Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Gespenster – Dritter Teil – 44. Erzählung – Teil 1

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Vierundvierzigste Erzählung – Teil 1

Der Geist der verstorbenen Frau Fischern zu Protzen

Unter dem 7. Februar des Jahres 1798 ersuchte Frau von Kleist, die Frau Besitzerin des adligen Gutes zu Protzen, einem Dorf in der Mittelmark Brandenburg, ihren Gerichtshalter, Herrn Bürgermeister Göring zu Neu Ruppin, sich möglichst bald zu ihr heraus zu bemühen, um eine auf dem Fischerschen Bauernhof daselbst sich zugetragene ärgerliche Spukgeschichte, die das ganze Dorf beunruhige und wegen zu befürchtender Diebereien unaufhörlich nächtliche Wachen veranlasse, gerichtlich zu untersuchen, die bis dahin noch unentdeckten natürlichen Triebfedern dieser anscheinenden Unnatürlichkeiten ans Tageslicht zu bringen und über die Schuldigen die gehörigen Strafverfügungen zu verhängen.

Nach den zu Protzen am 9., 10. und 27. Februar 1798 verhandelten Akten gehörten damals zum Personal im Wohnsitz des Poltergeistes

1) der Bauer Johann Fischer zu Protzen, der seit drei Monaten seine Ehefrau, Anne Louise geborene Schröder, im Wochenbett verloren hatte

2) dessen über siebzig Jahre alte Mutter, die Altsitzer-Witwe Regine Fischer

3) die Fischersche Dienstmagd, Louise Henriette Anne Sophie Feltin, (in den Akten auch Fettine genannt) 17 Jahre alt, die erst seit vierzehn Tagen – und

4) der Knecht Johann Christian Langerhans, der seit vier Jahren bei dem Bauer Fischer diente.

Ferner haben in dieser Koboldgeschichte gerichtliche Aussagen getan:

5) der Prediger zu Pratzen, Herr Sachse

6) Christoph Deter, herrschaftlicher Wirtschaftsschreiber

7) Friedrich Pätzold, ein zur Spukzeit zufällig durch Protzen wandernder Hildesheimer Huf- und Waffenschmiedgeselle

8) der Kompaniechirurgus Hr. Rodewald, Regiment Prinz Ferdinand

9) Ludwig Zerahn, Dienstknecht bei Herrn Prediger Sachse

10) Johann Ebel, Dienstknecht bei Bauer Frost, dem Nachbarn vom Wohnsitz des bösen Geistes und

11) Johann Joachim Friedrich Lerchenfeld, ein Tagelöhner.

Der Bauer Fischer gab unter anderen Folgendes zu Protokoll:

»Meine Frau starb vierzehn Tage vor Martini vorigen Jahres als Kindbetterin. Bald darauf folgte ihr auch das neugeborene Kind. Meine Mutter hatte in keinem guten Vernehmen mit ihr gelebt. Anfangs war im Haus alles ruhig, am 31. Januar aber fing die Verstorbene, während dass ich verreist war, plötzlich zu spuken an. An diesem Tag hatte meine Mutter dem Knecht aufgetragen, etwas Kien zum Leuchten anzuschaffen. Der Knecht zerspaltete am Ende den Klotz, welcher dem Sarg meiner verstorbenen Frau zur Unterlage gedient hatte. Der dadurch gewonnene Kien wurde in die Stube gebracht. Hier schlafen Mutter und Dienstmagd in einem Bett; ich und der Knecht hingegen liegen im Pferdestall. Als wir am Morgen des 1. Februar in die Stube traten, erzählten uns die Frauensleute, dass in der Nacht ein Spuk mit dem Kien fürchterlich nach dem Bett geworfen habe. Ich versuchte sie dieses Vorfalls wegen zu beruhigen und bat sie, nicht davon zu sprechen, damit meinem Bauernhof kein übler Ruf daraus erwachsen und überhaupt kein ärgerliches Gerede dadurch veranlagt werden möchte. Man erfüllte indessen diese meine Bitte nicht.

Am Tag war es gewöhnlich ruhig im Haus, aber schon am nächstfolgenden Morgen klagten die Frauensleute abermals über das nächtlich spukhafte Poltern und Schmeißen in der Wohnstube. Wirklich fanden wir auch den Kien in der Stube zerstreut umherliegen.

Meine Mutter meinte, dieses Unwesen komme von meiner seligen Frau her, weil sie so schnell gestorben sei, und sicher habe der zerhauene Kienblock wegen des darauf gestandenen Sarges das Umherfliegen des Kiens veranlasst.

Ich ließ nun allen Kien aus der Stube heraus zu einer hinter der Scheune erbauten Torfkammer tragen und glaubte, so die Ruhe im Haus hergestellt zu haben. Aber wie sehr irrte ich! Am folgenden Morgen klagte meine Mutter ängstlich, die Verstorbene habe nicht bloß wieder Kien in die Stube umhergeworfen, sondern ihr auch mit diesem Holz an den Kopf geschlagen.

Ich drosch mit meinen drei Hausgenossen des Morgens in der Scheune. Die Magd entfernte sich, um die Kühe zu füttern. Als sie zu uns zurückkehrte und durch den vorderen Teil der Tenne eintrat, fielen hinten in der Scheune drei Kienstücke, und auch außerhalb derselben fiel deren eins nieder, ohne dass wir bemerkten oder begriffen, wie und durch wen diese Würfe geschahen. Nachmittags vernahm ich, als ich auf dem Hof oder im Hausflur war, ein fürchterliches Klopfen und Quieken, welches aus der Stube kam, in welcher meine Mutter und die Magd beim Spinnrocken saßen. Diesmal hatte die Mutter, nach beider Versicherung, ein Herz gefasst und die Unsichtbare angeredet, sodass folgendes Gespräch entstanden war:

Die Mutter: »Anlieschen! Bist du‘t? Bin ick die to nah kamen, so vergess mie’t! Un geh wedder in dien Kämmerlein; oder wat is dien Begehr?) (Anne Louise! – so hieß die verstorbene Hausfrau – Bist du es? Bin ich dir zu nahe gekommen, so vergib es mir, und geh wieder in deine Ruhstütte zurück; oder was ist sonst dein Begehr?)

Der Geist (dem Gehör nach unter dem Bett): Det Tuch sall verkööpt weren! Verkööp! Verkööp, Lieschen sall köpen! (Das Zeug soll verkauft werden! Verkaufe! Louise, die Magd, soll kaufen.)

Lieschen: Wat sall ik denn kööpen?

Der Geist: Röcke! Schörten! (Schürzen)

Lieschen: Sallen so düer verkofft weren! (Sollen sie teuer verkauft werden?)

Der Geist: Nee, nich düer!

Lieschen: Se sind to lang.

Der Geist: Schnied af! Schnied af! (Schneide ab, mache sie kürzer!)

Die Mutter: Heb ick die denn wat to Lede dohn? (Habe ich dir denn etwas zu Leide getan?)

Der Geist: Nee! Christian!

Die Mutter: Wat sall de?

Der Geist: De het den Kehnblock intwey hackt, wo myn Sarg drubstund … dafär will ick em klüten. (hat den Kienblock, worauf mein Sarg stand, zerhauen, dafür will ich ihn schmeißen.)

Die Mutter: Ick will all den Kehn verbrennen.

Der Geist: Nee! Klüten! Klüten!

Als hierauf des Abends mein Knecht zu mir und den Frauensleuten in die Stube trat, kam, wie es mir schien, vom Bett her ein Stück Kien an den Arm des Knechts geflogen. Bald danach wollte ich mir beim Kaminfeuer eine Pfeife Tabak anzünden. Nun flog mir wie mit einem Kreiselwind ein großes Stück Holz, welches noch kurz vorher in der Küche gelegen hatte, mit Heftigkeit gegen den Ellenbogen, sodass er mir noch des anderen Tages schmerzte. Mutter, Knecht und Magd waren hierbei gegenwärtig. Nach diesem Vorfall holte ich mir Nachbar Frosts Knecht und spielte mit ihm und meinem Knecht zum Zeitvertreib Karten. Da das Holz vom Kienblock im Kamin bereits verbrannt war, so flog nun ein Stück Eichenholz, welches ich ebenfalls kurz vorher in der Küche gesehen zu haben, mich erinnere, zwischen uns hin. Mutter und Magd lagen in der nämlichen Stube schon im Bett, waren aber noch wach.

Am Morgen des letztvergangenen Sonntags kam die Mutter unwillig zu mir in den Stall und klagte, dass der Kobold alles im Haus zerschmeiße. Wirklich lagen die Scherben von allerlei zerbrochenem Hausgerät haufenweise im ganzen Haus umher. Selbst die Käse, welche auf dem Ofen trocknen sollten, waren in den Schmutz auf die Erde geworfen.

Bisher war der Schaden, welchen der Poltergeist anrichtete, größtenteils in meiner Abwesenheit geschehen. Vom Sonntagabend an aber wurden die Stücken Holzes, die Leuchter, Feuerzeuge und Laternen, die Eier, die gläsernen Flaschen und das irdene Geschirr auch in meiner Gegenwart lebendig. Es war nämlich in der Abenddämmerung, als ich mit dem Bauer Frost in der Stube saß, und wir einen auf dem Kamingesimse stehenden Leuchter zwischen uns hin, auf den Tisch, an welchem wir saßen, fliegen sahen. Die Magd, welche dieses Mal ohne die Mutter bei uns war, wollte nicht gern allein in die Küche gehen, wo sie ein Geschäft hatte, und bat mich, mitzukommen. Indem ich in die Küche eintrat, stieß mir etwas mit der nämlichen Bierflasche, die ich kurz vorher noch in der Stube auf dem Tisch gesehen hatte, vor die Brust. Sie fiel zur Erde und ging entzwei.

Kurz vorher holte meine Mutter Kaff vom Boden. Bei dieser Gelegenheit wurde die Hand der Magd, welche auch mit und vorangegangen war, nach ihrer Versicherung von geworfenem Glas leicht berührt. Bei der Rückkehr vom Boden, wo die Magd hinter der Mutter ging, bekam diese in der Gegend des Ohres einen argen Schmiss mit dem Scherben einer zerbrochenen irdenen Satte. Ich sah die Wunde bluten1 und ging, als wir das Ungetüm des Geistes nicht länger ertragen konnten, mit meinen Hausgenossen zum Nachbar Frost und verschloss indessen das Haus.

Show 1 footnote

  1. Nach der Untersuchung des Kompanie-Chirurgus, Herrn Rodewald, wozu die Gerichte diesen aufforderten, fand sich in der Quetschung am Kopf eine kleine Hautverletzung eines Viertelzolles lang und kaum eines Strohhalms breit.