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Cinema präsentiert: Inside James Bond …

Philipp Schulze, Oliver Noelle, Volker Bleek
Cinema präsentiert: Inside James Bond: Der ultimative Guide durch die explosive Welt des berühmtesten Agenten der Kinogeschichte: Bond … James Bond

Sachbuch, Hardcover, Panini Verlags GmbH, Stuttgart, Dezember 2022, 200 Seiten, 30,00 EUR, ISBN 9783833242618

Autos, Waffen, Frauen, Drinks … Sach- wie Fachbücher über/mit/wegen James Bond findet man wie Sand am Meer und zu jedem noch so bisweilen obskuren Jubiläum. Andererseits unterstreichen diese Berge an Literatur die nach wie vor ungebrochene Nachfrage in Bezug auf den zweifelsfrei bekanntesten wie populärsten Geheimagenten der neuzeitlichen Populärkultur; mag er auch ein sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier sein. (Laut Judi Denchs Charakter M in GoldenEye, 1995.)

Oder gerade deswegen? Anachronismen sind in einer Welt, die gefühlt minütlich immer verrückter wird, womöglich ein letztes Bollwerk, ein Halt in einem Meer der Unsicher- und Unwägbarkeit. Ungeachtet dessen hat jedes frisch auf den Markt geworfene Nachschlagewerk die Ungnade der späten Geburt; muss etwas besitzen, das sich vom Rest abhebt, alte Hasen zufriedenstellt und bei Neueinsteigern die Neugierde kitzelt. Ein Spiel, das der Herausgeber, die Filmzeitschrift Cinema, zu beherrschen weiß, wie zahllose vorausgegangene Nachschlagewerke beweisen – auch über 007. Eine Tradition, die mit Inside James Bond fortgeführt wird?

Haptisch und optisch ist das Buch ein Blickfang. Schwarz macht halt nicht nur schlank. Dazu das weltberühmte Gunbarrel-Motiv mitsamt einem stilisierten Timothy Dalton in der Rolle des MI6-Agenten. Edel. Darf man bei 30,00 EUR auch verlangen. Aber kauft   man so einen Schmöker nicht zwingend der Schönheit wegen; der Inhalt hat mindestens ebenso gewichtig zu sein. Das Vorwort von Cinema-Chefredakteur Philipp Schulze ist ein bestmöglicher Einstieg, zeugt von Expertise und Affinität für das Thema.

Willst du Bond verstehen, solltest du seinen Schöpfer kennen. Ian Fleming (1908-1964) war weitaus mehr als ein lebemännischer Autor mit bemerkenswerter Fantasie. Vieles was er Bond aufhalste, erlebte er bereits aus erster Hand, etwa beim Marinegeheimdienst. Parallel war Fleming ein Genießer, die minutiösen Aufstellungen vom Zubereiten besonderer Drinks und Gerichte kommen nicht von ungefähr. Mindestens so spannend wie exotisch auch Flemings mannigfaltige Versuche, die Filmrechte zu verkaufen – und vor allem an den oder die richtigen Leute. Bis heute ist Bond quasi Familiensache, nämlich der Broccolis: Barbara Broccoli und Stiefbruder Michael G. Wilson. Die Behauptung, dass Bond ihr Leben bestimmt, ist nicht übertrieben. Nach diesen – hochgradig fesselnden – ersten beiden Kapiteln, nähert sich Inside … des Pudels Kern: Wie wurde 007 zu dieser zeitlosen Stil- und Filmikone? Wie legten die einzelnen Darsteller ihre jeweiligen Interpretationen aus? Wieso drehte George Lazenby nur einen Film und Roger Moore derer sieben? Wie verlief das Leben für Connery & Co. nach Bond; existiert überhaupt ein Leben danach? Relevante Frage, auch bei den einstigen Damen an 007s Seite. Einst mit hübschen Kurven aber flachbrüstigen Charakterzügen gesegnet, hat der Feminismus durchgefegt. Die Bond-Girls sind heutzutage Bond-Frauen und mindestens ebenbürtige Mitstreiterinnen. Was, zugegeben, überfällig war.

Auch Bonds Schurken erlebten binnen 6 Jahrzehnte die eine oder andere Fortentwicklung. Die megalomanischen, überlebensgroßen Widersacher mit den Metallhänden und -zähnen, den weißen Angorakatzen auf dem Schoß, die nach globaler Herrschaft streben oder als entartete und steinreiche Visionäre die Menschheit auslöschen wollen, längst sind sie vom echten Leben, von den Drogenbaronen und technokratischen Kapitalisten entthront worden, obgleich sie alle ihr immenser Narzissmus eint; gefundenes Fressen für einen vom Schlage Bonds. Wie war das vorhin mit der aus den Fugen geratenen Welt?

Doch selbst einer vom Schlage Bonds arbeitet nicht allein – was ausnahmsweise nicht Quartiermeister Q und dessen raffiniert-endloses Arsenal an niedlichen bis opulenten Gadgets einbezieht. Das finale Drittel von Inside … widmet sich solchen Menschen: den unermüdlichen Locationscouts, der Spezialeffektabteilung von Oscarpreisträger und Guinnessrekordhalter Chris Corbould, selbstredend ist ein Ken Adam mitsamt seiner kongenialen Set-Designs nicht weit; selbst Nicht-Bondfans kennen die in einem erloschenen Vulkan untergebrachte Raketenbasis von Erzfeind Blofeld oder die Raumstation aus Moonraker (1979), die Star-Architekt Norman Foster beim Gestalten der Reichstagskuppel inspirierte. Tja, und ein neuer Bondfilm ohne Titelsong? Mehr als undenkbar! Shirley Bassey, Louis Armstrong, Paul McCartney, Madonna, Tina Turner, Adele – sie alle durften mal ran und nicht selten kam ein Welthit bei rum.

Was darf nicht fehlen? Die Filme! Das Beste zum Schluss und unfrei von Kontroversen: Warum Der Hauch des Todes (1987) bloß zum besseren Durchschnitt taugt oder Casino Royale (2006) womöglich doch nicht Daniel Craigs beste Arbeit war. Aber so war es schon immer: jeder hat seine eigenen Flops und Favoriten innerhalb der Reihe und die gewissenhaft und subjektiv sezierten Filme – Parodien und Konkurrenzfabrikate eingeschlossen – leiten selbst Hartgesottene womöglich zu ungeahnten Aspekten. Abschließend kann man bei Inside James Bond von einer runden Sache sprechen. Ein schöner Band mit gelungenen, straff-informativen Kapiteln, Interviews und sorgsam ausgesuchter Bilder. Mehr noch: die unterhaltsame wie kurzweilige Mischung verschafft Altfans und Frischlingen Lust nach mehr. Die Liste weiterführender Bücher am Ende ist somit ein exzellenter Start, noch tiefer in das Bond-Universum einzutauchen, dessen Ende längst nicht abzusehen ist.

(tsch)

2 Antworten auf Cinema präsentiert: Inside James Bond …

  • Friedhelm Hippen sagt:

    “Cinema” lese ich bereits seit ewigen Zeiten nicht mehr – die Zeitschrift hat mir anfänglich, in den 1970ern tatsächlich besser gefallen. Aber, dieses nur einmal dazu – Bücher über “James Bond” gibt es inzwischen zuhauf, und damit verbunden sind ja auch immer neue Infos, die bisher (angeblich) niemand kannte. Interessant sind dabei immer wieder Geschichten, in denen die Darsteller des (bisher) unkaputtbaren Geheimagenten beleuchtet wurden. Sean Connery wird zuweilen noch immer als der “beste Bond aller Zeiten” gehandelt, während George Lanzby doch endlich einmal zugestanden wird, dass er nun doch nicht sooo schlecht war, wie die allwissenden Filmmgeeks ihn lange sehen wollten.

    Um jetzt mal kurz vom eigentlichen Thema abzuweichen (das neue Bond-Buch von Cinema): ich hatte da schon immer eine ziemlich eigene Sichtweise. Für mich war Mr. Connery nie der unantastbare “best Man” – hingegen fand ich Lazenby sogar viel besser, viel viriler – u.a. in den Action-Sequenzen. “Im Geheimdienst Ihrer Majestät/On Her Majesties Secret Service,1969” habe ich erst in den späten 1970ern bei uns im Kino gesehen und war vom Spiel des Australiers schon angetan. Dass der Mann seine Brötchen vorher eigentlich als Dressman verdiente erfuhr ich erst viel später – auch. dass er als Bond eher durchgefallen war. schon klar, ich kann mir auch sehr gut vorstellen, woran das eigentlich gelegen haben mag. Lazenby wurde zu jener Zeit das Opfer des “Connery-Syndroms” – der Schotte war für die Fans der Reihe auf immer und ewig mit der Kunstfigur James Bond, aus der Feder Ian Flemings, verschmolzen. Da wurden Wunsch und Wirklichkeit munter durcheinandergwürfelt, denke ich mal so. Warum überhaupt, ist heute auch nicht mehr unbedingt nachvollziehbar – jedenfalls nicht für mich.

    Darum finde ich es sogar noch unbegreiflicher, dass nach Sean Connerys einmaliger Rückkehr in “Diamantenfieber/Diamonds Are Foreever,1971”, ausgerechnet der viel zu steife und (jedenfalls für mich) eher uninteressante Mime Roger Moore den Zuschlag als Nachfolger bekam. Na gut, der hatte anfänglich wohl auch so seine Probleme mit der Rolle, weil die Mitarbeiter der Produktion sich hinter vorgehaltener Hand immer mal wieder eien Rückkehr vom Ur-Bond Sean Connery gewünscht hätten. Moore fand angeblich auch erst mit seinem dritten Einsatz, “Der Spion, der mich liebte/The Spy, who loved me,1977” in die Rolle hinein und wurde von den Fans endgültig akzeptiert. Ich konnte das tatsächlich nie richtig nachvollziehen – wenn man bedenkt, dass George Lazenby über Jahrzehnte hinweg als durchgefallener Bond gedisst wurde – und diese zweifelhafte Ehre irgendwie gar nicht verdient hatte. Moore hingegen, der ja nun in seinen Filmen eher wie ein kalauernder, steifer Rentner durch die Gegend lief, hatte sogar nichts, was einen Agenten mit Tötungslizenz ausmachen konnte. Und dass er mit fast 60 Jahren immer als Bond dienlich war, mag dem Umstand geschuldet sein, dass Produzent Albert R. Broccoli lange keinen geeigneten Nachfolger fand. Ansonsten wäre der gute Roger wohl bereits nach “Moonraker,1979” in Pension gegangen.

    Na gut, die Nachfolger, Timothy Dalton und Pierce Brosnan will ich nicht mehr näher beleuchten, sonst wird der Text noch länger. Aber, was Daniel Craig betrifft, der hatte bekanntlich 36 Jahre nach George Lazenby noch viel schlimmere Probleme als der Australier. Craig war zu blond und nicht schön genug – und wurde angeblich sogar mit Morddrohungen genervt. Was sagt man dazu – ausufernde Intoleranz, würde ich mal sprechen. Wohlmöglich nehmen sich die Produzenten (Barbara Broccoli und Michael J. Wilson) alleine schon deshalb soviel Zeit für die Suche nach einem geeigneten Kandidaten. Wer weiss denn, was den überkandidelten Bond-Puristen da draußen ansonsten noch alles einfallen würde.

    Sorry nochmal, für den überlangen Text..

  • Friedhelm Hippen sagt:

    PS: für den (eher unsauberen) Text muss ich mich nachträglich glatt entschuldigen – der ist mir tatsächlich etwas zu schluderig geraten. Als ich den Artikel las, habe ich spontan losgelegt und offensichtlich wenig auf schreibtechnische Feinheiten geachtet. Ich hoffe dennoch, dass mein Geschreibsel lesbar ist.