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Hexengeschichten – Die Hexenkönigin – Kapitel 2 Teil 3

Ludwig Bechstein
Hexengeschichten
Halle, C. E. Pfeffer. 1854

Die Hexenkönigin
Kapitel 2 – Teil 3

Wie der Bauer Strumpf mit seiner Frau und seinem Knaben über einen der belebten Marktplätze schritt, um zu ihrem Gasthaus nach gemachten Einkäufen zurückzukehren, hemmte ein dichtgedrängter Volkshaufen ihren Wagen. Es gab etwas zu sehen, auf alle Fälle — und zu hören nicht minder, darum die Neugier und das drängende Gewühl des Volkshaufens, trotz des winterlichen Tages und trotz des fallenden Schnees.

Eine Bänkelsängerfamilie nahm die Mitte des dichten Kreises ein, aus dem sich, von einem zerlumpt genug aussehenden Kerl gehalten, eine Stange emporhob, auf welcher in grellen Farben auf Wachsleinwand verschiedene Bildergruppen gemalt waren, so drei Männer, bei denen ein Greis im weißen Talar stand, in der Ferne Gewappnete und ein Weinberg, dann wieder dieselben drei Männer und neben ihnen eine Gestalt wie der römische Mars, bei diesem der leibhaftige Tod mit der Sense und endlich bei den zwei ein geflügelter Engel.

Eine Frau von äußerster Hässlichkeit drehte eine Orgel und sang dazu, und ein ältlicher Mann mit grauem Bart in Matrosentracht hielt gedruckte Blättlein in der Hand, sang auch und schlug bei jeder Strophe mit einer langen Gerte auf die bezüglich dargestellten Bildgruppen, die das gesungen Werdende dem Auge gleichsam verkörperten, indem sie es zu deutlicher eindrucksvoller Anschau brachten. Ein halbwüchsiges, fantastisch gekleidetes Mädchen mit verwüsteten Zügen ging mit einem kleinen Blechteller Gaben heischend im Kreis herum. Dass viele der Hörer die Blätter je eins um einen Kreuzer kauften, unterbrach nur wenig die singende und vorzeigende Tätigkeit des Mannes. Die Melodie war schauderhaft und die Orgel befand sich in einer dem Selbstmord nahen Verstimmung.

Ohne Umstände drängte sich der wohlhabende Bauer Friedrich Strumpf auch in den Kreis, brach sich mittels seiner stämmigen Ellenbogen Bahn und zog dann Frau und Knaben nach sich, um sie alsbald vorzuschieben in den inneren Ring. Dann standen sie ruhig eingekeilt und waren gerade recht gekommen, um den langen Bänkelsängergesang von vorn anfangend zu hören.

Der Beginn lautete herzbrechend:

Wach auf, du deutsche Nation,
 fange mit an zu klagen!
 Und hör, was ich dir melde nun
 in diesen letzten Tagen:
Wie Gott lässt seine Allmacht groß
und Wunder sehn ohn’ Unterlass,
zur Warnung uns auf Erden! Ja Erden!

Jetzt klatschte das würdige Haupt dieser kleinen Bande mit seiner Gerte an das Bild, und Gesang und Orgelton klangen weiter:

Zu Brest wohl in der werten Stadt,
in Lothringen ich sage,
allda sich zugetragen hat
am lichten hellen Tage:
Drei Männer taten spazieren gehn,
auf’n Feld taten sie in Jammer stehn,
fingen sehr an zu klagen, ja klagen.

Nun folgt die längliche Reihe der Erscheinungen, welche benannte drei Männer gehabt, wie der greise, weise Mann, dessen Figur ihrem Klaps mit der Gerte nicht entging, zu ihnen getreten und aus einem Mund wohlfeile Zeit und Krieg prophezeit, wie es dann einen Donnerschlag getan, der mit einem furchtbaren Klitsch und Klatsch auf die Wachsleinwand versinnlicht wurde, und ein Kriegsmann, der Tod und ein Engel den Männern erschienen seien, wie der Kriegsmann Krieg, der Tod Sterben vorhergesagt und der Engel zur Buße gemahnt hatten.

Es war hier der ganze Ideenkreis zur Schau gestellt und getragen, den im Jahre 1718 das Publikum sich von Marktschreiern, Schnurranten und Lügenherolden bieten ließ. Wer an der Wahrheit des Gesagten oder Gesungenen hätte zweifeln wollen, würde damals gerades so scheel angesehen worden sein, als in unserer Zeit ein Tischrückungläubiger von den Tischrückgläubigen. Nein, das Bänkelsängerlied bewährte überall seine eindringliche Macht und die Wahrheit seines Schlusses:

Darauf sie (Krieger, Tod und Engel) wieder verschwunden sein;
die Männer gingen nach Hause,
und sagten es allen Menschen an,
viel Leut begunnt’ zu grausen.
Beten und singen zu dieser Frist:
Ach, bleib bei uns Herr Jesu Christ.
Straf nicht nach unsren Sünden! Ja Sünden!

Die Hörer fast allzumal wurden von mehr Gänsehäuten überlaufen, als deren wirklich heute zu Markt gebracht worden waren. Es war Reißens um das Kreuzerlied, man kaufte es begierig, trug es in alle Schenken, in alle Häuser, las es und belobte hoch den Geistlichen Herrn Johann Meisern, wohlbestalten Pfarrherrn zu Kesselbrunn, der sotanes Gedicht zur Buß und Vermahnung gesangweise verfasst und mit Bewilligung eines E. E. Rates in Druck gegeben.

Ein edler Rat übte demnach mit heilsamer Schere damals auch schon die Zensur und ließ geradeso vielen Unsinn durch die Pressen gehen als spätere zensurfreie Zeiten im aufgeklärtesten aller Jahrhunderte.

Friedrich Strumpf warf drei Kreuzer auf den Teller des Mädchens und einen Bätzner reichte er dem Familienvater dar, indem er sprach: »Für fünf Kreuzer werde ich wohl sechs Stück Lieder bekommen?«

»Mit schönstem Dank!«, antwortete jener, die sechs fliegenden Blätter eilig abzählend und darreichend und den Matrosenhut vor dem Literaturfreund in der Bluse lüpfend. Friedrich Strumpf aber sprach scherzend und in heiterer Laune zu seiner Frau: »Siehst du, Gret, der Mann ist billiger mit seinen Liedern als du mit deinen Eiern!«

Der Frau Grete Strumpf hatte das Lied ins Gewissen geschlagen und hallte darin mächtig nach, wie eine Weltgerichtsposaune, absonderlich die Worte des Todes:

Wie das Laub an den Bäumen bloß
von dem Reif tut verderben,
also will ich viel Menschenkind
mit meiner Sens’ abhauen geschwind.
Das sollen sie werden innen, ja innen!

Sie durfte sich doch nichts merken lassen, so presste ihr die innere Angst nur die bedeutsamen Worte als Antwort heraus: »Sein Lied kostet ihn auch weniger.«

Zu der Zeit, als der Strumpfenhofbesitzer vom Hausknecht des Gasthauses, wo er eingekehrt war, sein Ross aus dem Stall zur Tränke führen, dann anschirren und anspannen ließ und seine Zeche berichtigte, trat daheim Lurz, sein Knecht, ein volles Säcklein unter der Jacke bergend, das er behutsam an sich hielt, um es nicht zu drücken, aus dem Haus und schritt quer über den Hof zu der Scheuer, an welche ein Schafstall angebaut war, doch so, dass jedes der Gebäude seine besondere Mauer von Lehm und Fachwerk hatte. Der dadurch gebildete schmale Raum war von außen mit einem Brett vernagelt, um keinen Schlaufgang für unheimliches Getier der Nacht zu bilden. In der düsteren Tenne der Scheuer aber war ein Feld, wer weiß wie lange schon, eingeschlagen, durch welches jemand, der eben gewollt, in jenen Raum hätte kriechen können. Die Tenne empfing nur dann Tageslicht, wenn das Tor ganz geöffnet war. Lurz öffnete Letzteres, aber nicht ganz, sondern nur so weit, um hineinschlüpfen zu können, samt dem Eiersack. Dann barg er diesen durch jene Öffnung in dem nachtdunklen Zwischenraum, wo niemand etwas suchte oder zu suchen hatte, und dachte sich morgen, vorausgesetzt, dass ihm wohler sei, Urlaub zu einem Gang in die Stadt zu erbitten, auf dem er dann die Eier in seine Taschen verteilen und sie bei der Hausfrau da, wo er einzukehren pflegte, verwerten wollte.

Als Lurz sein Geschäft gut beendet glaubte und sich in der düsteren Scheuertenne aufrichtete, um wieder vor in das Haus zu gehen, überlief ihn ein Schauer von der Haut der Hirnschale bis hinab zu den Knien.

Denn er war nicht allein in der Scheuer.

Denn da stand ein Mann.

Ein schwarzer, langer, hagerer Mann, dessen Gesichtszüge in der Dunkelheit gar nicht erkennbar waren, zumal der Himmel von Schneewolken sich immer stärker verdüsterte. Nur die Augen des Mannes funkelten schrecklich, wie Rabenaugen im Finstern.

Lurzʼs Knie schlotterten. Er hätte gern ein Kreuz geschlagen, allein er vermochte das nicht und sein Gewissen sagte ihm, warum er nicht mehr vermochte, das heilige Zeichen zu machen.

Der fremde, hagere, unheimliche, schwarze Mann hielt ein Buch in seiner Hand.

Da Lurz keinen Laut über seine Lippen zu bringen vermochte, so hob der Fremde an zu reden. Seine Stimme klang so heiser und leise wie die eines Mannes, der an der Kehlkopfschwindsucht leidet.

»Nun, Gesell!«, begann der Fremde. »Hast meine Kunst gut gefasst, gut geübt, hast meine Glucke brav legen lassen!«

Lurz schwieg. Nicht ein Seufzer wäre über seine Lippen gekommen, so übermächtig, so entsetzlich war der Schauer, der ihn fasste, der von jenem Mann ausging.

»Was zitterst du wie Espenlaub und hattest vorhin doch so hohen Mut, unterfingest dich eines Großen?«, flüsterte der Fremde mit hohler Stimme. »Ich tue dir nichts, ich will nichts von dir … nur deinen Namen, zu vielen anderen Namen … meiner Günstlinge … zu hübschen Leuten; den schreibst du ein, Gesell, dann ist’s abgetan, und wenn du dann willst, sollst du eine Glucke haben, die dir statt der dummen Eier blanke Sechsbätzner legt, soviel du begehrst.«

Lorenz antwortete nichts, aber da hielt er schon in der rechten Hand eine Feder, wusste gar nicht, wie die in seine Hand gekommen war, und hielt in der Linken das Buch. Pergament war es, eiskalt, aufgeschlagen war es, viele, viele Namen darin, alle rot, die flirrten vor seinen Augen und glühten. Da war es, als fiele schnell wie ein Gedanke vom Scheuerboden herab ein kleines Stückchen Stroh. Das fiel gerade auf seine Hand und stach. wo es gestochen hatte, quollen Tröpflein Blutes hervor.

»Schreib, schreib deinen Namen!«, hauchte drängend die unheimliche Gestalt.

Da aber rang sich plötzlich in Lurzʼs Innerem ein hoher Gedanke los, der ihn ganz erfüllte. Er ist es, ja, es ist der böse Feind, der Versucher. Schwer hast du gesündigt, aber noch bist du nicht sein, noch vermag einer zu retten, der höher ist wie dieser. Lurz tauchte die Feder, welche verkehrt geschnitten war, in seines Blutes quellende Tropfen und schrieb auf das Pergament:

† † †
Das Blut Jesu Christi wäscht uns rein von allen Sünden. Amen.

Wie des Schwarzen glühender Blick auf die Schrift sich senkte, tat es einen Donnerknall, war die Scheuer voll Feuer und alsbald ein Gestank wie eitel Schwefelleber, Teufelsdreck und faule Eier, dass dem armen Lurz von dem höllischen Schmack der Odem ausging und er rücklings in eine tiefe Ohnmacht stürzte. Krampfhaft aber hielt er noch in seiner Hand das Buch mit den vielen mit Blut geschriebenen Namen.

 

***

 

Guten Mutes erreichte Friedrich Strumpf mit seiner Frau, seinem Andres und dem klingelnden Geschirr sein Gehöft. Der gute Mut wandelte sich aber alsbald in Unmut um, als er nicht, wie gewohnt, den Knecht Lurz aus Haus oder Stall herbeieilen sah, das Hoftor zur Einfahrt zu öffnen, und erst halten und klatschen musste. Klatschen mit der Peitsche, was das Zeug hielt, und doch kam niemand, bis er seinen Zorn rufend in Donner wettern und anderen gräulichen Bauernflüchen auspolsterte. Da stürzte Barlies erschrocken aus dem Haus und öffnete das Tor.

Friedrich Strumpf knallte ihr einen Peitschenhieb über das dicke Kamisol und wetterte: »Wo ist der Knecht, der Halunke? Warum wird nicht aufgepasst, wenn die Herrschaft kommt? Lumpengesindel, faules! Der Teufel muss euch das Licht halten!«

»Ich habe in der Stube gesessen und gesponnen!«, heulte Barlies. »Seit dem Mittagessen habe ich nichts von Lurz gesehen, mich nicht um ihn bekümmert. Er hat mir nicht gesagt, ob er wohin gehen will. Vielleicht ist er zum Schmied, hat etwa nicht gedacht, dass Ihr so bald vom Markt heimkämt.«

»Lass es gut sein und heule nicht!«, sprach Frau Grete Strumpf. »Spute dich und koch ein Buttersüpplein, Andreschen friert. Die Stube ist doch warm?«

Der Wagen wurde in den Hof gebracht, Friedrich Strumpf spannte selbst die Pferde ab und warf Decken über sie, denn sie dampften, und führte sie in den Stall. Barlies lud das Mitgebrachte vom Wagen ab, der Eierkorb war voll neuen Hausrates, Töpfergeschirr und Blechgeschirr, des freute sich ihr magdliches Herz, ein paar nötige neue Stürzen, neue Seiher, neue Löffel, neue Trichter, eine neue Salzmäste – o, das freut eine brave Magd über alle Maßen, wenn es auch nicht ihre, sondern der Herrschaft ist.

Vergebens durchschallte Strumpfs Ruf das Haus, die Böden, die Ställe, die Scheuer nach Lurz. Lurz war nicht da, aber in der Scheuer, da stank es, wie das Volk zu sagen pflegt: wie der Teufel.

Lurz hatte lange in tiefer Ohnmacht gelegen. Als er allmählich zu sich kam, meinte er im Bett zu liegen, und wieder, auf andere Weise, von der Trude durch einen entsetzlichen Traum gequält worden zu sein, dann wieder fühlte er alle seine Gliedmaßen wie zerschlagen, aber endlich fand er sich liegend auf harter Tenne, in der Winterkälte und in der linken Hand noch das furchtbare Buch. Eiskaltes Entsetzen übergoss ihn aufs Neue mit namenlosen Schauern, dann bekreuzigte und segnete er sich, eilte in das Haus, in seine Kammer hinauf, zog reine Sonntagskleider an, nahm seinen Taufschein und sonstige Papiere, vergaß auch seine gute Tabakspfeife nicht, setzte seinen guten Hut auf und ging aus dem Haus, festen Entschlusses, dasselbe nicht wieder zu betreten.

Wohin ging der Lurz? Geradewegs zum Pfarrer zu Kesselbrunn. Ihm, seinem Beichtiger, sagte Lurz alles an; wie verschiedenes Gerede, das er von Nachbarn gehört und in Nachbardörfern ihn aufmerksam gemacht habe und argwöhnisch; wie die gemeine Sage gehe. Frau Grete Strumpf sei eine arge Hexe und die Hebamme des Dorfes nicht minder und noch viele andere Weiber; wie er seine Herrin belauscht durch die Klunse im Kellerloch, und was er da Wunders gesehen; wie der böse Feind ihn selbst angetrieben, er wisse gar nicht wie, auch die böse Tat mit dem schwarzen Höllenhuhn zu versuchen; was ihm darauf Weiteres und Schreckliches begegnet war.

Lurz trug seinen Bericht schlicht und einfach und im guten Zusammenhang vor, obwohl nicht ohne Zittern und Beben vom Grauen der Erinnerung.

Pastor Ehren Johann Meiser hörte aufmerksam zu. Nichts schien ihm unglaublich, alles konnte sich so verhalten haben, wie der Knecht erzählte. Der Pfarrer stand nicht über seiner Zeit, er stand in ihr, und Friedrich Spee hatte für ihn nicht gelebt. Thomasius lebte und lehrte nicht für ihn, ja es dünkte ihm die allergottloseste Neuerung, dass Menschensinn und Menschenwitz sich unterfange, den Satan und sein Reich auf Erden hinwegleugnen zu wollen. Er sprach daher zunächst dem Lurz mit geistlichem Trost zu, hörte ihn förmliche Beichte, erteilte ihm Absolution und freute sich, dem Himmel ein auf nur kurze Zeit verirrtes Schäflein wiederzugewinnen. Darauf setzte Pastor Meiser dem Lurz die heilige Pflicht auseinander, Anzeige von der Sache bei einem edlen Rat der Stadt Köln zu machen, wogegen Lurz anfangs heftig Einsprache tat, denn er konnte voraussehen, was folgen werde. Da trat aber Ehren Meiser an seinen Bücherschrein und entnahm demselben eine kleine Schrift in Quart, hieß Lurz sitzen, setzte sich zu ihm und zeigte ihm den Titel dieser Schrift, zunächst das demselben aufgedruckte Motto: Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.

»Siehe, mein Sohn«, sprach Pastor Meiser zu Lurz, »diese Sache hat nichts Geringes auf sich. Sie hat schon viele weise und erfahrene Männer ernstlich beschäftigt, und so hat auch ein Freund von mir, mit welchem ich studiert habe, Michael Freudius, jetzt Pastor zu Cuppendin und Plauerhagen im mecklenburgischen Wendenland, vorlängst Gewissensfragen von Prozessen wider die Hexen verfasst, aus denen ich dir nur zur Beruhigung deines eigenen Gewissens, mein Sohn, einige mitteilen will. Siehe, da beweist mein gelehrter Freund gleich in der ersten Frage, dass es keine Verräterei, Zauberer und Zauberinnen bei der Obrigkeit anzugeben; sodann zweitens, dass die Obrigkeit das Recht habe, die Untertanen sogar zu zwingen, wenn sie es nicht freiwillig tun mögen, Hexenwerke anzuzeigen; dass drittens selbige Obrigkeit befugt sei, amtshalber auf Hexenleute zu inquirieren, dieweil viertens die Hexerei zu den abscheulichsten Verbrechen gehört, und so weiter. Dabei werden aber den Hexenleuten keineswegs die Namen derer genannt, die gegen sie gezeugt haben. Auch wird von der Obrigkeit genau erforscht, ob eine des Lasters der Hexerei verdächtige Person auch in der Tat schuldig sei, wird auch auf eines einzigen Zeugen Aussage nicht leicht jemand zum Tode verurteilt.«

So schläferte der alte Pastor Meiser die Furcht des Knechtes ein, der sich noch scheute, seine Dienstherrin anzugeben, nahm ihm auch das Buch ab, verschloss es gut, bestärkte ihn im Entschluss, nicht wieder in das Haus seiner Brotherrschaft zurückzukehren, und bot ihm bis auf den nächsten Tag bei sich selbst eine Schlafstätte und die nötige Kost.

Im Strumpfenhof war große Verwirrung, Ärger und Sorge um den vermissten Knecht. Der Bauer durchsuchte nach ihm alle Gemächer, alle Stallungen und sandte Barlies in das Dorf, Erkundigungen nach Lurz einzuziehen. Niemand hatte ihn gesehen, denn Lurz war einen Nebenweg außen um das Dorf herum zum Pfarrhof gegangen. Da es an dem trüben Nachmittag und durch den Schneefall ohnehin bald düster wurde und niemand außerhalb des Ortes beschäftigt war, so war Lurz zufällig von keinem Bewohner erblickt worden. So kehrte die Magd unverrichteter Sache heim, und es gab den ganzen Abend verdrießliche Gesichter. Selbst Andres war es leid, dass Lurz fort war, denn er hatte öfters in Lurzʼs Büchern lesen dürfen. Und wenn Lurz die Pferde zur Schwemme ritt, durfte in der Regel Andres auf dem Sattelgaul sitzen und mitreiten.

Es war gut, dass des Knechts Abwesenheit den Friedrich Strumpf veranlasste, sich selbst um sein Vieh zu bekümmern, sonst hätten die Angehörigen viel böse Reden anzuhören bekommen. Gleichwohl musste Strumpf, als alles beschickt war, noch ein wenig ins Wirtshaus, musste seinen Ärger niedertrinken, musste vom Markt erzählen und nach dem Knecht fragen. Ehe er aber aus dem Haus ging, stellte er einen Prügel zurecht, mit dem er den Lurz barbarisch durchhauen wollte, wie er sagte, wenn dieser je wieder in das Haus komme; denn immer noch vermeinte Strumpf, der Lurz habe sich vielleicht zum Weggang verleiten lassen und liege irgendwo betrunken oder schlafend und werde wohl wiederkommen, denn er sei ans Brot gewohnt, nach dem Volksspruch. Aber Gott solle dem Kerl gnädig sein, er wolle ihn hauen, dass er an ihn denken solle. Schimpf und Schande sei es, so fortzulaufen, mir nichts, dir nichts, und noch dazu am Sonnabend! Und wer denn nun am lieben Sonntagmorgen das liebe Vieh besorgen solle! Da könne er, der Friedrich Strumpf, am Ende nicht einmal in die liebe Kirche.

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