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Ein Ostseepirat Band 1 – Auf Hiddensee

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
I.
Auf Hiddensee

Es sah wieder einmal sehr kriegerisch in der Welt aus.

Denn jener Zündstoff lag aufgespeichert, dessen Explosion die Periode für Deutschland, für Europa, ja für die ganze zivilisierte Welt bildete, welche die Geschichte unter der Benennung des Siebenjährigen Krieges verzeichnet hat.

Um unbedeutender Ursachen, hauptsächlich aus altem Groll, von einer Seite angesponnen, durch das Gebot der Selbsterhaltung von einer anderen Seite begonnen, riss er in seinem Verlauf alles mit sich fort und führte schließlich von allem das Gegenteil herbei, was nach menschlichen Berechnungen hätte geschehen müssen.

In Deutschland lag dem Ursprung des Krieges die Absicht zu Grunde, den Mann, welcher sich Friedrich II. von Preußen nannte, den jedoch der Papst, als Marchese di Brandenbourg in seine Staatskalender verzeichnen ließ, zu demütigen und sein Land zu einer gewissen Unbedeutsamkeit herabzubringen.

Wie Friedrich das zu diesem Zweck im Geheimen geschlossene Bündnis entdeckte, wie er dem heranziehenden und lange über seinem Haupt hängenden Wetter, durch eine scharfsichtige Politik, kluge Unterhandlungen, Feldherrntalent und Heldenmut begegnete, ist hinlänglich bekannt.

Dessen ungeachtet konnten bei seiner Vielseitigkeit nur die Hauptzüge seiner Tätigkeit in den Geschichtsbüchern verzeichnet werden, weshalb häufig seine Erfolge dem unerklärlich bleiben, der diesen scharfen Geist nicht auf den geheimen Wegen verfolgt, die gleichsam ein unsichtbares Netz bildeten, in dem diejenigen hängen blieben, welche sich ihm unvorsichtig in feindseliger Absicht näherten.

Es ist bekannt, dass Friedrich, dem Antrag Schwedens, während des Siebenjährigen Krieges mit ihm Frieden zu schließen, die sarkastische Antwort gab: »Ich weiß von keinem Krieg mit Schweden. Zwar habe ich gehört, dass mein General Belling da an der schwedischen Grenze einige Zänkereien gehabt hat, doch ich denke, der Mann wird sich wohl besänftigen lassen!«

Wie Friedrich zu Anfang des Krieges über Schweden dachte, geht jedoch besonders aus einer, in Ziffern abgefassten Depesche an den Gouverneur von Pommern und Stettin hervor, die nach ihrer Übertragung ungefähr folgenden Inhalt gab:

Es unterliegt nach den letzten Vorgängen in Schweden und dem taktlosen Benehmen seiner Königin keinem Zweifel, dass uns auch diese Macht den Krieg erklären wird. Obwohl nun Erschöpfung und innere Unruhen diesen Staat hindern, in der Entfernung einen energischen Krieg zu führen, so ist uns doch seine Flotte gefährlich. Ich kann derselben leider nichts entgegensetzen, als die zweifelhafte Hilfe eines lauen Bundesgenossen und muss deshalb die Küsten Ihres Gouvernements, zu meinem Schmerz, allen möglichen Unternehmungen auf dieselben preisgeben. Sie werden zwar für deren sorgen, soweit Ihre Mittel reichen; doch für mich wie für Sie ist es notwendig, zu wissen, was im schwedischen Kabinett als auch auf der Ostsee vorgeht. Diesem Zweck dürfte ein einzelner, unternehmender, umsichtiger und kluger Mann neben unseren sonstigen Verbindungen entsprechen und Sie müssen deshalb suchen, einen solchen zu finden. Ein geschulter Seemann muss er natürlich sein; ist er dabei Soldat, umso besser. Ich sollte meinen, ein Mann aus dem schwedischen Pommern, der so viel deutschen Sinn besitzt, der Fremdherrschaft überdrüssig zu sein, dürfte sich am besten dazu eignen. Immerhin werden Sie bei der Wahl große Vorsicht anwenden müssen, um auch der Treue und Verschwiegenheit dieses Individuums versichert zu sein. Haben Sie jedoch gefunden, was wir brauchen, so bieten Sie alles, Geld, Rang, Schiffe und was sonst nötig, unseren Mann zu fesseln. Instruktionen für denselben sollen später folgen.

Was der Gouverneur unternommen hatte, einen Mann, wie ihn der König wünschte, zu finden, lässt sich nicht gut angeben; eine Anfrage desselben bei dem Kommandanten von Kolberg, wegen eines kühnen und zugleich gebildeten Seemanns, lässt jedoch vermuten, dass er in verschiedenen Richtungen forschte, seinen Zweck zu erreichen.

Diese Bemühungen wurden denn auch nach einem Bericht des Gouverneurs mit Erfolg gekrönt und ein den gestellten Anforderungen entsprechendes Individuum gefunden, welches keine anderen Bedingungen machte, zu jeder Zeit frei und ungehindert in preußische Häfen ein- und auslaufen zu dürfen und dass ihm ein Kaperbrief erteilt werde.

Friedrich schrieb auf diesen Bericht die kurze Antwort: Bewilligt, scheint ein braver Kerl zu sein und muss wohl ästimiert werden.

Dieser Antwort waren die Instruktionen für den Parteigänger zur See und einige andere Papiere beigefügt.

Der König urteilte hinsichtlich Schwedens richtig, denn die Partei der Mützen, welche nach der Braheʼschen Verschwörung gegen den Senat und Reichsrat die Oberhand gewonnen hatte, drang auf Krieg, um die Königin, eine Schwester Friedrichs, auch noch dadurch zu demütigen; derselbe wurde an Preußen erklärt und bald darauf auch begonnen.

Friedrich hatte in seiner Ordre an den Gouverneur von Pommern nur von unverteidigten Küsten gesprochen, jedoch eines Umstandes, der, für ihn namentlich, jedenfalls wichtiger als eine verheerte Küstenstrecke sein musste, nicht gedacht oder nicht gedenken wollen, nämlich der gänzlichen Vernichtung des preußischen Seehandels.

Die Schweden, als eine handeltreibende Nation, damals zugleich noch eine bedeutende Seemacht, fassten nur diese Seite des Seekrieges auf. Statt die Küsten zu verheeren, was ihnen zu nichts nützen konnte, blockierten sie die Häfen. Vor Memel legte sich eine Fregatte; vor Pillau und Danzig kreuzten Geschwader, vor den Ausflüssen der Oder war eine ganze Flotte stationiert, die einzelne Schiffe vor die Mündungen der Stolpe, der Wipper, der Persante, der Nega und der Dievenow legte.

Im neuen Tief, damals ein schwedisches Gewässer, lag ebenfalls ein Geschwader, hauptsächlich als Reserve. Von diesem wurden zu gewissen Zeiten Kreuzer entsendet, die den Zweck hatten, noch in der Ostsee befindliche preußische Schiffe aufzubringen, das heißt, zu nehmen. Vor dem Nordeingang zum Hafen von Stralsund und dem Eingang des Hafens von Barth, natürlich hier zum Schutz dieser Häfen und ihres Handels, legte sich jedoch eine stattliche Brigg unter dem Befehl des Marineleutnants Baron Staelswerd.

Dieser Baron Staelswerd, ein Bruder des Mitverschworenen Artillerieleutnants Staelswerd, war ein Hofmann durch und durch. Sein jetziges Kommando, beiläufig wider seine Neigung, wie der ganze Krieg, war eine Art Verbannung vom Hof und aus dem Land, weil auf ihn vielleicht der Verdacht ruhte, der beabsichtigten Staatsumwälzung zu Gunsten der königlichen Autorität näher gestanden zu haben.

In seinem Äußeren glich Staelswerd allen vornehmen Schweden; er war groß und hübsch gewachsen, seine Bewegungen und sein Benehmen verrieten Selbstbewusstsein und Stolz; der ärgste petit maitre hätte in seinem Anzug nicht sorgfältiger sein können als er.

Auch die Züge des Barons mussten regelmäßig genannt werden; auf den ersten Blick schien das Gesicht trotz der mangelnden Farbe sogar schön, indessen, eine nur flüchtige Forschung in demselben ließ erraten, dass es, wie so häufig im Leben, das leidliche Aushängeschild eines oberflächlichen Geistes sei, der wohl eine gewisse Politur erhalten hatte, jedoch ohne alle Tiefe sein musste; das gezwungene Wesen und die Peinlichkeit, womit der Baron auf die Erhaltung seines Anzuges achtete, sagten das Weitere.

Staelswerd hatte bisher noch nicht weiter zur See gedient, wie es die gesetzliche Übungszeit erforderte. Seine Taten beschränkten sich auf die Teilnahme an Hoffestlichkeiten und Hofintrigen. Schwerlich war er imstande, ein Schiff wie die ihm anvertraute Brigg Aurora unter allen Umständen zu führen und zu kommandieren. Doch ihm zur Seite stand ein anderer Leutnant, eine alte verwitterte Seemanshaut, auf der die Sonne aller Breiten ihre Spuren hinterlassen hatte, ein Mensch wie Stahl und Eisen, rau wie die See, aber sicher in seinem Handwerk und nie in Verlegenheit. Dieser Leutnant, erst sehr spät zu seiner Charge gelangt, hieß Dalström. Während er, ganz bei der Sache, den Platz suchte und bestimmte, auf dem man die gedachten Hafeneingänge am besten überwachen konnte, seufzte Staelswerd wiederholt, und seine Seufzer konnten für Klagen über sein Los gelten.

Jene Eingänge gleichen in einer Hinsicht einem Archipel, in anderer einer Pforte. Es befinden sich hier nämlich gegen die Insel Rügen die Eilande Hiddensee, der neue Bessiner Werder, die Fährinsel, der Gänsewerder, die Schaproder Oie, Bessin, Ummanz, die Heuinsel und die Halbinseln Bug, Trog und Lieschow, den einen Schenkel eines rechten Winkels, der sich von Nord nach Süd erstreckt, bildend.

Den anderen, von West nach Ost, bilden die Halbinsel Dars, die Inseln Zingst, Rutt, Barther Oie, Barhöft und verschiedene kleinere Eilande an der pommerschen Küste. Genau im Scheitelpunkt dieses Winkels liegt das eigentliche Fahrwasser, der Ausfluss des Gellens, zwischen Barhöft und der Insel Bessin. Jedoch gibt es für leichte Fahrzeuge noch ein anderes Fahrwasser zwischen Hiddensee und Rügen. Auch dies kann bei Bessin überwacht werden.

Von den zuerst genannten Inseln ist Hiddensee, ein Name, der offenbar so viel wie Hütteninsel bedeuten soll, die größte und wichtigste. Im nördlichen Teil ein anständiges Stück Tonflötz, mit ziemlichen Höhen und steilen Vorgebirgen, ist sie im südlichen nichts als eine schmale, hohe Sandbank, die durch den Strom des Gellen erst in einer neueren Periode aufgeschwemmt worden war.

Hiddensee ist ungefähr drei Meilen lang, an den breitesten Stellen kaum eine halbe Meile breit und zählt außer einzelnen Weilern und Gehöften fünf Ortschaften, von denen zwei größere Güter mit Zubehör sind. Das nördlichste derselben, Grieben, gehörte zu der Zeit, von welcher die Rede hier ist, dem ehemaligen schwedischen Major von der Grieben.

Major von der Grieben rechnete sich zu der Partei der Mützen, das heißt derjenigen, die eine Verfassung aufrecht zu erhalten suchten, durch welche der Adel und die Geistlichkeit die Macht der Krone beschränkten und das Volk beherrschten. Bei den ersten Versuchen Adolph Friedrichs und Louise Ulrikes, die Autorität der Krone zu verstärken, ohne Pension wie so viele andere seiner Gesinnung entlassen, begrüßte er die Zeit, wo jene Versuche durch die misslungene Braheʼsche Verschwörung gänzlich scheiterten, mit Jubel und war deshalb als echter sogenannter schwedischer Patriot ein eingefleischter Preußenfeind, der also auch den Krieg gegen Preußen billigte.

Bis auf diese Schwäche, die allerdings in den Augen des Majors eine Stärke war, welche jedoch nie anders als in Gesprächen mit dem Pastor des Dorfes Kloster, der sich zur Partei der Loyalen oder Hüte rechnete, zutage trat, war der Herr von der Grieben ein braver, biederer, gastfreier, mildtätiger Herr, das Muster eines zärtlichen Ehemannes und vortrefflichen Vaters.

Nur klein von Wuchs war der alte Herr desto beweglicher. Nur selten imstande, jemand zu erhaschen, mit dem er sich angemessen unterhalten konnte, war er umso gesprächiger, wenn er mit solchen Personen zusammentraf. Sobald er die Anwesenheit der Brigg und den Namen ihres Kommandanten erfahren hatte, machte er demselben einen Besuch und lud ihn zu sich ein.

Baron Staelswerd kam dieser Einladung umso lieber nach, als seine Station die Langeweile zur obligaten Zugabe hatte. Obwohl beide Männer sehr bald ihre politische Gegnerschaft erkannten, entspann sich doch ein Verhältnis zwischen ihnen, welches erlaubte, dass der Baron Wochen lang ein Gast des Majors war, während seine Brigg untätig am Entendorn oder dem Bock, den beiden entgegengesetzten Enden der Insel, ankerte.

Der Major von der Grieben war nicht so glücklich, einen Sohn zu haben; ein Umstand der ihm neben seiner Entlassung aus dem Heer den meisten Kummer machte. Dagegen hatte er zwei Töchter, die bisher in Stockholm erzogen wurden, die er aber, seit der Krieg drohte, zu sich zu nehmen beschlossen hatte, wozu auch seinerseits die nötigen Verfügungen bereits getroffen wurden. Ein Schreiben der Töchter benachrichtigte die Eltern, dass sie mit der nächsten Postjacht eintreffen würden. Diese Postjacht musste am 30. Juli 1757 durchpassieren und wie gewöhnlich am Bug gegenüber von Grieben, wo sie Station hatte, anlegen.

War dies ein Grund für Grieben, seine Frau und den Baron, den 30. Juli und das gedachte, damals regelmäßig drei Mal monatlich zwischen Ystadt und Stralsund gehende Fahrzeug sehnsüchtig zu erwarten, so gab es doch noch einen zweiten, aus dem sowohl jene wie auch andere Leute der Ankunft der Postjacht erwartungsvoll entgegensahen, dass wahrscheinlich mit ihr die Nachricht über die Verurteilung der Verschwörer in der Braheʼschen Angelegenheit eintreffen werde.

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