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Der See der tausend Freuden

Der See der tausend Freuden

Der heiße Wind der Sahara wehte immer wieder Staubfahnen in die Luft, die das Atmen fast unerträglich machten. Husseins Pferd quälte sich mühsam durch den lockeren Sand. Es trug den fast leeren Wasserschlauch. Hussein zog den Zipfel seines Turbans fester, welcher ihm als Mundschutz diente. Immer wieder blieb er stehen, um die Gegend vor sich aufmerksam zu betrachten. Irgendwo musste der Felsen mit dem geheimen Eingang zum »See der tausend Freuden« ja stecken. Vorausgesetzt es gab ihn wirklich, wie die alten Schriftrollen behaupteten. Manchmal fragte er sich, welcher Teufel ihn geritten hatte, den gefahrvollen Weg allein anzutreten. Der Sturm, der stundenlang mit völlig entfesselter Gewalt wütete, machte nicht nur die Weiterreise für fast einen halben Tag unmöglich, er veränderte auch das Gesicht der Wüste bis zur Unkenntlichkeit. Hussein war sich nicht mehr so sicher, dass er sich auf dem richtigen Pfad befand. Er hätte schon längst den Löwenkopf, einen weißen Sandsteinfelsen, der seinem Namen alle Ehre machte, passieren müssen. Wieder hielt er kurz an, beschattete die Augen mit der Hand und suchte den Horizont ab. Sein Pferd Faruk führte er schon geraume Zeit am Zügel. Es blieb müde, mit gesenktem Kopf hinter ihm stehen. »Na gut. Dann rasten wir einen Moment.« Er klopfte den Hals seines treuen Tieres, nahm den Wasserbehälter vom Sattel und ließ zuerst den völlig ermatteten Hengst trinken.

Sich selbst genehmigte er nur eine Handvoll. Ohne Faruk wäre er in der Wüste verloren. Nachdenklich betrachtete er ihn. »Bald bricht der Abend herein. Die Kühle wird dir gut tun. Na komm, ein Stück schaffen wir noch, du musst nur wollen. Wenigstens bis zu den ersten Felsen da drüben. Dort werden wir übernachten.« Faruk lauschte der Stimme seines Herrn, dann stupste er ihn mit seinem weichen Maul an, als wollte er sagen: Mit dir gehe ich überall hin, auch wenn es manchmal sehr schwer fällt. Hussein bewegte den Ziegenbalg mit dem Wasser hin und her. Das leise Glucksen stellte ihn zufrieden. »Bis morgen wird es schon irgendwie reichen.« Eine halbe Stunde später, am Fuße eines grauen Felsens, nahm er seinem Hengst den Sattel und das Zaumzeug ab, teilte das letzte Stück Brot mit ihm, wickelte sich in seinen Umhang und schlief auf der Stelle ein. Faruk blieb wie eine Statue neben seinem Herrn stehen. Nur das Spiel der Ohren verriet, dass der Schimmel hellwach war. Von irgendwoher erklang das Jaulen eines Schakals. Auch nachts lebte die Wüste. Faruk drehte seinen Kopf in die Richtung, wo das kleine Raubtier sein musste. Ein anderes Geräusch mischte sich ein, das ganz und gar nicht hierher passen wollte – silberhelles Lachen, fröhliche Musik und Gesang. Faruk schnaubte. Dieses Signal bedeutete normalerweise Gefahr. Hussein erwachte, blieb aber reglos liegen. Stimmen? Musik? Faruk tänzelte nicht, wie er es sonst im Angesicht eines Kampfes tat. Er stand einfach nur da, bewegte die Ohren und sog unüberhörbar die Luft in die Nüstern. Hussein erhob sich leise. Faruk zeigte ihm überdeutlich, woher die seltsamen Töne kamen. Der junge Mann schlich um den Felsen herum. Das Lied der Sängerinnen wurde lauter. Noch ein paar Schritte, dann war es kaum noch zu hören. Hussein schüttelte unwillig den Kopf. Er drehte sich um.

Die Lautstärke nahm zu. Ein Zug des Begreifens ging durch sein Gesicht, dann legte er das Ohr an den kalten Stein. »Faruk, komm her!«, rief er leise, deutete an den Block: »Schieb!« Gehorsam drückte das Tier seine Flanke gegen das Hindernis. Hussein stemmte sich ebenfalls mit voller Kraft dagegen. Es knackte, knirschte, dann glitt eine Felsplatte beiseite. Gleißendes Licht, geheimnisvolle Düfte und wieder dieses perlende Lachen drangen hervor. Hussein streichelte seinen Hengst noch einmal beruhigend, dann stieg er vorsichtig die schmale Wendeltreppe hinunter, die er erst erkannte, als er geblendet die Augen zusammenkniff. Seinen Krummsäbel, den Dolch, Bogen und Pfeile hatte er bei Faruks Sattelzeug liegen lassen. Im Zauberreich der Dschinns duldete man keine Waffen. Hussein bekam große Augen. Am Fuße der Stufen breitete sich ein wundervoller See aus, dessen Wasser geheimnisvoll blaugrün schillerte.

Unzählige Lotusblüten verbreiteten ihren Duft, Papyruspflanzen säumten die Ufer. Er hatte tatsächlich gefunden, was die alten Legenden beschrieben – den See der tausend Freuden. Nur die Mädchen, deren Stimmen erklungen waren, sah er nirgends. Langsam ging er ein paar Schritte von der Treppe weg, die daraufhin verschwand. Hussein zuckte mit den Schultern. Das Risiko, vielleicht nicht mehr in seine Welt zurückkehren zu können, war er ganz bewusst eingegangen.

»Hussein.«

Es war nur ein Hauch an seinem Ohr. Er drehte sich nicht um.

»Hussein, Hussein, Hussein«, wisperte es tausendfach in seiner Nähe. Weiße Nebelspiralen stiegen aus dem Wasser. Sie drehten und wanden sich, um sich schließlich in schlanke, glutäugige Schönheiten zu verwandeln. Bald umringten ihn unzählige der Feen gleichen Geschöpfe, berührten seine Arme und führten ihn immer tiefer in das Reich des Sees unter dem Sand.

»Wir erfüllen all deine Wünsche«, lockten sie. »Du musst sie nur aussprechen.«

Hussein war trotz seiner Jugend ein bedachter Mann mit einem klugen Kopf. Auch die tausend verheißenen Freuden machten ihn nicht blind. »Bringt meinem Hengst Wasser und Futter«, bat er.

Ein Jammern wehte über den See und ein Teil der Mädchen löste sich wieder in einem Nebelhauch auf.

»Deine Bitte ist erfüllt.« Zwei große schwarz glänzende Augen lächelten verheißungsvoll.

»Habt Dank.« Er erwiderte den heißen Blick.

»Hast du für dich denn keine Wünsche? Du könntest unermesslichen Reichtum haben, das ewige Leben …«

»Hör auf, hör auf!«, lachte Hussein. »Was soll ich denn damit? Reichtum weckt nur Neider. Und ewig leben? Niemals! Was soll ich auf dieser Welt, wenn alles vergangen ist, was mir jemals etwas bedeutete, wenn alle Freunde tot sind und ich keinen Menschen mehr wirklich kenne?«

»Was suchst du dann bei uns?«, fragte die Dschinniya verständnislos.

»Nur die Bestätigung, dass es diesen See wirklich gibt«, entgegnete er.

»Nichts weiter?«

»Nichts weiter. Ich werde ihn in meine Träume einschließen und so der glücklichste Sterbliche auf dieser Welt sein, denn niemand außer mir weiß davon. Das ist für mich wahrer Reichtum – Reichtum der Gedanken, der Fantasie.«

Die Frau setzte sich auf eine Bank aus weißem Marmor. Sie bedeutete Hussein, sich ebenfalls niederzulassen, klatschte in die Hände. Sofort erschien ein Tisch mit Speisen und Getränken.

»Ich weiß noch nicht einmal deinen Namen.« Hussein schaute sie neugierig an.

»Warum fragst du nicht danach?« Sie lächelte hintergründig.

Der junge Mann lachte etwas spöttisch. »Ahnst du es nicht?«

Die Dschinniya schlug die Augen nieder. »Du bist ziemlich ungewöhnlich für einen Menschen. Woher weißt eigentlich so viel über uns?«

Hussein zuckte mit den Schultern. »Pass auf, so kommen wir nicht weiter. Ich frage dich nicht und ich beantworte nur wenige deiner Fragen. Den Grund kennst du selbst.«

Sie nickte sehr ernst. Im selben Moment verschwand auch der Tisch wieder.

»So ist es schon besser.« Nun schenkte ihr Hussein sogar ein Lächeln. Dann stand er auf. »Ich muss gehen.«

»Schade. Ich hatte gehofft, du würdest noch etwas länger bleiben«, flüsterte seine Begleiterin.

»Ich weiß und gerade deshalb werde ich dich jetzt verlassen.« Er drehte sich um, ohne noch einmal nach ihr zu schauen.

Die Dschinniya überholte ihn. »Lass mich dich wenigstens führen.«

Hussein antwortete nicht. Nach einer Weile tauchte in der Ferne die Wendeltreppe auf. Stumm ging er an der Schönen vorbei und begann mit dem Aufstieg.

»Hussein«, wehte leise der Ruf an sein Ohr.

Unbeirrt nahm er seinen Weg, schaute nicht rechts und nicht links. Der Ausgang war noch offen. Erst als er im Sand der Wüste stand, atmete er auf. Nun wagte er es, sich umzudrehen. Die Luft in der Säule aus Licht begann zu flimmern, die Umrisse eines Körpers schälten sich hervor. Die Dschinniya war gekommen.

Mit großen Augen betrachtete sie die Landschaft um das Tor. »Ist das deine Welt?«, fragte sie irritiert.

Hussein schüttelte lächelnd den Kopf. »Ein Teil davon. Dieses Stück meiner Welt schützt die deine. Niemand kann so einfach hierher kommen. Dort, wo ich lebe, gibt es genau solch wundervolle Seen, wie bei dir zuhause, Blumen, Tiere und Musik, die fast so schön wie die eure ist.«

Die Dschinniya schwebte aus der gleißenden Helligkeit heraus. »Erzähle mir mehr davon«, bat sie.

Hussein wusste, dass ihn die Menschenwelt vor dem Zauber der Dschinns schützte. Er ließ sich auf seinen Umhang nieder, deute auf den Platz neben sich. Die zierliche Gestalt setzte andächtig die Füße auf den lockeren Boden, als sie Schritt für Schritt näher kam.

»Du warst noch nie in meiner Heimat?«, fragte Hussein.

Die Frau schüttelte den Kopf, dass die langen Haare flogen. Fast furchtsam beobachtete sie Faruk, neben dem noch immer der Trog mit dem Wasser stand und ein Haufen Heu lag, von dem er hin und wieder naschte. »Gehört das Pferd dir?«

»Ja, das ist mein treuer Hengst. Er ist ein Freund der mich seit Jahren in jedes Abenteuer begleitet, der mich beschützt und zu mir hält.«

Die Dschinniya legte ihren Kopf an Husseins Schulter. »Dann war es kein Zufall, dass ihm dein einziger Wunsch galt?«

»Nein. Jeder gute Mensch denkt zuerst an sein Pferd. Außerdem wusste ich um das Geheimnis der Wünsche in deinen Gefilden. Ich hätte für immer bei euch bleiben müssen. Deshalb habe ich auch nicht von deinem Tisch gegessen, denn dann wären alle Erinnerungen an meine und an deine Welt für mich verloren gewesen. Nur eins verstehe ich nicht – weshalb bist du mir gefolgt?«

Die schlanke Schöne schlug errötend die Augen nieder, schmiegte sich noch enger an seine Schulter. »Ich wollte einfach bei dir sein.«

»Aus Neugier?«

»Auch.« Sie wurde richtig rot.

Ein hohles Pfeifen drang aus dem Zugang zum unterirdischen See.

»Du musst zurück«, mahnte Hussein.

»Ich – ich …«, die Dschinniya hob hilflos die Hände. »Ich will nicht mehr zurück. Ich will mit dir in dein Land gehen. Bitte nimm mich mit. Ich werde dir auch ganz bestimmt nicht zur Last fallen«, bettelte sie mit flehendem Blick. »Glaubst du mir nicht? Ich werde dir dienen und dich niemals enttäuschen.«

Hussein schüttelte den Kopf. »Ich kann dich nicht mitnehmen. Ich brauche auch kein Dienstmädchen.«

»Ich werde auf der Schwelle vor deiner Tür schlafen und niemals über mein Schicksal klagen«, flüsterte sie, sich an seinem Arm festklammernd. »Bitte, bitte …«

 

Aus dem Schacht heulte und jaulte es grauenvoll. Die Dschinniya schaute sich wie gehetzt um. Sie sprang auf, lief ein paar Schritte auf die Treppe zu, drehte sofort wieder um, blieb stehen, schaute zurück, dann stürzte sie auf Hussein zu, nahm sein Gesicht in beide Hände und drückte ihm ihre heißen Lippen auf den Mund. Hussein zog sie schützend in seine Arme. Es blitzte, krachte, qualmte, der Felsblock schob sich Millimeter um Millimeter über den Eingang und eine tiefe Stimme sprach: »Du bist für immer verstoßen.«

Die Dschinniya schluchzte auf. »Ich kann nicht mehr zurück. Nimmst du mich mit?«, fragte sie unter Tränen.

»Muss ich ja wohl«, entgegnete Hussein mit leichtem Unwillen in der Stimme, weil er mit dieser Wendung der Dinge einfach nicht gerechnet hatte.

Mit zitternden Händen zog die Dschinniya Husseins Dolch aus dem Futteral, langsam, wie unter einem starken Zwang, stach sie die Spitze in ihren Handrücken. Aufstöhnend ließ sie die Waffe fallen. Blut tropfte in den Sand. »Blut? Ich bin ein Mensch geworden«, hauchte sie. Fasziniert schaute sie zu, wie ihr Lebenssaft über die helle Haut rann und wenig später auf dem Boden versickerte.

Ungläubig hatte Hussein zugesehen. Plötzlich begriff er. Schnell zog er ein sauberes Tuch aus seiner Tasche, welches er fest um ihre Hand band. »Du kannst daran sterben«, erklärte er besorgt.

»Sterben«, flüsterte sie. Sie horchte dem Klang des Wortes hinterher. »Ein Mensch kann sterben …« Sie betrachtete erstaunt ihre verbundene Hand. »Ich bin ein Mensch …« In der Kühle der Nacht begann sie zu frösteln. »Was geschieht mit mir?«

Hussein zog sie auf seinen Schoß, hüllte sie mit in seinen Kamelhaarumhang. »Das nennt man Gänsehaut.

Du frierst, weil es kalt ist. Komm, lass uns schlafen, morgen wird ein langer Tag.« Er streichelte ihr Gesicht, dann glitten seine Hände über ihren Rücken.

»Nicht aufhören«, hauchte sie, als er seine Hände an ihrer Taille ruhen ließ.

»Wenn du mir endlich deinen Namen verrätst.«

»Fatima.«

Sie seufzte selig auf, als Husseins Hände wieder über ihren Körper wanderten und er wusste andere Stellen, als den Rücken, an denen es beiden noch mehr Spaß machte. Erst tief in der Nacht schlief Fatima in Husseins Armen ein. Er lag noch eine Weile wach, dachte über sich und die wunderschöne Dschinniya nach, die nun ein Menschendasein fristen würde und die keine Vorstellungen davon hatte, was das für sie bedeuten konnte. Er würde sie behüten. Das stand für Hussein fest. Lange betrachtete er das fein geschnittene Gesicht mit dem sinnlichen Mund. Er mochte dieses zarte Wesen vom ersten Augenblick an, das nun seinetwegen auf alle Zauberkräfte verzichtet hatte. Die Sonne weckte die schöne Schläferin. Sie hielt die Augen geschlossen, als sie neben sich tastete. Der Platz war leer. In tiefstem Erschrecken setzte sie sich auf.

»Guten Morgen, Fatima. Hast du gut geschlafen?«, hörte sie Husseins Stimme hinter sich.

Fatima atmete befreit auf. »Hussein.« Sie streckte ihm beide Arme entgegen. »Ich dachte für einen Moment, du hättest mich hier allein zurückgelassen.«

Er zog sie auf die Beine. »Glaubst du wirklich, ich würde dir so etwas antun?«

Fatima legte ihren Kopf an seine Brust. »Ich weiß nicht.« Dann gab sie zu: »Ich habe ein bisschen Furcht vor dem, was kommt.«

»Ich passe schon auf dich auf«, versprach Hussein.

»Wirst du mich heute Nacht wieder so herrlich streicheln?«

Hussein küsste ihre Stirn. »Du kannst es wohl kaum erwarten?«

Fatima nickte. Lachend und scherzend füllten sie das restliche Wasser aus Faruks Trog in den Ziegenbalg, sammelten das Heu ein, dann sattelte Hussein den Schimmel, stieg auf und nahm Fatima vor sich auf das Tier. Faruk machte es nach dem reichlichen Futter nichts aus, die zierliche Fatima zusätzlich zu tragen.

Sicher war sein Schritt im lockeren Sand. Hussein gab ihm mehr Zügel frei, ließ ihn einfach laufen.

»Wohin bringst du mich?«, fragte Fatima schließlich.

»In die Hauptstadt unseres Reiches«, entgegnete Hussein. »Es wird dir dort sicher gefallen. Du wirst bei mir in einem weißen Haus, inmitten von Palmen und blühenden Sträuchern wohnen.«

»Dann bist du wohlhabend?«

Hussein lächelte still. »Ja, das könnte man so sagen. Es wird dir sicher an nichts fehlen, was du zum Leben brauchst.« Er drückte sie zärtlich an sich.

Er ist so liebevoll zu mir, dachte Fatima. Ich würde vieles darum geben, in seiner Nähe sein zu dürfen. Nur steht es mir nicht zu. Ich werde glücklich sein, ihm dienen zu dürfen. Bevor die Mittagshitze unerträglich wurde, erreichten sie eine Oase. Hussein versorgte Faruk, dann lud man sie zu Essen und Trinken ein. Fatimas Haut war von der ungewohnten Sonne gerötet.

 

»Das arme Kind«, murmelte eine ältere Frau. »Hat sie denn keinen Schleier und keinen Umhang?«

Hussein verneinte. »Kannst du mir etwas für sie verkaufen?«

»Ich werde sehen, was ich für euch tun kann.« Die Fremde verschwand in einem Hauseingang. Als sie nach ein paar Minuten zurückkam, trug sie ein weißes Bündel im Arm.

Hussein dankte, zog ein paar Goldmünzen aus der Tasche, die er der völlig erstaunten Frau in die Hand drückte.

»Das ist zu viel«, wehrte sie ab.

»Wünsch uns für den Rest einfach Glück«, bat er. »Wir werden es vielleicht brauchen.«

Die gütige Alte zog aus einem Beutel an ihren Gürtel einen Salbentiegel hervor. »Nimm. Das wird ihre Haut schnell wieder heilen.«

Fatima klagte nicht. Bevor sie weiter ritten, öffnete Hussein das kleine Gefäß. »Das wird dir gut tun.« Mit zarten Fingern strich er die duftende Salbe auf Fatimas wunde Haut. Dann legte er ihr den weißen Kapuzenumhang um die Schultern.

»Für mich?«, fragte Fatima verlegen. »Ich habe nichts, was ich dir dafür geben kann.«

»Schenk mir einfach dein wundervolles Lächeln.« Er half ihr auf das Pferd. Faruk trabte munter durch den heißen Sand, als wüsste er genau, dass die Heimat nicht mehr fern war. Und wirklich, nach zwei Stunden tauchten die ersten Palmen am Horizont auf, die Silhouetten von Türmen und Häusern.

»Ich habe Angst«, flüsterte Fatima.

Hussein streichelte sie. »Solange ich bei dir bin, wird dir nichts geschehen.«

Als sie die Stadtmauer erreichten, öffnete man ihnen rasch das Tor. Viele der Leute, die ihren Weg kreuzten, warfen sich bei ihrem Anblick in den Staub. Fatima beobachtete das in namenlosem Staunen.

Was geschah hier nur? Fast schien ihr, als bemerke Hussein es gar nicht. Sie traute sich auch nicht danach zu fragen. Alles war so neu, so fremd. Sie hielt nach dem Haus mit den Palmen Ausschau. Hussein lenkte Faruk in die Hauptstraße und hielt genau auf das Tor des Palastes zu, welches sich weit öffnete. Hier standen überall Palmen, Sträucher und unzählige Blumen. Die Dienerschaft eilte herbei. Ehrerbietig säumte sie den Weg. Hussein zügelte Faruk, sprang ab und hob Fatima herunter. Ein Mann, der den Kleidern nach nur der Wesir sein konnte, näherte sich, berührte mit der Hand grüßend seine Stirn.

»Willkommen zu Hause. Wir hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben, dich lebend wiederzusehen, mein König.«

Mein König? Fatima schreckte zusammen. Mit ungläubigen, großen Augen schaute sie sich um. Hier im Palast würde sie nun wohnen und diesem edelmütigen Herrscher dienen, für den sie so viel empfand.

»Wir haben einen ganzen Monat vergeblich nach einer Spur gesucht«, sprach der Wesir weiter.

»Einen Monat? Mir schienen es nur drei Tage zu sein!«, rief Hussein völlig überrascht. Er warf Fatima einen fragenden Blick zu.

Sie schloss für einen Moment die Augen, dann nickte sie bestätigend, wenn auch für die anderen unmerklich.

»Wer ist diese anmutige Schönheit?«, hörte sie den Wesir fragen.

Zitternd wartete die junge Frau auf Husseins Antwort. Er nahm lächelnd ihre Hand. »Diese wundervolle Blume habe ich in der Wüste gefunden. Sie ist Fatima, meine Braut.«

Die Jubelrufe hörte die verstoßene Dschinniya nicht mehr, sie war Hussein vor Glück ohnmächtig in die Arme gesunken. Gemeinsam würden sie tausend Freuden am See im Palastgarten finden, auch ohne den Zauber der Dschinns.

(rd)