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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 9

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman Zweiter Band

IX. Die Befreiung

Als Wardow den Major verlassen hatte, beschäftigten sich seine Gedanken ganz ausschließlich mit der Angelegenheit desselben.

Der Hauptplan zur Befreiung desselben war bei dem jungen Mann bald fertig; er wollte als derjenige im blauen Turm erscheinen, der den Verhafteten zum Verhör zu führen habe. Er zweifelte nicht daran, dass man ihm den Major überantworten werde, und derselbe war alsdann auf freien Füßen.

Doch damit war die Sache nicht zu Ende. Es musste auch für das schnelle Fortkommen desselben gesorgt werden. Hierzu sollte Klassen dienen, wenn er nämlich wollte.

Indessen konnten er und Klassen den Major immer nur, ohne sofort entdeckt zu werden, bis Hiddensee schaffen, von wo aus weitere Maßregeln dazu getroffen werden mussten, was als eine Obliegenheit der Familie desselben erschien.

Wardow beschloss daher zunächst, einen Brief an die Majorin abzusenden, um ihr darin das Erforderliche mitzuteilen. Er ging, denselben zu schreiben.

Als er das Schreiben, in dem er einiges über die Lage des Majors angedeutet und fertig gebracht hatte, eilte er zum Hafen hinunter, seine Überbringung zu vermitteln.

Dies war nicht schwierig, denn trotz der Kriegszeit war der Küstenverkehr in der Gegend ziemlich lebhaft. Der Junker fand sehr bald einen Insulaner, der gegen Geld sofort mit seinem Boot den Hafen verließ.

Wardow war, wie wir wissen , zum Kommandeur einer Schaluppe ernannt, und bisher hatte ihn trotz des Arrestes noch kein Befehl seines Kommandos entsetzt. Er fand sein Fahrzeug am Bollwerk und Klassen anwesend, den er aufforderte, mit ihm in die Kajüte zu kommen. Klassen folgte sofort.

»Alter Freund!«, redete ihn der Fähnrich an, »wir haben bisher bereits so manchen Strauß zusammen durchgefochten, dass es mir ordentlich ist, als gehörten wir zusammen.«

Klassen fuhr sich ein paar Mal mit der Hand über das Gesicht und machte eine etwas verlegene Miene. »Mir ist das nun nicht grade so, Junker«, antwortete er, » denn Sie haben eine eigene Manier, sich und andere in die Tinte zu bringen. Ich rechne, hätten wir den Schoner zu einer gewissen Zeit segeln lassen, wohin er wollte, wäre vieles ungeschehen geblieben!«

»Oho, Klassen!«, rief Wardow, »doch Ihr mögt recht haben, es ist fast so; indessen ist einmal geschehen, was nicht zu ändern ist. Diesmal sollt Ihr mir ein gutes Werk verrichten helfen. Ich will den Major von der Grieben befreien!«

»Der arme Major!«, sagte Klassen.

»Das ist ein verständig Wort!«, meinte Wardow, »wollt Ihr?«

»Dazu möchte ich gerade nicht Nein sagen!«, antwortete der Alte langsam, » es fragt sich nur, was zu tun ist.«

»Ihn ganz einfach in einem Boot überfahren, Alter, wozu ich Euch beurlaube oder kommandiere, wie Ihr wollt!«

»Nun, es mag sein!«, sagte Klassen nach kurzem Besinnen, »der brave Herr hat es um uns verdient!«

Der Junker verließ, nachdem dies Abkommen getroffen war, sein Boot wieder und beeilte sich, seine Meldungen als glücklich von einer zweitägigen Krankheit Genesener abzustatten. Demnächst ging er auf die Admiralität, um sich weitere Befehle zu erbitten. Man hieß ihn, sich wieder auf seine Station zu verfügen.

Dieser Befehl war unzweifelhaft aus Unkenntnis der Verhältnisse gegeben. Wardow wusste dies, aber er hütete sich wohl, den Irrtum aufzuklären, denn jene Weisung vereinfachte sein Vorhaben um ein Bedeutendes. Er beschloss, dasselbe schon an diesem Abend auszuführen, und eilte zum Hafen, den Befehl zu geben, dass man sich zum Auslaufen bereit halte.

Soweit schien sich alles für das Unternehmen des jungen Mannes günstig zu gestalten. Doch als er am Abend im blauen Turm erschien, erfuhr er zu seinem nicht geringen Schreck, dass man ihn nicht zu dem Major lassen wolle, dass sogar Befehl gegeben worden war, gerade ihn unter keiner Bedingung mit demselben in Verbindung zu bringen.

Das war unangenehm , es war sogar auch gefährlich; denn es deutete an, dass man ihn im Einverständnis mit dem Verhafteten wähne, was Wardow, während er fortging , besonders beunruhigte.

Der Junker hatte Verstand genug, zu begreifen, dass er sich schleunig entfernen müsse. Er eilte, mit seiner Schaluppe den Hafen zu verlassen.

Doch Wardow ging an diesem Abend nur bis Bessin hinauf und ließ dort den Anker fallen; allein in der Kajüte versuchte er nun einen neuen Plan zur Befreiung des Majors zu entwerfen. Er kam darauf, statt der List Gewalt anzuwenden und zu diesem Zweck morgen früh eine Musterung über seine Leute anzustellen, um sich die zur Mitwirkung Geeigneten auszuwählen.

Wardow riskierte dabei nicht viel, denn Seeleute sind stets geschworene Feinde alles Gefängniswesens und Freunde verwegener Taten. Als er am Morgen Klassen Mitteilung über seine Absichten machte, fand er, dass sogar dieser damit einverstanden war.

Ein halbes Dutzend verwegener Burschen fand sich denn auch leicht aus der Mannschaft heraus. Nachdem Wardow und Klassen gehörig alles verabredet hatten, fuhr man am nächsten Abend in dem Boot der Schaluppe wieder südwärts. Stralsund liegt auf einer Insel und bildet selbst ein Dreieck. Es gibt nur drei Zugänge zur Stadt vom Land aus, und den einen derselben bildet das Frankentor sowie die Frankenbrücken, welche dort liegen, wo der Frankenteich mit dem Gellen verbunden ist.

Wardow und seine Gesellschaft passierten in ihrem Boot vom Norden her den ganzen Hafen und liefen in den Frankengraben ein, durchschnitten den Teich und legten zwischen dem Weingarten und der Kaiserbastion an.

Bereits an den Brücken von den Wachen angerufen , wurden sie es auch hier, doch Wardows Antworten und die Uniformen waren ein sicherer Pass, und der Posten am blauen Turm verhindert das Landen der Leute nicht.

Zwei derselben blieben, als wollten sie das Boot beaufsichtigen, bei dem Wachtposten zurück. Wardow, Klassen und vier andere begaben sich direkt zum blauen Turm, an dessen Tor der Junker pochte.

Wardow hatte den kürzesten Weg erwählt, seinen Zweck zu erreichen. Der Schließer öffnete und trat heraus. Der Junker redete ihn an und verlangte wie früher, zum Major gelassen zu werden.

»Nichts!«, murrte der Mann, » es soll nicht sein!«

Während des kurzen Gespräche trat jedoch der Junker auf den Mann zu, der sich deshalb zurückzog. Sofort sprangen die Seeleute herbei, ergriffen den Schließer, warfen die Tür zu und befanden sich nun mit demselben im Inneren des Turmes. Außerhalb desselben war fast kein Geräusch vernommen worden.

Der Schließer und seine Kumpane wurden schnell gebunden und hiernach eilte Wardow zu der ihm bekannten Zelle des Majors.

Grieben erkannte den jungen Mann kaum bei dem trüben Schein seiner Lampe, doch er freute sich sehr, ihn zu sehen. Als er aber hörte, was geschehen, erschrak er doch.

»Wie!«, rief er. »Sie haben alles meinetwegen in die Schanze geschlagen, das werde ich Ihnen nie vergessen!«

Wardow erwiderte nichts, und beide beeilten sich, von den Leuten Wardows gefolgt, das Gemach und den Turm zu verlassen. Man kam an dem Posten vorüber, der keine Ahnung von dem, was geschah, hatte, stieg in das Boot und stieß ab.

Der Teich, die Brücken und ein Teil des Hafens waren glücklich passiert.

Der Major war glücklich und drückte wiederholt seinen Befreiern die Hand.

Da plötzlich, man konnte vielleicht die Höhe der Heiligengeistbrücke erreicht haben, krachte der Alarmschuss, welcher zu jener Zeit gegeben wurde, wenn aus Festungen ein Soldat desertiert oder ein Verbrecher entsprungen war.