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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Star Dust-Unglück

Man schrieb den 2. August 1947 und es war später Nachmittag, als im Tower des Flughafens von Santiago de Chile ein mysteriöser Funkspruch einging, der nur aus einem Wort bestand: STENDEC.

Absender war der Bordfunker des Fluges CS59 von Buenos Aires, der über Mendoza kommend Santiago de Chile als Zielflughafen hatte.

Der diensthabende Fluglotse des Towers fragte nach, da dieses Wort weder im Flugverkehr noch im allgemeinen Sprachgebrauch bekannt war, worauf der Funker der britischen Maschine die rätselhafte Buchstabenfolge noch zweimal wiederholte.

Das war das letzte Lebenszeichen der Star Dust, danach verschwand sie spurlos – für mehr als ein halbes Jahrhundert.

Genauso mysteriös wie derzeit das malaysische Flugzeug MH370.

Kaum ein anderes Unglück der Luftfahrt hat die Fantasie der Menschen so beschäftigt wie das Verschwinden der Avro 691 Lancastrian, eine zivile Variante des Lancasterbombers.

Nachdem bekannt wurde, dass ein britischer Diplomat mit Kurierpost an Bord war, erging man sich jahrzehntelang in den wildesten Verschwörungstheorien. Die offenkundige Sinnlosigkeit des letzten Funkspruchs rief sogar Ufologen auf den Plan.

Als die Luftlinie kurz darauf zwei weitere Maschinen verlor, zog man auch Sabotage in Betracht.

Aber was war wirklich geschehen?

Die Avro 691 der Britisch South American Airways war am Mittag in Buenos Aires gestartet.

An Bord waren sechs Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder.

Flugkapitän Reginald J. Cook, der erste Offizier Norman Hilton Cook, der zweite Offizier Donald S. Checklin, Dennis Harmer, der Radiooffizier und die Stewardess Iris Evans. Alles Engländer, im Gegensatz zu den meisten anderen der Passagiere, die aus aller Welt kamen. Casis Said Atallah war Palästinenser, Harold Pagh ein Schweizer und Marta Limpert eine Deutsche mit chilenischer Staatsbürgerschaft. Peter Young lebte in Buenos Aires. Nur Eric Gooderham und der Botschafter Paul Simpson hatten englische Wurzeln.

Über den Anden geriet die Maschine in eine Schlechtwetterfront und flog ohne Sicht. Um 17.41 Uhr morste der Funker: »ETA Santiago 1745 hrs STENDEC«.

Die ersten drei Buchstaben waren das übliche Kürzel für estimated time of arrivial, geschätzte Ankunftszeit.

Aber die Maschine landete nie in Santiago.

Aufgrund ihres Diplomaten und dessen geheimen Unterlagen drängte die britische Regierung auf eine schnelle Aufklärung des Falles. Doch trotz intensiver Suche im Umkreis von 100 Kilometern um Santiago de Chile fand man nicht die geringste Spur von dem Flugzeug.

Das Rätsel löste sich erst mehr als ein halbes Jahrhundert später, allerdings auch da nur teilweise. Am 23. Januar 2000 entdeckten Bergsteiger an der Flanke des 6800 Meter hohen Tupungato-Vulkans Flugzeugtrümmer.

Ein Rolls-Royce-Merlin-Motor und verbogene Metallteile. Daraufhin startete die argentinische Armee eine Suchaktion, in deren Verlauf weitere Wrackstücke entdeckt wurden.

Auf  einem der Trümmerstücke war deutlich Star Dust, der Name der verschollenen Maschine, zu lesen. Man fand einen fast unbeschädigten Propeller und die beiden großen noch intakten Räder des Fahrwerks.

Anhand der dicht beisammen liegenden und zum Teil unversehrten Überreste des Flugzeugs konnten die Verschwörungstheorien und der vermeintliche Bombenanschlag auf den Diplomaten mit den Geheimpapieren rasch entkräftet werden. Bei einer Explosion wären die Überreste weit verstreut gewesen und alles andere als unbeschädigt wie das Fahrwerk zum Beispiel. Die Möglichkeiten der heutigen modernen Technik ergaben, dass die Star Dust aller Wahrscheinlichkeit das Opfer eines Jetstreams wurde.

Mit diesem bis zu 200 km extrem starken Höhenwind hatten Piloten damals wenig Erfahrung, da nur wenige Flugzeuge wie die Star Dust überhaupt hoch genug fliegen konnten, um in einen Jetstream zu kommen.

Heutige Experten halten es aufgrund der damaligen Wetteraufzeichnungen für sehr wahrscheinlich, dass der Jetstream der Star Dust mit etwa 165 km/h entgegenblies und damit das Flugzeug deutlich verlangsamte, ohne dass es die Piloten bemerkten.

Denn ohne Bodensicht war mit den damaligen Bordinstrumenten alleine die relative Fluggeschwindigkeit gegenüber der umgebenden Luft ermittelbar und nicht wie ab den späten 50ern mit Trägheitsnavigationssystemen auch die Geschwindigkeit über Grund.

Aufgrund von verstrichener Zeit und gemessener Geschwindigkeit wähnte sich die Besatzung also höchstwahrscheinlich jenseits der Bergkette des Tupungato und leitete deshalb den Sinkflug ein.

Dabei muss die Maschine den Vulkan frontal gerammt haben.

Soweit so gut, aber dennoch bleiben viele offene Fragen.

An Bord waren elf Menschen.

Während die Wrackteile des Flugzeugs fast vollständig geborgen wurden, fand man von diesen Menschen nur drei Rümpfe, eine einzelne manikürte Hand und einen Fuß, der noch in einem Schuh steckte.

Obwohl der Fall als gelöst zu den Akten gelegt und als Unglücksursache ein durch Jetstream beeinflusster Absturz direkt in einen Berghang vermerkt wurde, sind noch viele Fragen offen, die bis heute nicht befriedigend erklärt wurden.

Was bedeutet STENDEC, ein Anagramm von Descent, Sinkflug?

Warum fand man nur Leichenteile von fünf Personen, obwohl elf an Bord waren, die Wrackteile des Flugzeugs wurden doch im Gegensatz zu den Toten auch fast vollständig aufgefunden. Warum nur eine Hand, ein Fuß und drei menschliche Torsos ohne Kopf und Gliedmaßen? Im ewigen Schnee des 7000 Meter hohen Vulkanberges gibt es so gut wie keine fleischfressende Tiere! Und zu guter Letzt, warum wurde das Wrack mit den Leichen erst nach fast 53 Jahren entdeckt?

All diese Antworten kennen wahrscheinlich nur die Anden.

Quellen:

(gs)