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Sagen der mittleren Werra 64

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Vom Lutherfuß auf der Glasbach

Auf der Glasbach, links an der Straße und rechts vom Fußweg nach Ruhla liegt eine der Steinbacher Pfarrwiesen. In einem der vielen Granitbrocken, die sich hier aus dem Grün erheben, erblickt der Wanderer die einem Fußtapfen ähnliche Vertiefung, welche der Lutherfuß genannt wird.

Ein Holzhauer erzählte: »Als Doktor Martin Luther es den großen Herren auf dem Reichstag zu Worms einmal nach seiner Weise gehörig gesagt hatte und dann auf seiner Heimreise dort unten an der Lutherbuche von den Altensteiner Rittern in aller Freundschaft gefangen genommen wurde, da haben sie ihn erst noch hier im Gebirge in der Unschirr herumgeführt, sodass er zuletzt todmüde war und auf den Gedanken kam, dies alles geschehe nur, um ihn erst über die Richtung des genommenen Wegs irrezuleiten und dann auszuplündern. Er erklärte daher den vermummten Rittern, als sie an dieser Stelle mit ihm angelangt waren, fest und ohne Umschweife, dass, wenn sie ihn berauben oder wohl gar ermorden wollten, sie es nun tun möchte; er würde von hier aus keinen Schritt weitergehen und stampfte dabei so heftig und zornig mit dem Fuß auf diesen Stein, dass man den Tritt bis auf den heutigen Tag noch sieht.«

 

Dr. Luther und Paracelsus auf der Glasbach

Es war auf einem Fürstentag zu Schmalkalden, wo Luther, anscheinend vergiftet, erkrankte und sich deshalb von da über den Bergweg zu seinem lieben Stammort, der ewigen Ruhestätte seiner Vorfahren und Freundschaft, bringen ließ. Vom Kurfürsten waren ihm Ärzte zur Begleitung und Pflege mitgegeben. In Betten und Decken gehüllt wurde der Fieberkranke auf einem Gefährt des Landgrafen von Hessen fortgeschafft. Am Glasbach hinter dem Altenstein angekommen und nach einem Trunk aus der frischen Quelle dort lechzend traf er hier Bombastus Paracelsus ab Hohenheim, der im Wald Kräuter gesammelt und damit die Körbe gefüllt hatte, welche sein Hund auf dem Rücken trug.

Der Wunderdoktor erkannte Luthers Leiden und riet ihm als heilendes Gegenmittel, in der Nachtherberge einen Hering zum Abendessen zu genießen und Wasser darauf zu trinken, so viel ihm gelüstete.

»Den Schweiß, der in der Nacht eintreten wird«, fügte Paracelsus hinzu, »den sollt Ihr, Magister, wohl unterhalten bis zum nächsten Vormittag. Und tut Ihr, wie ich gesagt habe, so werdet Ihr gesund wie ein Fisch am nächsten Tag die Reise fortsetzen können.«

Nach diesem erteilten Rat rückte derselbe seine Körbe zurecht und zog freundlich grüßend auf dem Waldweg weiter ins Gebirge.

Ob nun wohl Luther anfänglich abgeneigt war, auf Paracelsus zu hören, den er seither als einen Genossen des Bösen angesehen hatte, so trieb ihn doch sein Schmerz und das freundliche Wesen des Kräutersammlers, das Heilmittel nicht unbenutzt zu lassen.

Waren seine Begleiter schon am Tage mit ihrem Kranken aus Besorgnis, er könnte unterwegs sein Leben aushauchen, trotz der üblen Waldwege vorwärtsgeeilt, so schüttelten sie am Abend, wo sie die erwünschte Herberge zu Möhra erreicht hatten, höchst bedenklich die Köpfe, als Luther wider ihr Abmahnen nicht einen, sondern zwei der scharf gesalzenen Meeresfische verzehrte, darauf Wasser trank, als sei es ihm liebes Einbecker Bier, und endlich das Lager bezog, das ihm der Hausherr in der Hölle, dem Raum hinter dem frisch geheizten Kachelofen, zurecht gemacht hatte. Freilich auch wie vom Donner gerührt standen sie da, als ihr Patient, nachdem er am anderen Morgen seinen Hauswirt um ein trockenes warmes Hemd gebeten hatte, sich wie ein neugeborener Mensch vom Lager erhob und den Jüngern des Aesculapius mit seiner gewohnten kräftigen Stimme den Abschied gab mit den Worten: »Kehrt nur immer nach Schmalkalden zurück und vermeldet den Fürsten und Herren, die es wohl mit dem Luther meinen, dass derselbe wieder erstanden sei und wohlgemut lossteuere auf sein endliches Ziel.«