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Schauernovellen – Der musizierende Satan

Ferdinand Kleophas
Schauernovellen Band 1
Verlag Franz Peter, Leipzig 1843

Der musizierende Satan

Du sollst singen,
und sollst springen,
und sollst lachen,
alles machen,
bis die Teufel dich mit Johlen,
Menschlein, in die Hölle holen.

Und wenn ich hundert und noch mehr Jahre lebte, würde ich mich noch der Hochzeit des Johann Saveux erinnern, so wie heute.

Ich war zu guter Zeit aus meinem Dorf gegangen, denn ich musste durch den Hesdiner Wald gehen, um, wie mir mein Oheim anempfohlen hatte, seinen alten Gevatter, den Schäfer Nicolaus Meuron, abzuholen, welcher zur Hochzeit eingeladen war.

Er weigerte sich hartnäckig, mich zu begleiten, indem er sagte, dass man ihn nie zu solchen Vermählungsfesten sehen solle, selbst wenn man ihm hundert Taler geben wollte; aber nie wollte er mir sagen, warum. Ich war wenigstens schon vier Ave von seinem Haue entfernt, als er mir nachlief und mich zurückrief, um mir ein Fläschchen zu geben, das er mir wenigstens zwanzigmal auf die Seele band und das ich während der ganzen Zeit, die ich bei Johann Saveux sein würde, nicht von mir lassen sollte; es würde, sagte er, mich gegen die Nachstellungen des bösen Geistes schirmen, der nicht ermangeln würde, Werbungen zu machen.

Ei! Der alte Schäfer sagte nur zu wahr voraus, wie man im Laufe dieser Geschichte sehen wird.

Ich kannte den Zukünftigen meiner Muhme Gretchen noch nicht. Als ich ihn bei meiner Ankunft sah, fühlte ich mich ganz traurig werden, dass dieser ein so gutes und so hübsches Mädchen zur Frau haben sollte. Es war, ich muss es sagen, ein schöner Junge; aber er hatte in seinen, unter großen Brauen liegenden Augen, in seiner bleichen Gestalt etwas Unheimliches, das Schrecken einflößte. Man hatte ihn nicht gern im Dorf, weil er stolz auf sein Geld war, nie in die Schenke ging und zuweilen wochenlang mit keinem Menschen sprach. Das wurde selbst Anlass zu vielen verschiedenen Mutmaßungen. Die einen hielten ihn für bezaubert, die anderen im Gegenteil für einen Zauberer und Unhold selbst. Daher gab es, trotz der schönen Geldsummen und der großen Meierei mit drei Scheuern, die er als Heiratsgut einbrachte, doch mehr, welche meine Base ob dieser Heirat tadelten, als sich Leute fanden, die da sagten: »Gretchen verheiratet sich mit Johann Saveux; das wird eine gute Ehe geben.«

Die Hochzeit ging vor sich und alles ging gut bis zur Stunde, wo man tanzen wollte. Es fand sich alsdann, dass der Fiedler von Hesdin, der lustige Mathias Wilmart nicht benachrichtigt worden war. Alles klagte über einen solchen verdrießlichen Zufall, als man dem jungen Gatten meldete, dass ein Unbekannter ihn zu sprechen verlange.

Johann Saveux, welcher mit seiner Frau schwatzte und schäkerte, und welchen man seit Menschengedenken noch nie so lustig gesehen hatte, erhob sich, auf den Lästigen fluchend, der ihn so zur Unzeit störte.

Aber bei dem Anblick des Fremden, der des Wartens müde, ohne Weiteres eingetreten war, wurde er bleich wie der Tod und wäre beinahe der Länge lang hingefallen.

»Ich hoffe, willkommen zu sein?«, fragte in kaltem Ton der Fremde.

»Sie haben das Recht es zu sein«, erwiderte Johann Saveux, aber sein bleiches Antlitz und das Zittern all seiner Glieder widersprachen der guten Aufnahme, welche er sich zwang, dem Neuangekommenen zu erteilen.

Dieser hatte keine Acht darauf. Er setzte sich fröhlich zu Tisch, goss ein ungeheuer großes Glas voll Bier und leerte es mit einem Zug. Dann legte er sich einen Schinken vor, von dem er nur die Knochen ließ, dann aß er sofort mehrere enorme Kuchen und trank im Verhältnis dazu. Nie hatte man solchen trockenen Durst und solchen gefräßigen Appetit gesehen.

Während dieser ganzen Zeit war unter den Hochzeitsgästen ein größeres Stillschweigen, wie bei einem Beerdigungsschmaus. Der Fremde, der es sich soeben bequem gemacht hatte und den der Zwang, den seine Ankunft jedem auferlegt hatte, durchaus nicht kümmerte, kreuzte friedlich die Beine. Indem er seinen Überrock aufknöpfte, der augenscheinlich seine Verdauung hinderte, drehte er den Kopf und sah alsdann Johann Saveux stehen, blasser als je.

»Ei, ei!«, sagte er vertraulich zu ihm, »du hast mir noch nicht deine Frau gezeigt, mein Kamerad. Bist du eifersüchtig auf mich? Ventrebleu! Zu meiner Zeit bin ich verliebt gewesen wie kein anderer. Ich habe mehr als ein hübsches Mädchen zur Sünde verführt; aber andere Zeiten, anderer Geschmack. Du weißt es; jetzt, Johann Saveux, sind es keine jungen Mädchen, die ich in meinen Netzen fange, nicht wahr?«

Johann Saveux nahm, wiewohl mit Widerwillen, Gretchen bei der Hand und führte sie vor diesen sonderbaren Mann.

»Es ist ein artiges Geschöpf! Du hast guten Geschmack, Johann, ausgezeichneten Geschmack. Es ist unglücklich, meiner Treu, dass diesen Abend … Denn es ist diesen Abend«, fügte er mit leiser Stimme hinzu und flüsterte fast nur in das Ohr Johanns, der an allen Gliedern zitterte.

»Aber was soll das heißen?«, fuhr der Fremde fort, ohne auf die Verzweiflung des jungen Gatten zu achten, »das ist eine sonderbare Hochzeit; man sieht ja nicht einmal eine Violine.«

Da wagte einer zu erzählen, dass man vernachlässigt hätte, Mathias Wilmart zu benachrichtigen, und dass übrigens, wenn man es getan hätte, der Regen, welcher seit Mittag fiel, ihm die Wege unpassierbar gemacht haben würde, welche das Dorf umgaben.

»Parbleu! Wenn es das ist, was Euch am Tanzen hindert«, sagte der Fremde, »habe ich gerade eine Violine bei mir und, ohne mich zu rühmen, dass ich ein ausgezeichneter Musiker wäre, hoffe ich zu bewirken, dass Ihr die Abwesenheit Mathias Wilmars, den Ihr mir so sehr lobt, nicht allzu sehr spürt.«

Er ging hinaus und kam mit einer Violine zurück. Das nahm mich sehr Wunder, denn ich hatte ihn zufällig gesehen, als er ankommend an die Tür geklopft hatte, und ich wollte bei meiner einstigen Seligkeit schwören, dass er weder in den Händen, noch unter dem Arm eine Violine trug. Das Instrument konnte auch nicht in seinem Quersack sein, denn er hatte keinen.

Wie dem auch sei; der Fremde stellte einen Stuhl mitten auf einen Tisch, kletterte hinauf und fing an, Violine zu spielen, als ob er nie in seinem Leben ein anderes Metier getrieben hätte. Man konnte ihn ohne Mühe für einen wirklichen Bierfiedler halten, denn er war ein kleiner, dicker Mann mit lustiger, im höchsten Grade spöttischer Miene. Er stampfte mit dem Fuß, schrie, drehte sich und trank wie Mathias Wilmart.

Jeder rüstete sich zum Tanz, ausgenommen der junge Gatte, der schweigsam und sinnend, sich in einen Winkel drückte und selbst seine Frau am Tanzen hindern wollte.

Der Violinespieler merkte es. »Was bedeutet ein solches Betragen, Johann Saveux?«, fragte er grinsend. »Heut ist der schönste Tag deines Lebens und du stehst da wie eine Nachteule! Allons, lustig mein Kamerad, hervor!«

Aber diesmal weigerte sich Johann Saveux, zu gehorchen. Der Fremde setzte mit einem Sprung von dem Tisch und legte seine Hand auf die Schulter des Widerspenstigen. Sogleich bemächtigte sich ein wahnsinniger Anfall von Lustigkeit Johanns, der soeben noch so traurig war. Er fing an zu sprechen, zu springen, zu lachen, aber alles das auf eine so widrige Art, dass man ihn eher für einen Besessenen gehalten hätte, als für einen Mann, der in einer halben Stunde mit einer hübschen Frau das Hochzeitsbett besteigen soll.

In der Tat erzeugte die Musik, welche der Fremde spielte, eine Art schmerzhafter Freude, welche ich bis dahin noch nie empfunden hatte. Ich fühlte während des Tanzes, tausend schuldige und sonderbare Gedanken; ich war wie betrunken oder wie in einem schweren Traum. Und dann war die Luft, die man in dem Zimmer atmete, schwer und heiß geworden, und es verbreitete sich nach allen Seiten ein starker, scharfer und erstickender Geruch, als ob man glühendes Eisen in Wasser taucht.

Es schlug zwölf: Der Unbekannte nahm seine Violine unter den Arm, stieg von seinem Stuhl und näherte sich Johann Saveux. »Jetzt!«, sagte er zu ihm.

»Noch eine Nacht; nur noch eine Nacht«, bat Johann, dessen ganzer Körper auf eine erschreckliche Weise zitterte und bebte.

»Nein«, antwortete der Unbekannte.

»Gewähre mir wenigstens eine Stunde, noch eine Stunde …«

»Nein«, antwortete eine dumpfe, unversöhnliche Stimme.

»Gib mir eine Viertelstunde«, bat noch einmal Johann auf eine klägliche Weise.

»Nein.«

»Ich habe Mitleid mit dir«, setzte der Fremde hinzu, nachdem er sich einen Augenblick an der Verzweiflung Johann Saveux geweidet hatte, »deine Frau unterzeichne dieses und ich gewähre dir noch acht Tage.«

Johann nahm eine rote Pergamentrolle mit goldenen Buchstaben, welche sein Gast ihm reichte … aber er warf sie mit Entsetzen zurück.

»Dann werde ich von der Gesellschaft Abschied nehmen und Sie werden mich einige Schritte begleiten.«

Der kleine Mann grüßte einen jeden höflich. Indem er freundschaftlich seinen Arm um den Hals Johanns schlang, sagte er zur jungen Frau: »Adieu; zürnen Sie mir nicht zu sehr, dass ich Ihren Geliebten mitnehme; Sie werden ihn aber bald wiedersehen, meine Schöne.«

Doch sah sie ihn erst den folgenden Tag, und er war dann nur noch ein vom Blitz getroffener Leichnam. So hatte man ihn, nach vielen Nachsuchungen, am Fuße einer Eiche des Hesdiner Waldes gefunden.

Als man ihn in die Kirche trug, gingen die geweihten Kerzen auf einmal aus, und man hat mir erzählt, dass das Grab, in welches man den Sarg legte, den folgenden Tag leer gefunden wurde.