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Sträters Gutenachtgeschichten

Torsten Sträter
Sträters Gutenachtgeschichten
Die gesammelten Horror-Storys

Horror, Taschenbuch, Broschur, Ullstein, Berlin, März 2021, 512 Seiten, 14,00 EUR, ISBN: ‎9783548064543

Cringe nennen es sowohl Briten als auch Angloamerikaner, hierzulande verwendet man den Begriff Fremdschämen. Wer mit beiden Begriffen nicht klar kommt, respektive den tieferen Sinn dahinter nicht findet, der befrage nach Möglichkeit Torsten Sträter nach dessen Frühwerken, in denen von Zeit zu Zeit durchaus dessen spitz-humoristische Seite durchschimmert, die jedoch so rein überhaupt nicht mit dessen gegenwärtigen Elaboraten konform gehen.

Horror.

Kein Schreibfehler, kein Irrtum möglich. Die ersten literarischen Schritte des gebürtigen Dortmunders standen unter anderem im Schatten eines wohlbekannten Vorbildes: Stephen King. Ein reichlich ausladender Schatten, gleichwohl allerdings nicht das schlechteste Beispiel, zu dem man aufblicken kann; narrativ wie stilistisch. Was in den frühen 2000ern in einem längst zu Grabe getragenen Internetforum für Kurzgeschichten begann – mit Sträter als nur eingangs heimlichem Star – fand beim Eldur-Verlag zwischen von 2004 bis 2006 einen Heimathafen in Printform. HÄMOGLOBIN, POSTKARTEN AUS DER DUNKELHEIT sowie HIT THE ROAD, JACK! vereinten sowohl neuen als auch bereits veröffentlichten Grusel und schlugen hohe Wellen. Doch mitunter ändern sich Menschen oder schlagen andere Richtungen ein. Allerspätestens nach den finalen und lediglich tröpfchenweise, wenngleich ausnahmslos überzeugenden Horrorgeschichten legte Sträter endgültig ab, segelte unter anderem in die Gefilde des Poetry Slams und – den Rest kennt man.

Nun also, nach fast 20 Jahren: STRÄTERS GUTENACHTGESCHICHTEN, die gesammelten Horrorstorys, in einem Wälzer von einem Buch. 27 Erzählungen, verteilt auf etwas mehr als 500 Seiten. Fast wie vermutet mit diversen, überaus vertrauten Genretopoi, die aufgegriffen, eingedeutscht und fast immer – so soll es ja sein – mit einem neuen, bisweilen unerwarteten Spin bedacht werden: makabre Machenschaften im Altersheim; bei Musik von Rex Gildo und lecker Pudding, Kultrituale an der Tanke, befremdliche Mitbewohner, satanische Rituale im Kongresszentrum, unbequeme Wahrheiten von der Kirmes und dem Jahrmarkt, noch mehr Wahrheiten über deutsche Kinderbuch-Klassiker … es ist eine reichhaltige Liste, die Sträter abarbeitet. Dass er dabei King mindestens so nahe steht wie einem Jason Dark, lässt sich mit zunehmendem Verlauf nicht von der Hand weisen, auch nicht von Sträter selbst. Die Balance zwischen Anspruch und Pulp, zwischen Bestseller und Heftroman, gelingt Sträter indes spielerisch. Wie er auch eine der gewichtigsten Regeln Kings strikt befolgt: Schreibe über das, was du kennst. Demzufolge wandern die Helden und Schurken, die Glücklichen und Verfluchten auf abgestecktem Terrain: vorwiegend Dortmund und Umgebung, Lokalkolorit inklusive. Möglich, dass Sträter einer der Ersten war, der den US-Horror nach Deutschland importierte, auf heimischen Terrain anwandte und somit selbst zum Vorbild avancierte. Auch vor vereinzelten Querverbindungen wird kein Halt gemacht. Wozu auch? Dadurch erhalten die Geschichten Tiefe, eine zusätzliche, bisweilen befriedigende Note und ergeben einen individuellen Mikrokosmos.

Aber.

Aber?

Ja, ein Aber wäre da bedauerlicherweise noch. Nein, es ist nicht Sträters Stil, dessen lakonisch-ruhrpottige Abgebrühtheit, mit schwarzem Humor versetzt über jedem Zweifel erhaben ist.

Ironischerweise ist es eine von Sträters gegenwärtigen Stärken, die dem Band zwar nicht das Genick bricht, aber ihm immer wieder aufgescheuerte Knie beschert.

Wer Sträter kennt, der weiß: Sobald der Mann bei Bühnenauftritten, Slams oder in der Glotze ausholt, wird es grandios. Bei einigen – leider zu vielen – der vorhandenen Kurzgeschichten verliert sich der Plot dadurch ironischerweise bisweilen bis ins Nirvana und die Ungeduld sowie der Gram der Leserschaft wächst. Umgekehrt dagegen bei manchen der langen Beiträge, denen man von Herzen mehr Seiten gewünscht hätte; ja selbst einen eigenständigen Roman … Warum eigentlich nicht, Torsten Sträter? Für eine Romanfassung von Heiliger Krieg: Einer muss es ja machen wäre gewiss nicht nur ich Feuer und Flamme!

Dass vereinzelte Beiträge auch mal klassisch am Ziel vorbeischrammen oder die Intention des Autors schlicht nur teils nachvollziehbar ist – Schwamm drüber, so was gehört gewissermaßen zum guten Ton einer Storysammlung.

Ein Grund zum (Fremd-)Schämen sind STRÄTERS GUTENACHTGESCHICHTEN gewiss nicht – allerdings eben auch kein Treffer ins Schwarze. Was die Frage aufwirft, wie ein Torsten Sträter heute Horror schreiben würde. Warum eigentlich nicht …?

(ts)

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