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Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges 05

Max Klose
Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges
Mit zahlreichen Abbildungen aus dem Riesengebirge
Verlag von Brieger & Gilbers. Schweidnitz (Świdnica). 1887.
Überarbeitete Fassung

12. Heidenkirchhof und Rabenstein

Zwischen dem Sabrich und dem Hummelberg liegt ein mit Steinen umfriedetes Ackerstück, welches das Kirchhöfel oder Hootschrich genannt wird. Dasselbe soll eine heidnische Begräbnisstätte sein. Ob das nahegelegene Galgenstück an den Donnersteinen, eine ehemalige Richtstätte, die Leichen für den Heidenkirchhof geliefert hat oder ob die Überreste der auf den Opfersteinen des Sabrichgipfels dargebrachten Opfer dort ruhen, weiß die Sage nicht zu erzählen, wohl aber davon, dass viele Raben dort Beute suchten und gierig von dem Hummelberg herüberschauten, dessen höchster Punkt heute noch der Rabenstein genannt wird.

13. Der Wanderstein

Auf einer Wiese am Eingang in die schwarze Schneegrube liegt ein mächtiger Felsblock, der über 300 Zentner wiegen soll. Derselbe ist nicht, wie andere Felsen, an den Platz gebannt, sondern ein reiselustiger Geselle. Es geht von ihm die Mär, dass er sich zeitweise fortbewegt hat. Man will sogar genau wissen, dass er auch in unserem Jahrhundert schon drei Reisen, und zwar in den Jahren 1807, 1819 und 1848 gemacht hat. Auf seiner letzten Wanderschaft hat er eine kleine Anhöhe ohne besondere Anstrengung überstiegen. Der Volksmund hat dem ruhelosen Felsen den Namen Wanderstein gegeben.

14. Petersdorf

Das Dorf Petersdorf unter dem Kynast, heute ein großer Fabrikort, soll im 15. Jahrhundert entstanden sein. Im Jahre 1402, so weiß die Sage, stand an dem Zacken nur eine Mühle, die der Meister Peter erbaut hatte und betrieb. Selbstverständlich wurde dieselbe die Petermühle genannt und das neben derselben entstandene Dorf erhielt den Namen Petersdorf.

15. Schreiberhau

Das große Dorf Schreiberhau soll seine Entstehung der Glasfabrikation verdanken. Auch seinen Namen hat es durch dieselbe erhalten. Zu Anfang des 15. Jahrhunderts wurde von dem Burgherrn des Kynast (Schaffgotsche) dort eine Glashütte angelegt. Über das zu dem Betrieb derselben eingeschlagene Holz musste ein Schreiber Rechnung führen, der in dem Hau seine Wohnung hatte. Als sich das erste Haus neben des Forstschreibers Amtswohnung fand, sagten die Leute der Umgebung: »In Schreibers Hau ist ein Haus gebaut worden.«

Und dem späteren Dorf ist dieser Name haften geblieben.

16. Marienthal

Der Wilde Strussenetzer Graf Rüdiger hatte sich in Maria von Gitschina, ein schönes Edelfräulein verliebt, die bereits die Braut des Ritters Jaroslaw war. Maria aber hatte die Bewerbung des Wegelagers zurückgewiesen und dadurch dessen Zorn herausgefordert. Rüdiger lauerte dem bevorzugten Bräutigam, der vom kaiserlichen Heer zurückkehrte, in welchem er gegen die Hussiten (1440?) gekämpft hatte komme im Wald auf, fing denselben hinterlistiger Weise und warf ihn in ein Burgverlies auf dem Raubschloss Waldstein, wo er über ein Jahr schmachtete. Nachdem Maria ihren Bräutigam für tot glaubte, begab sich Rüdiger nochmals auf ihr Schloss und warb um sie. Aber die schöne Besitzerin von Gitschina wies ihn verächtlich ab und erklärte, auch ihrem verstorbenen Verlobten die Treue bewahren zu wollen. Rüdiger sprengte in seiner Wut auf den Waldstein und befahl dort, den Ritter Jaroslaw zu ermorden. Der aus dem Heer heimgekehrte Sohn des Burgvogts aber hatte in dem Ritter seinen Hauptmann erkannt, rettete denselben und führte ihn über das Gebirge in das Kynast’sche zu dem tapferen Ritter Gotsche Schof, der Jaroslaws Waffenbruder war.

Der schlimme Rüdiger überfiel mit seinen Raubgefährten, Ignatz von Zaremba und den Brüdern Diether und Fust von Hortschin, Marias Burg und zerstörte dieselbe. Maria entkam mithilfe eines treuen Dieners in das Gebirge, ihre Feinde aber setzten ihr nach und gerieten ihr hart auf die Fersen. Da brach ein großes Unwetter los und erschwerte sowohl die Flucht als auch die Verfolgung. Zaremba stürzte mit dem Pferd und lag hilflos mit gebrochenem Fuß am Ufer des schäumenden Zackerle, Diether war vom Blitz getötet worden, Rüdiger aber gab trotzdem die Verfolgung nicht auf. Er verhöhnte Gottes Allmacht und schwor, Maria auch dann zu gewinnen, wenn er sie aus der Hölle holen solle. Wohl erblickte er an dem anderen Ufer des Waldbaches die Flüchtende, aber in wenigen Minuten hatte das Unwetter aus dem kleinen Sturzbach einen wilden Strom gemacht, der dem Verwegenen den Weg versperrte. So fast am Ziel Umzuwenden war aber nicht die Art des wilden Rüdiger. Er gab seinem Ross die Sporen und setzte in die wilde Flut, die Ross und Reiter hinabriss in den tosenden Wasserfall. Maria gelangte glücklich auf die Burg Kynast, wo Gotsche Schof bereits ihren Bräutigam bewirtete. Der Schlosskaplan segnete das glückliche Paar ein und der Burgherr gab denselben das Land an dem wilden Zackerle, Wo ist sich eine feste Burg auf hohem Felsen erbaute, an dessen Fuß aber ein Dorf für seine treuen Diener schuf. Die Burg ist längst verschwunden, niemand kennt den Platz Komma wo sie gestanden hat, das Dorf aber besteht noch heute als ein Teil des Ortes Schreiberhau und trägt noch seinen alten Namen Marienthal.

Nach einer anderen Sage soll das Marienthal früher das Jammertal geheißen haben, von einer Maria Pluche gestiftet und nach dieser Marienthal benannt worden sein.