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Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reise und Abenteuer … 2

Des Freiherrn von Münchhausen
wunderbare Reise und Abenteuer zu Wasser und zu Lande, wie er dieselbe bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte
Mit 16 Federzeichnungen von Hosemann
Neue Originalausgabe, Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen, Berlin, 1840

Da besann ich mich auf ein Stückchen Schinkenspeck, welches von meinem mitgenommenen Mundvorrat in meiner Jagdtasche noch übrig geblieben war. Dies befestigte ich an eine lange Hundeleine, die ich aufdrehte, und so wenigstens noch um viermal verlängerte. Nun verbarg ich mich im Schilfgesträuch am Ufer, warf meinen Speckbrocken aus und hatte das Vergnügen zu sehen, wie die nächste Ente schnell herbeischwamm und ihn verschlang. Der Ersten folgten bald alle Übrigen nach. Da der glatte Brocken am Faden gar bald unverdaut hinten wieder herauskam, so verschlang ihn die nächste, und so immer weiter. Kurz der Brocken machte die Reise durch alle Enten samt und sonders hindurch, ohne von seinem Faden loszureißen. So saßen sie denn alle daran, wie Perlen an der Schnur. Ich zog sie gar allerliebst ans Land, schlang mir die Schnur ein halbes Dutzendmal um Schultern und Leib und ging meines Weges nach Hause zu.

Da ich noch eine ziemliche Strecke davon entfernt war und mir die Last von einer solchen Menge Enten ziemlich beschwerlich fiel, so wollte es mir fast leidtun, ihrer allzu viele eingefangen zu haben. Da kam mir aber ein seltsamer Vorfall zustatten, der mich anfangs in nicht geringe Verlegenheit setzte. Die Enten waren nämlich noch alle lebendig, fingen, als sie von der ersten Bestürzung sich erholt hatten, gar mächtig an mit den Flügeln zu schlagen und sich mit mir hoch in die Luft zu erheben. Nun wäre bei manchem wohl guter Rat teuer gewesen. Allein ich benutzte diesen Umstand, so gut ich konnte, zu meinem Vorteil und ruderte mich mit meinen Rockschößen zu der Gegend meiner Behausung durch die Luft. Als ich nun gerade über meiner Wohnung angelangt war und es darauf ankam, ohne Schaden mich herunter zu lassen, so drückte ich einer Ente nach der anderen den Kopf ein, sank dadurch sanft und allmählich gerade durch den Schornstein meines Hauses mitten auf den Küchenherd, auf welchem zum Glück noch kein Feuer angezündet war, zu nicht geringem Schreck und Erstaunen meines Kochs.

Einen ähnlichen Vorfall hatte ich einmal mit einer Kette Hühner. Ich war ausgegangen, um eine neue Flinte zu probieren, und hatte meinen kleinen Vorrat von Hagel ganz und gar verschossen, als wider alles Vermuten vor meinen Füßen eine Flucht Hühner aufging. Der Wunsch, einige derselben abends auf meinem Tisch zu sehen, brachte mich auf einen Einfall, von dem Sie, meine Herren, auf mein Wort, im Falle der Not Gebrauch machen können. Sobald ich gesehen hatte, wo sich die Hühner niederließen, lud ich schnell mein Gewehr und setzte statt des Schrotes den Ladestock auf, den ich, so gut es sich in der Eile tun ließ, am oberen Ende etwas zuspitzte. Nun ging ich auf die Hühner zu, drückte, so wie sie aufflogen, ab, und hatte das Vergnügen zu sehen, dass mein Ladestock mit sieben Stück, die sich wohl wundern mochten, so früh am Spieß vereinigt zu werden, in einiger Entfernung allmählich heruntersank. Wie gesagt, man muss sich nur in der Welt zu helfen wissen.

Ein anderes Mal stieß mir in einem ansehnlichen Wald von Russland ein wunderschöner schwarzer Fuchs auf. Es wäre jammerschade gewesen, seinen kostbaren Pelz mit einem Kugel- oder Schrotschuss zu durchlöchern. Herr Reineke stand dicht bei einem Baum. Augenblicklich zog ich meine Kugel aus dem Lauf, lud dafür einen tüchtigen Brettnagel in mein Gewehr, feuerte und traf so künstlich, dass ich eine Lunte fest an den Baum nagelte. Nun ging ich ruhig zu ihm, nahm mein Waidmesser, gab ihm einen Kreuzschnitt übers Gesicht, griff nach meiner Peitsche und karbatschte ihn so artig aus seinem schönen Pelz heraus, dass es eine wahre Lust und ein rechtes Wunder zu sehen war.

Zufall und gutes Glück machen oft manchen Fehler wieder gut. Davon erlebte ich bald nach diesem ein Beispiel, als ich mitten im tiefsten Wald einen wilden Frischling und eine Bache dicht hintereinanderher traben sah. Meine Kugel hatte gefehlt. Gleichwohl lief der Frischling vorn ganzallein weg, und die Bache blieb stehen, ohne Bewegung, als ob sie an den Boden festgenagelt gewesen wäre. Wie ich das Ding näher untersuchte, so fand ich, dass es eine blinde Bache war, die ihres Frischlings Schwänzlein im Rachen hielt, um von ihm aus kindlicher Pflicht weiter geleitet zu werden. Da nun meine Kugel zwischen beide hindurchgefahren war, so hatte sie diesen Leitzaum zerrissen, wovon die alte Bache das eine Ende noch immer kaute. Da nun ihr Leiter sie nicht weiter vorwärts gezogen hatte, so war sie stehen geblieben. Ich ergriff daher das übrig gebliebene Endchen von des Frischlings Schwanz und leitete daran das alte hilflose Tier ganz ohne Mühe und Widerstand nach Hause.

So fürchterlich diese wilden Bachen oft sind, so sind die Keiler doch weit grausamer und gefährlicher. Ich traf einst einen im Wald an, als ich unglücklicher Weise weder auf Angriff noch Verteidigung gefasst war. Mit genauer Not konnte ich noch hinter einen Baum schlüpfen, als die wütende Bestie aus Leibeskräften einen Seitenhieb nach mir tat. Dafür fuhren aber auch seine Hauer dergestalt in den Baum hinein, dass er weder imstande war, sie sogleich wieder herauszuziehen noch den Hieb zu wiederholen.

Ha ha!, dachte ich, nun wollen wir dich bald kriegen!

Flugs nahm ich einen Stein, hämmerte noch vollends damit darauf los und nietete seine Hauer dergestalt um, dass er ganz und gar nicht wieder loskommen konnte. So musste er sich denn nun gedulden, bis ich vom nächsten Dorf Karren und Stricke herbeigeholt hatte, um ihn lebendig und wohlbehalten nach Hause zu schaffen, welches auch ganz vortrefflich vonstatten ging.

Sie haben unstreitig, meine Herren, von dem Heiligen und Schutzpatron der Weidmänner und Schützen, St. Hubertus, nicht minder auch von dem stattlichen Hirsch gehört, der ihm einst im Wald aufstieß, und welcher das heilige Kreuz zwischen einem Geweih trug. Diesem St. Hubertus habe ich noch alle Jahre mein Opfer in guter Gesellschaft dargebracht, und den Hirsch wohl tausendmal sowohl in Kirchen abgemalt als auch in die Sterne seiner Ritter gestickt gesehen, sodass ich auf Ehre und Gewissen eines braven Weidmanns kaum zu sagen weiß, ob es entweder nicht vor Zeiten solche Kreuzhirsche gegeben habe oder wohl gar noch heutigen Tages gebe. Doch lassen Sie sich vielmehr erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen sah: Einst, als ich all mein Blei verschossen hatte, stieß mir, ganz wider mein Vermuten, der stattlichste Hirsch von der Welt auf. Er blickte mir so, mir nichts, dir nichts, ins Auge, als ob er es auswendig gewusst hätte, dass mein Beutel leer war. Augenblicklich lud ich indessen meine Flinte mit Pulver und darüber her eine ganze Hand voll Kirschsteine, wovon ich, so schnell sich das tun ließ, das Fleisch abgezogen hatte.

Und so gab ich ihm die volle Ladung mitten auf seine Stirn zwischen das Geweih. Der Schuss betäubte ihn zwar – er taumelte – machte sich aber doch aus dem Staub. Ein oder zwei Jahre danach war ich in eben demselben Wald auf der Jagd. Und siehe: Zum Vorschein kam ein stattlicher Hirsch mit einem voll ausgewachsenen Kirschbaum, mehr denn zehn Fuß hoch, zwischen einem Geweih. Mir fiel gleich mein voriges Abenteuer wieder ein. Ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohl erworbenes Eigentum und legte ihn mit einem Schuss zu Boden, wodurch ich denn auf einmal an Braten und Kirchtunke zugleich geriet, denn der Baum hing reichlich voll Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so delikat nicht gegessen hatte. Wer kann nun wohl sagen, ob nicht irgendein passionierter heiliger Weidmann, ein jagdlustiger Abt oder Bischof das Kreuz auf eine ähnliche Art durch einen Schuss auf St. Hubertus Hirsch zwischen das Gehörn gepflanzt habe? Denn diese Herren waren ja von je und je wegen ihres Kreuz- und Hörnerpflanzens berühmt und sind es zum Teil noch bis auf den heutigen Tag. Im Falle der Not, und wenn es Aut oder Naut1 gilt, welches einem braven Weidmann nicht selten begegnet, greift er lieber wer weiß wozu und versucht eher alles, als dass er sich die günstige Gelegenheit entwischen lässt. Ich habe mich manches liebe Mal selbst in einer solchen Lage der Versuchung befunden.

Was sagen Sie zum Exempel von folgendem Kasus? Mir waren einmal Tageslicht und Pulver in einem polnischen Wald ausgegangen. Als ich nach Hause ging, fuhr mir ein ganz entsetzlicher Bär mit offenem Rachen, bereit, mich zu verschlingen, auf den Leib. Umsonst durchsuchte ich in der Hast alle meine Taschen nach Pulver und Blei. Nichts fand ich, als zwei Flintensteine, die man für einen Notfall wohl mitzunehmen pflegt. Davon warf ich einen mit Macht in den offenen Rachen des Ungeheuers, ganz seinen Schlund hinab. Wie ihm dies nun nicht allzu gut gefallen mochte, so machte mein Bär links um, sodass ich den anderen nach der Hinterpforte schleudern konnte. Wunderbar und herrlich ging alles vonstatten. Der Stein fuhr nicht nur hinein, sondern auch mit dem anderen Stein dergestalt zusammen, dass es Feuer gab und den Bär mit einem gewaltigen Knall auseinander sprengte. Man sagt, dass so ein wohl applizierter Stein a posteriori, besonders wenn er mit einem a priori recht zusammenfuhr, schon manchen bärbeißigen Gelehrten und Philosophen in die Luft sprengte. Ob ich nun gleich diesmal mit heiler Haut davonkam, so möchte ich das Stückchen doch eben nicht noch einmal machen oder mit einem Bär ohne andere Verteidigungsmittel anbinden.

Es war aber gewissermaßen recht mein Schicksal, dass die wildesten und gefährlichsten Bestien mich gerade alsdann angriffen, wenn ich außerstande war, ihnen die Spitze zu bieten, gleichsam als ob ihnen der Instinkt meine Wehrlosigkeit verraten hätte. So hatte ich einst gerade den Stein von meiner Flinte abgeschraubt, um ihn etwas zu schärfen, als plötzlich ein schreckliches Ungeheuer von einem Bären gegen mich anbrummte. Alles, was ich nun konnte, war, mich eilig auf einen Baum zu flüchten, um dort mich zur Verteidigung zu rüsten. Unglücklicherweise aber fiel mir während des Hinaufkletterns mein Messer, das ich eben gebraucht hatte, herunter, und nun hatte ich nichts, um die Schraube, die sich ohnedies sehr schwer drehen ließ, zu schließen. Unten am Baum stand der Bär und mit jedem Augenblick musste ich erwarten, dass er mir nachkommen würde.

Mir Feuer aus den Augen zu schlagen, wie ich wohl ehemals getan hatte, wollte ich nicht gerne versuchen, weil mir, anderer Umstände, die im Weg standen, nicht zu gedenken, jenes Experiment heftige Augenschmerzen zugezogen hatte, die noch nicht ganz vergangen waren. Sehnlich blickte ich nach meinem Messer, das unten senkrecht im Schnee steckte, aber die sehnsuchtsvollsten Blicke machten die Sache nicht um ein Härchen besser. Endlich kam ich auf einen Gedanken, der so sonderbar wie glücklich war. Ich gab dem Strahl desjenigen Wassers, von dem man bei großer Angst immer großen Vorrat hat, eine solche Richtung, dass er gerade auf das Heft meines Messers traf. Die fürchterliche Kälte, die eben war, machte, dass das Wasser sogleich gefror und in wenigen Augenblicken sich über meinem Messer eine Verlängerung von Eis bildete, die bis an die untersten Äste des Baumes reichte. Nun packte ich den aufgeschossenen Stiel und zog ohne viele Mühe, aber mit desto mehr Behutsamkeit mein Messer zu mir herauf. Kaum hatte ich damit den Stein festgeschraubt, als Herr Petz angestiegen kam. Wahrhaftig, dachte ich, man muss so weise als ein Bär sein, um den Zeitpunkt so gut abzupassen. Ich empfing Meister Braun mit einer so herzlich gemeinten Bescherung von Rollern, dass er auf ewig das Baumsteigen vergaß.

Ebenso schoss mir ein anderes Mal unversehens ein fürchterlicher Wolf so nahe auf den Leib, dass mir nichts weiter übrig blieb, als ihm, dem mechanischen Instinkt zufolge, meine Faust in den offenen Rachen zu stoßen. Gerade meiner Sicherheit wegen stieß ich immer weiter und weiter und brachte meinen Arm beinahe bis an die Schulter hinein. Was war aber nun zu tun? Ich kann eben nicht sagen, dass mir diese unbehilfliche Situation sonderlich anstand. Man denke nur, Stirn gegen Stirn mit einem Wolf! Wir äugelten uns eben nicht gar lieblich an. Hätte ich meinen Arm zurückgezogen, so wäre mir die Bestie nur desto wütender zu Leibe gesprungen; so viel ließ sich klar und deutlich aus seinen flammenden Augen herausbuchstabieren. Kurz, ich packte ihn bei den Eingeweiden, kehrte sein Äußeres zu innert wie einen Handschuh um, schleuderte ihn zu Boden und ließ ihn da liegen.

Dies Stückchen hätte ich nun wieder nicht an einem tollen Hund versuchen mögen, welcher bald darauf in einem engen Gässchen zu St. Petersburg gegen mich anlief. Lauf, was du kannst!, dachte ich. Um desto besser fortzukommen, warf ich meinen Überrock ab und rettete mich geschwind ins Haus. Den Rock ließ ich danach durch meinen Bedienten hereinholen und zu den anderen Kleidern in die Garderobe hängen. Tags darauf geriet ich in ein gewaltiges Schrecken durch meines Johanns Geschrei.

»Herrgott, Herr Baron, ihr Überrock ist toll!«

Ich sprang schnell zu ihm hinauf und fand alle meine Kleider umher gezerrt und zu Stücken zerrissen. Der Kerl hatte es auf ein Haar getroffen, dass der Überrock toll sei.

Ich kam gerade noch selbst dazu, wie er über ein schönes neues Galakleid herfiel und es auf eine gar unbarmherzige Weise schüttelte und umherzauste.

In allen diesen Fällen, meine Herren, wo ich immer glücklich, aber doch nur immer mit genauer Not davonkam, half mir das Ungefähr, welches ich durch Tapferkeit und Gegenwart des Geistes zu meinem Vorteil lenkte. Alles zusammen genommen macht, wie jedermann weiß, den glücklichen Jäger, Seemann und Soldaten aus. Der aber würde ein sehr unvorsichtiger, tadelnswerter Weidmann, Admiral und General sein, der sich überall nur auf das Ungefähr oder sein Gestirn verlassen wollte, ohne sich weder um die besonders erforderlichen Kunstfertigkeiten zu bekümmern noch sich mit denjenigen Werkzeugen zu versehen, die den guten Erfolg sichern. Ein solcher Tadel trifft mich keineswegs, denn ich bin immer berühmt gewesen, sowohl wegen der Vortrefflichkeit meiner Pferde, Hunde und Gewehre, als auch wegen der besonderen Art, dies alles zu handhaben, sodass ich mich wohl rühmen kann, in Forst, Wiese und Feld meines Namens Gedächtnis hinlänglich gestiftet zu haben. Ich will mich nun zwar nicht auf Partikularitäten von meinen Pferd- und Hundeställen oder meiner Gewehrkammer einlassen, wie Stall-, Jagd- und Hundejunker sonst wohl zu tun pflegen, aber zwei von meinen Hunden zeichneten sich so sehr in meinen Diensten aus, dass ich sie nie vergessen kann und ihrer bei dieser Gelegenheit mit Wenigem erwähnen muss. Der eine war ein Hühnerhund, so unermüdlich, so aufmerksam, so vorsichtig, dass jeder, der ihn sah, mich darum beneidete. Tag und Nacht konnte ich ihn gebrauchen: Wurde es Nacht, so hing ich ihm eine Laterne an den Schwanz, und nun jagte ich so gut oder noch besser mit ihm als am hellen Tag.

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Show 1 footnote

  1. Ought or nought – auf Biegen oder Brechen; eine wenigstens in Niederdeutschland in dieser Aussprache sehr populär gewordene Redensart

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