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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 15

Pamilius-Frohmut-Eulenspiegel-Band-2Des Erzkalfakters, Quadratschlankels und durchtriebenen Leutvexierers, Pamfilius Frohmut Eulenspiegel, des allbekannten, berüchtigten und weltverrufenen Till Eulenspiegel einzigen Sohnes pfiffigen Streiche, Ränke, Schwänke und lustige Possen als: Hendlschnipfer, Brotschwindler, Rahmkripfer, Fischdieb, Entenangler, Zigeuner-, Schneider- und Schusterlehrbua, Herzogslebensretter, Herold, Schatzgräber, magistratischer Bademeister, Hofnarr, Feldherr, frommer Pilger, glücklich dem Galgen entgangener Spieler usw.

Wohlfeiles Brot

Es kam eine harte Zeit, da wir einen ganzen Tag lang keinen Bissen Brot mehr hatten, und der Dorfbäcker uns nichts borgte, worüber die arme Mutter bitterlich weinte.

»Tröste dich, Mutter«, sagte ich zu ihr, »ich will jetzt Brot genug holen.

»Du hast ja kein Geld?«

»Ich brauche keines. Nur Geduld!« Ich warf einen Sack über meine Schulter und ging in ein Dorf, worin man mich nicht kannte. Am Fenster des Bäckerladens saß die Frau Meisterin und betrachtete mich lange, da ich einige Schritte davon so laut schluchzte, als ob es mir das Herz abstoße.

»Warum weinst du denn, Junge?«, fragte sie mitleidig.

»Ich sollte bei Euch für 6 Groschen Brot holen, da ihr das beste Brot in der ganzen Gegend habt. Meine Hosentasche hat aber ein Loch, was ich nicht wusste, und so habe ich die 6 Groschen verloren. Daraus machen sich Vater und Mutter freilich nichts, aber dafür, dass ich kein Brot mitbringe, auf welches sich beide schon freuen, werde ich Prügel genug bekommen, wenn ihr nicht so christlich seid, mir das Brot zu borge, und Euren Lehrbuben mitzugeben, der dann von der Mutter die 6 Groschen und noch überdies ein Trinkgeld erhalten wird.«

»Wer und wo sind denn deine Eltern?«

»Schneiderseheleute in Masching, nur drei Viertelstunden von hier, wo sie sich erst in der vorigen Woche ein Anwesen mit einem Pferd und sechs Kühen gekauft haben, denn der Vater fährt zweimal in der Woche als Milchweib in die Stadt.«

Ich sagte dies so ernsthaft, dass die Bäckerin lachen musste. Sie zählte mir die Brotlaibe in den Sack.

»Tausend Dank«, sagte ich. »Unser Herrgott wird Euch für Euer gutes Herz gewiss belohnen!«

Mit dem Sack auf der Schulter, den Lehrbuben zu meiner Linken, watete ich etwa eine Viertelstunde lang durch den tiefen Straßenkot, als mir aus dem unteren Ende meines Sackes, dessen Naht ich im Gehen unbemerkt zwei Spannen breit mit dem Messer aufgetrennt hatte, ein Laib in den Schmutz fiel.

»Diesen beschmutzen Laib darf ich nicht heimbringen, ohne Schläge zu kriegen«, sagte ich zum Lehrbuben. »Ich schenke ihn dir. Wenn du ihn zu Hause abwäschst, so kannst du ihn recht gut essen. Sei so gut, lauf geschwind zurück, und sag deiner Meisterin , dass sie so gut sein möge, mir einen anderen Laib Brot herauszuschicken. Für den verunglückten Laib werde sie schon die Bezahlung auch bekommen. Lauf nur schnell und komm gleich wieder! Unterdessen warte ich hier auf dich und nähe meine unglücklichen zwei Löcher zu, das Loch in der Hosentasche uud das Loch im Sack.«

Ich tat dies wirklich und zog vor den Augen des Lehrbuben Nadel und Faden aus der Tasche meines Wamses hervor. Der Lehrbube, welcher den ihm geschenkten Laib schon auf einer nur leicht bespritzten Seite angebissen hatte, rannte fort, und, als er mich nicht mehr sehen konnte, ich auch, aber seitwärts durch einen dichten Wald, und nicht Masching zu, sondern in unser Dorf.

Die Mutter war sehr erfreut über das Brot, und da ich im Färben ohnehin schon sehr geübt war, so machte ich ihr weiß, das Brot sei mir in einem Dorf, nach dessen Namen ich nicht fragte, geborgt worden, und ich werde es nach dem nächsten Verkauf gefangener Singvögel bezahlen.

Bisweilen machte ich mir den Spaß, in die Milchkammern der Bäuerinnen zu schleichen oder einzusteigen, und mit einem beinernen Löffel den Rahm von der Milch abzuschöpfen, der mir besonders gut schmeckte. Da ich dies nach und nach bei allen Bäuerinnen tat, um nicht parteiisch zu sein, so klagten sie einander ihr Leidwesen, indem sie nicht begreifen konnten, warum ihre Milch nicht mehr aufwerfe.

Als ich zwei Bäuerinnen so miteinander sprechen hörte, sagte ich:

»Ohne Zweifel ist da eine Hexerei dahinter, gegen die ich ein gutes Mittel weiß. Wenn mir jede von Euch zwei Groschen gibt, so sollt ihr euren Rahm wieder täglich finden.«

Sie gaben das Geld mit so gutem Erfolg, dass alle l4 Bäuerinnen des Dorfes mir mit Freuden diese Rahmsteuer bezahlten.