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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schinderhannes – Viertes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Viertes Kapitel

Schinderhannes zweimal gefangen und wieder befreit.

Die Landjäger brachten den Schinderhannes nach Saarbrücken ins Gefängnis. Sein Kamerad, der rote Fink, saß da bereits auch im Käfig. Das kam jenem zu gut, denn der Fink half ihm wieder hinaus, sodass er sich aufs Neue in seinen verborgenen Schlupfwinkeln im hohen Wald1 verstecken konnte. Die Köhler, die da wohnten und ihr Geschäft betrieben, kannten ihn gut, und er hatte nicht zu befürchten, Mörder in den Wald fliehen. Einer der Bauern machte Miene, ihm nachzusetzen, unterließ es aber sogleich, nachdem Peter einen gellenden Pfiff in den Wald hinein getan hatte. Beide Räuber gingen nun in die Schenke zurück, wo Peter die Wirtsleute auch noch misshandelte und sich dann mit Schinderhannes in die Tiefe des Sohmwaldes begab. Hier teilten sie die Habe des ermordeten Bauern. Der Anteil des Hans betrug so viel, dass er sich Rock, Weste und Hosen davon machen lassen konnte. So hatte er nun auch Anteil an Mord und Straßenraub. Ob ihn die Kleidungsstücke auf seinem Leib nicht gebrannt haben mögen?

Der Name des Schinderhannes wurde nun immer bekannter, besonders hatte seine Flucht aus dem Gefängnis in Saarbrücken großes Aufsehen gemacht. Alle eingefangenen Diebe bekannten, mit ihm schon Diebstähle begangen zu haben, bei denen immer die Hauptschuld auf ihm lastete. Darum gab sich nun die Polizei auch alle Mühe, ihm auf die Spur zu kommen, und hatte auch schon in einer finsteren Nacht seinen Schlupfwinkel umzingelt. Aber der Vogel war mit dem Sohn des schwarzen Peters ausgeflogen. Nur der Letztere geriet mit seiner Familie in Gefangenschaft, entkam aber bald wieder. Schinderhannes traute nun selbst dem guten Wetter nimmer und wechselte daher fortwährend seinen Aufenthaltsort. Alles, was er erhaschen konnte, Pferde, Hammel, Hausgerät etc. war ihm gut genug.

Vor Kurzem hatte er seinen bisherigen Kameraden, den jungen Peter, fortgejagt und machte nun gemeinschaftliche Sache mit dem jungen Müllerhannes. Auf Höfen und Mühlen erhielten beide immer freies Quartier und gute Bewirtung. Bald aber bekamen sie wider ihren Willen beides recht schlecht. In einem Dorf bei Kirn wurden sie nämlich bei Nacht von vier Landjägern aufgehoben und nach Simmern gebracht. Schinderhannes bekannte seinen Namen und seine vielen Diebstähle und glaubte sich dadurch sein Los zu erleichtern. Er wurde, weil man seine öfteren Entweichungen kannte, in einem finsteren, unterirdischen Gefängnis verwahrt und mit Ketten belastet. Nur hin und wieder brachte man ihn bei Tage in ein oberes Gelass, um ihn freie, frische Luft einatmen zu lassen. So verlebte er hier mehrere Monate. Einige Jahre danach noch befiel ihn nach seiner Aussage ein Schauer, wenn er an jenen Aufenthalt dachte.

Dass er aus diesem Gefängnis entkommen könne, hielt man für eine Unmöglichkeit. Und dennoch entkam er, freilich erst nach unsäglichen Anstrengungen. Aber beim Sprung, den er als letztes Mittel seiner Befreiung zu machen hatte, rollte ihm ein großer Stein nach und schlug ihm das Bein entzwei. Eine Zeit lang lag er halb besinnungslos am Boden und wagte aus Furcht, entdeckt zu werden, keinen Seufzer. Als er sich aufraffen wollte, sank er wieder zusammen, fand aber endlich eine Stange, mit deren Hilfe er höchst mühselig fortkroch und mit der Morgendämmerung den nahen Wald erreichte, wo er den ganzen Tag über im dichtesten Gebüsch verborgen lag. In der folgenden Nacht schleppte er sich wieder so fort, und in der dritten erreichte er eine Mühle, wo er besinnungslos niedersank, denn er hatte seit seiner Flucht gar nichts genossen und war überdies schon durch die gemachten Anstrengungen von Kräften gekommen. Nachdem er auf der Mühle sich durch Speise und Trank wieder gestärkt hatte, kroch er in ein nahes Dorf, wo er bei einem Bekannten gegen Nachstellungen gesichert war. Dieser verschaffte ihm ein Pferd, auf dem er zu seinem alten Meister in Bärenbach ritt, um sich von ihm den Fuß wieder einrichten zu lassen.

»Es verdirbt kein Unkraut.«

Nach wenigen Wochen war Schinderhannes wieder auf den Beinen und setzte nun sein wüstes Leben fort.

Show 1 footnote

  1. Der hohe Wald ist südwestlich vom Hunsrück im Gebiet der Saar, die ein paar Stunden oberhalb Trier sich in die Mosel ergießt.