Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Ein Ostseepirat Band 1 – Die Mitteilungen

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
VI.

Die Mitteilungen

Das Herrenhaus des Gutes Gieben, in wohlgemeinter Anerkennung seiner Bedeutsamkeit, von den Inselbewohnern auch wohl Schloss genannt, war nicht eben groß oder geräumig, doch war es bequem eingerichtet und hatte einen Parterre gelegenen Speisesaal von ziemlichen Umfang.

In diesem finden wir, gleich nach dem Eintreffen der beiden Seeleute, die Tischgesellschaft versammelt, den Herrn und die Frau des Hauses, deren Töchter, den Baron, seinen Leutnant, den Pfarrer, den Kapitän Dyk und endlich den ersten Verwalter des Majors, welcher bei solchen Gelegenheiten ebenfalls von ihm zu Tisch gezogen wurden.

Bei der Suppe, die man zuerst einnahm, wurde wie gewöhnlich nur wenig gesprochen. Die Unterhaltung war mehr eine nachbarschaftliche und ging erst etwas später zu einer allgemeinen über.

»Nun also«, begann der Major endlich, »Kapitän, Sie sind uns noch den Bericht über das Unglück der Jacht schuldig. Die Mädchen haben bereits einiges darüber gesagt, aber dies ist so wunderbar, dass man gern mehr aus dem Mund eines Mannes darüber hören möchte, der seine Ruhe während der ganzen Zeit bewahrte. Ich bitte, sprechen Sie!«

»Ich bin dazu bereit!«, erklärte Dyk, »doch ich bemerke zuvor, dass ich hier nur als Privatperson zu Privatpersonen zu sprechen gedenke, dass ich keine Beschwerde führe und mir über Dinge, die ich nicht zu verantworten habe, kein Urteil zu erlauben beabsichtige. Darüber hinaus hat, wenn ein Versehen stattgefunden hatte, der Fehlende bereits eine so bedeutende Strafe erlitten, dass jede andere überflüssig wird. Sind die Herrschaften mit mir einverstanden?«

»Jawohl, jawohl!«, rief der Major, »jene beiden Herren werden es mir zuliebe, dem heutigen Tag zu ehren, und so weiter, schon sein. Ich vereinige meine Bitte mit der des Kapitäns, Baron!«

»Die Sache ist so angetan!«, antwortete Staelswerd, »dass sie auch ohne Veranlassung von meiner Seite zur Untersuchung kommen muss. Ich werde daher auf erzählungsweise Mitteilungen über das Unglück keine weitere Rücksicht zu nehmen nötig haben!«

Aus den Augen des Kapitäns schoss ein Blitz zu dem Baron hinüber, doch er lächelte dabei und begann ohne Umschweife in humoristischer Weise das erste Zusammentreffen des Schoners und der Jacht bis zu dem Moment zu schildern, in welchem ihm seine Gefangenschaft angekündigt worden war.

»Der junge Herr toll gewesen sein!«, rief Dalström unwillig, »oder er hatte zum ersten Mal schief geladen. Es war ein Junkerstreich, bei Gott!«

»Nicht so ganz!«, meinte der Baron mit einem stechenden Blick auf den Kapitän. »Das Schiff trägt preußische Takelage, was auch schon die Lotsen bemerkten. Sie erklären mir den Grund davon vielleicht später, Kapitän!«

»Oh, das kann ich sofort!«, rief Dyk schnell, »ich habe es erst vor wenigen Wochen von einem preußischen Schiffer in Kopenhagen gekauft. Es hieß früher Flora, ich taufte es dagegen Merkur, ohne indes sein Äußeres zu verändern. Der Schiffe getraute sich nicht, ist durch die Ostsee zurückzuführen!«

»Also ist es Ihr Eigentum?«

»Mein eigenstes Eigentum, Herr Baron!«, sagte der Kapitän mit Nachdruck, »denn ich habe jeden Span daran, obwohl nicht eben zu hoch, bar bezahlt!«

»Ich glaube das«, erwiderte Staelswerd kalt, »doch möchte ich später Kaufbrief und den Besitztitel einsehen.«

»Sie stehen zu Diensten!«, erwiderte Dyk.

»Überflüssige Vorsicht!«, murmelte Dalström, dem jeder tüchtige Seemann offenbar auch ein redlicher Mensch war.

»Weiter indessen!«, rief der Major, und Dyk erzählte weiter.

»Nun!«, rief Dalström, als er geendet hatte, »da wird der junge Herr degradiert werden, denn es ist offenbar, dass er durch seine Dummheit den Verlust der Jacht verschuldet hat, abgesehen noch von der Verspätung der Depeschen durch dieselbe!«

»Wer weiß?«, murmelte der Baron. »Es wäre doch möglich …«

»Ich hätte bald gesagt, dem Junker ist recht geschehen«, rief der Major, »meine armen Kinder zu gefährden und zu ängstigen; ich könnte ihm das andere Bein auch noch zerschlagen!«

»Väterchen …!«, mahnte die Mutter.

»Der höchste hat seinen Übermut bereits bestraft«, sagte der Prediger sich einmischend.

»Meinen Sie das wirklich?«, rief der Kapitän, als wolle er schnell der Unterhaltung eine andere Wendung geben. »Ich dächte sogar, ein Marinefähnrich sei keine so mächtige Person, als dass sich unser Herrgott seinetwegen besonders bemühen sollte. Übrigens ist alles natürlich zugegangen.«

Die Frauen im Norden, auch selbst die der höheren Stände, waren damals meistens sehr religiös. Deshalb warf die Majorin dem kecken Sprecher einen stechenden, die jüngeren Damen demselben einen furchtsamen Blick zu. Der Baron biss sich auf die Lippen, der Major und Dalström lachten laut; der Pastor sah strafend auf den Frevler und sprach viel von Sperling auf dem Dach und Haaren auf dem Haupt. Dyk hatte indessen seinen Zweck erreicht, denn das Gespräch nahm eine andere Wendung, die jedoch der Majorin unangenehm zu sein schien.

»Können wir denn dem armen Kranken keine Bequemlichkeit verschaffen?«, fragte sie jenes kreuzend.

»Ich denke, dafür wird der alte Klassen sorgen!«, antwortete Dyk. »Er weiß ja außerdem hier hinlänglich Bescheid und wir alle können Ihnen nicht weiter helfen, denn nach dem Arzt der Brigg ist bereits geschickt worden.«

»Gut denn«, sagte der Major, »will er seine Kur hier durchmachen, wollen wir später für ihn sorgen, obwohl er es nicht verdient hat. Aber Sie kommen aus Stockholm, Kapitän, und erzählen uns nichts von dort. Zwar werden wir weitere Nachrichten durch die Briefschaften der Jacht erhalten, auch meine Mädchen wissen sicher etwas. Indessen, wenn sie sonst wollten; ich denke, Sie müssen gerade zu einer ereignisreichen Zeit gegangen sein!«

Alles blickte gespannt auf den Kapitän, dessen Stirn sich jedoch verfinsterte, während er seinen Blick auf den Teller senkte, ohne gleich zu antworten.

»Wir wissen leider wenig, teurer Papa«, sagte dagegen Clara, »und was wir gehört haben, ist so wenig angenehm, zu erzählen und zu hören.«

»Das gnädige Fräulein hat recht!«, bestätigte Dyk mit einem tiefen Seufzer. »Übrigens, meine Herren, spreche ich nicht gern über Politik.«

»Ein möglicher Grundsatz«, meinte der Pastor, »es ist ein verfängliches Gebiet!«

»Larifari!«, rief der Major. »Es ist sogar unsere Pflicht, davon zu sprechen. Ein Mann, der sich nicht um die Verwaltung des Staates, dem er angehört, kümmert, verdient nicht, sein Bürger zu sein!«

»Nicht kümmert?«, meinte Dyk. »Das sagte ich nicht, aber ich gehöre nicht zu denen, die man in Staatsangelegenheiten um Rat fragt!«

»Oh«, rief der Major, »also da liegt der Hund begraben; doch dafür sind wir da, der Adel und die Geistlichkeit – auch der Bürger und Bauer hat ja Stimmen!«

Dyk lachte einen Moment laut auf, doch sofort wurde er wieder ernst. Der Baron hatte ihn schon von Anbeginn dieser Unterhaltung aufmerksam gemustert und betrachtete seine Züge immer gespannter, je mehr sich der Mann zu weigern schien, mit der Sprache herauszukommen.

»Was ist denn da zu lachen, Herr?«, rief der Major etwas ärgerlich.

»Nichts – bei Gott!«, sagte Dyk lebhaft, während er seinen Blick forschend über die Züge der Tischgenossen gleiten ließ, »wohl aber ist die Sache zum Weinen, denn was der schwedische Senat und Reichsrat jetzt wieder getan hat, wäre nicht geschehen, wenn der Bürger und Bauern hinlänglich in demselben vertreten gewesen wäre!«

»So ist das Urteil gefällt?«, fragte der Major schnell.

»Gefällt und vollstreckt!«, antwortete Dyk.

»… und vollstreckt!«, wiederholte der Major mit einem Anstrich von Entsetzen. Der Baron Staelswerd war bleich wie eine Leiche geworden. Alles hielt mit der bisherigen Beschäftigung inne

»Ja, vollstreckt!«, wiederholte Dyk.

»So ist also ein Todesurteil gefällt worden?«, fragte der Major langsam.

»Eins?«, rief der Kapitän mit scharfer Stimme, »sie scheinen die sogenannten schwedischen Patrioten, welche jetzt das Übergewicht im Reichstag und Senat haben, schlecht zu kennen, Herr Major. Eins? Nein, es hat eine unüberlegte Torheit und jugendlichen Leichtsinn durch Todesurteile bestraft, und diese Todesurteile sind vollstreckt worden, nachdem man, als der König von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen wollte, gedroht, die Untersuchung auch gegen die Königin wegen Landesverrat einzuleiten!«

Man hatte verschiedentlich Ausrufe hören lassen.

»Unmöglich!«, murmelte der Major.

»Ich habe es mir gedacht!«, sagte der Baron, nachdem er mit verhaltenem Atem zugehört hatte.

Es trat eine lange Pause ein. Die Mitteilung des Kapitäns die Gesellschaft erschreckt.

»Haben Sie die Güte, weiter zu erzählen, Herr Kapitän!«, sagte plötzlich der Baron in höchst bescheidenem Ton.

»Ich hätte überhaupt schweigen sollen«, erwiderte Dyk, »doch da ich einmal begonnen hatte, so hilft es weiter nichts. Derselbe strenge Senat und Reichsrat hat den Unteroffizier Schedwin für seine Angeberei zum Leutnant ernannt und ihm eine bedeutende Summe Geld zum Geschenk gemacht; doch gleichsam, als ob die Strafe seiner Tat auf dem Fuß folgen sollte, ist seine Verlobte Braut, die Tochter des Bischofs Benzelius, wahnsinnig geworden!«

»Gottes Hand!«, seufzte der Prediger.

»Mag sein«, erwiderte der Kapitän, »obwohl der Mensch, nach gewöhnlichen Begriffen, nur seine Schuldigkeit tat, als er ein zufällig entdecktes Komplott angab.«

»Wer sind denn die Unglücklichen?«, fragte der Major mit einem Seufzer.

Dyk schwieg.

»Haben sie etwa der Exekution beigewohnt, Herr Kapitän?«, fragte der Baron.

»Beiden – ja!«, antwortete Dyk, »denn es gab das grässliche Schauspiel zweimal.«

»Wie starben die Verurteilten?«, fragte derselbe weiter.

»Herr Baron …!«, sagte der Kapitän, wie warnend.

»Mein Herr, was sie mir und uns jetzt nicht sagen wollen, erfahren wir nach kurzer Zeit aus Briefen!«, erwiderte der Baron.« Nur, ich hätte Anspruch auf Schonung. Sie sehen, dass ich derselben so wenig bedarf, wie ich sie wünsche!«

»Sie wollen es!«, sagte Dyk unruhig, »am 23. Juli sind der Graf Brahe, die Leutnants Baron Horn und Baron Staelswerd und der Unteroffizier Puke enthauptet worden; am 26. geschah dasselbe den Unteroffizieren Mozelius, Christiernue, Eskolin und dem Läufer der Königin Ernst. Meine Herren, ist das eine Gesellschaft, die Verfassung Schwedens umzuwerfen? Aber doch, denn diese Verfassung taugt nichts! Verzeihen Sie, wenn Sie anderer Meinung sind«

Der Kapitän hatte den vorletzten Satz mit so erhobener Stimme gesprochen, dass fast alle auffuhren. Der Major hustete hinterher und der Baron betrachtete den Sprecher mit leuchtenden, offenbar wohlgefälligen Blicken.

»Und wie starb mein Bruder?«, fragte er plötzlich.

»Wie ein Offizier in seiner Lage sterben muss«, antwortete Dyk, »wie alle diese armen Soldaten starben, mit Ausnahme des Oberst, den seine Frau weich gestimmt hatte. Dagegen starb der Diener der Königin wie ein Feigling – doch, meine Herrschaften, jetzt genug davon!«

»Sie haben recht!«, sagte Staelswerd, indem er sich erhob und seine Hand den Kapitän hinreichte. »Ich danke Ihnen, Sie sind ein braver Mann!«

Dyk begnügte sich, diese Regel durch einen Händedruck und eine Verbeugung zu erwidern, der Major hustete wieder vor und machte sich emsig auf den Teller zu tun, denn, wenn er Dyk erst lieb gewonnen hatte, so gefiel ihm derselbe nun sicher wegen seiner Gesinnung weniger. Bei alledem war zu erkennen, dass er dem Mann wider seinen Willen in seinen Ansichten beipflichten musste; aber gerade dies ärgerte ihn am meisten.

Wer wüsste, ob überhaupt eine Unterhaltung in Gang gekommen wäre, wenn nicht Veranlassung von außen dazu geboten wurde, die so erwünscht wie rechtzeitig kam; nämlich die Meldung eines Dieners, das Klassen vorgelassen zu werden wünsche.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert