Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der mysteriöse Doktor Cornelius – Band 1 – Episode 2 – Kapitel 4

Gustave Le Rouge
Der mysteriöse Doktor Cornelius
La Maison du Livre, Paris, 1912 – 1913
Zweite Episode
Die Villa mit den Brillanten

Kapitel 4

Die Bestückung des Ofens

An diesem Abend sollte das Experiment stattfinden, das Monsieur de Maubreuil seit über einem Monat vorbereitet hatte. Wie alle echten Wissenschaftler war auch der alte Chemiker am Vorabend dieses entscheidenden Versuchs nicht ohne Emotionen.

Er lehnte sich an das hohe Fenster seines Labors und beobachtete nachdenklich, wie die Nacht allmählich über dem Meer und dem Land, aus dem geheimnisvolle Gerüchte aufstiegen, erlosch.

»Werde ich es endlich schaffen?«, fragte er sich zum tausendsten Mal. Und im Geist wiederholte er die Berechnungen, deren Ergebnis er diesmal als unfehlbar ansah.

Plötzlich durchdrang der markerschütternde Schrei einer Gruppe von Seevögeln, die im Sand des Streifens nach Nahrung suchten, die Stille des Abends.

Obwohl er frei von Aberglauben war, konnte der Chemiker nicht anders, als zusammenzuzucken, aber er überwand das Gefühl des unbestimmten, krankhaften Schreckens schnell.

»Komm schon!«, murmelte er, »es ist Zeit.«

Er ging in das erste Zimmer und rief: »Baruch!«

»Baruch!«

»Hier bin ich, Monsieur!«

»Schalten Sie die elektrischen Lampen ein; wenn es Ihnen recht ist, wollen wir uns an die Arbeit machen …«

In diesem Moment klopfte es leicht an der Außentür des Labors. Ohne auf die Erlaubnis zum Eintreten zu warten, stürmte Andrée in den Vitrinenraum und warf sich dem alten Gelehrten in die Arme.

»Guten Abend, Vater; ich werde den Abend bei Frédérique in der Villa verbringen.«

»Geh, mein Kind, aber komm nicht zu spät nach Hause. Obwohl der Weg nicht weit ist, gefällt es mir nicht, dass du wie eine bretonische Elfe durch die Heide und über die Sandstrände wanderst. Wir werden heute Abend sehr lange arbeiten und ich werde noch nicht im Bett sein, wenn du nach Hause kommst.«

»Welches neue Wunder bereitet ihr uns noch vor?«

»Ich bin immer noch bei den Diamanten, liebe Kleine. Ich habe zwar noch nicht erreicht, was ich wollte, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir am Ziel sind. Vielleicht kann ich dir morgen Brillanten zeigen, die schöner sind als die der Königin von England oder der Kaiserin von Russland.«

Andrée war zum Hass auf Juwelen erzogen worden.

»Du weißt doch, Vater”, sagte sie, »dass ich Blumen allen Juwelen vorziehe.«

»Nun, wir werden die schönsten Blumen der Welt haben und die Diamanten deiner Freundin Frédérique geben. Aber ich empfehle es dir noch einmal, verweile nicht zu lange!«

»Viel Glück, aber sei unbesorgt, ich werde früh zurück sein. Stehe ich nicht unter dem Schutz meines treuen Oscar, der mit seiner Laterne und seinem Stechpalmenstock bewaffnet ist?«

Lachend deutete sie mit dem Finger auf den buckligen Mann, der sich im Türspalt versteckt hielt.

Während dieser Unterhaltung war Baruch Jorgell in das zweite Laboratorium zurückgekehrt, als ob er die Anwesenheit des Mädchens hätte vermeiden wollen.

Seit einiger Zeit herrschte zwischen Andrée und dem Mitarbeiter ihres Vaters eine geheimnisvolle Kälte. Trotz all seiner Verstellung konnte Baruch seine Unzufriedenheit und Eifersucht nicht verbergen, die er wegen der Hartnäckigkeit des Ingenieurs Paganot in der Nähe des Mädchens empfand.

Einen Moment lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, Monsieur de Maubreuils Schwiegersohn zu werden, und er war wütend und gedemütigt zugleich über die höfliche Gleichgültigkeit, die Andrée ihm entgegenbrachte, die mit ihrer weiblichen Hellsichtigkeit in dem Mitarbeiter ihres Vaters einen Feind erblickte, der umso gefährlicher war, je heuchlerischer er war, ohne sich dessen vielleicht bewusst zu sein.

Monsieur de Maubreuil war der Einzige, der – mit der Naivität eines alten Gelehrten, der nichts von den Verratstaten des Lebens weiß – Baruch gegenüber volle Sympathie zeigte. Da er ihn nur in Bezug auf die wissenschaftliche Arbeit zu loben hatte, hielt er das Schweigen des Amerikaners für Melancholie und seine Verschlagenheit für Ernsthaftigkeit.

Andrée war bereits einige Stufen der monumentalen Granittreppe mit Holzgeländer hinuntergestiegen, als Monsieur de Maubreuil ihr vom Treppenabsatz aus zurief: »Grüße an Freund Bondonnat. Kündige ihm für morgen meinen Besuch zur Mittagszeit an. Wenn ich Erfolg habe, werde ich Frédérique einige Brillanten aus meiner eigenen Herstellung mitbringen.«

Monsieur de Maubreuil ging nachdenklich ins Haus zurück, geplagt von einer vagen und unheilvollen Vorahnung.

Lange Zeit lehnte er sich an das hohe Fenster und verfolgte mit den Augen den Schein der Laterne, das wie ein Glühwürmchen auf der Klippe zwischen den Ginsterbüschen der Heide auftauchte und wieder verschwand. Schließlich verlor sich der Schein in einer Art phosphoreszierendem Heiligenschein, der über den elektrischen Gärten von Monsieur Bondonnat schwebte. Andrée war bei ihren Freunden angekommen.

»Na los!«, rief der Chemiker und riss sich zusammen, »genug der Träumereien, an die Arbeit!«

»Alles ist bereit, Meister«, antwortete Baruch unterwürfig.

Unter dem Schein der elektrischen Lampen leuchteten die Edelsteine in den Vitrinen funkelnd auf.

Monsieur de Maubreuil ging durch das Labor und näherte sich dem großen Porzellantisch in der Mitte, der mit einem Durcheinander von Ballons, Röhren, Matrizen und Reagenzgläsern bedeckt war. Baruch öffnete mit einer Zange die schweren Türen des Elektroofens, der eine ganze Seite des Raumes einnahm und durch dicke Metallplatten, die mit feuerfesten Ziegeln verstärkt wurden, geschützt war.

Die melancholische Physiognomie von Monsieur de Maubreuil wurde von einem Lächeln erhellt.

»Diesmal«, erklärte er, »glaube ich an den Erfolg. Ein Misserfolg ist unmöglich! Wir werden große Diamanten herstellen, echte Diamanten, und zwar in so großen Mengen, wie wir wollen.«

»Moissan selbst, der große französische Chemiker«, sagte Baruch, »hatte nur winzige Diamanten erhalten. Die größten hatten die Größe eines Stecknadelkopfes und er verteilte sie als Kuriosität an die Schüler seiner Vorlesungen.«

»Das lag daran, dass er zweifellos nicht mit ausreichend großen Massen gearbeitet hatte.«

Baruch lächelte hämisch.

»Wir werden Erfolg haben, daran zweifle ich nicht«, sagte er, »allerdings ist das Pech für die Juweliere und die Aktionäre der Diamantenminen.«

»Ich habe in dieser Hinsicht keine Skrupel«, erwiderte der Chemiker ruhig. »Das Verschwinden des Krieges aus der Menschheit wird eines Tages auch die Kanonengießer und Melinitfabrikanten ruinieren, so wie das Verschwinden der Krankheit die Apotheker und Drogisten auslöschen wird. Ich sehe darin kein großes Übel, denn die menschliche Arbeitskraft wird sich auf wirklich nützliche Dinge verlagern.«

Baruch Jorgell antwortete nicht, seine Aufmerksamkeit wurde gerade von einem quadratischen Metallgerät angezogen, das an der Wand gegenüber dem riesigen Elektroofen befestigt war.

»Hier«, sagte er, »ein Aufnahmemikrofon!«

»Ja«, antwortete der Chemiker, »ich habe es heute Morgen selbst aufgestellt, um die besonderen Geräusche zu registrieren, die während der Kristallisation in der Schmelze auftreten. Vielleicht kann man daraus etwas lernen.«

»Vielleicht«, murmelte der Amerikaner, der sich nun Sorgen machte.

Nun herrschte Stille im Labor. Baruch stellte große Schmelztiegel auf den Tisch, welche mit Metallstäben gefüllt wurden, die mit sehr dichtem Kohlenstoffstaub bestreut waren. In andere füllte Monsieur de Maubreuil Graphitblöcke ein und passte die Stutzen eines Apparats an, durch den die Kohlensäure, die auf eine hohe Temperatur erhitzt wurde, in den Kern der Schmelze gelangen sollte.

Baruch widmete sich mit methodischer Langsamkeit der Aufgabe, die ihm zugedacht war. Aber wenn er sich nicht vom Chemiker beobachtet fühlte, funkelten seine Augen und sein Gesicht verkrampfte sich zu einem schrecklichen Grinsen.

Monsieur de Maubreuil hingegen schwebte in voller Begeisterung. Seine Züge hatten ihren matten und melancholischen Ausdruck verloren. Sein langes graues Haar war nach hinten geworfen, sein Bart zerzaust, und er lief in einem geschäftigen und fröhlichen Rausch hin und her.

In weniger als einer halben Stunde waren die letzten Vorbereitungen abgeschlossen. Die gefüllten und mit Deckeln verschlossenen Schmelztiegel standen symmetrisch auf dem Mitteltisch.

»Wir sind am Ziel!«, rief Monsieur de Maubreuil begeistert. »Wir werden endlich den Kindheitstraum der alten Menschheit erfüllen, die sich in diese nutzlosen und glänzenden Kieselsteine verliebt hat. Die Steine, die wir herstellen werden, werden die Schüssel des Königs Salomon, die nach Aussage der Rabbiner aus einem einzigen Smaragd gefertigt wurde, und den riesigen Rubin, der, wie ich gelesen habe, derzeit im Besitz des Milliardärs Jorgell, Ihres Vaters, ist, bei Weitem übertreffen!«

Baruch bekam einen Blick, der mit Hass behaftet war.

»Erzählen Sie mir nichts von meinem Vater«, stammelte er mit zitternder Stimme. »Es gibt nichts Gemeinsames mehr zwischen uns. Wissen Sie, auf welche Weise er mich beraubt hat?«

»Verzeih mir diese Anspielung, mein lieber Baruch«, sagte der alte Mann liebevoll, »ich hatte nicht die Absicht, dich zu kränken, ich vergaß, wie schmerzhaft diese Erinnerungen für dich sind … Aber kommen wir auf unsere Diamanten zurück. Jetzt geht es darum, die Schmelztiegel in den Ofen zu schieben.«

Ohne ein Wort zu erwidern, öffnete der Amerikaner erneut die schweren Türen des Elektroofens, in dem er die nicht schmelzbaren Gefäße aufreihte.

Jetzt musste nur noch der Strom von mehreren tausend Volt fließen, der stark genug war, um die Kristallisation des mit dem Metall der Schmelztiegel vermischten Kohlenstoffs zu bewirken.

Die Türen wurden hermetisch verschlossen. Der feierliche Moment war gekommen.

»Los!«, befahl Monsieur de Maubreuil ernst.

Baruch legte den Schalter um und entfesselte damit den gewaltigen Strom.

Fast augenblicklich breitete sich eine schreckliche Hitze in beiden Räumen aus; die Türen des riesigen Ofens glühten, Böden und Möbel knackten und splitterten, und auf dem Tisch, der allerdings mehrere Meter vom Ofen entfernt war, zerplatzten Reagenzgläser.

Monsieur de Maubreuil und Baruch mussten schweißgebadet und mit geschwollenen Gesichtern, obwohl sie nur Laborkittel aus grobem Leinen trugen, in den Raum mit den Vitrinen gehen, in dem die Hitze kaum weniger stark war.

Beide keuchten und waren halb am Ersticken.

Von Zeit zu Zeit ging Baruch in das Labor, schaute sich die Geräte in der Nähe des Ofens an und eilte dann zurück, halb erstickt von der unerträglichen Temperatur im Raum.

Selten fielen Worte in der großen Stille.

»Wie viel Grad sind es?«

»3000.«

»Gut.«

Dann waren es dreitausendfünfhundert, viertausend … viertausendfünfhundert.

Die Atmosphäre wurde so stickig wie im Heizungskeller eines Ozeandampfers; der Parkettboden krümmte sich und verkohlte zwei Meter von den feuerfesten Ziegelsteinen entfernt, auf denen der Elektroofen stand; der Dachstuhl des alten Herrenhauses schien kurz vor dem Auseinanderbrechen zu stehen; eine der Fensterscheiben zersprang mit einem scharfen, zerreißenden Quietschen wie ein Todesschrei.

»Fünftausendfünf!«, verkündete Baruch.

»Das reicht«, stammelte Monsieur de Maubreuil und tupfte sich die Stirn ab. »Jetzt müssen wir diese Temperatur nur noch eine halbe Stunde lang halten.«

Der Amerikaner betätigte den Schalter. In dem gleißenden Licht, das von den glühenden Türen ausging, blitzten seine Augen auf. Es war, als würde er sich in dieser glühenden Atmosphäre wohlfühlen, als wäre er in seinem Element.

»Ich kann nicht mehr«, murmelte Monsieur de Maubreuil, »gehen wir auf den Treppenabsatz und schnappen ein bisschen Luft.«

Sie gingen hinaus und genossen die weniger warme Atmosphäre auf der Treppe.

 

Manoir aux Diamants schien zu schlafen, der bretonische Diener und der Elektriker, der sich um die Maschinen im Keller kümmerte, schliefen am anderen Ende des Schlosses. In der Stille hörte man nur das Knacken des sich zusammenkrümmenden Holzes, vermischt mit dem Rauschen des Meeres und dem Pfeifen des Windes in der Heide.

»Ich fürchte, Andrée hat schlechtes Wetter, wenn sie nach Hause kommt«, meinte Monsieur de Maubreuil plötzlich.

»Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, sagte Baruch mit einem seltsamen Unterton.

»Es stimmt, dass Freund Bondonnat sie von einem seiner Mitarbeiter nach Hause fahren lassen würde oder noch besser, mir telefonisch mitteilen würde, dass er sie bis morgen früh bei sich behält.«

»Das verstehen Sie sicher.«

»Ich weiß, aber es beunruhigt mich … Ich hätte mir fast gewünscht, dass meine Tochter hier wäre, um unseren Triumph oder Misserfolg mitzuerleben …«

»Sie wissen doch«, sagte Baruch plötzlich mit einem Blick auf den Chronometer, »dass die halbe Stunde bald um ist.«

»Lass uns hochgehen!«, rief der alte Gelehrte, der sich wieder auf sein Experiment konzentrierte.

Die beiden kletterten eilig zurück ins Labor und betrachten erneut den glühenden Ofen. Baruch unterbrach den Strom genau in der richtigen Minute und öffnete die Türen und Fenster, die durch starke Eisenstäbe geschützt waren.

Die feuchte Kühle eines regenschweren Westwindes kühlte die erstickende Atmosphäre im Laboratorium angenehm ab. Der Ofen verlor seinen fulminanten Glanz und begann sich langsam abzukühlen.

»Wollen wir aufmachen?«, fragte Monsieur de Maubreuil mit fiebriger Ungeduld.

»Versuchen wir es«, stimmte der Amerikaner mit nicht weniger Spannung zu.

Er bewaffnete sich mit einer langen Stahlzange und näherte sich dem Ofen, aber die Hitze war sehr stark, sodass er noch warten musste.

Der alte Chemiker konnte sich kaum beherrschen. Er ging mit großen Schritten durch die beiden Räume des Labors und wiederholte mechanisch Gleichungen und Formeln – genau die Formeln für die Diamantsynthese, bei der er sich nun, da das Experiment zu Ende ging, nicht mehr so sicher war.

»Hoffentlich, murmelte er, habe ich mich nicht geirrt!«

In der Zwischenzeit hatte Baruch die Türen und Fenster wieder geschlossen. Beide hatten sich, wie einer unbesiegbaren Anziehungskraft nachgebend, dem Elektroofen genähert.

»Ich hoffe«, sagte Monsieur de Maubreuil aufgeregt, »dass der Strom dieses Mal sein geheimnisvolles Werk vollbracht hat. Die Kristallisation muss perfekt sein, sonst verzweifelt man an der Chemie!«

»Das werden wir gleich sehen; jetzt können wir aufmachen.«

Baruch hatte seine Zangen wieder in die Hand genommen, die schweren Metallriegel wurden zurückgeschoben, und unter dem tiefen Gewölbe erschienen die Schmelztiegel in einem Nimbus aus rosafarbenem Dampf.

»Wenn wir nicht erfolgreich gewesen sind!«, stammelte der Chemiker, und sein Herz klopfte vor Angst.

Mit zusammengebissenen Zähnen hob Baruch mühsam jeden Tiegel mit seiner Zange auf den Porzellantisch, wo sie bald alle in einer Reihe standen.

Mit einer kleineren Zange versuchte der Amerikaner, einen der noch glühenden Tiegel zu öffnen, aber das war nicht so einfach.

»Nehmen Sie einen Hammer und zerschlagen Sie ihn!«, rief Monsieur de Maubreuil, der keine Minute länger warten konnte.

Baruch nahm einen schweren Stahlhammer mit sehr kurzem Stiel und zertrümmerte den Tiegel mit einer brutalen Bewegung. Jedes Fragment der feuerfesten Masse schien mit einem blendenden Diamantenüberzug bedeckt zu sein. Sie glitzerten inmitten des beißenden Dampfes, der immer noch ausströmte.

Der Amerikaner war vor Staunen und Verwunderung stumm geblieben. Das Vermögen, das sich vor seinen Augen ausbreitete, war unbezahlbar, es gab apfelgroße Rohkristalle, um die sich Kaiserinnen und Königinnen mit Milliardenbeträgen hätten streiten können.

Monsieur de Maubreuil war sehr blass und betrachtete die Edelsteine mit einem verzückenden Lächeln.

»Diamanten«, rief er mit einem nervösen Lachen, »aber das ist vorbei! Das ist nichts mehr wert. Wer will sie? Ich werde sie zu Hunderten, zu Tausenden herstellen; man wird Muldenkipper damit füllen, Waggons damit beladen, Häuser damit bedecken, Straßen damit pflastern … Ha! Ha!«

Er lief gestikulierend durch das Labor hin und her, auf dem Höhepunkt der Begeisterung angelangt.

»Komm, Baruch!«, rief er in gebieterischem Ton, »lass uns keine Minute verlieren, wir müssen sehen, was in den anderen Schmelztiegeln ist.«

Wenn Monsieur de Maubreuil, ganz in der Freude über einen lang erwarteten Triumph, in diesem Moment Baruch Jorgell angesehen hätte, wäre er über die plötzliche Veränderung, die in seinen Zügen stattgefunden hatte, entsetzt gewesen. Von dem Weltmann, dem korrekten Amerikaner, der immer ernst und sogar ein wenig traurig war, war nichts mehr übrig geblieben. Der Kiefer stand hervor, die Zähne waren verkrampft, die Augen standen ihm aus dem Kopf, und Baruch hatte in einer Sekunde eine erschreckende Physiognomie von bestialischer Gier und Grausamkeit angenommen.

»Aber zerbrecht doch diese Tiegel!«, wiederholte der Chemiker, der von den Diamanten regelrecht hypnotisiert war, nichts sah und nichts hörte, ganz in der wahnwitzigen Freude über den Erfolg.

»Welchen?«, fragte Baruch und hob seinen Stahlhammer.

»Der hier!«, sagte der Chemiker und beugte sich vor, um den größten der Schmelztiegel zu zeigen.

Die schwere Masse fiel mit einem lauten Knall zu Boden. Monsieur de Maubreuil wurde am Hinterkopf getroffen und fiel, ohne einen Schrei auszustoßen, gegen die heiße Wand des Elektroofens.

»Stirb, du alter Narr«, brüllte der Mörder, »mir gehört das Geheimnis des Diamanten!«

Das Gesicht des unglücklichen Chemikers hatte sich plötzlich violett gefärbt. Seine Augen hatten sich verdreht, und seine Physiognomie behielt im Tod einen entsetzlichen Ausdruck des Staunens und der Angst.

Baruch betrachtete einige Zeit mit zynischer Gelassenheit den entstellten Leichnam seines Wohltäters, dann wandte er sich mit einem Achselzucken ab.

»Nun«, sagte er laut, als ob er mit einem unsichtbaren Gesprächspartner gesprochen hätte, »wir sollten hier nicht länger verweilen!«

Mit einer Schnelligkeit und Präzision, die auf einen abscheulichen Entschluss hindeuteten, zerschlug er nacheinander alle Schmelztiegel, riss die größten Diamanten heraus und häufte sie auf einer Ecke des Tisches auf. Die glitzernde Pyramide stieg unaufhörlich an und blendete mit tausend Lichtern.

»Da sind Millionen drin!«, stammelte der Mörder mit einer Art gierigem Eifer.

Und er stand wie verzaubert an derselben Stelle und vergaß die Zeit, den Ort und die schreckliche Gefahr, in der er sich befand.

Plötzlich zuckte er zusammen.

Es schien ihm, als hätte jemand leise an die Tür geklopft.

Er lauschte, seine Ohren waren ängstlich auf die Geräusche von draußen gerichtet.

Das Geräusch wurde immer deutlicher.

Es war jemand, der an der Tür kratzte, leise, wie wenn man befürchtet, neugierig zu sein.

»Andrée!«, flüsterte er mit dumpfer Stimme, »sie ist es, die kommt, um das Ergebnis unseres Experiments zu sehen … Pech gehabt … Wehe dem, der mich in einem solchen Moment überrascht!«

Mit grimmigem Mut nahm er einen großkalibrigen Browning aus seiner Tasche und öffnete plötzlich die Tür.

Pistolet sprang auf und rannte mit wütendem Gebell in den Raum.

Baruchs Wut war auf dem Höhepunkt.

»Dieser elende Hund hat mich also so erschreckt!«, knurrte er. »Aber er wird mir für meinen Schrecken von vorhin büßen.«

Er schoss aus nächster Nähe.

Pistolet fiel röchelnd mit rosa Schaum vor dem Maul zu Boden.

Baruch war nun in jener Art von Panik, die Mörder nach einem Verbrechen unweigerlich befällt.

Er hatte die Schmelztiegel geleert. Hastig und mit wilden Gesten stürmte er zu den Vitrinen im ersten Saal und schnappte sich wahllos die schönsten Edelsteine, wobei er Steine von geringem Marktwert wie Amethyste und Topase zugunsten von Rubinen und Smaragden vernachlässigte, deren Preis in manchen Fällen unbezahlbar ist.

Er fügte diese Beute dem Haufen Diamanten hinzu und packte alles in seinen Laborkittel.

Er erledigte seine Arbeit mit ruckartigen Bewegungen und unterbrach jede Minute, um auf den Chronometer zu schauen.

»Sie muss schon zu Hause sein«”, stotterte er mit leiser, unterbrochener Stimme. »Wehe, sie kommt auf die Idee herzukommen! Meine Hände sind schon in Blut getränkt! … Ich werde bis zum Ende gehen!«

Er umklammerte seinen Browning mit fieberhaften Bewegungen.

Plötzlich legte er die Hand mit einer verlorenen Geste an die Stirn.

»Man darf das Wesentliche nicht vergessen«, sagte er mit dumpfer Stimme. »Die Formeln! … Ich wollte ohne sie gehen …«

Nicht ohne eine Grimasse des Entsetzens trat er an die Leiche heran, er griff in die Tasche der Weste, in der der Chemiker normalerweise ein winziges Notizbuch festhielt. Dort waren die wichtigsten täglichen Entdeckungen des Wissenschaftlers kurz notiert.

Das Notizbuch mit den Formeln war verschwunden.

Baruch sah sich verwirrt um. Auf der Metallplatte des Ofens, die sich auf gleicher Höhe mit dem Boden befand, sah er einen quadratischen Haufen schwarzer Asche mit einigen Spuren von Vergoldung; es war alles, was von Monsieur de Maubreuils Notizbuch übrig geblieben war, das aus seiner Tasche auf die glühende Metallplatte gefallen war, genau in dem Moment, als sein Mörder ihn erschlagen hatte.

»Was soll’s!«, murmelte Baruch mit einer Art Niedergeschlagenheit, die vielleicht schon der Beginn von Reue war. »Ich werde die genauen Zahlen mit ein wenig Ausprobieren finden. Ich habe jetzt nur noch die Zeit, mich zu retten!«

Der Mörder wusch sich die geschwärzten Hände, zog einen dicken Mantel und eine Reisemütze an, packte seine Beute hastig in einen Koffer, den er am Vortag im Schaufensterraum versteckt hatte, und floh, ohne sich umzusehen, ohne die elektrischen Lampen auszuschalten und ohne die Türen zu schließen.

Er konnte das Manoir aux Diamants durch die kleine Tür verlassen, die zum Strand führte. Er war keinem begegnet.