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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Alte vom Berge – Kapitel 3

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

III.

Hugo war der einzige Sohn des in Thüringen hochgeehrten Ritters Caspar von Maltiz. Der Knabe reifte schon zum Jüngling heran, als der Abt eines nahen Klosters seinen Vater heimsuchte, um ihn zu einem Kreuzzug gegen die Ungläubigen zu bereden. Caspar hatte jedoch keine Neigung und sagte dem Abt unverhohlen, dass es in Deutschland genug Streitigkeiten gäbe, ohne sich mit den Sarazenen herumzuschlagen. Der Abt geriet in Eifer, weil seiner Meinung nach das verdienstlichste Werk sei, um sich von seinen Sünden zu befreien, das heilige Grab gegen die Ungläubigen zu verteidigen. Auch Caspar wurde etwas hitzig und erzählte dem Abt einige Betrügereien, welche sich Klöster in der Abwesenheit der Ritter hatten zu Schulden kommen lassen. Seit dieser Zeit nahmen die Leiden der Familie Maltiz ihren Anfang.

Wenige Nächte hierauf, als Caspar ruhig schlief, weckte ihn eine dumpfe Stimme. Erstaunt blickte er um sich, denn in goldener Rüstung stand ein hoher Mann an seinem Lager.

»Caspar«, sprach die Gestalt, indem sie das Visir öffnete, wodurch ein Totenkopf sichtbar wurde. »Caspar, ich bin dein Ahnherr Alf. Ziehe gen Jerusalem und du wirst einst auch zur rechten Hand deines Heilandes sitzen können.«

Caspar hatte sich nun von seinem Erstaunen erholt, sprang auf, warf mit so kräftiger Faust den Geist gegen die Wand, dass er laut zu schreien anfing und ehe es Caspar verhindern konnte, die Tür glücklich erreichte. Die im Zimmer umhertanzenden Flämmchen waren verloschen und hinterließen einen fürchterlichen Geruch. Caspar rief dem Burgwart zu, in das Horn zu stoßen, worauf es bald lebhaft in der Burg wurde. Ängstlich kam Gertrud, Caspars Eheweib herbei, und fragte nach der Ursache dieses Lärmes.

»Unsere friedlichen Tage sind dahin«, sprach er, »Verfolgung wird nun unser Los sein, aber mutig wollen wir den Stürmen trotzen.«

Ohne sich wappnen zu lassen, wollte er eben in den Burghof, um den entflohenen Geist aufzusuchen, aber wie schauderte der feste Ritter zusammen, als er seinen Leibknappen, den man das Gesicht schwarz gefärbt hatte, ermordet am Boden liegen sah.

»Pfaffen!«, rief er wütend aus, »was seid ihr für Menschen!«

Gleich beim Ermordeten lag der Helm des Geistes, woran frisches Blut klebte.

Von den Reisigen begleitet, durchsuchte Caspar besonders die Gegend jenes Klosters, um den Geist vielleicht zu erhaschen, allein vergebens.

Am Morgen schickte Caspar den Helm zum Kloster mit den Worten: »Ein Klostergeist habe in dieser Nacht den Helm verloren, er möge sich jedoch in der Burg nicht wieder blicken lassen, sonst würde er um einen Kopf kürzer gemacht.«

Wenige Tage nach dieser Begebenheit verschwand plötzlich der Burgpfaffe. Auf einem Pergamentstück las man die Worte: »Bei einem heidnischen und ketzerischen Ritter kann und darf ich nicht länger bleiben. Willibald.«

»Aha«, sagte Caspar, als er dies gelesen hatte, »die Kirche will mich in den Bann tun, aber fest will ich dennoch stehen.«

In kurzer Zeit verließen mehrere Knappen und Bogenschützen die Burg, weil sie hierzu von den Pfaffen aufgefordert wurden.

»Meine reichen Besitzungen gelüsten den Pfaffen«, sagte er eines Tages zu seinem Sohn Hugo. »Aber was vermag List gegen unsere Schwerter?«

»Sehr viel«, meinte Hugo, »besonders wenn der Feind unedle List anwendet, denn alle Pfaffen sind gegen uns.«

Caspar lächelte darüber und begab sich bald auf die Jagd. Er war leicht gekleidet; nur ein Panzerhemd bedeckte Brust und Rücken. Kaum hatte er sich von seinem Gefolge getrennt, so sauste ein Bolzen durch die Luft und traf ihn fest auf die Brust. Betäubt und erschrocken erholte er sich erst wieder, als der Schändliche entflohen war. Sein Horn rief zwar seine Begleiter zusammen, allein ihre Nachforschung blieb fruchtlos.

»Also trachtet man mir sogar nach dem Leben«, meinte er, und begab sich missmutig zur Burg zurück.

Gertrud kam mit ihrem dreijährigen Töchterchen blass und entstellt dem Vater entgegen.

»Dir ist gewiss nicht wohl?«, fragte er sie herzlich.

»Mir wird bald recht wohl sein«, entgegnete sie, »denn nur zu gut fühle ich es, ich bin vergiftet. Schon wühlt der Tod furchtbar in meinen Eingeweiden.«

Caspar versuchte sie zu be ruhigen, allein fest behauptete sie ihre Aussage.

Aller angewandten Mittel unerachtet, war die gute Frau nach wenigen Tagen eine Beute des Todes, und bald darauf folgte auch ihr Töchterchen. Caspars Unglück grenzte an Verzweiflung. Er fluchte auf die allwaltende Vorsehung und hauptsächlich auf die Diener der Religion. Eine natürliche Folge war, dass der Bann wirklich über ihn ausgesprochen wurde.

Die Lehnsmänner und Unterthanen verweigerten den Gehorsam. Die meisten Knechte verließen die Burg. Wenn Caspar eine Kirche betrat, so wurde augenblicklich der Gottesdienst geschlossen. Hunger und Noth herrschte bald

auf der Burg, und wenn Vater und Sohn nicht verhungern wollten, so musste zur Buße geschritten werden. Caspar konnte sich dazu jedoch nicht entschließen. Er übergab dem treuesten seiner Diener die Verwaltung seiner Güter und ritt mit seinem Hugo ins gelobten Land.

Vom tödlichen Geschoss des Feindes getroffen, sank hier bald der Unglückliche, wurde aber, weil er noch im Bann war, in geweihter Erde nicht begraben.

Hugo kämpfte nun noch volle zwei Jahre gegen die Ungläubigen, dann erwachte bei ihm aber doch die Sehnsucht nach dem lieben Vaterland. Auf einem genuesischen Schiffe erreichte er Europas Boden wieder und eilte nun auf flüchtigem Ross der väterlichen Burg zu. Aber wie erstaunte er, als auch nicht ein bekannter Knecht mehr auf der Burg zu finden war. Man sagte ihm, dass Caspar alle seine Güter dem nahen Augustinerkloster vermacht habe.

»Pfaffenränke!«, knirschte Hugo und jagte dem Kloster zu. Der Abt zeigte dem Jüngling auf Verlangen die Urkunde seines Vaters über die Schenkung seiner sämtlichen Güter an das Kloster.

»Die Urkunde ist falsch«, schrie Hugo, »denn wo wird mein Vater so töricht handeln und seine Güter verschenken, da er noch einen Sohn hat?«

»Ficht Euch der Geist Eures ketzerischen Vaters an?«, fragte grinsend der Abt.

»Ich werde Gerechtigkeit suchen und auch finden«, erwiderte Hugo und verließ das Kloster.

Auf einem nahen Hügel, von wo aus er die herrlich gesegnete Gegend überschauen konnte, warf er sich nieder und flehte Gott um einen schnellen Tod an. Seine Lage war schrecklich. Was sollte er anfangen? Womit sich ernähren? Das Wiehern eines Rosses weckte ihn aus seinen trüben Gedanken. Er blickte um sich und gewahrte einen Tempelritter, welcher die Straße nach Görlitz ritt, woselbst eine Komturei war. Schnell keimte der Gedanke in ihm, ein Templer zu werden, denn dieser Orden ernährt und kleidet jedes Mitglied.

Der Ordenskomtur hörte lächelnd des Jünglings Entschluss an, dachte aber doch so brav, und sagte zu ihm, dass er ja seinen Entschluss reiflich überlegen möge, denn die Gelübde der Keuschheit, des unbedingten Gehorsams und der Armut, wären wirklich schwer zu halten.

Hugo erzählte ihm auch den Betrug des Abtes, worauf der Komtur lächelnd entgegnete: »Die Güter sind dem Orden gewiss, denn wir sind mächtig und ohne Wirkung bleibt der Bann.«

Durch unverdächtige Beweise brachte es der Orden wirklich bald dahin, dass das Augustinerkloster die Maltiz’schen Güter wieder herausgeben musste. Hugo zog mit mehreren Templern wieder nach Palästina, wo er im Orden förmlich aufgenommen wurde. Seine Taten verschafften ihm bald bei den Brüdern Achtung und Liebe. Hoher ritterlicher Sinn beherrschte ihn so sehr, dass er manche Tat des Ordens nicht billigte, aber dennoch unbedingten Gehorsam leistete.