield, und das sollten Sie jetzt wohl wissen.«

Ohne auf diese Bemerkung zu achten, antwortete er: »Freilich, hier ist ein Brief, der diese Adresse trägt und den ich auf der Straße gefunden habe. Er steht zu Ihren Diensten.« Bei diesen Worten überreichte er mir den Befehl des Kommissars, behielt aber noch immer die übrigen Schriftstücke.

»Es war noch eine Einlage dabei, die Sie in der Hand halten. Ich bitte mir dieselbe ebenfalls zu überreichen.«

»Aha! Ein Billet mit der Unterschrift Ramon de Vargas? War dieses eingeschlossen?«

»Allerdings, es gehörte natürlicherweise zu dem Brief.«

»Hier ist es, mein Herr.«

Sie sind noch im Besitz eines anderen Dokuments, eines Passes, den der amerikanische Befehlshaber für eine Dame ausgestellt hat. Er gehört nicht Ihnen, Señor Ijurra. Ich bitte Sie, ihn mir zu geben, denn ich will ihn der Dame zurückstellen, der er gehört.«

Er blickte schnell zu beiden Seiten, als ob er fliehen wollte. Aber er sah, dass ich ihn im Auge behielt und meine Hand in Bereitschaft hatte.

»Es ist freilich ein Pass vorhanden«, antwortete er nach einer Pause, indem er sich zum Lächeln zwang. »Für mich ist es ein wertvolles Dokument, aber es steht Ihnen zu Diensten, Captain.«

Während er mir das Papier überreichte, zwang er sich wieder zum Lächeln. Ich legte alle drei Dokumente in meine Jacke, nahm dann eine Kampfstellung an und rief meinem Gegner zu, er solle ziehen und sich verteidigen.

Er trug, wie ich, einen Degen. Ich sah keine Pistole bei ihm und hatte selbst keine. Meine Waffe war viel leichter als der Degen meines Gegners, aber ich setzte großes Vertrauen darauf. Gegen einen so feigen Gegner hatte ich überdies nichts zu fürchten. Weder durch seine schwere Klinge noch durch seine große Gestalt ließ ich mich einschüchtern. Zu meinem Erstaunen zögerte er aber, den Degen zu ziehen.

»Sie müssen ziehen!«, rief ich in bestimmten Ton, »oder jetzt sterben. Wollen Sie Feigling getötet werden, während Sie die Klinge in der Scheide haben?«

Auch durch diesen Hohn wurde er nicht ermutigt. Ich hatte niemals einen größeren Feigling gesehen. Seine blassen Lippen zitterten, seine Augen schweiften wild nach allen Seiten, um eine Gelegenheit zur Flucht zu suchen. Wenn sich eine solche gezeigt hätte, wäre er sicherlich davongelaufen.

Zu meiner Verwunderung schien er plötzlich Mut zu fassen. Er zog die Klinge mit der Entschlossenheit eines tapferen Mannes aus der Scheide. Seine Furcht vor dem Kampf schien verschwunden. War es die Verzweiflung, die ihm Mut gab? Sein furchtsames Aussehen veränderte sich, die Augen blitzten wütend und rachgierig, und seine Zähne pressten sich aneinander.

Wir kreuzten die Klingen, und die sprühenden Funken verkündeten den beginnenden Kampf.

Um dem ersten Stoß meines Gegners auszuweichen, machte ich eine halbe Wendung und drehte mich glücklicherweise schnell, sonst würde ich die Stelle nicht lebendig verlassen haben. Indem ich mich auf die andere Seite wandte, erblickte ich zwei Männer mit gezogenem Säbel auf uns zulaufen. Ich erkannte auf den ersten Blick Guerilleros. Ijurra musste sie schon längst gesehen haben, denn sie waren nur noch zwanzig Schritte von uns entfernt. Dadurch war es erklärlich, wodurch sich sein Benehmen geändert hatte. Durch ihre Ankunft erhielt er Mut, den Kampf zu wagen, denn er rechnete darauf, dass sie imstande sein würden, mich von hinten anzufallen.

»Heda, heda!«, rief er, »El Zorro, Jose! Anda! Anda!«

Jetzt wurde ich meiner Gefahr bewusst. Ich stand einer furchtbaren Übermacht gegenüber, und da der große Mann Hilfe bekommen hatte, war er nicht mehr der Feigling, den ich früher vor mir gehabt hatte. Hätte ich es für möglich gehalten, so würde ich den Rückzug angetreten haben, aber mein Pferd war zu weit entfernt und die Ankommenden befanden sich gerade auf dem Weg, den ich hätte einschlagen müssen.

Zu Fuß zu fliehen, konnte ich nicht hoffen, denn diese Männer liefen so schnell wie Indianer, das hatte ich oft gesehen. Sie waren bereits nahe, ich sollte überfallen und hinterrücks durchbohrt werden.

Es blieb keine Zeit zum Überlegen. Ich sprang ein paar Schritte zurück, sodass ich alle drei vor mir hatte und ihre Schläge nacheinander parieren konnte.

Der ungleiche Kampf war ein verwirrtes Gewühl von Schlägen und Stößen, bei welchen ich verwundet wurde, aber auch selbst verwundete.

Ich fühlte, wie das Blut über mein Gesicht und unter meinen Kleidern hervorrann. Mit jedem Augenblick wurde ich müder und schwächer. Mein Feind stand mit gehobenem Arm vor mir. Seine Klinge war an der Spitze mit meinem Blut gefärbt und sollte eben den letzten Stoß tun. Indem ich einen Hieb Ijurras abwehrte, hatte ich meine Kraft erschöpft und konnte jenen letzten Streich nicht mehr parieren. Ich stieß einen Schrei der Verzweiflung aus.

Plötzlich entfiel die Klinge der Hand meines Gegners. Sein erhobener Arm sank schlaff herab. Auf den Gesichtern meiner Feinde zeigte sich eine große Verwirrung. Hinter mir hörte ich einen lauten Knall und sah, dass El Zorros Arm durch einen Schuss zerschmettert wurde.

Ich erwachte wie aus einem furchtbaren Traum. Kurz vorher hatte ich gegen drei entschlossene Männer gekämpft, jetzt sah ich sie mir den Rücken wenden und in der größten Hast davonlaufen. Nicht weit konnte ich ihren Lauf verfolgen, denn sie drangen in das Gebüsch und verschwanden.

Als ich mich nach der anderen Seite wandte, sah ich einen Mann mit einer Flinte in der Hand über die Lichtung herlaufen kommen und sich mir nähern. Er musste den Schuss getan haben. Er trug mexikanische Kleidung und musste zu den Mexikanern gehören. Vielleicht hatte er nach mir gezielt und aus Versehen seinen Kameraden verwundet. Aber er musste kühner sein als die Übrigen, da er allein herbeieilte, um mich anzugreifen.

Schon setzte ich mich in Bereitschaft, es mit diesem neuen Gegner aufzunehmen. Ich fasste meinen Säbel fest und wischte mir das Blut von den Augen. Als er aber dicht vor meiner Klinge stand, erkannte ich an den langem Affenarmem und den krummen Beinen meinen Jäger, den Botaniker Elijah Quackenboß.

Der Jäger hatte nicht wieder geladen, sondern kam in der Absicht, mich beim Handgemenge zu unterstützen, obwohl er keine anderen Waffen führte als seine leere Flinte. Aber der Bursche war trotz seiner unförmlichen Gestalt doch so kräftig und muskulös, dass er es mit zwei von meinen Feinden vollkommen aufgenommen hätte. Meine Angreifer waren jedoch durch den Knall der Flinte wie die Rehe verscheucht worden, entweder, weil sie eine größere Macht in der Nähe glaubten, oder weil sie sich der furchtbaren Büchsen der Trapper erinnerten, und vermuteten, dass sie ebenfalls zu meiner Rettung herbeikommen würden. Als ich den seltsam gekleideten Jäger deutlicher ansah, überzeugte ich mich, dass ich ihm meine Rettung verdankte. Vom Lauf seiner Flinte hing eine große kugelförmige Kaktuspflanze herab und in jenem Knopfloch, in allen Taschen seines Anzugs waren Blätter, Zweige, Früchte und seltene Pflanzen zu sehen. Er hatte im Wald botanisiert und war, als er zufällig den Lärm des Kampfes hörte, zu rechter Zeit herbeigeeilt, um den Gnadenstoß zu verhindern, den mir El Zorro geben wollte.

»Dank, Quackenboß, mein wackerer Freund, Ihr kamt zur rechten Zeit, um mich zu retten.«

»Es war ein schlechter Schuss, Captain. Ich hätte dem roten Kerl den Schädel zerschmettern sollen, aber er ist wohlfeil davongekommen.«

»Es war ein guter Schuss, Ihr habt ihm wahrscheinlich den Arm zerschossen.«

»Ein erbärmlicher Schuss, der Kaktus hinderte mich am Zielen. Sind Sie verwundet, Captain?«

»Ich bin verwundet, aber wahrscheinlich nicht tödlich. Ich fühle mich durch den Blutverlust geschwächt und mein Pferd werden Sie dort finden. Gehen Sie dorthin, holen Sie mein Pferd …« Ein paar Minuten lang war ich ohne Besinnung. Als ich wieder zum Bewusstsein kam, sah ich, dass mein Pferd neben mir stand. Der Botaniker beugte sich über mich und verband meine Wunde mit Streifen, die er von seinem Hemd abgerissen hatte. Er trug nur einen Stiefel, den anderen hatte er mit Wasser gefüllt, wovon er mir bereits einen Teil eingeflößt hatte und den anderen dazu verwandte, meine Schläfe zu benetzen und mein Gesicht vom Blut reinzuwaschen. Ich fühlte mich bald stark genug, in den Sattel zu klettern, und während mein Begleiter mein Pferd leitete, schlugen wir den Weg zu der Ansiedlung ein. Unterwegs mussten wir dicht an der Hazienda vorüberkommen. Bei der dunklen Nacht konnte man uns aber nicht bemerken. Dies war mir erwünscht, denn ich fürchtete, durch meine zerrissene und befleckte Uniform und durch mein wildes Aussehen unnötige Besorgnis zu erwecken. Nach einer halben Stunde befand ich mich in meinem Quartier.

Das Ereignis dieses Tages bedrückte meinen Geist lange. Der Gedanke an die Zukunft setzte mich in Unruhe. Namentlich war ich um Isolinas Sicherheit besorgt und wurde es immer mehr, je länger ich darüber nachdachte. Der Mann, welcher so bittere und rohe Drohungen gegen sie ausgestoßen hatte, bebte sicherlich vor nichts zurück. Ich hatte ihm freilich viel von seiner Macht geraubt, indem ich ihm die gefährlichen Schriftstücke abnahm. Aber er konnte sich noch immer vieler Mittel für seine Eifersucht und Habgier bedienen. Er war ein unverantwortlicher Anführer einer sogenannten patriotischen Guerilla, die eigentlich nichts weiter als eine Räuberbande war. In diesem Amt konnte er alles versuchen. Wenn wir von unserem Posten abzogen, war der Schurke ein unumschränkter Gebieter der Gegend. Er konnte jene Handlung ungestraft begehen, denn er erhielt seine Macht von dem Diktator, dessen Laster er nachahmte und der jede Schändlichkeit seiner Anhänger billigte. Es war eine schlimme Bedeutung, dass Ijurra mit seiner Bande in dieser Gegend wieder erschien, als wir eben abberufen wurden. Sie mussten schon früher von dem Feldzugsplan der amerikanischen Armee gewusst haben. Was mir Wheatley mitteilte, erwies sich als richtig. Der Oberbefehlshaber Scott war angekommen und der größte Teil des Heeres sollte eine Expedition gegen Vera Cruz unternehmen. Unser alter Feldherr verlor dadurch einen großen Teil seiner besten Truppen, aber wir hatten den Trost, bei ihm zu bleiben.

Die Armee war bereits in Bewegung, ganze Züge und Brigaden waren auf dem Marsch, um in den Süden eingeschifft zu werden. Die Übrigen hatten bereits ihre Befehle zum Abzug erhalten. Die Provinz am Rio Grande sollte nicht aufgegeben werden. Aber die Armee, welche zurückblieb, durfte sich nur auf einen kleinen Umkreis beschränken. Wir sollten nicht nur unseren kleinen Posten verlassen, sondern auch die benachbarten Städte des bisherigen Hauptquartiers räumen. Unsere Linie wich auf fünfzig Meilen vom Flecken zurück. Es war ein trauriger Gedanke für mich, dass unsere amerikanische Truppe das abgelegene Dorf vielleicht niemals wieder besuchen würde.

Es unterlag keinem Zweifel, dass der Feind mit unseren Bewegungen bekannt war. Die Leute der Umgegend wenigstens wussten seit mehreren Tagen, dass die Jäger abziehen sollten. Ein großer Teil der Bewohner des Ortes hatte sich in der letzten Zeit, je näher unser Abmarsch heranrückte, viel mürrischer und unfreundlicher gezeigt. Es war sogar zu mehreren Straßenkämpfen gekommen, bei welchen auf beiden Seiten bittere Feindschaft erregt, Messer gezogen und Blut vergossen worden war. Es blieb uns auch nicht verborgen, dass um diese Zeit denjenigen Bewohnern, welche sich freundlich gegen uns bewiesen hatten, Drohungen unter die Tür geschoben worden waren. Selbst der Alcalde hatte mehrere solcher Zuschriften erhalten.

Einige hielten diese Handlungen für einfältig und schrieben sie persönlichen Feindseligkeiten oder dem ungebildeten Patriotismus des Pöbels zu. Wie wir später erfuhren, war dies jedoch nicht der Fall. Vielmehr unterstützten mehrere Mitglieder der Regierung die Rohheit und ließen in jedem Dorf und in jener Stadt, durch welche die amerikanische Armee kam, eine sogenannte schwarze Liste anfertigen.

Vergebens versuchte ich einen Plan für die Sicherheit meiner Verlobten zu erdenken. In der Hoffnung, dass der Bösewicht Ijurra noch in unsere Hände fallen könnte, hatte ich Holingsworth mit einem Jägertrupp ausgeschickt und erwartete ungeduldig seine Rückkehr. Um Mitternacht kehrte er endlich von dem Streifzug zurück, hatte aber nichts von den Guerillas gesehen.