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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 63

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

63. Wie Rübezahl lehrt, wie man die Fliegen los wird.

Der Herr Rumschüttel war ein gar reicher Mann, zugleich freier Bergherr und Hammermeister in Schmiedeberg, und stand sich gut, denn ging es drüben nicht mit dem Bergwerk, so ging es auf dieser Seite mit dem Schmiedewerk und umgekehrt. Und der Paperl war sein Diener und ein Mann, der in alle Sättel passte, und zugleich ein sehr feiner Kopf. Wenn die Meisterin sagte, Paperl, geh und tue das, so tat er es nicht.

Sie fragte sie dann: »Warum hast du das nicht getan?«

So sagte der Paperl: »Ich mag nicht.«

Und fragte sie wiederum: »Warum magst du nicht?«

So sagte er: »Ich kann nicht.«

Und fragte sie ferner: »Warum kannst du nicht?«

So schlug er sie glänzend und sagte: »Weil ich nicht mag!«

Auf die Art kamen sie weit miteinander.

Nun hatte der Herr Rumschüttel eine ganz besondere Ader, die er nach seinem Tod den Bergherrn, Hammermeistern und Kaufleuten hinterlassen hatte. Er war nämlich geldsüchtig und hartherzig zugleich. Hatten bei ihm die armen Leute gearbeitet, so zwang er sie, dass sie alles, was sie zum Leben bedurften, ihm gegen ihren verdienten Lohn zu teuren Preis abnahmen. Deshalb war er auch sehr verrufen, und kein Mensch hatte ihn lieb. Ein großer Geist war er auch nicht. Die vornehmen Leute, zu denen er sich rechnete, machten sich darum meist über ihn lustig. Rübezahl wusste das. Als er ihn gerade einmal in Schmiedeberg traf, so machte er sich an ihn, denn, sagte er bei sich: Einen Schabernack musst du ihm wenigstens spielen, und wenn der nicht hilft, so gibt es ja mehr Wege. Er gab sich also auf einer seiner Gruben in Arbeit und arbeitete rechtschaffen. Das war dem Bergherrn nur recht. Einmal kam er denn auch zum Bergherrn und bat ihn um Vorschuss auf seine Löhnung, denn er sei arm und bedürfe gerade einer kleinen Unterstützung und wolle alles redlich abverdienen. Der Bergherr aber macht eine verdrießliche Miene und sagte, das gehe nicht. Wolle er jedoch statt einer achtstündigen eine sechszehnstündige Schicht fahren, so wolle er sehen. Der Bergmann sagte, das halte keiner aus und müsse jeder darüber zu Grunde gehen, und handelt mit dem Bergherrn. Währenddessen – es war gerade Sommer, – ficht der Herr verzweifelt gegen die Fliegen und war ganz außer sich. Rübezahl sagte, dagegen wisse er ein Mittel. Da fing der Bergherr Feuer, es rührte sein Herz und er meinte, wenn er ihm das Mittel sage, wolle er ihm vier Stunden an der langen Schicht erlassen. So wurden sie also Handels eins.

Nun war der Herr Rumschüttel bei seinen vielen Tugenden ein wenig milzsüchtig und ärgerte sich über alles, und besonders über das Ungeziefer. Er konnte eben den Sommer nicht ausstehen wegen der Fliegen und hätte gar zu gern ein Mittel dagegen gehabt, aber damals gab es keins, was recht half.

Also sagte ihm Rübezahl: »Meins hilft, dass Ihr Euer Zimmer ganz davon reinigen könnt. Verlasst Euch auf mich!« Und damit nannte er ihm das Mittel.

Am anderen Mittag – die Fliegen waren gerade in der Sonne recht in ihrer Lust — da sagte der Herr zum Diener: »Paperl, hol mir um 30 Kreuzer Sirup, schau um 30 Kreuzer, und weiter nix.«

Der Paperl sagte »gut«, weiter nix, ging fort und holte den Sirup.

Der Herr aber schloss sich mit dem Sirup ein, wenn auch nicht ganz vorsichtig, und machte sich zurecht. Wie er nun dastand und keinen Fetzen am ganzen Leib, so fing er an, sich mit dem Sirup einzusalben und murmelt nur immer dazwischen in den Bart: »Wartet, ihr verfluchten Fliegen, nun ist euch das Brot gebacken!« Er fuhr immer mit dem Salben fort, bis er so glänzte und so braun war wie ein frischer Nürnberger Lebkuchen. Und nun schoss er im Zimmer herum. Die Fliegen dachten, dass das nicht verfänglich sei flogen hoffnungsvoll auf ihn zu und blieben an ihm kleben. Er aber schlug an seinem Leib unbarmherzig herum und alles darnieder, was Fliegen hieß. Der Kräuterklauber war ein barmherziger Bruder, obwohl evangelisch, und könnte nicht so unbarmherzig sein. Aber die Sache half, denn nachdem er eine Stunde und dreizehn Minuten im Zimmer herumspazierte, waren die Fliegen alle tot, bis auf eine Art Landwehrstamm. Der, dachte er, wird nicht viel machen. Er aber war überall wie verdroschen, lief auf wie ein Pfannkuchen von dem Prügeln, war am ganzen Leib mit Fliegen getigert, schaute aus, wie ein brauner Stichelschimmel, sah sich selber mit Entsetzen an und dachte, er sei es nimmer selber. Er stellte sich also vor den Spiegel und sah das Nämliche. Und wie er das Nämliche sah, so fing es auf einmal draußen an, sich zu regen. Viele Stimmen wirbelten durcheinander und kamen der Tür immer näher.

»Paperl«, rief er in der Angst, »Paperl.« Dabei wollte er eben ins Bad steigen, das im Zimmer stand.

Da ging die Tür auf und eine Gesellschaft stattlich gekleideter Herren trat herein; jeder mit einem Sack unterm Arm. Der Paperl sprang auf der anderen Seite herein und stellte sich vor den Riss, wiewohl vergeblich.

Indem der Herr Rumschüttel nun in das Bad hineinstieg, seine Blöße zu decken, stellen sich die Herren um die Wanne, verneigen sich vor ihm tief und jeder machte seinen Sack auf. So wie die sich öffneten, so stürzte auch eine Wolke von Fliegen heraus, bis das Zimmer so schwarz war, wie die Welt am Jüngsten Tag, wenn Sonne und Mond schon ausgelöscht sind.

Und die Herren sagten, sie kämen wieder, und was das anbelange, so solle er an Fliegen keinen Mangel haben. Wolle er jedoch ein rechter Mensch werden, der nicht ferner seine Arbeiter bedrücke und ausziehe, so würden sie ein Einsehen haben. Damit machten sie ihm wieder eine tiefe Referenz und verließen das Zimmer.

Wie verlautet hatte er sich die Sache zu Herzen genommen.

Der günstige Leser und der Kräuterklauber bedanken sich bei Rübezahl, dass er wieder ein gutes Werk gestiftet hatte. Wenn einer zu viel Fliegen im Haus hat, so weiß er nun, wie er es macht, wenn er sie los sein will.