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Nach Amerika! – Erster Band – 05.1

Friedrich Gerstäcker
Nach Amerika!
Erster Band
Leipzig, Berlin, 1855

Die Auswanderungs-Agentur

Am Marktplatz zu Heilingen und an der Ecke eines kleinen, auf diesen auslaufenden Gässchens stand ein ziemlich großes, grün gemaltes und gewiss sehr altes Erkerhaus, dessen Giebel und Stützbalken geschnitzt, mit wunderlichen Köpfen und Gesichtern verziert, braun angestrichen waren und sich so weit dabei nach vorn überneigten, dass es ordentlich aussah, als ob der ganze Bau mit dem spitzen, wettergrauen Dach nächstens einmal ohne weitere Meldung nach vorn über und gerade mitten zwischen die Töpfer und Fleischer hineinspringen würde, die an Markttagen dort unten ihre Ware feil hielten.

Nichtsdestoweniger wurde es noch immer bis fast unter das Dach hinauf bewohnt und der untere Teil desselben ganz besonders zu kleinen Warenständen und Läden benutzt. Die Ecke desselben nun hatte seit langen Jahren ein Kaufmann oder Krämer in Besitz, der sich zu seinen Materialwaren, Kaffee, Zucker, Tabak, Lichten, Grütze &c. auch noch in der letzten Zeit die Agentur mehrerer Bremer und Hamburger Schiffsmakler zu verschaffen gewusst und damit bald in einer Zeit, wo die Auswanderungslust so überhand nahm, solch brillante Geschäfte machte, dass er die Materialwarenhandlung seiner Frau sowie seinem ältesten Sohn übertrug und für sich selber nur ein kleines Stübchen, ebenfalls zum Markt hinaus, behielt, über dessen Tür nun ein riesiges, sehr buntgemaltes Schild prangte. Dies Schild verdient mit einigen Worten beschrieben zu werden, da die Heilinger in den ersten Tagen – als es eben erst aufgehängt worden war – in wirklichen Scharen davor stehen blieben und es anstaunten.

Es war ein breites, länglich viereckiges Gemälde, ein großes, dreimastiges Schiff vorstellend, wie es sich unter vollen Segeln der fremden, ersehnten Küste näherte. Die See selber war hellgrün gemalt, mit einer Unmasse von sichtbar darin herumschwimmenden Fischen, die den Beschauer wirklich etwas besorgt um die Sicherheit des Fahrzeugs selber machen konnten. Dessen wackerer Kiel schäumte aber mitten hindurch, und der, dem Anschein nach vollkommen runde, nur nach hinten zu etwas länglich auslaufende Rumpf, presste eine große grün und weiß gestreifte Welle vorn auf, die sich wie eine breite Falte quer vor seinen Bug legte. Die Segel standen dazu fast ein wenig zu sackartig, und nur an den vier Zipfeln festgehalten, stramm und steif von den Rahen ab. Die langen blutroten Wimpel mit rot und weißer Bremer Flagge hinten an der Gaffel strömten und flatterten lustig nach hinten aus, wahrscheinlich den raschen Durchgang des Schiffes durch das Wasser anzuzeigen, das derart, durch den Wind getrieben, selbst diesen überflügelte. Über Deck war aber auch die Mannschaft und Kopf an Kopf eine volle Reihe bunter Passagiere sichtbar, mit sehr dicken roten Gesichtern, die Gesundheit an Bord des Schiffes bestätigend, und mit sehr hellgelben und sehr breitrandigen, rotbebänderten Strohhüten auf, während hinten auf Deck der Kapitän des Schiffes mit einem dreieckigen Hut, mi einem Fernglas in der einen und einem Dreizack in der anderen Hand stand. Was der Maler mit dem Dreizack andeuten wollte weiß nur er und Gott; er müsste denn gemeint haben, dass der Kapitän, wie früher Neptun, das Meer beherrsche. Übrigens war es auch möglich dass er fischen wolle und sich mit dem Fernrohr nur eben den stärksten und fettesten der ihn reichlich umherschwimmenden Fische ausgesucht habe.

Den Hintergrund dieses prachtvollen Seestücks bildete ein schmaler Streifen mit einzelnen Palmen bedeckter Küste, an der eine Anzahl pechschwarzer, nackter Männer standen, die nur einen gelb und blauen Schurz um die Hüfte und einen grünen Busch in der Hand trugen. Diese sahen gerade so aus, als ob sie die Ankunft des Schiffes schon sehnsüchtig und vielleicht sehr lange Zeit erhofft hätten, und nun die Zeit nicht erwarten könnten, dass die Fremden an Land stiegen, damit sie geschwind für sie arbeiten und ihnen den Boden urbar machen durften.

Neben dem Bild und zu beiden Seiten der Tür sowie sogar noch an dem inneren Teil des Fensterschalters hingen lange Listen der verschiedenen anzupreisenden Plätze für Auswanderung. Obenan New York, Philadelphia und Boston, dann Quebec und New Orleans, Galveston; in Brasilien, Rio de Janeiro und Rio Grande; in Australien Adelaide, dann Chile, Valdivia und Valparaiso, und Buenos Aires mit einer Menge neu entdeckter verschiedener Kolonien und Ansiedlungen, wohin überall die besten kupferfesten Schiffe in unglaublich kurzer Zeit und mit allem versehen ausliefen, was dem glücklichen Passagier das Leben an Bord eines solchen Schiffes nur in der Tat zu einer Vergnügungsfahrt machen müsse und würde.

Weigel, wie der Eigentümer dieser ausländischen Versorgungsanstalt (ein Spottname, den die Heilinger der Weigelʼschen Agentur gaben) hieß, war ein dicker, vollgenährt und blühend aussehender Mann, ungefähr sechs- bis achtunddreißig Jahre alt, mit ein wenig fest umgebundener Krawatte, was seinen Augen etwas Stieriges gab, und sonst einem leisen Anflug von Grau in den sonst braunen, widerspenstigen Haaren. Die Augen waren groß, blau und ziemlich ausdruckslos. Ein fast mitleidiges Lächeln aber, das oft und besonders dann, wenn er irgendjemandes Meinung bestritt, um seine Mundwinkel spielte, gab dem Ausdruck seiner Züge jene scheinbare Überlegenheit, die sich zuversichtliche Menschen oft über andere, wenn man es ihnen gestattet, anzumaßen wissen. Ganz vorzüglich wusste er diese Miene anzunehmen, wenn er über Amerika oder irgendeinen überseeischen Fleck Landes sprach, über dem für ihn ein gewisser heiliger und unantastbarer Zauber schwamm, und jemand dann irgendeinen Zweifel gegen das Gesagte zu hegen wagte. Er schwärmte besonders für Amerika. Es gab deshalb auch, seiner Aussage nach, keinen größeren Lügner in der Stadt als den Redakteur des Tageblattes, den Advokaten und Doktor Hayde in Heilingen. Dieser und er waren denn auch, wie das sich leicht denken lässt, grimme und erbitterte Feinde und Gegner, woselbst sich nur irgendeine Gelegenheit dazu fand.

Weigel bekam, wie das gewöhnlich bei den Agenturen der Schiffsbeförderung üblich und der Fall ist, für jede Person, die er einem Bremer oder Hamburger Reeder sicher an Bord lieferte, einen Taler, kurzweg genannt für den Kopf. Er teilte deshalb die Leute, sowohl seine Mitbürger als auch sämtliche übrige Bewohner Deutschlands in solche ein die Energie hatten, d. h. zu ihm kamen und sich bei ihm einen Platz nach Amerika besorgen ließen, wo sie nachher drüben selber sehen konnten, wie sie fertig wurden, und in solche, die im alten Schlendrian hin krochen und hier lieber verfaulten, ehe sie einen männlichen entscheidenden Schritt taten, ihrer Existenz auf die Beine zu helfen. Jeder, der hier blieb, betrog ihn aber wissentlich und mit kaltem Blut um seinen, ihm in ehrlichem Verdienst zustehenden Taler. Es verstand sich von selbst, dass er vor einem solchen Menschen keine Achtung haben konnte.

Er selber kannte die Verhältnisse Amerikas nur aus Büchern, die das Land lobten, denn andere las er gar nicht. Bekam er sie einmal zufällig in die Hand, so warf er sie auch gewiss mit einem Kernfluch über den nichtswürdigen Literaten, der wieder einmal einen ganzen Band voll Lügen zusammengeschmiert in die Ecke. Sein größter Ärger war aber jedenfalls – und so regelmäßig wie die Uhr morgens acht schlug – das Tageblatt, das er der häufigen Annoncen wegen halten musste und das ebenso regelmäßig kleine gehässige und schmutzige Artikel gegen Amerika wie überhaupt gegen alles brachte, was sich frei und selbstständig bewegte.

Zehnmal hatte er sich schon vorgenommen, den kleinen erbärmlichen Doktor zu prügeln. Sehr vielen Leuten würde er dadurch ein großes Vergnügen bereitet haben, aber er unterließ es doch jedes Mal auch wieder, wenn sich ihm gleich oft genug die Gelegenheit dazu bot. Beide mussten jedenfalls schon einmal früher etwas miteinander gehabt haben, vielleicht mehr voneinander wissen, als beiden zuträglich war. Ein solcher Bruch wäre da nicht ratsam gewesen.

Sonst lebte Weigel still und anscheinend als ein vollkommen guter und achtbarer Bürger vor sich hin, aber im Stillen wirkte und wühlte er seinem Ziel entgegen und richtete in der Tat viel Unheil an. Seine Beschreibungen Amerikas, die er sich selber in kleinen Broschüren aus anderen Büchern zusammentrug und um ein Billiges verkaufte, waren ein langsames Gift, das er in manche friedliche und glückliche Familie warf, ein Saatkorn, das dort wucherte und Wurzel schlug. Während es die Leser anreizte, nur gleich ohne Weiteres ihr Bündel zu schnüren und jenen herrlichen Landstrichen zuzueilen, wo von da an ihr Leben nur einem murmelnden Bach gleichen würde, der zwischen Blumen dahinfließt, füllte er ihre Köpfe mit falschen Ideen und Begriffen von dem Land, das ihre neue Heimat werden sollte, und machte viele, viele Menschen unglücklich. In der neuen Heimat dann angekommen, die ihnen, mit mäßigen Ansprüchen, wirklich manches geboten haben würde, was ihre Lage im Vergleich mit dem alten Vaterland gebessert haben könnte, fanden sie sich nun plötzlich in all den wilden extravaganten Ideen, die sie durch solche Lektüre eingesogen, enttäuscht, die Hoffnungen nicht realisiert, die man ihnen gemacht hatte, hielten sich für schlecht behandelt und unglücklich und verfielen nun oft in das Extrem trostloser und ebenso unbegründeter Verzweiflung, wobei sie den Mann verwünschten, der sie hier verlockt und sie verleitet hatte, Heimathund eigenen Herd zu verlassen, einem Phantom zu folgen. Weigel aber hatte seinen Taler für den richtig abgelieferten Kopf bekommen und dachte schon gar nicht mehr an die früher Beförderten, die seiner Meinung nach nun in einem Meer von Behagen schwammen und unter Palmen wandelten.

Herr Weigel war allein in seinem kleinen Büro, einem niederen, etwas dumpfen und nicht überhellen Stübchen, dessen eines breites Fenster mit durch Zeit und Rauch arg mitgenommenen Gardinen verziert war, während die Wände durch Karten und statistische Tabellenanzeigen von Schiffen und Gasthäusern, Plänen von neu angelegten Städten oder zu verkaufenden Farmen fast völlig bedeckt hingen. Er saß an einem hohen, ziemlich breiten Pult, das einen mächtigen Kamm von Gefachen und Schubladen trug und las, mit einer Tasse Kaffee neben sich, eben seinen täglichen Ärger, das Tageblatt, als es an die Tür klopfte und auf sein lautes Herein ein junger, sehr anständig, aber trotzdem etwas ärmlich gekleideter Mann das Zimmer betrat.

»Herr Weigel?«, fragte der Fremde mit einer leichten Verbeugung.

»Bitte – ja wohl«, sagte Herr Weigel, seine Brille rasch in die Höhe schiebend und auf seinem Drehstuhl herumfahrend, seinen Besuch besser ins Auge zu fassen. »Womit kann ich Ihnen dienen?«

»Sie befördern Passagiere nach Amerika?«

»Nach Amerika? Denke so, he, he, he«, antwortete Herr Weigel, sich vergnügt die Hände reibend, »habe schon ganze Kolonien hinübergeschafft, Männer, Frauen und Kinder; sitzen jetzt drüben in der Wolle und schreiben einen Brief über den anderen an mich, wie gut es ihnen geht … da nur den einen hier, den ich vor ein paar Tagen bekommen habe … der Mann ist bloß mit zwei tausend Dollar hinübergegangen und hat schon eine eigene Farm, achtzig Acker Land, vierundzwanzig Stück Rindvieh, einige sechzig Schweine, fünf Pferde und will jetzt eine Schäferei anlegen … schreibt an mich, ich soll ihm einen Schäfer hinüberschicken, aber einen, der die Sache aus dem Grund versteht, kommt ihm auf ein paar Dollar Lohn nicht dabei an … bitte lesen Sie einmal den Brief.«

»Sie sind sehr freundlich Herr Weigel«, sagte der junge Fremde mit einem verlegenen, schmerzhaften Zug um den Mund, »aber der Brief würde gerade nicht maßgebend für mich sein, da ich mich gegenwärtig nicht in den Verhältnissen befinde, gleich einen Platz zu kaufen. Sind die Passagierpreise jetzt teuer?«

»Teuer? Spottbillig«, gab Herr Weigel lachend von sich, den Brief offen wieder zurück auf sein Pult und seine Brille darauf legend, ihn zu weiterem Gebrauch bereit zu haben. »Spottbillig, sage ich Ihnen, man könnte wahrhaftig auf dem Festland nicht einmal dafür leben … so nicht; und unter uns … ich weiß wahrhaftig nicht, wie die Leute dabei auskommen, aber es muss eben die rasende Menge von Passagieren machen, die sie jetzt wöchentlich, ja fast täglich hinüber spedieren. Es ist fabelhaft, was jetzt für Menschen auswandern. Auf einmal werden sie alle gescheit und merken endlich, was sie hier haben, und was sie dort erwartet – ist doch ein famoses Land, das Amerika.«

»Und wie viel beträgt die Passage zum nächsten Hafen der Vereinigten Staaten, wenn ich fragen darf, für – für eine erwachsene Person und ein Kind?«

»Nächsten Hafen? He, he he, fürchten sich wohl vor der Seekrankheit? Lieber Gott, daran gewöhnt man sich bald; ist auch gar nicht so arg wie es eigentlich gemacht wird. Der Mensch, der Doktor Hayde hier im Tageblatt, hat neulich einen Artikel über die Seekrankheit gebracht, den er wahrscheinlich auch selber geschrieben hat und wonach einem gleich ach und weh zumute werden müsste; der ist aber nur dazu bezweckt, den Leuten das Auswandern zu verleiden. Sie möchten sie gern hier behalten, damit sie sie nur recht ordentlich plagen und schinden können, weiter nichts; davor braucht sich kein Mensch zu fürchten.«

»Sie wollten mir aber den Preis der Passage nennen.«

»Den Preis? – ja so – warten Sie einmal.« Sein Blick fiel auf die Glacéhandschuhe und die schneeweiße Wäsche des Fremden, dessen etwas abgetragene Kleider er in dem halbdunklen Raum nicht so leicht erkennen konnte oder auch übersah. »Der Preis – Dampfschiff oder Segelschiff?«

»Segelschiff.«

»Segelschiff … wird … sein – Preis in erster Kajüte vierundachtzig Goldtaler.«

»Und die … die billigeren Plätze?«
»Billigeren Plätze – zweite Kajüte oder Steerage fünfundsechzig Goldtaler.«

»Und Zwischendeck?«, sagte der Fremde leise und verlegen.

»Zwischendeck würde ich Ihnen nicht raten«, meinte Herr Weigel, seine Brille nun abwischend und wieder aufsetzend, »besonders, wenn man eine Frau und ein Kind bei sich hat und es nur irgendwie machen kann, sollte man nie Zwischendeck gehen, man ruiniert es sich und den seinen an der Gesundheit herunter, was die paar Taler mehr kosten.«

»Aber Sie können mir wohl den Preis des Zwischendecks sagen?«

»Ja wohl, mit dem größten Vergnügen … Zwischendeck nach New York kostet … warten Sie einmal, ich habe ja hier die letzten Briefe von meinen Häusern. Zwischendeck nach New York kostet vierundvierzig Goldtaler.«

»Vierundvierzig Taler?«

»Ja, es ist seit ein paar Tagen erst wieder um vier Taler aufgeschlagen, weil die Leute eben nicht Schiffe genug anschaffen können für die Auswanderer. Ist fabelhaft, was besonders dieses Jahr für Leute übersiedeln. Soll ich Sie vielleicht einschreiben? Es trifft sich jetzt gerade glücklich, denn am 15. geht ein ganz vortreffliches Schiff ab, die Diana, Dreimaster, gut gekupfert, mit allen nur möglichen Bequemlichkeiten versehen und einem Kapitän, ich sage Ihnen, ein wahrer Schentelmann, wie er sich gerade nicht immer auf den Schiffen findet.«

»Ich danke Ihnen für jetzt noch bestens, lieber Herr Weigel«, sagte der junge Mann, »ich muss doch nun erst mit meiner Frau Rücksprache über dieses nehmen, denn erst seit gestern ist mir die Idee überhaupt gekommen, auszuwandern; aber noch eine Bitte hätte ich an Sie.« Er drehte dabei den Hut, den er in der Hand hielt, fast wie verlegen zwischen den Fingern.

»Ja? Womit könnte ich Ihnen dienen?«, fragte Herr Weigel.

»Könnten Sie mir wohl sagen, ob die Kapitäne der Segelschiffe … ich habe einmal irgendwo gelesen, dass das manchmal geschähe … auch Leute … Passagiere mitnähmen, die unterwegs ihre Passage abarbeiten dürften und also auch keine Überfahrt zu bezahlen brauchten?«

»Keine Passage zahlen?«, sagte Herr Weigel, die Lippen vordrückend und die Augenbrauen in die Höhe ziehend, während er langsam und halb lächelnd mit dem Kopf schüttelte. »Keine Passage bezahlen? Ne, lieber Herr … ja so … wie heißen Sie denn gleich?«

»Eltrich«, sagte der junge Mann etwas zögernd.

»So? Ne, mein lieber Herr Eltrich, davon steht nichts in unseren Verzeichnissen und Kontrakten; im Gegenteil, da kommen wir zusammen, das ist der Hauptpunkt, der Nervus Rerum, der die ganze Geschichte eigentlich zusammenhält, Amerika und Europa und die umliegenden Dorfschaften, he, he, he.«

»Aber wenn nun irgendein armer Teufel«, fuhr der Fremde etwas lauter, fast ängstlich fort, »irgendein armer Teufel sein ganzes Hoffen eben auf eine Reise nach Amerika gesetzt hätte und bestimmt wüsste dass er dort, wenn auch nicht gerade sein Glück machen, doch sein Auskommen finden würde?«

»Nun dann soll er gehen – um Gottes Willen gehen, und am 15. dieses wird wieder das neue, kupferfeste – ja so, aber er muss bezahlen«, unterbrach er sich rasch, als ihm einfiel, wovon sie vor erst wenigen Sekunden gesprochen hatten. »Er muss bezahlen, sonst nimmt ihn kein Kapitän der Welt mit über See.«

»Und Sie glauben nicht, dass da jemals eine Ausnahme stattfinden dürfte?«, fragte Herr Eltrich. »Es werden doch Leute auf See gebraucht sowohl zu den notwendigsten als auch den geringeren Arbeiten, und die Kapitäne müssen gewiss dafür bezahlen. Wenn sich also nun jemand erböte, alle diese Verrichtungen ganz umsonst, nur um Passage und die einfachste Matrosenkost zu machen, sollte das nicht möglich sein, zu erlangen?«

»Lieber Herr«, sagte der Herr Weigel, dem es nun so vorkommen mochte, als ob er mit dem Fremden da kein besonders großes Geschäft machen würde, und der anfing, ungeduldig zu werden, »zu den Arbeiten an Bord eines Schiffes werden Matrosen gebraucht, und wer kein Matrose ist, kann die auch nicht verrichten. Das ist keine kleine Kunst, lieber Herr Schelbig, in den Tauen den ganzen Tag herumzuklettern und zwischen den Segeln, wenn das Schiff bald so herüberschlenkert und bald so.« Er begleitete dabei seine Erklärung mit einer entsprechenden Bewegung, der vor sich gerade aufgehaltenen Hand, »da müssen die Leute fest stehen können wie die Mauern, sonst kann man sie nicht gebrauchen.«

»Aber glauben Sie nicht, wenn man einmal an einen Kapitän schriebe, ob er sich doch nicht am Ende bewegen ließ; oder«, setzte er rasch hinzu, wie von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, »wenn man sich nun verbindlich machte, die Passage nach einer bestimmten Zeit in Amerika nachzuzahlen – sie dort abzuverdienen?«

»Ja da könnte jeder kommen«, sagte Herr Weigel kopfschüttelnd, »wenn die Leute erst einmal drüben sind, tun sie, was sie wollen. Das ist ein freies Land da drüben, Herr Wellrich, und da könnte man nachher jedem Einzelnen nachlaufen und sehen, dass man sein Geld wieder kriegte. Ne, damit ist es faul, und ich nun einmal vor allen Dingen, möchte mich nicht auf solch eine Quengelei einlassen; daran hat man keine Freude, und das ist auch kein rundes Geschäft.«

»Es ist nur ein armer Verwandter, der sich auf solche Weise gern forthelfen würde«, sagte Herr Eltrich errötend. »Er ist sehr fleißig und würde arbeiten wie ein Sklave, die Zeit über.«

»Ja, das glaube ich«, meinte Herr Weigel gleichgültig, »versprechen tun die Art Herren gewöhnlich alles, was man von ihnen haben will.«

»Könnten Sie mir denn vielleicht die Adresse irgendeines Schiffes oder Reeders geben, der bald ein Schiff hinüberschickt«, fragte der junge Fremde, sich schon wieder zum Gehen rüstend, »wenn ich vielleicht selber einmal dorthin schriebe, um Sie nicht weiter mit der Sache zu belästigen.«

»Ja, schreiben können Sie«, sagte Herr Weigel, »he, he, he; aber Sie werden keine Antwort bekommen; darauf können Sie sich verlassen. Die Leute da haben mehr zu tun als sich eines Passagiers wegen, für den sie noch umsonst die Kost hergeben müssten, in eine Korrespondenz einzulassen. Kann ich Ihnen auch gar nicht so sehr verdenken.«

»Und die Adresse?«

»Die Adresse? Da, hier liegt die neueste Auswanderer-Zeitung. Wenn Sie wollen, können Sie sich da ein oder zwei Adressen herausschreiben. Da hinten, auf der letzten Seite stehen sie.« Herr Weigel sah nach der Uhr, drehte sich wieder auf seinem Drehstuhl, der beim Aufschrauben etwas quietschte, herum, schob das Tageblatt zur Seite und rückte sich einen Bogen Papier zurecht, als ob er irgendeinen notwendigen Brief zu schreiben hätte.

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