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Creekers

Edward Lee
Horror TB 47
Creekers
Creekers, USA, 1994

Horror, Taschenbuch, Festa Verlag, Leipzig, Oktober 2012, 352 Seiten, 13,95 Euro, ISBN: 9783865521620, aus dem Englischen von Ben Sonntag, Coverbild: Danielle Tunstall
www.festa-verlag.de
www.edwardleeonline.com
www.danielletunstall.com

»Man nannte sie das »Hügelvolk« oder auch schlicht »Hinterwäldler«. Doch es gab auch weniger schmeichelhafte Bezeichnungen. White Trash. Verrückte. Es waren von der Zivilisation abgekapselte Siedlungen der abgrundtief Armen. Menschen, die von dem lebten, was das Land ihnen bot, die niemals eine richtige Arbeit gehabt hatten, niemals einen Arzt besuchten, keinen Fernseher besaßen. Kinder, die niemals zur Schule gegangen waren. Die Dritte Welt des wunderbaren Amerikas. Sie wohnten in windschiefen Hütten, primitiven Schuppen aus Teerpappe oder ausgemusterten Wohnwagen, natürlich ohne fließendes Wasser oder Elektrizität. Ein Klischee, nach Meinung der meisten, doch nur allzu real in dieser Gegend.«

Nachdem der ambitionierte Polizist Phil Straker während der Stürmung eines Drogenlabors unabsichtlich ein Kind erschossen hat, quittiert er den Dienst in Los Angeles um – nach einem Zwischenspiel als Nachtwächter – wieder in seiner Heimatstadt Crick City als Provinzcop zu arbeiten. Dort hat inzwischen Cody Natter, der außerordentlich intelligente Anführer der Creekers – einer Horde durch Inzucht entstellter Hinterwäldler – nicht nur das Hauptgeschäft mit Drogen übernommen, er lässt auch die entstellten Creekermädchen im örtlichen Stripclub »Crazy Sallees« arbeiten und betreibt außerdem einen versteckt gelegenen Puff, in dem die Creekermädchen ihren gut zahlenden Kunden die abartigsten sexuellen Wünsche erfüllen. Straker mischt sich undercover unter die Kundschaft des »Crazy Sallees«, wo er auch seine Ex-Verlobte Vicky Steele wiedertrifft, die sich inzwischen ebenfalls als Stripperin und Hure verdingt und die nun Cody Natters Ehefrau ist.

»Das ist Hügelvolk, das seinen Saft nur in seine Verwandten spritzt. Und die Kinder kriegen ganz große Köpfe davon, wie Goldfischgläser, und riesige rote und schiefe Augen. Viele haben auch zehn Finger an jeder Hand statt fünf. Und manche Creekermädchen kriegen extra Brüste und Nippel, wie Zitzen bei ‚nem Schwein und so. Manchmal werden sie ohne Arme und Beine geboren und die Creekerpapas töten sie. Und dann essen sie sie.«

Wie schon Lees Vorgängerromane im Festa-Verlag ist Creekers im Grunde eine (neo)-klassische Hinterwäldler-Horrorgeschichte, wie es sie inzwischen im Überfluss gibt. Am ehesten passt hier vielleicht der Vergleich mit der Wrong Turn-Filmreihe. Nur dass die von Inzucht und den damit einher gehenden körperlichen und geistigen Defekte geprägten Creekers – die Leute vom Creek, vom Fluss – weit zahlreicher und deutlich organisierter sind als die Wrong Turn-Kannibalen. Zusätzlich bringt Edward Lee hier einen religiösen Unterbau ins Spiel, der allerdings erst im Finale richtig zum Tragen kommt.

Da der Anführer der Creekers sich mit der Übernahme des »Crazy Sallees« und des Drogenhandels in der dörflischen Hierarchie einen zweifelhaften Status erworben hat, gehören seine Leute inzwischen zum alltäglichen Straßenbild von Crick-City. Als angeblicher Drogenkurier wird Phil Straker außerdem Zeuge, was im Hinterzimmer des »Crazy Sallees« abgeht, auf dessen Bühne die entstellten Creekermädchen tanzen. Als Polizist sieht er wiederum, was mit Leute passiert, die nicht nach Natters Pfeife tanzen. Diese findet man anschließend gehäutet im umgebenden Wald.

Die Lage spitzt sich zu, als Strakers Ex-Verlobte Vicky in seinem Auftauchen eine Chance sieht, der Hölle zu entkommen, in der sie sich befindet. So sichert sie ihm auch Cody Natters unliebsame Aufmerksamkeit.

Man kann Edward Lee nun ankreiden, dass er sich mit seinen widerkehrenden sexuellen Abartigkeiten und seinen ausgiebig geschilderten brutalen Szenarien lediglich selbst wiederholt, doch die Intensität, mit der er seine Geschichten herunterreißt, macht das locker wieder wett. Der Roman fühlt sich schnell an, ohne dass etwas überhastet oder schludrig wirkt. Der Autor nimmt sich außerdem genügend Zeit für seine Figuren und die zwischenmenschliche Dynamik (z. B. die verbalen Schlagabtausche zwischen Straker und Chief Mullins). Hier liegt die eigentliche Stärke Edward Lees, die seine Romane trotz der Garnitur aus »überzogenen Darstellungen von sexueller Gewalt« (Verlagswarnung) über die seiner „Extreme Horror«-Kollegen hinaus hebt.

Das Covermotiv von Danielle Tunstall, über das das festasche Edward Lee-Layout gelegt wurde, ist einmal mehr perfekt für den Roman ausgesucht. Wie gewohnt ist das in exklusiver »Festa-Lederoptik« gefertigte Taschenbuch sehr gut gearbeitet und bei normaler Lesart resistent gegen Knicke.

Fazit:
Edward Lee brennt seine extrem brutale Hinterwälder-Story mit einer Intensität ab, dass dem Leser kaum Zeit zum Luftholen bleibt. Nichts für zarte Gemüter!

(eh)