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Der Kampf der Stedinger Bauern

Der Kampf der Stedinger Bauern

Als Deutscher Bauernkrieg oder die Revolution des gemeinen Mannes wird heute noch in den Geschichtsbüchern die Zusammenfassung aller Aufstände von Bauern, Städtern und Bergleuten bezeichnet, die 1524 aus teils ökonomischen, teils religiösen Gründen in weiten Teilen Süddeutschlands, Österreichs und Thüringens sowie der Schweiz ausbrachen und in deren Verlauf die Bauern mit den Zwölf Artikeln von Memmingen erstmals Forderungen stellten, die bis in unsere Tage immer noch als die erste Fassung der Menschenrechte gelten.

Das Ende ist bekannt.

Als im Jahr 1526 in Tirol der letzte Aufstand blutig niedergeschlagen wurde, hatten insgesamt mehr als 70.000 Bauern den Tod gefunden.

Weniger bekannt hingegen ist die Geschichte der Stedinger Bauern, die beinahe dreihundert Jahre zuvor versucht hatten, sich gegen die Unterdrückung durch Adel und Kirche zu wehren. Eigentlich unverständlich, war es doch mit ihr Schicksal, das sich die Aufständischen während des Bauernkrieges auf die Fahne geschrieben hatten.

 

***

 

Während mit dem Beginn des 13. Jahrhunderts die Bauern des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation durch die katholische Kirche und den Adel ihres freien Grundbesitzes und ihrer bäuerlichen Freiheiten bereits beraubt waren, sie fast ohne Ausnahme für ihre Lehnsherren Zins- und Frondienste leisten mussten und zum Großteil als Leibeigene galten, gab es im Gebiet an der unteren Weser und an der Hunte einen friesischen Stamm, der sich der Unterdrückung durch Kirche und Adel mit solchem Erfolg wehrte, dass seine Mitglieder als freie Bauern auf freier Scholle galten.

Man nannte sie die Stedinger.

Doch bereits 1204 versuchten mehrere Junker, Söhne des Adels und Edelleute ohne sonstige Titel, in ihrem Gebiet auf einigen Hügeln sogenannte Fronburgen zu errichten, um die Bauern neben Adel und Kirche ebenfalls zur Kasse zu bitten.

Schnell gingen die Stedinger Bauern vom passiven Widerstand in den offenen Kampf über und führten gegen die Junker einen regelrechten Krieg, an dessen Ende die Vertreibung der hohen Herren und die Zerstörung ihrer Fronburgen standen.

Aber die Freude über den Sieg währte nicht lange.

Denn nun versuchte der Erzbischof von Bremen die Bauern mit Abgaben zu belasten. Seine Kassen waren leer, denn das ausschweifende Leben der Kirchenoberen kostete Geld, viel Geld. Dabei verbündete er sich mit dem Graf von Oldenburg, um im Falle der Weigerung der Stedinger Gewalt anwenden zu können.

Die freien Bauern lehnten die willkürlich verfügten Abgaben und Zinszahlungen natürlich ab, worauf der Erzbischof sie als Ketzer bezichtigte, und auch nicht davor zurückschreckte zu behaupten, dass die Stedinger in ihren Kirchen und religiösen Versammlungen Katzen anbeteten.

Ein perfider Plan, denn zu dieser Zeit erreichte die erste Welle der von Spanien und Frankreich ausgehenden Inquisition auch Deutschland und in Köln, Trier, Goslar und Erfurt brannten die ersten Ketzer.

Da der Graf von Oldenburg noch zögerte, nahm der Bremer Erzbischof Verbindung zu seinem Bruder, dem Grafen von der Lippe, auf und begab sich gemeinsam mit ihm auf einen Feldzug gegen die Stedinger. Selbstgefällig und im Glauben, mit ihrer Ritterschaft das dumme und kriegsungeübte Bauernvolk im Vorbeigehen zu unterwerfen, zogen sie in das Land der freien Bauern ein. Das Unternehmen endete in einem einzigen Desaster. Die Stedinger waren nicht nur kampferfahren, sondern beseelt von dem Wunsch, ihre Freiheit bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Die Ritter erlitten eine schmähliche Niederlage, bei der auch der Bruder des Erzbischofs sein Leben verlor.

Voller Hass und mit dem Wunsch nach Rache wandte sich der Erzbischof wenig später an Papst Gregor IX., um die offizielle Erlaubnis zu erhalten, einen Glaubenskrieg gegen die ketzerischen Stedinger führen zu können. Vorbelastet durch die Inquisition, die in Europa inzwischen ihren ersten Höhepunkt erreicht hatte, stimmte der Papst zu, und nun wurde landesweit gegen die Stedinger das Kreuz gepredigt.

Jetzt zögerte auch der Graf von Oldenburg nicht mehr und zog 1233 mit 200 Kreuzfahrern gegen die Stedinger Ketzer zu Felde. Doch die freien Bauern wehrten auch diesen Angriff ab.

Mehr noch, sie erschlugen nicht nur den Grafen, sondern auch all seine 200 Ritter.

 

***

 

Für Kirche und Adel stand nun alles auf dem Spiel.

Wenn es ihnen nicht gelang, die Stedinger schnellstens zur Räson zu bringen, würden deren Lehren von Freiheit auch das übrige Volk erfassen, was über kurz oder lang eine Einstellung sämtlicher Zahlungen ihrer zum Teil willkürlich erlassenen Abgaben und Steuern nach sich ziehen würde. Massiver Geld- und Machtverlust wären die Folge.

Die Kirche begann, unterstützt von den Adelshäusern aus Oldenburg und von der Lippe, eine regelrechte Predigtpropaganda gegen die Ketzer.

Der Erfolg stellte sich bereits im darauffolgenden Jahr ein.

1234 zogen, angeführt vom Herzog von Brabant und den Grafen von Holland, von Cleve, von der Mark und von Oldenburg, 40.000 Soldaten gegen die Bauern ins Feld.

Alle freien Männer des Stedinger Landes stellten sich ihnen entgegen, trotzdem waren es nur 11.000 Kämpfer, die Bolke von Bardenfleet, Tammo von Hunthorpe und Detmar von Damme zur Verteidigung ihrer Freiheit zur Verfügung standen.

So kam es, wie es kommen musste.

Obwohl die Stedinger mit dem Mut der Verzweiflung kämpften, ein Dutzend Fürsten, darunter auch den neuen Grafen von Oldenburg, und über 4000 ihrer Soldaten töteten, obsiegte am Ende das übermächtige Heer von Adel und Kirche.

Die Hälfte der freien Bauern fand auf dem Schlachtfeld den Tod und der Rest flüchtete zum verwandten Stamm der Rüstringer und vereinte sich völlig mit ihm.

Die freien Männer von Steding hatten damit aufgehört zu existieren, ihr Land fiel unter die Herrschaft des Erzbischofs von Bremen. Damit war um 1235 der letzte Hort eines freien Bauerntums in Deutschland endgültig ausgelöscht.

Das Siegel der Stedinger, das von den Worten Freie Bauern auf freier Scholle umrahmt war, nur noch Legende.

Quellenhinweis:

  • Die Deutschen, eine Chronik von Artur Müller, Verlag Kurt Desch, ISBN: 3-420-04644-8

(gs)