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Nach Amerika! – Erster Band – 05.2

Friedrich Gerstäcker
Nach Amerika!
Erster Band
Leipzig, Berlin, 1855

Die Auswanderungs-Agentur

Teil 2

Wieder klopfte es da an die Tür, und diesmal, ohne ein ermunterndes Herein zu erwarten, öffnete sie sich, und drei Bauern, denen die großen silbernen Knöpfe auf Weste und Rock und das feine Tuch der Letzteren, die jedoch ganz nach ihrem alten bäuerlichen Schnitt gemacht waren, etwas ungemein solides gaben, traten, die Hüte erst unter der Tür und schon im Zimmer abnehmend, herein und grüßten die beiden Leute, die sie hier beisammen fanden, mit einem herzlichen Guten Morgen miteinander.
Das waren die Leute, die Herr Weigel gern kommen sah, die wussten, weshalb sie die eine Hand immer in der Tasche trugen, denn sie hatten dort etwas zu verlieren, und waren nicht selten dabei die Vorboten eines größeren Trupps, oft einer ganzen Schiffsladung voll, die aus ein und derselben Gegend auswandern wollte, und ein paar der Angesehensten indessen vorausgeschickt hatte, Platz für sie zu bestellen. Wie der Blitz war er denn auch von seinem Stuhl herunter, schüttelte ihnen nacheinander die Hand und fragte sie, wie es ihnen ginge und was sie hier zu ihm geführt habe.
»Seid Ihr der Mensch, der die Leute nach Amerika schickt?«, sagte da der eine von ihnen, eine breitkräftige, sonnengebräunte Gestalt mit vollkommen lichtblonden Haaren und Augenbrauen, aber dabei gutmütigen vollen und frischen Zügen, dem das Ganze übrigens etwas fremd und unheimlich vorkommen mochte, denn er warf den Blick, während er sprach, wie scheu von einer der Schiffszeichnungen zur anderen und schien sich ordentlich dazu zwingen zu müssen, das zu sagen, was er eben hier zu sagen hatte.
»Nun, nach Amerika schicken tue ich sie gerade nicht«, sprach Herr Weigel mit einem Lächeln die anderen dabei ansehend und etwas verlegen über die vielleicht ein wenig plumpe Anrede.
»Nicht?«, sagte der Bauer rasch und erstaunt, »aber hier hängen doch all die vielen Schiffe.«
»Nun ja, ich besorge den Leuten Schiffsgelegenheit, die hinüber wollen«, sagte Herr Weigel, nun geradezu herauslachend, weil er glaubte, dass sich der Mann mit ihm einen Scherz gemacht hatte, auf den er natürlich einzugehen wünschte.
»Ja, aber wir wollen eigentlich noch nicht hinüber«, sagte der Zweite von den Bauern, seinen Hut auf seinen langen Stock stellend und sich dabei verlegen hinter den Ohren kratzend, »wir wollten uns nur erst einmal hier erkundigen, ob denn das auch wirklich da drüben so ist, wie es jetzt immer in den Auswanderungszeitungen steht, und ob man bloß hinüberzugehen und zuzulangen braucht, wenn man eine gut eingerichtete Farm mit ein paar hundert Morgen Land haben will.«
»Ja, wenn man Geld hat«, konstatierte Herr Weigel lachend.
»I nu – Geld hätten wir«, sagte der Bauer und sah seine Nachbarn an.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar«, unterbrach den Sprecher hier der junge Mann, der indessen die Zeitung nachgesehen und sich Einzelnes daraus notiert hatte.

»Bitte«, sagte Herr Weigel und nahm ihm das Blatt, ohne sich weiter um ihn zu bekümmern aus der Hand und wandte sich wieder zu den Bauern, als der junge Fremde sich mit einem artigen Guten Morgen, meine Herren empfahl.
»Adje Herr … Herr Schnellig«, rief der Agent ziemlich laut hinter ihm her, ohne sich weiter nach ihm umzudrehen, während die Bauern freundlich den Gruß in ihrer Art erwiderten.
»Wer war der junge Herr?«, fragte der erste Sprecher aber, als er die Tür rasch hinter sich ins Schloss gedrückt hatte.
»Ach, ein armer Teufel, der gern mit umsonst nach Amerika hinüber möchte«, sagte Herr Weigel. »Er tut zwar, als wäre es nur für einen armen Verwandten, aber, hehehe, derlei Ausreden kennen wir schon – kommen alle Wochen vor.«
»Umsonst mit nach Amerika?«, sagte der erste Sprecher verwundert, »der sieht doch nicht aus, als ob er etwas umsonst haben wollte, der ging ja so fein gekleidet. Donnerwetter – mit Handschuhen und allem …«
»Ja, auswendig sind die Leute in der Stadt meist alle schwarz und sauber angestrichen«, sprach Herr Weigel, »aber inwendig, in den Taschen, da hapert es nachher. Wer aber ein bisschen Übung darin hat, kann auch schon obenauf erkennen, ob der Lack echt oder bloß nachgemacht ist, hehehe.«
»Bei dem war er wohl nachgemacht?«, sagte der zweite Bauer, dem Anschein nach gerade nicht unzufrieden damit, dass der glatte Stadtmensch nicht so viel galt wie sie, und dass der Auswanderungsmann das sogleich durchschaut hatte. Herr Weigel nickte, seine Zeit war ihm aber kostbarer, als sie noch länger an jemanden zu verschwenden, bei dem er doch voraussah, dass er von ihm keinen Nutzen haben würde. Er suchte das Gespräch wieder dem mehr praktischen Anliegen der drei Bauern zuzulenken.
»Also Sie wollten mitsammen nach Amerika gehen und sich eine ordentliche Farm, gleich mit Land, Vieh, Häusern und was dazu gehört, ankaufen, he? Wäre keine so schlechte Idee.«
»Ja, erst möchten wir aber einmal wissen, wie die Sache steht«, sagte der Erste wieder, der Menzel hieß. »Wenn man über einen Zaun springen will, ist es viel vernünftiger dass man erst einmal hinüberguckt, was drüben ist, und wenn man das nicht kann, dass man jemanden fragt, der es genau weiß. Sind denn die Farmen da drüben wirklich so billig? Ist das wahr, dass man dort noch gutes frisches Land für ein und einen Viertel Taler kaufen kann?«
»Taler? Nein«, sagte Herr Weigel, »Dollar!«

»Ja, nun, das ist aber auch nicht viel mehr«, meinte der Zweite, Müller.
»Nun ein Dollar ist ungefähr ein Speziestaler«, sagte Herr Weigel. »Lassen Sie mich einmal sehen … die stehen jetzt … stehen jetzt einem Taler. 12½ Silber- oder Neugroschen.«
»Nu, ja«, sagte Menzel wieder, »das ist aber immer kein Geld – und für tausend Dollar kauft man da eine fix und fertig eingerichtete Farm, wie sie es, glaube ich, nennen? Mit allem, was dazugehört?«
»Ich habe hier gerade«, sagte Herr Weigel, in seinen Papieren suchend, »ein paar Anerbietungen von höchst achtbaren Leuten … wirklichen Amerikanern … die mir Farmen zu höchst mäßigen Bedingungen offerieren. Die Leute wissen da drüben, dass hier viele zu mir kommen und sich nach solchen Plätzen erkundigen, und wenn sie dann etwas Gutes haben, schicken sie es mir. Wo habe ich denn die verwünschten Pläne jetzt hingelegt … ah, hier ist der eine … sehen Sie, Gebäude und alles sind darauf angegeben … und der andere kann nun auch nicht weit sein; ich habe sie erst vorgestern meinem Bruder gezeigt, der gar nicht übel Lust hatte, eine davon für sich zu kaufen … da ist er.«
Die drei Bauern drängten sich um den kleinen Tisch herum, auf dem Herr Weigel die Pläne nun ausbreitete, und suchten sich in den kreuz und quer laufenden Strichen zu orientieren, wie der Platz eigentlich liege, und was darauf stände.
»Ja, aber wo ist denn das nun eigentlich, und wie sieht es dort aus?«, fragte Menzel endlich, nach einigen vergeblichen Versuchen deshalb, »aus der Geschichte hier wird man nicht klug.«
»Ja, sehen Sie«, sagte Weigel, mit seinem Finger den Plan erklärend und den angegebenen Zahlen folgend, »das hier, Nr. 1 ist das Wohnhaus, ein Doppelgebäude, der Zeichnung nach mit einer offenen Veranda dazwischen, des warmen Klimas wegen, denn drum herum stehen Cottonbäume, angegeben; Nr. 2 da ist ein anderes Gebäude, bis jetzt zu Bedientenwohnungen benutzt, denn der bisherige Besitzer scheint Arbeiter gehalten zu haben; Nr. 3 ist eine Scheune; Nr. 4 ist ein Rauchhaus, die Leute verschicken von dort aus viel getrocknetes Fleisch; Nr. 5 ist, wie es scheint, ein Waschhaus, und Nr. 6 ein anderes Wohnhaus, was dem ersten gegenübersteht, und wahrscheinlich den ganzen Hofraum, da die Front zum Fluss zu liegt, abschließt.
»Und welcher Fluss ist das?«
»Der Missouri, einer der größten Ströme Amerikas, über eine englische Meile breit, und viel hundert Meilen hinauf schiffbar; alle Wetter meine Herren, von den dortigen Strömen können wir uns hier gar keinen Begriff machen.«
»Hm – und wieviel Land gehört dazu?«
»Dazu gehört ein Died von 40 Acker, was früher als Kongressland gekauft und schon bezahlt ist, und natürlich mit übernommen wird, und um den Platz herum kann noch so viel Kongressland dazu genommen werden, wie man haben will – nur die vierzig Acker, von denen aber ein Teil schon urbar gemacht ist, müssen natürlich höher bezahlt werden.«
»Und was soll die ganze Geschichte kosten?«, fragte Müller. Der Dritte, dessen Name Brauhede war, hatte noch kein einziges Wort zu der ganzen Verhandlung gesagt.
»Die ganze Geschichte«, erwiderte Weigel, sich das Kinn streichend, »wie ich sie Ihnen hier gleich an Ort und Stelle überlassen kann, mit Häusern und Grundstück und dazu noch einem kleinen Viehstand von vielleicht einigen achtzig Stück Rindvieh und fünfundfünfzig oder sechzig Schweinen, würde … etwa … eintausend und einige sechzig spanische Dollar betragen. «
»Und das wäre nach unserem Geld?«, sagte Menzel, Müller dabei heimlich unter dem Tisch anstoßend.
»Nach unserem Geld?«, wiederholte Herr Weigel, mit einem Stück dort liegender Kreide die Summen rasch auf dem Tisch selber aufaddierend. »Würde es in einer runden Zahl etwa 1000 … 400 … eine Kleinigkeit über 1400 Taler. Preußisch Courant betragen.«
»Wie viel Stück Rindvieh?«, sagte Müller.
»Einige achtzig Stück sind angegeben«, sagte Weigel, »und müssen auch überliefert werden; aber gewöhnlich sind es noch mehr, denn das Vieh läuft draußen im Freien herum und bekommt Kälber und man weiß es oft nicht einmal – die Kälber werden überhaupt nie mitgezählt.«
»Und die Passage hinüber kostet?«, fragte Menzel.
»Zwischendeck oder Kajüte?«
»Zwischendeck – immer wo es am Billigten ist«, antwortete Menzel mit einem Grinsen und strich sich wohlgefällig über die silbernen Knöpfe.
»Ja, kann es mir denken«, rief Herr Weigel, auf den Scherz eingehend und ihn leise gegen den Arm von sich stoßend. »Sie sehen mir auch gerade aus, als ob es Ihnen auf ein paar Taler ankäme.«
»Ja, wo man es kann, muss man es zusammennehmen«, beteuerte aber auch Müller. »Also, wie viel kostet es im Zwischendeck pro Person?«
»Vierundvierzig Taler für die Person – Kinder zahlen die Hälfte.«
»Aber ganz kleine Kinder?«, sagte Müller.
»Nun, Säuglinge gehen ein«, sprach Herr Weigel, »das ist die Beilage, die doch auch nur vom Schiff aus indirekte Nahrung bekommen.«
»Leichten Zwieback?«, fragte Menzel.
»Jawohl«, sagte Herr Weigel, etwas verlegen lächelnd, da er nicht wusste, ob der Bauer das im Spaß oder Ernst gemeint hatte. »Wie viel Personen sind Sie denn aber wohl etwa?«
»Nu, so eine sechzig möchten wir immer zusammen heraus bekommen«, meinte Müller.
»Aber alle auf ein Schiff müsstet Ihr uns bringen«, sagte Menzel.
»Nun, das versteht sich von selbst«, rief Herr Weigel, »und ein famoses Schiff geht gerade den fünfzehnten ab – ich glaube ,das Beste, das von Bremen und Hamburg überhaupt läuft – die Diana
»Ne, das wäre uns noch zu früh …«
»Am ersten nächsten Monat geht ein noch besseres«, sagte Herr Weigel, »wenigstens geräumiger und ein besserer Segler.«
»Ne, das wäre uns auch noch zu früh«, sagte Menzel.
»Gut, dann träfen Sie es gerade ausgezeichnet mit dem Meteor«, versicherte Herr Weigel, keineswegs außer Fassung gebracht. »Ich wollte Ihnen den anfangs nicht anbieten, weil ich fürchtete, dass Sie früher zu reisen wünschten. Wenn Sie aber so lange Zeit haben, dann kann ich Ihnen allerdings die vorzüglichste Reisegelegenheit bieten, die sich nur überhaupt denken lässt.«
»So … na, das passte schon besser …«, sagte Müller. »Wie hieß das Schiff gleich?«
»Meteor
»Hm … werde es mir merken … aber nicht wahr, beim Dutzend kriegen wir die Passage doch auch was billiger.«
»Ne, das geht nicht«, entgegnete aber Herr Weigel da geradeheraus. »Es ist ja nicht so, dass ein Schiff nur eben so viel Menschen an Bord nehmen kann, wie darauf Platz haben, sondern es muss auch genug Raum und über und über genug Essen und Trinken für sie dabei sein, wenn einmal die Reise, in einem unglücklichen Fall länger dauerte als gewöhnlich. So ein Schiff hat deshalb auch nur eine bestimmte Zahl von Auswanderern, die es an Bord nehmen kann und nach amerikanischen Gesetzen nehmen darf. Auf die ist alles mit Kosten und Preis ausgerechnet, bis aufs Letzte. Die kleinen Kinder werden eingegeben, aber die großen müssen bezahlen. Und wie war es mit der Farm?«
»Wo ist denn der andere Platz – zu dem da der lange Zettel gehört?«, sagte Menzel, der sich diesen indessen genau betrachtet und nach allen Ecken herum und herumgedreht hatte, ohne, wie er meinte, einen Handgriff dran bekommen zu können.
»Der hier? Der ist in Wisconsin; auch ein guter Platz, aber kein so großer Strom dabei«, sagte Herr Weigel, »ist aber auch billiger. Dort kann ich Ihnen eine Farm, allerdings nur mit einigen vierzig Kühen, für etwa 715 Dollar überlassen, und dann habe ich noch fünf andere von sechs, acht, elf, neun und ich glaube zwölfhundert Dollar – die Letztere ist aber eine wirkliche Musterwirtschaft mit importiertem Schweizer Vieh, Backsteingebäuden und einer prachtvollen Lage, Milch und Butter in die nicht zu entfernte Stadt zu bringen; wird Ihnen aber auch freilich wohl zu teuer sein?«
»Zu teuer? Warum?«, fragte Menzel. »Wenn man sich einmal etwas kauft, soll man sich auch gleich etwas Ordentliches anschaffen. Ich habe mir die Sache immer viel schwieriger vorgestellt mit dem Ankaufen und gedacht, dass man da erst lange in der Welt umherfahren und sein Geld verreisen müsste. Wenn man das gleich hier an Ort und Stelle abmachen kann, ist das ja weit bequemer.«
»Auf eins möchte ich Sie übrigens noch aufmerksam machen, meine Herren, was Sie ja nicht versäumen dürfen«, sagte Herr Weigel, »nämlich sich hier gleich Ihre Billetts zur Weiterfahrt ins Innere, wohin Sie auch immer wollen, zu lösen.
»Von New York aus?«, fragte Menzel verwundert.
»Jawohl, von New York oder Philadelphia oder wohin Ihr Reiseziel liegt.«
»Ja, aber kann man denn die hier bekommen?«, fragte Müller.
»Gewiss kann man das«, antwortete Herr Weigel mit einem Lächeln, »und das ist gerade der ungeheure Vorteil unserer jetzigen Verbindung, die den Auswanderer von der Tür seiner alten Heimat fort vor die seiner neuen setzt, ohne dass er ein einziges Mal in die Tasche zu greifen und mehr zu bezahlen braucht, als was er gleich von allem Anfang entrichtet hat. Das eben macht auch das Reisen jetzt so billig, dass man mit einem Blick imstande ist, sämtliche Kosten zu übersehen; die Extraausgaben fallen ganz weg.«
»Das wäre freilich ein Glück«, sagte Müller, von dem erst vor einigen Monaten ein Bruder hinüber gegangen war, »die Extraausgaben fressen sonst das meiste Geld.«
»Ob sie es fressen, bester Herr, ob sie es fressen«, sagte Herr Weigel, sich wieder vergnügt die Hände reibend.
»Und wo kann man die Billetts also bekommen?«, fragte Menzel.
»Bei mir hier, versteht sich«, sagte Herr Weigel, »alle bei mir.«
»Und die gelten dann drüben?«
»Nun versteht sich doch von selbst«, sprach der freundliche Agent, »ich würde sie ja Ihnen doch sonst nicht verkaufen. Sehen Sie, wenn die Deutschen hinüber kommen, dann sprechen sie gewöhnlich noch kein Englisch – oder haben Sie das etwa schon gelernt?«
»Ne … «
»Nun, sehen Sie, und dann werden sie dort von ihren Landsleuten – denn der Amerikaner ist nicht halb so schlimm – die sich das richtig zunutze zu machen wissen, tüchtig übers Ohr gehauen und müssen gewöhnlich gerade noch einmal so viel bezahlen, wie die Sachen eigentlich kosten.
»Aber es soll doch eine Deutsche Gesellschaft drüben in New York sein«, sagte nun Brauhede, der zum ersten Mal bei der ganzen Verhandlung den Mund auftat, »die sich eben der Deutschen annimmt und nichts dafür verlangt.«
»Leben wollen wir alle «, sagte Herr Weigel achselzuckend, »umsonst ist der Tod, und dass die Leute, wenn sie ihre Zeit darauf verwenden, für die Deutschen zu sorgen, auch etwas dafür nehmen werden, lässt sich wohl an den fünf Fingern abzählen. New York ist aber ein teures Pflaster, die Leute brauchen dort mehr wie wir hier, und wer es daher billiger tun kann, ist auch wieder leicht einzusehen. Ich will mich auch keineswegs empfehlen; lieber Gott, es gibt noch eine Menge Leute in Deutschland, die sich demselben schwierigen und undankbaren Geschäft unterzogen haben wie ich, und die es sich vielleicht ebenso sauer werden lassen, gerade und ehrlich durch die Welt zu kommen; aber einen, der es besser meint dabei, werden Sie wohl schwerlich finden, und ich überrede gewiss niemanden, nach Amerika auszuwandern. Jeder Mensch muss seinen freien Willen haben, und auch am besten selber wissen, was ihm gut ist.«
»Ne, gewiss«, sagte Menzel, »da habt Ihr ganz recht, das ist auch mein Grundsatz; aber das mit dem Amerika leuchtet mir auch ein, und umsonst tut da gewiss niemand etwas – das sind verflixte Kerle da, habe ich mir sagen lassen, besonders die Deutschen, und wo die nicht wollen, gucken sie nicht heraus.«
»Also die Billetts kann man hier bei Euch kriegen?«, fragte Müller.
»Wohin Sie wollen, und ich stehe Ihnen dafür, dass sie nicht allein echt sind, sondern dass die hier in Deutschland gelösten Plätze auch noch den Vorrang haben, vor allen in Amerika genommenen, wenn einmal Eisenbahn oder Dampfboote zu sehr besetzt sein sollten. Es ist hier gerade so mit der Post, wo die, die sich zuerst und auf der längsten Station haben einschreiben lassen, den Vorrang behalten müssen, vor denen, die nachher kommen.
»Ahem, das ist klar«, sagte Menzel, »na also, da dächte ich, ließen wir uns gleich einmal Plätze belegen und gäben das Draufgeld, damit wir die Sache richtig hätten, und nachher können wir ja einmal über die Farmen sprechen. Ich habe verwünschte Lust.«
»Du, das hat noch Zeit«, sagte aber nun Brauhede wieder, Menzel am Rock zupfend. »Erst müssen wir es uns doch einmal mit den anderen zu Hause überlegen.«
»Wenn aber nachher die Plätze auf dem ganz guten Schiff fort sind«, sagte Müller mit einem sehr bedenklichen Gesicht.
»Ja, einstehen kann ich Ihnen nicht dafür«, versicherte Herr Weigel, die Achseln zuckend, dass sie beinahe seine Ohrläppchen berührten.
»Na meinetwegen«, sagte Brauhede, der allerdings auch in der Absicht hierhergekommen war, ihre Passage fest zu akkordieren, nun aber, da es dazu kam, Geld zu zahlen, nur ungern damit herausrückte, »aber von wegen der Farm müssen wir noch erst mit den anderen sprechen, und eine Farm kriegen wir auch noch immer.«
»Ja, aber was für eine«, sagte Herr Weigel.
Brauhede blieb übrigens bei seiner Meinung, und Menzel bestand nun nur wenigstens darauf, die beiden Pläne einmal mitzunehmen, damit sie sich zu Hause ordentlich hineindenken könnten. Wenn auch Herr Weigel sie im Anfang nicht außer Händen geben mochte, ja sogar versicherte, er habe nicht übel Lust, die eine Farm für sich selber auf Spekulation zu kaufen, ließ er sich doch zuletzt überreden, ihnen, aber allerdings nur auf zwei Tage, die Pläne zu überlassen und dann das Weitere über den Ankauf mit einer zweiten Deputation der Gesellschaft zu besprechen.
Menzel bezahlte dann das Aufgeld auf ihre Passage im Meteor für 57 Personen und dreizehn Kinder, die sämtlich aus einer Ortschaft auswandern wollten, und nahm dann auch noch, nach einer kurzen Beratung mit den beiden anderen, die nötigen Billetts auf der Eisenbahn von New York aus oder machte wenigstens eine Anzahlung darauf, dass sie ihnen der Agent aufbewahrte, da dieser ihnen versicherte, er sei nur noch im Besitz einer sehr kleinen Anzahl und wisse nicht, wann er gleich wieder andere bekommen würde, während die Anfrage danach sehr stark wäre.
Außerdem kauften sie sich auch noch ein halbes Dutzend kleine Broschüren, die Herr Weigel, wie er sagte, gerade frisch aus der Druckerei als etwas ganz Neues bekommen hatte – ein Datum stand nicht darauf – und die drei Männer verließen dann wieder, von dem schmunzelnden Agenten bis an die auf den Markt führende Tür begleitet, das Haus.

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